Protocol of the Session on April 16, 2008

Für die FDP-Fraktion Herr Günther, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Verlauf der Debatte hat wieder einmal gezeigt: Eine der wichtigsten Eigenschaften, die man als Landwirt braucht, ist die Ausdauer.

(Heiterkeit bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren! Erst vor Kurzem hat die Kommissarin für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Frau Fischer-Boel, in Dresden auf dem Zweiten Zukunftsforum für Landwirtschaft erklärt, sie wolle die sächsischen Landwirte keineswegs in den Ruin treiben. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber angesichts der derzeitigen EU-Agrarpläne kaum zu glauben. Brüssel will die gemeinsame Agrarpolitik einem sogenannten Gesundheits-Check unterziehen.

Seit dem 20. November 2007 liegen die Unterlagen auf dem Tisch. Am 20. Mai dieses Jahres soll die Verordnung für die konkrete Umsetzung folgen. Unter anderem im Zusammenhang mit der Osterweiterung der EU will man sich für die Herausforderungen der Zukunft fit machen. Doch je näher die Termine rücken, desto heftiger werden die bisher bekannt gewordenen Überlegungen diskutiert und kritisiert – nicht nur von uns, sondern auch von den Betroffenen in der Landwirtschaft. Wir sagen: zu Recht; denn was sich die EU-Landwirtschaftskommissarin da ausgedacht hat, bedeutet für die sächsische Landwirtschaft im Rahmen des Gesundheitschecks eher eine Amputation als eine Gesundheitsuntersuchung.

Die eigentlich bis 2013 vereinbarten Direktzahlungen an die landwirtschaftlichen Unternehmen sollen gekürzt werden. Gegen Kürzungen von Subventionen haben wir Liberalen grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber es kommt auf das Wie, auf das Wer, Wann und Warum an. Die Pläne der EU-Kommission sehen vor, dass Landwirtschaftsbetriebe mit Direktzahlungen von über 300 000 Euro pro Jahr Kürzungen von 17 % hinnehmen müssen, jene mit Direktzahlungen zwischen 100 000 und 200 000 Euro Kürzungen von 11 %. Nur Kleinbauern mit jährlichen Direktzahlungen bis 5 000 Euro sollen verschont bleiben. Aber unsere Landwirtschaft ist – wie die in allen anderen neuen Bundesländern – durch großbetriebliche Strukturen geprägt und die Agrarmittel sind betriebswirtschaftlich längst eingeplant. Wie so oft ist gut gemeint schlecht gemacht. Dies kann man bei der aktuellen Diskussion um Degressionen und Kappungen der Direktzahlungen sehen; denn eigentlich sollten dadurch die wirklich vermögenden Großgrundbesitzer in Spanien oder sonst irgendwo getroffen werden sowie das englische Königshaus, das ebenfalls von Subventionen lebt.

Auch der Blick nach Ostdeutschland ist in dieser Diskussion verloren gegangen. Bei uns, in der Struktur der ehemaligen LPGs, ist es so, dass wir mit größeren Strukturen leben, und diese Pläne hätten enorme Auswirkungen auf die rund 8 300 Landwirtschaftsbetriebe in Sachsen mit ihren 42 000 Beschäftigten. Mit einem Gesundheitscheck

hätte die EU-Kommission mal lieber bei sich selbst anfangen sollen, als damit die sächsische Landwirtschaft zu überziehen – frei nach dem Motto: „Gesundheitscheck durchgeführt – Landwirtschaft leider tot“. Aber Sachsen bleibt ja als Trost die bereits eingangs erwähnte Erklärung der Kommissarin, sie wolle niemanden in den Ruin treiben. Treiben braucht sie dabei auch niemanden, der Ruin kommt bei solchen Plänen von selbst.

(Beifall bei der FDP)

Direktzahlungen an die Landwirtschaft sollten eigentlich den Erhalt landwirtschaftlicher Flächen unter Beachtung ökologischer Anforderungen honorieren, ebenso wie Aktivitäten in Bezug auf Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz sowie Lebensmittelsicherheit.

