Herr Bandmann, von Ihnen hätte ich gedacht, dass Sie beim Lesen des Titels der von uns beantragten Debatte zumindest eine Ahnung vom Inhalt bekommen hätten. Ich kann Ihnen nur sagen: Wer Angst zum Mittel der Politik macht, verschlechtert die Lebensbedingungen der gesamten Bevölkerung.
Ich komme zum Schluss. Als ich vor einigen Jahren den Film „Minority Report“ sah, wurde für mich deutlich: Technisch wird eines Tages alles möglich sein. Wenn die wertemäßige Verfassung unserer Gesellschaft und auch der Schutz des Einzelnen in diesem Prozess nicht mitwachsen, wird das Ergebnis kein gutes sein.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegin Bonk hat viel vom Schutz der Daten gesprochen. Wir sind jetzt in der Zeit der Fußballeuropameisterschaft. Ich bin schon froh, dass von der Kollegin Bonk diesmal nicht wieder ein Aufruf gekommen ist, deutsche Fahnen herunterzureißen.
Wir sind doch alle froh, wenn heute Abend auf allen Plätzen wieder deutsche Fahnen wehen und der Görlitzer Ballack die Fußballnationalmannschaft weiter nach vorn bringt.
(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD sowie Beifall der Abg. Tino Günther, FDP, und Johannes Lichdi, GRÜNE)
Gleichwohl will ich auf den Zwischenruf des werten – „wert“ ist vielleicht ein bisschen falsch formuliert – Herrn Porsch eingehen.
Herr Porsch hat vorhin während der Ausführungen von Herrn Bräunig als Zwischenruf sinngemäß gesagt: Wer darf denn dann ohne digitalen Fingerabdruck dorthin reisen? Herr Porsch, eines ist doch klar: Nationalstaaten sind in ihrer Souveränität durchaus befugt, Einreisebestimmungen zu formulieren. Wenn die Vereinigten Staaten bestimmte Einreisenormen festlegen, dann hat man zwei Möglichkeiten: Man will dorthin reisen und akzeptiert die Einreisebestimmungen, oder man akzeptiert die Bedingungen, die für die Einreise gestellt werden, nicht und kann dann eben nicht dorthin reisen. So einfach ist die Welt. Das kann man beklagen, aber so sind die Dinge.
Herr Kollege Lichdi, Sie haben die Pressemitteilung des hochgeschätzten Justizministers Mackenroth zur Ergreifung des mutmaßlichen Sexualstraftäters kritisiert. Er wurde zugegebenermaßen erst nach langer Zeit gefasst. Aber dennoch ist das aus meiner Sicht ein Erfolg der sächsischen Polizei, zu dem wir ihr gratulieren können.
Sie versuchen hier den Eindruck zu vermitteln, als ob dieser Erfolg einzig und allein auf polizeiliche Detailarbeit zurückzuführen sei, ohne Gendaten. Dass man davon ausgehen konnte, dass es sich um den Täter handelt, war letztlich auf die Gendatei zurückzuführen. Wir alle können es doch im Detail in den heutigen Zeitungen lesen – wenn Sie lesen können. Dort ist alles genau beschrieben.
Das bedeutet: Natürlich ist die Gendatei ein Hilfsmittel der polizeilichen Arbeit. Sie ist ein so wertvolles Hilfsmittel, dass man mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass es sich um den Täter handelt. Wenn ich lese, dass der Täter daraufhin bereits geständig ist, dann kann ich feststellen: Wir können auf ein solches polizeiliches Mittel auch in Zukunft nicht verzichten.
Herr Lichdi, damit bin ich bei dem Aufruf des Ministerpräsidenten. Sie sollten sich in Ihren Bewertungen gegenüber den Ministern durchaus auch einmal Ihrer sprachlichen Linie bewusst werden; denn damit tragen Sie zum Klima nicht nur hier im Saal, sondern im gesamten Land bei.
Herr Bartl, wenn es um polizeiliche Gefahrenabwehr geht, könnte gerade DIE LINKE durch ihr Verhalten und ihre Aktivitäten im offenen Bereich sowie durch bestimmte Motivationen in Bezug auf bestimmte Gruppen viel zum inneren Frieden im Lande beitragen.
Ich will nur eines völlig klarmachen. Es wurde viel auf das Bundesverfassungsgericht eingegangen. Das Bundesverfassungsgericht hat am 27. Februar 2008 entschieden, dass eine Befugnis zur Online-Durchsuchung unter bestimmten engen Voraussetzungen verfassungsrechtlich zulässig ist. Diese engen sachlichen Voraussetzungen müssen ausreichend diskutiert werden. Ich bin durchaus der Meinung von Herrn Martens, dass der Schutz der Privatsphäre unantastbar ist. Sie ist normiert. Da gibt es überhaupt kein Wenn und Aber. Das, was an öffentlicher Diskussion in Würdigung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes gegeben ist, muss möglich sein, zunächst wertfrei darüber zu diskutieren und zu sagen, wo die
Grenze ist, was in der Notsituation erforderlich ist und wo letztlich auch eine Ultima Ratio des Staates gegeben ist, um unter diesen Voraussetzungen handeln zu können. Wir waren stets für innere Sicherheit und werden das auch weiter sein.
