Protocol of the Session on September 11, 2008

(Beifall bei der FDP und der Staatsregierung)

Ein funktionierender Rettungsdienst, meine Damen und Herren, ist lebenswichtig für uns alle; das wird niemand bestreiten wollen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass der Rettungsdienst ständig und überall und verlässlich auch langfristig organisiert ist – eigentlich. Dieses Wort „eigentlich“ deutet darauf hin, dass es dann doch eigentlich möglicherweise nicht so ist, jedenfalls in Sachsen.

Das Sächsische Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz hat zum 01.01.2005 das alte Sächsische Rettungsdienstgesetz abgelöst. Nach diesem Gesetz sollte eine Neuorganisation des Rettungsdienstes zum 01.01.2009 vorgenommen werden – eigent

lich. Die Regelung in § 31 im sogenannten Blaulichtgesetz bestimmt hierzu: „Die Notfallrettung und der Krankentransport dürfen nur auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages durchgeführt werden. Der Träger des Rettungsdienstes überträgt die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransportes nach einem Auswahlverfahren durch öffentlich-rechtlichen Vertrag auf private Hilfsorganisationen oder andere Unternehmer (Leistungserbringer). Die Kostenträger sind im Auswahlverfahren anzuhören.“

Wie soll denn dieses Auswahlverfahren aussehen? Dazu verweist das Gesetz auf eine Verordnung; das heißt, das Nähere zum Auswahlverfahren nach Abs. 1 und zur fachlichen Eignung nach Abs. 2 Nr. 3 regelt die Oberste Brandschutz-, Rettungsdienst- und Katastrophenschutzbehörde im Landesrettungsdienstplan. Dieser Landesrettungsdienstplan und die Verordnung dazu geben vor, wie dieses Auswahlverfahren für den Rettungsdienst aussehen soll. Die Träger des Rettungsdienstes geben öffentlich bekannt, dass sie ein Auswahlverfahren nach dem „Blaulichtgesetz“ durchführen wollen. Die Träger des Rettungsdienstes übersenden den Bewerbern die Antragsunterlagen. Diese enthalten gesetzliche Vorschriften, die Leistungsbeschreibung, die Bewerbungsbedingungen und unter anderem auch die Bewertungsgrundsätze.

Meine Damen und Herren, das klingt eigentlich durchführbar, ist es aber wohl nicht. Etliche Rettungszweckverbände haben solche Auswahlverfahren begonnen, sind aber bereits kurz nach dem Beginn dieser Verfahren auf heftige Kritik gestoßen, zum Beispiel auf die Kritik der Intransparenz. Da wird gefragt: Nach welchen Maßstäben werden eigentlich die Bewerbungen von Dienstleistern bewertet? Da hieß es bei einigen Nachfragen von den Rettungszweckverbänden: Das geht euch gar nichts an!

Das ist schon eine bemerkenswerte Auffassung, meine Damen und Herren, wenn die Bewertungsmaßstäbe in einem solchen Verfahren nachher geheim gehalten werden. Es wurde gesagt, diese Auswahlverfahren seien wettbewerbsfeindlich; sie lassen nämlich keine wirkliche Neuvergabe zu. In der Tat drängt sich dies auf, wenn einige Zweckverbände dort hineinschreiben, besondere Punkte gebe es dafür, wenn ein Bewerber bereits Erfahrungen in der bisherigen Aufgabenwahrnehmung vor Ort habe. Das heißt, der, der es schon gemacht hat, hat einen besonderen Vorsprung. Dass dies offensichtlich unzulässig ist, liegt auf der Hand.

(Beifall bei der FDP)

Ein solches Vorgehen ist nicht nur zweckwidrig, sondern riecht nach Mauschelei.

Das stört die Staatsregierung aber anscheinend nicht sonderlich. Man verfährt hier anscheinend nach der Methode: Augen zu und durch! Die Kritik ist aber nicht nur von möglichen Bewerbern gekommen, sondern die Kritik an diesem Auswahlverfahren ist auch rechtlich sehr, sehr handfest formuliert. Die Europäische Kommission hat gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil sie in der Nichtausschreibung im normalen Vergabeverfahren – sondern stattdessen nach diesem eigenartigen Auswahlverfahren – die Dienstleistungsfreiheit verletzt sieht und Verstöße gegen verschiedene Richtlinien annimmt.