Vor diesem Hintergrund kann man sich schon fragen, warum diese Leistungen der Landwirte, wenn sie auf dem Hektar eines Großbetriebes erbracht werden, weniger wert sein sollen, als würden sie von einem Kleinbetrieb erbracht. Marktorientierung, umweltgerechte Produktionsverfahren, artgerechte Tierhaltung, Umsetzung der guten fachlichen Praxis, letztendlich aber auch Arbeitsplatzbereitstellung sind keine Frage von Betriebsgrößen und Rechtsformen. Wirklich fair wären Rückzahlungen bezogen auf den Hektar bewirtschafteter Fläche oder auch mit Bezug auf die geschaffenen Arbeitsplätze.

An dieser Stelle sei noch ein weiteres Argument aus Brüssel hinterfragt. Die durch Kürzungen bei den Direktzahlungen frei gewordenen Gelder sollen in die Förderung des ländlichen Raumes fließen, beispielsweise in Klimaschutz und Wasserreinheit, mit den Worten der EU-Kommissarin also „nur umgeschichtet“ werden. Direktzahlungen bzw. deren Kürzungen beeinflussen natürlich in erheblichem Umfang auch die Entwicklung im ländlichen Raum. Der Landesbauernverband Sachsen weist zu Recht darauf hin, dass besonders flächen- und tierstarke Betriebe im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit im ländlichen Gebiet einen stabilisierenden Faktor bilden.

Vor diesem Hintergrund muss man davon ausgehen, dass die diskutierten Kürzungen bereits vor 2014 die Planungssicherheit der landwirtschaftlichen Betriebe erheblich konterkarieren und hier in Sachsen mit Arbeitsplatzverlusten verbunden sein werden. In der Summe könnten es 6 000 sein.

Wer die Struktur der sächsischen Landwirtschaft kennt, kommt nicht umhin, die betriebsgrößenabhängigen Kürzungspläne als Kampfansage aus Brüssel aufzufassen. Ein sogenannter kleiner Morgentau-Plan für die Landwirtschaft im Gewand des Klimaschutzes – welch eine irrwitzige Idee!

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Da hast du dich wohl im Ton vergriffen!)

Und was hören wir von unserem Staatsminister Wöller dazu? Nicht viel. Sie melden sich zwar täglich zu Wort, aber, Herr Staatsminister, es genügt eben nicht, zum Karfreitag blumig in der Presse zu verkünden: „Sachsen,

esst mehr Fisch!“, und Ostern noch eins draufzusatteln mit einer Pressemitteilung: „In Sachsen mangelt es derzeit nicht an Hasen – Ostern kann stattfinden.“ Wir erwarten auch hier deutlich schärfere Worte von Ihnen und einen Fokus auf die wirklichen Probleme – und keinen Populismus.

(Beifall bei der FDP)

Auch in Ihrer Presseerklärung vom 10. April 2008 stellen Sie beispielsweise für die sächsischen Betriebe 6 Millionen Euro Fördermittel für Innovationen und Qualitätsprodukte bis 2013 zur Verfügung. Es ist gut zu wissen, dass pro Jahr rund 1 Million Euro für unsere 8 300 Betriebe zur Verfügung stehen und jeder Betrieb mit der „sagenhaften“ Summe von theoretisch 120 Euro unterstützt werden kann. Für diese Summe lassen Sie sich feiern, während die Koalition gerade das Milliardendesaster der Landesbank zu verantworten hat.

(Heinz Lehmann, CDU: Ja, ja!)

Natürlich bleiben auch im Haushalt in Zukunft weniger Mittel übrig, die wir verteilen müssten.

(Heinz Lehmann, CDU: Sie! Wir haben gar nichts zu verteilen!)

