Protocol of the Session on October 16, 2008

Was müssen wir also tun, nachdem wir nachweisen konnten, wie positiv unsere finanzwirtschaftliche Entwicklung im Landeshaushalt ist, nachdem die sächsische Finanzpolitik solide und gut über viele, viele Jahre geführt worden ist? Was müssen wir tun, welche nachhaltigen Maßnahmen sind zur Fortsetzung unserer nachhaltigen Haushaltspolitik und zur weiteren vollständigen und zweckgerechten Verwendung der Solidarpaktmittel notwendig?

Meine Damen und Herren! Wir müssen den strukturellen Anpassungsdruck aufrechterhalten. Wir werden im Stellenabbau der Staatsregierung weiter voranschreiten müssen. Auch der Doppelhaushalt 2009/2010 bietet keinen Raum für neue und zusätzliche Personalstellen, insbesondere dann, wenn wir die Tarifforderungen des öffentlichen Dienstes im Hinterkopf haben. Wir werden bald den Doppelhaushalt in diesem Hohen Haus behandeln. Dann können wir eigentlich nur versuchen, den innovativen und vernünftigen Regierungsentwurf ohne Neuverschuldung, mit Generationenfonds, auch mit Schuldentilgung – Kollege Pecher ist darauf eingegangen –, mit der Investitionsquote, die gerade noch so in dem Rahmen liegt, der uns auch in Zukunft den Fortschrittsbericht erfüllen lässt, zu realisieren. Wenn sie weiter absinkt, wird es ganz schwierig. Wir können diesen Entwurf nur weitestgehend durch die Haushaltsberatung tragen.

Meine Damen und Herren! Was ist die Aufgabe eines Parlamentes? Ein Parlament ist nicht gegründet worden, um sich Gedanken darüber zu machen, wie man das Geld des Steuerzahlers noch an anderer Stelle und zusätzlich über das Notwendige hinaus verwenden kann, sondern wir sollen das Geld des Steuerzahlers zusammenhalten. Wir sollen investieren. Wir sollen nachhaltige Finanzpolitik machen. Dazu halten uns der Solidarpakt und der Fortschrittsbericht an. Der Freistaat Sachsen hat seine Hausaufgaben erfüllt und in diesem Bericht wird dies dokumentiert.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Johannes Lichdi, GRÜNE: Aber auf die Argumente ist er nicht eingegangen!)

Die SPD spricht noch einmal; Herr Pecher.

Meine Damen und Herren! An den Ausführungen meines Kollegen Rößler sehen Sie schon – wenn man das mit Frau Hermenaus Rede vergleicht –, in welchem Spagat wir teilweise stehen. Ich werde versuchen zu skizzieren, worauf es ankommt.

Herr Scheel, ich wollte mit keinem Wort – und ich habe es auch nicht getan – die anderen Bundesländern schelten, dass sie Solidarpaktmittel nicht immer vollumfänglich so verwendet hätten, wie es der Fortschrittsbericht zeigt. Im Gegenteil, ich habe aufgezeigt, dass wir in der Vergangenheit bis jetzt mit durchschnittlich 130 % unser Soll übererfüllt haben. Im Umkehrschluss liegt nahe, dass wir es uns leisten können, über die SoBEZ-Mittel in den verbleibenden zehn Jahren in der Form zu investieren, wie es Frau Hermenau annähernd skizziert hat. Daraus mache ich kein Hehl. Wenn die letzte gut sanierte Straße ins Nirgendwo gebaut ist – ich erinnere an den Rechnungshofbericht: Pockauer Weg –,

(Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

dann haben wir zwar die SoBEZs richtig verwendet. Aber wo bleibt dann das Kinderlachen? Wer soll diese Straße im Zweifelsfall noch nutzen? Der Containertransitverkehr von der Nordsee nach Sofia oder die 78-jährige Rentnerin mit ihrem Rollator? Das ist doch die Alternative, vor der wir im Zweifelsfall stehen.

Ich denke, in der Finanzpolitik in Sachsen muss es eine andere Schwerpunktsetzung geben. Gelegentlich gibt die Wirtschaft selbst die Antwort darauf. In einer Logistikfachtagung in Zwickau am 8. Oktober, auf der sachsenweit alle Logistiker von den OEMs bis zu den Lebensmitteln vertreten waren, wurde einhellig gesagt: Ja, die Infrastruktur in Sachsen ist in Ordnung. Es gibt nur noch ganz wenige Dinge – Stichwort: B 93, Übergang nach Tschechien.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Kommen Sie mal an die Uni in Chemnitz!)

