Herr Zastrow, Ihnen sage ich: Wenn Sie wirklich Interesse daran haben, die Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land zu entlasten, dann erwarte ich Ihr politisches Engagement eigentlich in erster Linie für Mindestlöhne, für Flächentarifverträge und für eine Steuerpolitik, bei der insbesondere die Starken mehr tragen sollten als die Schwachen.
Wenn Ihr Vertreter zum Beispiel mit dem Wirtschaftsausschuss nach Spanien gefahren wäre, dann würde er wissen, wie gut sich Flächentarif und Mindestlohn sowie Sozialdialog für dieses Land ausgewirkt haben.
Nun zu den Tatsachen Ihres Antrages. Ich möchte es einmal auf den Punkt bringen: Den Job, den Sie mit diesem Antrag vorgaukeln, hat der Bundesfinanzhof bereits gemacht. Er hat in dieser Neuregelung der Pendlerpauschale eine Ungleichbehandlung gesehen, und er hat natürlich auch das Problem des Arbeitsweges – privat oder nicht – gesehen und diesen Verstoß dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit einer Entscheidung ist eventuell Ende dieses Jahres zu rechen, deshalb lohnt es sich kaum, darüber zu spekulieren, wie diese Entscheidung aussehen wird. Klar ist doch – das wissen Sie genauso gut wie ich –, dass es keine politische Entscheidung auf Bundesebene geben wird und auch kann, bevor das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung bekannt gegeben hat. Aus diesem Grund ist aus unserer Sicht eine zusätzliche Initiative auf Bundesebene, wie im vorliegenden Antrag gefordert, populistisch – eben ein FDP-Antrag.
Zum inhaltlich durchaus interessanten Thema Pendlerpauschale. Bei der Diskussion um die Zukunft dieser Pauschale möchte ich darauf hinweisen, dass wir in der Vergangenheit eine reine Autopauschale hatten und dass es – ziemlich am Anfang – die rot-grüne Bundesregierung war, die daraus überhaupt erst einmal eine einheitliche Entfernungspauschale gemacht hat, nach der alle Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob sie öffentliche Nahverkehrsmittel oder ihr eigenes Kfz nutzen oder in Fahrgemeinschaften fahren, Anspruch auf die Pendlerpauschale hatten – ein durchaus richtiger Schritt.
Seit dem 1. Januar 2007 können Berufstätige ihre Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erst ab dem 21. Kilometer steuerlich geltend machen, und der Satz beträgt 30 Cent pro Kilometer. Ein Blick zu unseren europäischen Nachbarn zeigt im Übrigen, dass wir mit dieser Entfernungspauschale in Europa durchaus eine Sonderstellung einnehmen; denn in einem Großteil der europäischen Länder, aber auch weltweit sind diese Aufwendungen nicht absetzbar. Ich kenne auch viele Arbeitgeber, die grundsätzlich sagen – ich kann mir vorstellen, es ist bei Ihnen nicht anders, Herr Zastrow –: Wie du zur Arbeit kommst, das ist mir als Arbeitgeber doch ziemlich egal.
Daraus resultiert auch das Spannungsfeld, wie der Weg zur Arbeit letztlich vom Bundesverfassungsgericht gewertet wird. Ich persönlich denke doch, dass beim Weg zur Arbeit die Frage des Arbeitgebers in erster Linie ist: Was ist mir die Arbeitskraft wert und welchen Lohn zahle ich? Dann relativiert sich nämlich auch das Thema Pendlerpauschale.
Nun zu den konkreten finanziellen Auswirkungen. Es wurde insbesondere von der FDP so dargestellt, als wenn hier ein ganzes System auf den Kopf gestellt worden sei. Dem ist aber nicht so. Es geht um 20 Kilometer, und dabei muss man schlichtweg einmal konstatieren – auch bei den 650 000 Menschen, die das eingereicht haben –: Diejenigen, die im Niedrig- und Niedrigstlohnsektor arbeiten, interessiert das überhaupt nicht; denn sie bekommen steuerlich überhaupt nichts wieder, weil sie gar keine Steuern zahlen. Im Gegenteil: 2005 erfolgte durch die Senkung des Eingangssteuersatzes und die Anhebung der Pauschale auf 8 600 Euro dort eine entsprechende Einsparung.
Dann haben wir die Gruppe, die einen Arbeitsweg bis 20 Kilometer hat, aber bis jetzt ohnehin kaum Werbungskosten abgerechnet hat, also diese Pauschale von 920 Euro kaum ausgereizt hat. Auch hier, muss man schlichtweg konstatieren, ändert sich fast gar nichts; denn sie haben diese Pauschale und bei den meisten Arbeitnehmern – ob das ein VW-Arbeitnehmer oder ein Angestellter irgendeiner Firma ist – sieht man, wenn man sich die Einkommensteuererklärung einmal nüchtern anschaut, dass dort kaum Werbungskosten abgerechnet werden – wenige Steuerberatungskosten, vielleicht auch einmal ein Fachbuch – und ansonsten diese Pauschalen den Betrag letztendlich genau auf die 920 Euro aufgefüllt haben. Also, auch diese trifft es nicht.