Selbstverständlich begrüßen wir das Ergebnis der Agrarministerkonferenz der Länder, die Pläne der EU für die Kürzungen der Direktzahlungen zu verurteilen. Planungssicherheit ist für die in den Betrieben einkalkulierten EUAgrarzahlungen elementar und überlebenswichtig. Hoffen wir, dass Sie, Herr Staatsminister, auch gehört werden. Nach Ihrer sehr „blumigen“ Rede sind wir noch weit davon entfernt zu sagen: „Gut gebrüllt, Löwe!“, und, Herr Staatsminister: Für Ihre Bauernpower, die Sie für die sächsische Landwirtschaft einsetzen wollen, müssten Sie den verbalen Lackschuh ausziehen und in die Gummistiefel steigen.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Lassen Sie mich noch kurz einen weiteren Punkt ansprechen: den Ausstieg aus der Milchquotenregelung. Die Quoten sollen in den kommenden Jahren allmählich aufgestockt und der Ausstieg erst im Jahr 2015 komplett vollzogen werden. Aus der Sicht der FDP-Fraktion ist dieser vorgesehene Zeitraum eindeutig zu lang. Wir müssen die sächsischen Bauern von den Fesseln der EU-Bürokratie befreien. Nur Begleitmaßnahmen zu fordern ist dabei zu wenig. Die sächsischen Bauern würden jetzt gern ihre Milch auf dem Weltmarkt verkaufen; die Verbraucher warten darauf. Zudem werden in den kommenden Jahren in der EU weitere Verkaufssteigerungen, vor allem bei Käse- und Milcherzeugnissen, erwartet – für sächsische Landwirte eine reelle Chance. Für den zusätzlichen Eigenverbrauch der EU werden bis 2014 rund 8 Millionen Tonnen mehr Milch benötigt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Altmann, bitte.

Herr Günther, meine Frage lautet: Haben Sie – gerade in Ihrer Heimatregion, dem Erzgebirge – die Bauern schon einmal gefragt, ob sie wirklich ohne gegensteuernde Maßnahmen von der Milchquote befreit werden wollen und überhaupt noch eine Überlebenschance für sich sehen – gerade dort, wo es kaum andere Möglichkeiten gibt, Landwirtschaft zu betreiben?

Und? Nachfrage: Nach dem, was ich weiß, wollen dort durchaus nicht alle ohne begleitende Maßnahmen befreit werden, weil dann auch genau dort Arbeitsplätze verloren gehen würden.

Ja, es gibt verschiedene Aussagen. Nicht alle – damit haben Sie vollkommen recht –, aber die meisten sagen: Gebt uns die Chance, am Markt zu arbeiten.

(Mario Pecher, SPD: Das glaubst du doch selbst nicht!)

Doch! – Die Problemfelder, über die wir heute nichts gehört haben – auch in der Facherklärung nicht –, sind zum Beispiel die Probleme der Unternehmer und Landwirte mit Unternehmensnachfolge. Hierfür brauchen wir dringend einen Masterplan. Der Nachwuchs hat derzeit keine Chance. Es gibt kaum Eigenkapital zum Landerwerb, und anders als früher ist jetzt auch keine Landesbank mehr da, die die landwirtschaftlichen Betriebe hier unterstützen könnte. Die Auflagen der neuen EU-Verordnungen für die Direktvermarktung, zum Beispiel bei Schlachthäusern, sind für die sächsischen Landwirte viel zu hoch und nicht leistbar. 180 000 Euro sind für die Umsetzung der Standards nicht mal eben so aufzubringen; und auch, Herr Staatsminister, das ganz klare Jein – nicht von Ihnen, sondern von der Koalition – zur Gentechnik ist für die Landwirte, die diesen Weg gehen wollen, nicht hilfreich.

Die Imkerverbände – diese haben Sie bei Ihrer Aufzählung übrigens vergessen – beklagen derzeit die zu einseitige Äcker- und Wiesenbewirtschaftung und die Bauernverbände die besorgniserregenden Ernteprognosen wegen der klimabedingten zunehmenden Mäuseplage.

Vor 22 % weniger vorhandenen Saisonarbeitern in der Landwirtschaft warnt derzeit das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. – Um nur einige Punkte zu nennen, bei denen eigentlich die Staatsregierung zu ganz konkretem Handeln aufgefordert ist.

In unseren großen landwirtschaftlichen Flächenbetrieben ist – wie auch bei den kleinen – der Reichtum nun wirklich nicht zu Hause. Daran ändern auch die Preisanstiege bei den Lebensmitteln in den vergangenen Wochen und Monaten nichts, gar nichts. Die Landwirte profitieren überhaupt nicht von gestiegenen Preisen. Höhere Ausgaben für Kraftstoffe, Dünger, Saatgut und Futtermittel sind

seit einiger Zeit zu verzeichnen und relativieren die Mehreinnahmen am Markt. So lagen beispielsweise die Preiserhöhungen bei Ferkelfutter bei 42 %, bei Sojaschrot bei 48 % und bei Sojaöl bei 68 %. Auch hierzu habe ich heute nichts vernommen.

