Meine Damen und Herren! Wir unterbrechen die Sitzung für 30 Minuten. Gegen 10:40 Uhr wird die Beratung fortgesetzt.
Ich übergebe das Wort an den Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen, Herrn Stanislaw Tillich; bitte schön.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es ist mir eine Ehre, heute als Ministerpräsident des Freistaates Sachsen vor diesem Hohen Haus zu sprechen. Ich sehe mich in der noch jungen Tradition guter Regierungsarbeit für unser Land.
Unser Blick geht dabei weit über das Ende der Legislaturperiode hinaus bis zum Jahr 2020. Der Solidarpakt II ist dann ausgelaufen und unsere finanzielle Ausstattung wird deutlich knapper bemessen sein als heute. Darauf müssen wir uns einstellen.
Sachsen hat dank seiner klugen und vorausschauenden Politik die besten Chancen, diese Herausforderung gut zu bewältigen. Wir wollen nicht auf Dauer Geld von den
Das nächste Jahrzehnt wird für unser Land entscheidend sein. Die Sächsische Staatsregierung wird die richtigen Entscheidungen treffen. Ich lade alle Sachsen dazu ein, mit uns gemeinsam die Zukunft unseres Landes zu gestalten.
Ich werbe insbesondere in diesem Hohen Haus für eine vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit. An vielen Orten in Sachsen machen sich engagierte Bürger Gedanken über die Zukunft unseres Landes. Im Landtag werden die unterschiedlichen Ideen und politischen Interessen gebündelt. In den Plenardebatten wie in den Ausschüssen haben wir daraus immer wieder gute Gesetze für Sachsen gemacht.
Die politische Streitkultur hat im letzten Jahr zugegebenermaßen gelitten. Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns miteinander streiten, aber mit dem gebotenen Respekt, mit Anstand und mit Fairness.
Meine Damen und Herren! Liebe Abgeordnete! Wir treten an, alle Kräfte unseres Landes zu stärken, die Wirtschaft genauso wie den sozialen Zusammenhalt. Die Bildung als Garant für Innovation und sozialen Aufstieg. Wissenschaft und Technologie als Motor des Fortschritts. Solide Finanzen, nicht Schulden für unsere Kinder und deren Zukunft.
Sachsen im Jahr 2008 ist eine Erfolgsgeschichte. Ich will, dass alle Bürger an diesem Erfolg teilhaben. Sachsen soll für alle Generationen eine gute Heimat sein: für die Jüngsten in Sachsen, weil sie sicher und gesund aufwachsen können und ihre Eltern die Unterstützung bekommen, die sie brauchen; für unsere Kinder und Jugendlichen, weil es hier Schulen gibt, die bunte Lebensorte sind, weil man mit einem guten Schulabschluss in Sachsen auch eine Lehrstelle oder einen Studienplatz bekommt, eine attraktive Arbeitsstelle findet und das Rüstzeug hat, ein erfolgreicher Unternehmer zu werden.
Auch die mittlere Generation soll hier eine gute Heimat finden. Sie trägt die größte Last als Unternehmer und Arbeitnehmer, die mit ihrer Arbeit Wohlstand schaffen, als Mütter und Väter, denen die Zukunft unseres Landes anvertraut ist, und nicht zuletzt als Umsorger ihrer eigenen Eltern, die auf sie angewiesen sind.
Sachsen soll auch der älteren Generation eine gute Heimat sein: den Senioren, die gesund und aktiv sind und sich in den Städten und Dörfern ehrenamtlich engagieren, und ebenso den Älteren, die pflegebedürftig sind und unsere Fürsorge und Zuwendung brauchen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß, viele Sachsen sind bedrückt von ihren persönlichen Erfahrungen mit der Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosigkeit und die verzweifelte Suche nach einer neuen Arbeitsstelle – es gibt in Sachsen fast keine Familie, die nicht diese Last zu tragen hatte. Arbeit gibt Sicherheit, materiell und ideell. Arbeit ist nicht nur Quelle von Einkommen, sondern stiftet auch sozialen Zusammenhalt. Wer Arbeit hat, engagiert sich auch ehrenamtlich, kümmert sich um seine Mitmenschen, interessiert sich für das Wohlergehen seines Dorfes oder seiner Stadt. Ein solidarisches Sachsen braucht Arbeit. Für mich hat deshalb oberste Priorität, was neue Arbeitsplätze schafft und Arbeitslosigkeit verhindert.
Beim Aufbau unseres Landes hat die Sächsische Staatsregierung unter meinen Vorgängern Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt immer wieder die richtige und wegweisende Entscheidung gefällt: Sparen und Investieren. Dafür sage ich heute noch einmal: Danke! Sie haben für unser Land die Weichen richtig gestellt.