Bei einem Gespräch mit der Sparkasse sagten mir die dort Beschäftigten des Personalmanagements: Wir müssen uns um unsere Fachkräfte kümmern. Wir müssen Angebote für unsere jungen Frauen schaffen, dass eine Betreuung ihrer Sprösslinge möglich ist, dass sie die Perspektive haben, Überstunden zu machen, am Wochenende Seminare machen zu können und dass die Betreuung gesichert wird. Das ist aktive Wirtschaftsförderung und das sagt die Sparkasse. Das in die Richtung zu stellen, dass dies links angeordnet sei, denke ich, ist sehr weit hergeholt.

Ich sage nur: Hallo, Land, es ist Zeit aufzuwachen! Es ist nicht Aufgabe des Staates und des Freistaates Sachsen, dieses Land rundum, von vorn bis hinten zu sanieren. Aufgabe ist es, in Wirtschaft zu investieren. Wirtschaft nützt dem Menschen, sie ernährt ihn. Aber wir müssen auch direkt in den Menschen investieren, wenn man so will: in die Software. Kapital und Vermögenswerte sind nicht wie im Vermögensbericht Brückenbauwerke, Straßen oder die Schätze des Grünen Gewölbes, sondern es sind in erster Linie unsere Menschen. Irgendwann ist auch in Tschechien die beste Straße gebaut und dann beginnt der Wettbewerb um die Köpfe, die Bildung und die Fachkräfte, der jetzt hier schon tobt.

Deshalb werden wir in den Haushaltsverhandlungen unsere Schwerpunkte ganz klar in diese Richtung lenken.

Wir werden unsere Prioritäten im Bereich Kinder, Bildung und gesellschaftliches Engagement setzen. Wir werden und wollen in Krippen, Kitas, Schulen, Hochschulen, Sporthallen, Schulhausbau, Hochschulbau, Stadtumbau, Klimaschutz und auch in Feuerwehr und Polizei investieren. Wir wollen in das investieren, was die Menschen zum Leben brauchen. Wir wollen, dass die Menschen hier bleiben, dass sie hier ihr Auskommen haben und hier Kinder bekommen. Denn wenn wir diesen demografischen Wettlauf verlieren, dann haben wir die leere Straße mit der guten Oma und dem Rollator.

Nun wird der eine oder andere sagen: Da spucken ja die Sozis ganz schön große Töne.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Da hat er recht!)

Ich möchte an den Fortschrittsbericht 2004, Debatte 2005, erinnern. Dort kam von der Linksfraktion: Die Arbeitslosigkeit wird weiter steigen, Rückgang von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen, erlahmende Investitionstätigkeit. Von der FDP kam natürlich: Nimmermehr schaffen wir den korrekten Mittelverbrauch 2005.

Was haben wir gesagt? Wir haben gesagt: Schwerpunkt ist der Arbeitsmarkt. Ich habe hier gesagt: Neuverschuldung null.

(Holger Zastrow, FDP: Stimmt nicht!)

Wir müssen tilgen. Damals kam sogar von meinem Kollegen Uwe Albrecht – damals war er noch hier – ein müdes Lächeln aus Richtung unseres Koalitionspartners.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Fazit ist: Bis jetzt lag die Opposition in ihren Vorhersagen eindeutig daneben. Dabei erinnere ich gar nicht an die Dinge, die wir bis jetzt neu gemacht haben und die unstrittig sind. Das ist das Thema Schulvorbereitungsjahr, das Thema Ganztagsangebote, und das ist auf dem Arbeitsmarkt mit den zurückgehenden Arbeitslosenzahlen auch das Thema Kommunal-Kombi.

Ich denke, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Der Fortschrittsbericht ist gut. Wir werden im Haushalt unsere Schwerpunkte in Richtung Mensch, in Richtung Köpfe setzen. Die Regierungsbeteiligung der Sozis in diesem Land ist gut und sie tut diesem Land gut.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Gibt es noch weiteren Diskussionsbedarf? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung, ob sie reagieren möchte. – Herr Staatsminister, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz zusammenfassen, wie die Diskussion ablief, bzw. die Ergebnisse unseres Fortschrittberichtes darlegen.