Wird von der SPD-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Nicht. Dann frage ich die NPD. – Auch nicht. Die FDP hat keine Redezeit mehr und Herr Lichdi von den GRÜNEN ist nicht anwesend. Dann frage ich die Linksfraktion. – Bitte, Herr Bartl, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bräunig, nachdem Kollege Lichdi noch einmal klargemacht hat, worum es bei dem BKA-Gesetz geht – nämlich um die generelle Kompetenzumverteilung, dass das Prinzip, Polizei ist Ländersache, damit tatsächlich im Kern getroffen wird –, müssten Sie begreifen, dass es ein sächsisches Thema ist.
Ich habe mich in 90 % meines Beitrages mit Positionen des sächsischen Justizministers auseinandergesetzt, der auch der Verfassungsminister ist, der vor nunmehr 14 Tagen einen Grundsatzvortrag an der Forschungsstelle für deutsches und europäisches Verfassungsrecht an der TU Dresden gehalten hat. Wenn es nicht Sache der Opposition ist, sich nach einem solchen Grundsatzvortrag, in dem er auf die Kernbereiche des Verfassungsrechts eingeht, hier aktuell zu Wort zu melden und zu sagen, wir haben dazu eine andere Position und wollen sie gern auf die Position des Grundgesetzes und der Verfassung zurückholen, dann weiß ich nicht mehr, was Sinn und Zweck Aktueller Debatten im Bereich Sicherheits- und Justizpolitik ist.
Ich tippe es noch einmal an, Herr Staatsminister. Kollege Johannes Lichdi bezeichnet es als Tabubruch. Ich sage einfach, ich vermisse, dass Sie die klaren Worte, die Sie in solchen Grundsatzvorträgen in großen Auditorien halten, hier im Landtag bringen. Warum geben Sie uns nicht die Chance, sich mit der Frontalität, wie Sie dort sagen – weitab vom Schuss, also vom Parlament –, hier im Haus auseinanderzusetzen? Wenn Sie dort tatsächlich mehr oder weniger den Satz sagten, wer Vorschläge jedweder Überlegung für Sicherheitsgesetze wegen angeblicher Verfassungswidrigkeit vom Tisch wische, der werde dem staatlichen Schutzauftrag nicht gerecht, dann ist der folgende Gedankengang passend:
Wir haben in den letzten vier Jahren tatsächlich sämtliche Sicherheitsgesetze beim Verfassungsgerichtshof und beim Bundesverfassungsgericht immer und durch die Bank für verfassungswidrig aufgehoben oder stark eingeschränkt bekommen. Keines ging durch, angefangen von der Abhörung von Wohnungen, über den großen Lauschangriff, die präventive Telefonüberwachung, den Abschuss
von Flugzeugen, bis hin zur automatischen Erfassung von Autokennzeichen – unser eigenes Änderungsgesetz lässt grüßen; die vernichtende Bewertung der Sachverständigen in der Anhörung nicht zu vergessen.
Immer wieder hat das Verfassungsgericht festgestellt, neue Sicherheitsgesetze schränken die individuellen Freiheitsrechte stark ein und verstoßen gegen die Grundrechte. Das ist die Botschaft des Verfassungsgerichtes. Dann begrüßen Herr Schäuble, Herr Mackenroth und Herr Buttolo regelmäßig die Entscheidung des Verfassungsgerichtes. Herr Staatsminister Mackenroth, den ich für einen werten Herrn halte, im Gegensatz zu der Einteilung von Herrn Bandmann, wie er sie vornimmt, sagt, der Rechtsstaat befindet sich in der Zwickmühle. Dann wird ausgeführt, jetzt müssen wir die Gesetze nachbessern. Genau dort liegt das Problem.
Wir müssen darüber nachdenken, ob offenkundig die Regierungen und die Parlamente auf der einen Seite und die Richter auf der anderen Seite völlig verfassungskonträre Vorstellungen dazu haben, was die Balance von Freiheit und Sicherheit ist. Das ist die Not. Die Tatsache, dass ein Verfassungsgericht sagt, wenn ihr das oder jenes macht, geht es gerade noch als verfassungskonform durch, kann doch nie als Aufforderung verstanden werden, immer an der Kante der Verfassung zu marschieren. Das kann doch nicht die Aufforderung sein. Das ist doch nicht das Problem.
Der Hase im Pfeffer liegt doch darin, dass ich letzten Endes überhaupt nicht sagen kann, dass alles angemessen und vernünftig ist, was die Verfassung gerade noch auf diesem Gebiet zulässt. Das ist das Problem der Umkehrung, was auch die Bundesrepublik Deutschland in Längen von der DDR unterschieden hat und womit sie der DDR weit überlegen war. Das ist überhaupt keine Frage. Zunächst galt für die Bundesrepublik Deutschland, dass die Würde des Menschen, also des Staatsbürgers, mit seiner Individualität im Mittelpunkt steht.
Der Staat hat in die Sphäre nur dann einzugreifen, wenn gewissermaßen dafür ein Straftatverdacht oder die Annahme einer begründeten Störung der öffentlichen Sicherheit vorhanden ist.