Ich halte an ihrem Kurs fest. Wir geben nur das Geld aus, das wir haben. Wir investieren in langfristige Projekte statt in kleine Strohfeuer. Wir machen keine neuen Schulden, sondern tilgen die alten. Wir wollen gemeinsam mit
den Kommunen Vorsorge treffen, um Rücklagen für schlechte Zeiten zu haben. Diese solide Finanzpolitik hat uns seit 1991 eine Dividende von 8,8 Milliarden Euro gebracht. Geld, das wir nicht den Banken für Schuldzinsen überweisen müssen. Allein im vergangenen Jahr haben wir rund 800 Millionen Euro an Zinsen gespart. Das entspricht den jährlichen Ausgaben des Freistaates Sachsen für Kinderbetreuung, kommunalen Straßenbau und regionale Kulturförderung zusammen.
Unsere Koalition ist handlungsfähig, weil wir den finanziellen Spielraum haben, um Politik für ein solidarisches Sachsen zu machen. Deshalb stehen im Zentrum meiner Politik für Sachsen drei Themen: Arbeit, Bildung und Solidarität.
Arbeit schafft nicht der Staat, sondern die Unternehmen. Wir müssen die Kräfte unserer Wirtschaft und insbesondere des Mittelstandes stärken. Bildung ist die Voraussetzung für eine moderne Wirtschaft genauso wie für ein erfülltes Leben. Bildung ist der Schlüssel zu Wohlstand und Sicherheit. Wir entwickeln unser Bildungswesen deshalb kontinuierlich weiter.
Solidarität stiftet gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gemeinschaft müssen wir Bürger selbst gestalten, Solidarität müssen wir selbst leben. Das Sachsen der Zukunft müssen wir selbst bauen.
Meine Damen und Herren! Thema Nummer eins ist für mich die Arbeit. Wir haben in Sachsen bereits viel dafür getan, dass hier Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit 17 Jahren nicht mehr und sie geht weiter zurück. Die Zahl der Privatinsolvenzen ist um ein Fünftel gesunken.
Ich weiß, wie flexibel sächsische Arbeitnehmer sind und was Arbeitslose auf sich nehmen, um wieder in Arbeit zu kommen. Für uns ist das Ansporn, noch mehr dafür zu tun, dass unsere Unternehmer Arbeitsplätze schaffen können.
In den Neunzigerjahren hieß erfolgreiche Wirtschaftspolitik, große Unternehmen hierher nach Sachsen zu holen. Das war Ansiedlungspolitik für das ganze Land. Hightech-Unternehmen sind in den großen Städten genauso beheimatet wie im ländlichen Raum. Von Treuen im Vogtland bis Zittau in der Oberlausitz sind heute neben einer starken Landwirtschaft auch innovative Automobilzulieferer, Softwareschmieden, Dienstleister und Nahrungsmittelbetriebe zu Hause.
Im Bereich der Halbleiterindustrie ist in der Region um Dresden und Freiberg ein in Europa einzigartiges Netzwerk entstanden. Forschung und Produktion sind eng miteinander verwoben. Das war auch der Nährboden für eine Solarindustrie, die aus dem Stand an die Weltspitze vorgestoßen ist. Um die großen Ansiedlungen herum gibt es einen industriellen Mittelstand. Seine Beschäftigten produzieren für den Weltmarkt und geben ihr Einkommen bei uns in der Heimat aus. Erfolg in der Welt sorgt für Wohlstand daheim.
Auch künftig wird der Freistaat um Großansiedlungen werben. Wir haben dafür exzellente Bedingungen. Es gilt zudem, die bisherigen Ansiedlungserfolge zu sichern.
Unserer Mikroelektronik weht der scharfe Wind des weltweiten Wettbewerbs ins Gesicht. „Silicon Saxony“ hat Investoren eine Menge zu bieten. Doch die Standorte in Amerika und Asien haben uns eines voraus: eine Vielzahl von direkten und indirekten Subventionen.
Die Beschränkungen im EU-Beihilferecht sind für einen innereuropäischen Wettbewerb ausgelegt, den es in der Halbleiterindustrie gar nicht mehr gibt. Der globale Wettbewerb bleibt ausgeblendet. Das Beihilferecht verringert so die weltweite Konkurrenzfähigkeit europäischer und damit sächsischer Standorte. Wir werben deshalb bei der EU für einen Strategiewechsel. Wir brauchen im Hochtechnologiebereich eine europäische Industriepolitik, die den Mitgliedsstaaten und auch Sachsen hilft, im weltweiten Wettbewerb mitzuhalten.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Für mich ist klar: Dresden/Freiberg ist der wichtigste europäische Standort dieser Zukunftsindustrie, und das muss er auch bleiben.
Meine Damen und Herren! Auch Ostdeutschland braucht Konzernzentralen. Wir setzen uns deshalb energisch dafür ein, dass die Verbundnetz Gas AG mit dem Geschäftssitz in Leipzig erhalten bleibt.