Richtig Sorgen macht mir allerdings Ihre Antwort auf meine Kleine Anfrage zum Nahrungsmittel- und Bioenergiepflanzenanbau in Sachsen. Durch die hohen Energiepreise und durch die Förderung von Biosprit war es für viele Landwirte – auch bei uns – zunehmend attraktiv geworden, von Nahrungsmittel- auf Energiepflanzenproduktion umzustellen. Einmal von den Folgen für Boden und Grundwasser abgesehen, befürchten wir weitere Preissteigerungen bei den Lebensmitteln. Für uns Liberale gilt immer noch der Grundsatz „Teller vor Tank“.

Sie dürfen nicht zulassen, dass im Rahmen der Regelung zur Energiepflanzenprämienzahlung die Flächen hierfür derart ausgeweitet werden. Nur ein paar Beispiele aus meiner Kleinen Anfrage: Silomais, der bis 2004 überhaupt noch nicht angebaut wurde, hatte im Jahr 2007 eine Fläche von 2 600 Hektar beansprucht. Der Rapsanbau wurde in diesem Zeitraum auf 11 000 Hektar mehr als verdoppelt. Und der Anbau von Winter- und Sommerweizen zur Verbrennung, der sogenannte Heizweizen, stieg von 10 Hektar im Jahre 2004 auf 4 700 Hektar im Jahre 2007; Tendenz weiter steigend. Auch hier erwarten wir von der Staatsregierung ein deutliches Signal, dieses zu stoppen.

Die notwendigen Kürzungen der Agrarsubventionen ab 2014 werden von uns nicht infrage gestellt. Aber bis dahin brauchen die sächsischen Landwirtschaftsbetriebe Planungssicherheit, verlässliche Rahmenbedingungen sowie faire Preise. Das ist in der Landwirtschaft genauso gültig wie in der Industrie. Dafür werden wir uns als FDP-Fraktion hier im Sächsischen Landtag einsetzen und entschieden dafür kämpfen.

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Geduld. Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort; Herr Abg. Weichert.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie zu Beginn auffordern, an einer kurzen gedanklichen Reise in die Zukunft teilzunehmen.

Stellen Sie sich Sachsen im Jahr 2020 vor. Was sehen Sie? Oder besser gefragt: Was wollen Sie gern sehen? Bestimmt nicht das folgende Szenario: endlose Felder, bebaut mit Mais oder Raps, so weit das Auge reicht. Darauf werkeln satellitengesteuerte Maschinen, deren Beschriftung darauf hinweist, dass sie allesamt einem großen Saatguthersteller gehören. Menschen sieht man hier kaum noch. Sie hatten sich geweigert, für Stundenlöhne unter 4 Euro zu arbeiten, und waren in die Ballungszentren gezogen, wo es anständig bezahlte und zukunftssichere Arbeit gibt.

Meine Damen und Herren! Sicher wird es so weit nicht kommen. Jedoch ist die landwirtschaftliche Entwicklung bereits heute durch den Trend zur Produktivitätssteigerung und Nutzungsintensivierung auf Kosten von Arbeitsplätzen und Natur geprägt. Ebenso findet ein Strukturwandel hin zu größeren Betrieben bzw. Bewirtschaftungseinheiten statt, in denen Geräte und Arbeitsprozesse zum Einsatz kommen, die nicht selten im Widerspruch zu einer nachhaltigen Landbewirtschaftung stehen.

Diese Entwicklung zu begrenzen und zu steuern ist Aufgabe verantwortungsvoller Politik. Und ein verantwortungsvoller Politiker möchten auch Sie, Herr Staatsminister Wöller, sein. Warum sonst sollten Sie, wie zuletzt beim Zukunftsforum Landwirtschaft, sagen – ich zitiere –: „Landwirte sorgen für den Erhalt der Schöpfung. Sie müssen die Gesetze der Marktwirtschaft und der Natur gleichermaßen beachten.“?

Meine Damen und Herren! Diese Aussage zeigt: Minister Wöller denkt grüner, als er zugibt. Sein Zitat enthält eine Positionierung gegen den Einsatz von Agrogentechnik.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Kathrin Kagelmann, Linksfraktion)

Denn als Hüter der Schöpfung können Landwirte nicht selber Schöpfer spielen bzw. die göttliche Schöpfung durch gewagte Experimente mit gentechnisch veränderten Organismen gefährden.