Wie Sie wissen, legen alle ostdeutschen Länder einschließlich Berlin seit dem Jahr 2002 den Fortschrittsbe

richt Aufbau Ost vor. Dabei geht es um die Verwendung der Solidarpaktmittel des Korbes I; etwas sperrig ist der Ausdruck „Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisung“. Ziel des Korbes I ist: erstens Investitionen zum Abbau der teilungsbedingten Sonderlasten zu finanzieren und zweitens die unterproportionale Finanzkraft der Kommunen auszugleichen.

Im Jahr 2007, also im letzten Jahr, hat der Bund dafür 2,7 Milliarden Euro für Sachsen gezahlt. Davon sind 2,5 Milliarden Euro in Infrastrukturinvestitionen geflossen und weitere knapp 350 Millionen Euro zum Ausgleich der unterdurchschnittlichen kommunalen Finanzkraft verwendet worden. Das sind in der Summe rund 2,8 Milliarden Euro. Rein rechnerisch liegt die Verwendungsquote bei 105 %. Ich weise darauf hin: Damit liegen wir zusammen mit anderen Bundesländern, nämlich mit Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, bei über 100 %. Selbst Brandenburg liegt inzwischen bei knapp 100 %.

Wenn man sich die Zahlen seit dem Jahr 1995 anschaut, stellt man fest, dass diese Quote in Sachsen im Durchschnitt bei 127 % lag. Das heißt, die Quote liegt deshalb so hoch, weil neben den Solidarpaktmitteln auch eigene Mittel eingesetzt wurden. Seit 1995 sind das in der Summe immerhin knapp 40 Milliarden Euro, nämlich 39,4 Milliarden Euro.

Ich glaube – das ist bei den Vorrednern schon angeklungen –, wir sollten diesbezüglich dankbar sein; denn diese Zuweisungen ermöglichen es uns, dass wir pro Einwohner erheblich höhere Finanzausstattungen haben als die alten Bundesländer.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU, und des Staatsministers Geert Mackenroth)

Vergleicht man das mit den Ländern Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein oder dem Saarland, dann konnten wir aufgrund dieser Solidarpaktmittel doppelt so viele, doppelt so hohe Baumaßnahmen wie die besagten Länder vornehmen, insbesondere in unseren Schulen, Hochschulen, im Straßenbau und auch im Städtebau.

Vergleichen wir uns mit diesen Ländern, so waren wir in den letzten Jahren in der Lage, dreimal so viel im Hochschulbau zu investieren als besagte Länder. Wenn wir uns den Wohnungsbau und die Städteplanung ansehen, dann lag diese Quote fünfmal so hoch. Ich glaube, das sind keine schlechten Unterstützungen, die wir dabei erhalten haben.

Wenn man analysiert, was mit diesem Geld an Arbeitsplätzen geschaffen bzw. welche stabilisiert werden konnten – wir haben es einmal ausgerechnet –, dann sprechen wir immerhin von rund 20 000 Arbeitsplätzen pro Jahr, die wir damit unterstützen. Das ist besonders bedeutend, wenn man vergleicht, wie gering noch die Privatinvestitionen in Sachsen sind.

Wichtig wird es deshalb sein, dass wir diese Mittel in den nächsten Jahren aufgrund des Rückgangs der Solidarpaktmittel – Sie wissen alle, ab dem kommenden Jahr

sinken diese Solidarpaktmittel jährlich um einen bestimmten Betrag – effizient und effektiv nutzen. Wenn wir ehrlich sind, dann dürfen wir mit dem Erreichten nicht so umgehen, dass wir uns beruhigt zurücklehnen können; denn wenn man sich die Zahlen der letzten Jahre anschaut, dann muss man schon fairerweise zugeben, dass die Verwendungsquote rückläufig ist.

Die Ursachen liegen auf der Hand. Es sind zum einen die laufenden Ausgaben. Zum anderen wird das Problem der nächsten Jahre sein, welches es zu lösen gilt, wie wir bei sinkenden Einnahmen den Bindungsgrad in unserem Haushalt vernünftig gestalten können. Ich hatte schon in meiner Rede zum Haushalt darauf hingewiesen, dass der Bindungsgrad viel zu hoch ist. Wir müssten uns gemeinsam überlegen, wie wir Handlungsfreiräume gestalten können, und das – das will ich kritisch anmerken – vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzmarktkrise.