Die Vergabekammer in Leipzig und nachfolgend das Oberlandesgericht Dresden sehen diese Auswahlverfahren nach § 31 BRKG als unzulässig an. Da kommen die Einschläge nun schon näher; das ist nicht mehr nur abstrakt irgendein europäisches Verfahren, nein, die Vergabekammer beim Regierungspräsidium Leipzig und das Oberlandesgericht sehen diese Auswahlverfahren als unzulässig an. Es heißt im Leitsatz: „Vergibt ein öffentlich-rechtlicher Aufgabenträger in Sachsen die Erbringung rettungsdienstlicher Leistungen an einen privaten Unternehmer, so unterliegt dies dem Vergaberecht, weil der Leistungserbringer bei Wahrnehmung dieser Aufgaben nicht hoheitlich tätig wird und deshalb eine sogenannte Bereichsausnahme nicht vorliegt.“ Das heißt im Klartext: Hier sind Auswahlverfahren nicht möglich; das muss ordnungsgemäß ausgeschrieben werden. Die Staatsregierung weigert sich allerdings standhaft, dies zur Kenntnis zu nehmen und sich dementsprechend zu verhalten.

Schließlich am 27.08.2008 der jüngste Paukenschlag: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat in einem

Beschluss eine einstweilige Anordnung erlassen, mit der der Stadt Leipzig untersagt wird, vorerst Rettungsdienstleistungen, die bisher von einem privaten Unternehmen wahrgenommen werden, in einem sogenannten Auswahlverfahren anderweitig zu vergeben. Das Bundesverfassungsgericht sieht hier ernste Zweifel im Hinblick auf einen Verstoß der Verfahren gegen die Berufsfreiheit des privaten Dienstleisters.

Die Folgen sind in der Tat schwerwiegend, das heißt, die Rettungsdienstleistungen in Sachsen können vor dem 01.01.2009 nicht mehr endgültig und rechtssicher vergeben werden. Das ist nicht mehr hinzubekommen. Eine ordentliche Vergabe nach der VOL ist aufgrund der Bewerbungsfristen unmöglich durchzuführen.

Wenn gesagt wird, dass es hier nicht zu tatsächlichen Beeinträchtigungen kommen könne, ist das auch nicht richtig. Denn im Hinblick auf die Unsicherheit nach dem 31.12.2008 haben einige Dienstleister bereits Kündigungen gegenüber dem Rettungsdienstpersonal ausgesprochen.

Schließlich steht zu befürchten, dass zu guter Letzt – sollte sich endgültig herausstellen, dass diese Auswahlverfahren rechtswidrig waren – nicht oder zu spät zum Zuge gekommene Wettbewerber Schadensersatzansprüche gegen den Freistaat Sachsen richten.

Das ist alles ziemlich ernst. Aber, wie gesagt, die Staatsregierung hat darauf bisher, wie wir finden, nicht in der notwendigen Ernsthaftigkeit reagiert.

(Beifall bei der FDP)

Die Staatsregierung flüchtet sich in den Hinweis, es gebe Übergangsregelungen. Das ist allerdings nicht richtig. Es gibt keine Übergangsregelungen für den Fall, dass eine ordnungsgemäße Vergabe nicht vorgenommen wird. Die Selbstvornahme oder die Weiterführung durch die Rettungszweckverbände ist faktisch nicht möglich. Diese verfügen nämlich in der Regel nicht über das Personal, um die Rettungsdienstleistungen zu erbringen.

Meine Damen und Herren! Mit unserem Antrag wollen wir dafür sorgen, dass diese offensichtlichen Missstände so schnell wie möglich ausgeräumt werden, dass Rechtssicherheit herrscht und dass ein transparentes und rechtmäßiges Vergabeverfahren durchgeführt wird. Der Rettungsdienst in Sachsen ist zu wichtig, als dass man hier Unsicherheiten oder Unwägbarkeiten in irgendeiner Weise zulassen könnte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Bandmann, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Menschen und damit Leben zu retten hat oberste Priorität, steht an erster Stelle. Daher ist die Notfallrettung im Freistaat Sachsen als flächendeckendes Netzwerk organisiert. Das geschieht – das zeigt

ein Vergleich mit dem übrigen Europa – in außerordentlich hoher Qualität. Wenn man sich andere Länder, auch solche in der Europäischen Union, ansieht, stellt man fest, dass wir ausgezeichnet dastehen.

Die Leistungserbringer des Rettungsdienstes haben in den vergangenen Jahren, nach der friedlichen Revolution, verantwortungsvoll und zuverlässig ihren Beitrag zur Sicherstellung bzw. Absicherung des Rettungsdienstes erbracht. Den Beschäftigten – Ärzten, Sanitätern und Hilfskräften – möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich danken.