(Lebhafter Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung, vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)
Unser Ziel ist es, die VNG im Interesse Sachsens und eines funktionierenden Wettbewerbs auf dem Gasmarkt, zur fünften Kraft am deutschen Energiemarkt zu entwickeln.
Meine Damen und Herren! Unsere Wirtschaftspolitik nimmt vor allem den Mittelstand in den Blick. Die meisten neuen Jobs entstehen in kleinen und mittleren Unternehmen. Aus kleinen Anfängen und oft sehr schwierigen Situationen sind erfolgreiche Mittelständler herangewachsen. Es gibt inzwischen ein Dutzend sächsische Weltmarktführer. Viele sächsische Mittelständler haben die Chance, zu mittelständischen Konzernen heranzuwachsen. Ein gutes Beispiel ist die Roth & Rau AG in Hohenstein-Ernstthal. Sie ist im Juni 1990 in einer Garage gegründet worden. Heute ist sie einer der größten Arbeitgeber der Region und vor zwei Wochen in den TecDAX aufgestiegen.
Unsere Wirtschaftspolitik soll dazu beitragen, dass noch mehr sächsische Unternehmen einen so erfolgreichen Weg gehen können und bald das erste sächsische Unternehmen in den DAX aufsteigt. Deshalb schnüren wir ein Paket, welches erprobte Hilfen und neue Instrumente enthält. Bewährt hat sich die Förderung aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe und der Investitionszulage. Wir
haben uns deshalb energisch und erfolgreich dafür eingesetzt, dass diese Instrumente auch in den nächsten fünf Jahren zur Verfügung stehen. Die Bundeskanzlerin hat mir vor Kurzem versichert, dass die Investitionszulage bis 2013 läuft. Das gibt unserer Wirtschaft Planungssicherheit. Der Aufbau Ost ist kein Mittelstreckenlauf, sondern ein Generationenprojekt.
Bewährt haben sich auch unsere sechs Verbundinitiativen, mit denen wir Wirtschaft und Wissenschaft vernetzen. Seit 1991 haben wir mehr als 1,3 Milliarden Euro als Zuschüsse in betriebliche Technologieprojekte investiert. Künftig liegt ein besonderer Schwerpunkt unserer Mittelstandspolitik auf Forschung und Entwicklung in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die Stärke der Solarbranche in Sachsen ist ein Fingerzeig. Wir schaffen Beschäftigung und Einkommen, wenn wir bei den modernen Hochtechnologien ganz vorn dabei sind. Das gilt besonders für ein Zukunftsfeld: die Speicherung von Energie. Wenn Energie aus erneuerbaren Quellen verlässlich gespeichert werden kann, verringern wir unsere Abhängigkeit von den fossilen Brennstoffen, deren Preis derzeit unaufhörlich steigt. Die Technik dafür ist eine der zentralen Herausforderungen des nächsten Jahrzehnts, eine große Chance auf attraktive neue Arbeitsplätze und auch ein Beitrag im Kampf gegen den Anstieg der Lebenshaltungskosten.
Sächsische Unternehmen haben beste Chancen, auf dem Gebiet der Energiespeicherung die Technologieführerschaft zu übernehmen, denn hier gibt es bereits breit angelegte und hoch innovative Forschung zur Speicherung überschüssiger Energie. Die Li Tec Battery GmbH & Co. KG in Kamenz ist dafür ein Beispiel genauso wie das Pilotprojekt der Stadtwerke Chemnitz zur Kältespeicherung. In Dresden forscht die Fraunhofer-Gesellschaft an keramischen Brennstoffzellen. Aus Sachsen kommt auch das Ganzjahres-Solarhaus, entwickelt von Firmen aus Chemnitz, Freiberg und Freital. In solchen Unternehmen, die clevere, hoch innovative Produkte haben, entstehen Arbeitsplätze. Indem wir die Forschung in dieser Richtung unterstützen, wollen wir Sachsen an die Spitze der Entwicklung und der technischen Umsetzung bringen. Damit leisten wir auch langfristig einen Beitrag gegen steigende Energiepreise. Zugleich brauchen wir Investitionen in CO2-arme Kraftwerke mit hohem Wirkungsgrad. Unsere sächsischen Vorräte an Braunkohle reichen für eine jahrzehntelange Versorgung mit preiswerter Energie. Ich stehe deshalb weiterhin für einen Energiemix unter Einbeziehung unserer heimischen Braunkohle.
Meine Damen und Herren! Wir fördern Ideen vom Labor bis zum serienreifen Produkt. Wir haben vor Kurzem einen Technologiegründerfonds aufgelegt. Damit können wir junge Technologieunternehmen in der Wachstumsphase unterstützen. Wirtschaftsminister Thomas Jurk will nächstes Jahr ein neues Instrument in unser Mittelstandspaket packen: Die Staatsregierung finanziert die For
schungskosten von Mittelständlern vor. Die Rendite kommt später und wird von uns an andere forschende Unternehmen weitergereicht.