Schaut man sich den Doppelhaushalt 2009/2010 an, dann haben wir alle Voraussetzungen, die Solidarpaktmittel vollständig maßgabengerecht zu verwenden, und hoffentlich auch dann, wenn wir in der Lage sind, die Finanzkrise vernünftig zu meistern. – In diesem Sinne Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Als Reaktion darauf bitte Frau Abg. Hermenau, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Finanzminister, ich weiß, dass auf Sie derzeit sehr viele Dinge parallel einprasseln: eine Haushaltsberatung, eine Finanzkrise und jetzt auch noch der Aufbau Ost. Das ist schon eine Menge. Sie werden es aber irgendwann einmal sortieren und abarbeiten müssen, denn das bleibt nicht aus.

Deswegen würde ich gern auf die Studie der RobertBosch-Stiftung, zu der sich die Leute von McKinsey geäußert haben, eingehen, weil ich es für wichtig halte, uneingeschränkt dessen, was erreicht worden ist. Die Leute von McKinsey haben deutlich gemacht, dass Deutschland insgesamt – nicht nur der Osten – bis zum Jahre 2020 eine halbe Billion Euro investieren muss, weil wir sonst riskieren, 1,2 Billiarden Euro volkswirtschaftlich in den Sand zu setzen durch stockendes Wirtschaftswachstum, fehlende Sozialbeiträge, niedrige Löhne und entgangene Steuereinnahmen. Das trifft den Osten genauso, wenn nicht am stärksten. Das muss man einfach wissen.

Als Reaktion darauf gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder wandern Fachkräfte zu, dann haben wir eine Zuwanderung – diesbezüglich tut sich der Sachse noch ein wenig schwer – oder wir haben die Abwanderung von Firmen. Eines von beiden wird passieren. Wir müssen uns entscheiden, wie wir das handhaben wollen.

Wir müssen schauen, ob wir mehr eigene Fachkräfte ausbilden können. Zu diesem Zeitpunkt, Mario Pecher,

haben wir eine Möglichkeit, mit den westdeutschen Ländern zu diskutieren. Diese haben nämlich das gleiche Problem. Das ist kein Aufbau-Ost-Spezifikum, aber es ist für uns existenziell wichtig. Ich habe es schon einmal gesagt, dass man darüber diskutieren kann, den Soli nicht abzusenken, sondern die freiwerdenden Mittel ab dem Jahr 2011 – die mit jedem Jahr eine größere Summe darstellen und im Laufe der Jahre in Milliardenbereiche hineinragen – bundesweit zur Verfügung zu stellen, um zumindest ein wenig Geld für wichtige Entwicklungen im Bereich der Bildung in die Hand zu nehmen. Das ist verhandelbar. Dabei muss man sich nicht ängstigen.

Die Leute von McKinsey haben im Übrigen festgestellt, dass die Finanzkrise, die jetzt eine halbe Billion auf einmal in die Welt gesetzt hat, überraschend gekommen ist und uns erschüttert hat. Die Bildungskrise steigt sehr langsam an. Deswegen bekommt es niemand so richtig mit. Die Folgen beider Krisen sind aber vergleichbar. Das muss man sich einfach vor Augen führen. Bei langsam ansteigenden Krisen hat man deutlich mehr Handlungsoptionen als bei überraschend hereinbrechenden Katastrophen. Deswegen muss man sich darauf orientieren.

Der Soli II ist meines Erachtens der einzige Handlungsrahmen, den wir haben – es gar nicht anders geht. Da könnten wir durchaus, wie ich vorhin dargestellt habe, eine Menge in Talente und Technologien investieren. Darauf sind wir meiner Meinung nach auch angewiesen. Die Technologien, von denen die Universität Rostock ausgeht, dass sie in Ostdeutschland zu Wachstum auf Dauer führen könnten, sind alle forschungsintensiv: erneuerbare Energien, Optik, Biotechnik, Informatik und Kommunikationstechnologie. Das müssen wir berücksichtigen.

Das andere ist: Wir können aber auch etwas machen, ohne die westdeutschen Länder vorher um Erlaubnis zu fragen. Es liegt an uns, ob es uns endlich gelingt, eine raumübergreifende Kooperation zwischen den Hochschulen der einzelnen Bundesländer zu erreichen. Das ist immer noch ein hausgemachtes Problem. Wir haben es in der eigenen Verantwortung. Diesbezüglich könnte man einiges verbessern. Von der Universität Leipzig habe ich gehört, dass Interesse besteht, sich dahingehend zu bewegen.