(Beifall der Staatsministerin Christine Clauß)

Aber ich gehe davon aus, dass auch Dr. Martens in seiner Abschlussrede diesen Dank noch anschließt. Dies sollte im Hohen Hause eine einheitliche Position sein.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsministerin Christine Clauß)

Die CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages setzt sich mit ihrem Wirken für eine stabile Gesundheitsversorgung, für einen effektiven, zuverlässigen, technisch auf höchstem Niveau ausgerüsteten und in der Fläche präsenten Rettungs- und Katastrophenschutz ein.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Zum Thema!)

Die Innen- und die Sozialpolitiker stehen dazu in ständigem Kontakt mit der Staatsregierung, den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Rettungszweckverbänden und den Hilfsorganisationen.

Uns als CDU-Fraktion kommt es auf Praktikabilität, Funktionsfähigkeit und vor allem die verbindliche Sicherung der Notfallrettung an. Ein wichtiger Schritt dazu ist die Verankerung in der Landesrettungsdienstplanverordnung. Probleme werden da, wo sie auftreten, angesprochen und Lösungsansätze entwickelt.

Erinnern Sie sich an die zurückliegende Diskussion um die Einhaltung der Hilfsfrist: Wir haben damals darüber diskutiert, dass vor allem in ländlichen, dünnbesiedelten und topografisch ungünstigen Gebieten Schwierigkeiten mit der Erfüllung der Hilfsfrist, die in Sachsen zwölf Minuten beträgt, bestehen. 87 % Hilfsfristeinhaltung war uns zu wenig. Das Innenministerium befand sich damals bereits in Gesprächen mit den Landräten, Oberbürgermeistern und Geschäftsführern der Rettungszweckverbände. Neben der Anmahnung der Erfüllung der Hilfsfrist hat Staatsminister Dr. Buttolo weitere Maßnahmen ergriffen. Er nimmt heute an der Innenministerkonferenz teil. Deswegen kann er nicht hier sein.

Notfalleinsätze werden kontinuierlich erfasst und ausgewertet. Die Regelungen der Landesrettungsdienstplanverordnung vom 5. Dezember 2006 sind daraufhin verschärft worden. Es gibt klare Grundsätze der Fahrzeugbemessung für Rettungswagen, Notarztwagen und Notarzteinsatzfahrzeuge.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Lichdi?

Nein, ich möchte zunächst mit meinen Ausführungen fortfahren. Herr Lichdi, es wäre wichtig, dass Sie während der Debatte intensiv zuhören und nicht zwischendurch Gespräche führen. Vielleicht entgeht Ihnen dann Wesentliches nicht.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Wenn Sie etwas Neues beitragen, höre ich Ihnen gern zu!)

Bei Einsätzen mit Überschreitung der Hilfsfrist sind Kurzberichte über die Ursachen zu fertigen, die Ergebnisse auszuwerten und die veranlassten Maßnahmen zu dokumentieren. Gerade nach Auswertung der veranlassten Maßnahmen zeigt sich, dass der Ausbau von Bahntrassen, insbesondere von solchen, die in Rekonstruktion gehen, in Zukunft kreuzungsfrei gestaltet werden sollte. Hier sind Planer und Verantwortliche der Deutschen Bahn in der Pflicht, eben um auf die Einhaltung der Hilfsfrist positiv einzuwirken.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Zum Thema!)

Darüber hinaus sind die heutigen Landesdirektionen, die die Bereichspläne der Träger der Rettungsdienste zu genehmigen haben, angehalten, auf Maßnahmen zur Einhaltung der Hilfsfrist zu drängen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Thema!)

Mit diesen Maßnahmen – davon bin ich überzeugt – wird die Einhaltung der Hilfsfristen schrittweise erreicht.

Wenn Sie sich den Bericht des Innenministeriums zum CDU-SPD-Antrag vom 8. November anschauen, dann sehen Sie, dass in der Vergangenheit viele Konsequenzen gezogen worden sind.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Zum Thema!)

Ein Hinweis für den Abgeordneten, der hier immer so laut dazwischenruft: Jetzt komme ich genau zu dieser Stelle.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Jetzt kommen Sie zum Thema? Nach zehn Minuten?)

Die Antragstellerin hat in ihrem vormaligen Antrag zu den Hilfsfristen den Weißeritzkreis als schlechtes Beispiel besonders hervorgehoben. Dort hat es eine komplette Überarbeitung des Bereichsplans gegeben. Die positiven Ergebnisse können Sie selbst nachlesen.

Worauf will ich hinaus, meine Damen und Herren?

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das fragen wir uns auch?)