Weiterhin gibt es die Gruppe, die einen Arbeitsweg von über 20 Kilometern hat. Diese kann nach wie vor ihre Entfernung abrechnen, nur eben um 20 Kilometer gekürzt. Letztendlich haben wir eine Belastung, über die wir hier sprechen, von durchschnittlich 12 bis 35 Euro monatlich, je nachdem, ob die Pauschale mit anderen Werbungskosten ausgereizt wurde oder nicht, bei einem durchschnittlichen Steuersatz zwischen 25 und 30 %.
Das sind doch diejenigen, um die es geht. Da haben noch die Fernpendler, was Frau Simon angesprochen hat, die viele Kilometer fahren – das wissen Sie genauso gut wie ich –, steuerlich die meisten Gestaltungsspielräume, sodass sie eigentlich fast überhaupt nicht betroffen sind.
Wenn man diese herausnimmt, dann ist es letzten Endes so, dass es genau die Gruppe ist, die knapp über 20 Kilometer liegt,
Herr Pecher, erklären Sie mir doch bitte einmal, wenn Sie der Meinung sind, dass das eigentlich völlig aufkommensneutral ist und niemand durch die Kürzung der Pendlerpauschale etwas einbüßt, wie der Bundeshaushalt dadurch 2,5 Milliarden Euro einspart?
Frau Simon, ich würde die Frage einmal so beantworten: Sie haben natürlich recht, dass hier Geld eingespart wird,
weil es eben so ist, dass viele Ameisen auch einen großen Haufen bilden können. Wir reden doch hier aber über die individuelle Belastung des Einzelnen,
Ich bin noch nicht zu Ende mit meinen Ausführungen. – Ich will damit nicht sagen, dass das wenig Geld ist. Ich will auch nicht behaupten, dass es nicht besser wäre, wenn dieses Geld in der Tasche der Arbeitnehmer verbleiben könnte. Das will ich damit gar nicht sagen.
Ich persönlich denke auch, dass diese 20 Kilometer durchaus steuerlich als Entfernungspauschale angesetzt werden sollten, wenn man ökologisch und ökonomisch vernünftig die Möglichkeiten – in den Ballungszentren sind sie vorhanden – des ÖPNV und der Fahrgemeinschaft perspektivisch mehr nutzen könnte, ich sage sogar: belohnen würde.
Ich bin auch dafür, dass Ausnahmeregelungen für Schwierigkeiten im ländlichen Raum, weil die ÖPNV-Anbindung nicht so gut ist, besser geregelt und besser ausgelegt werden sollten. Das ist meine persönliche Auffassung dazu.
Ich glaube, in dieser ganzen Diskussion, was Sie angesprochen haben – Mehrwertsteuer, Spritpreise etc. –, wird der Staat letztendlich nie in der Lage sein, weil es finanziell nicht durchzuhalten ist, die Unwägbarkeiten dieser Welt, insbesondere die Steigerung bei den Energiekosten, so auszugleichen, dass jeder Arbeitnehmer von Haus aus immer gleichgestellt wird und ein Nullsummenspiel hat.
Ich glaube nicht, dass das die Lösung ist. Ich denke einmal, die Lösung liegt eher in dem Bereich, wirklich nach neuer Technologie zu schauen, sparsamere Autos, bessere Infrastruktur, besseren ÖPNV, besseren Schienenverkehr zu entwickeln. Ich denke, dass das die Lösung ist, um letztendlich Energie zu sparen, und nicht eine Aufstockung der Pendlerpauschale.
Wie erwähnt, liegt die Auffassung des Bundesfinanzhofes beim Bundesverfassungsgericht. Auch ich bin gespannt, wie es letztlich entschieden wird. Daraufhin, denke ich, wird es eine neue Gesetzesdiskussion geben. Dabei sollten wir es belassen. Deswegen werden wir den Antrag ablehnen.
Das wird nicht gewünscht. Sie haben keine Redezeit mehr. Dann frage ich die Fraktion GRÜNE. – Herr Lichdi, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Willkommen zu später Stunde im Land der Populisten. Wenn in Bayern auf einmal für eine Wiedereinführung der vollen Pendlerpauschale geworben wird, kann man das dort ja mit den Landtagswahlen im Herbst begründen. Da bilden sich dann auch schnell einmal Allianzen zwischen Herrn Huber in Bayern und Herrn Lafontaine, vielleicht bald in Saarbrücken. Und weil es so schön klingt, ist die FDP auch immer mit dabei.
Dabei wird auch gern einmal darüber hinweggesehen, dass wir ein anhängiges Verfahren beim Bundesverfassungsgericht haben und es klug wäre, wenn man erst einmal das einschlägige Urteil abwarten würde – es sei denn, man ist wieder auf Schnellschüsse aus, die dann wiederum Gefahr laufen, vor Gericht zu landen.
Besagten Schnellschuss muss man erwarten, wenn man, wie von Bundeswirtschaftminister Glos zu hören war, die Finanzierung der ersten Kilometer damit bewerkstelligt, dass in den Genuss wiederum nur die Autofahrer kommen und nicht auch die vielen anderen Pendler, die umweltfreundlichere Verkehrsmittel benutzen. Auch das, meine Damen und Herren, würde gegen den allgemeinen
Gleichheitsgrundsatz im Artikel 3 des Grundgesetzes verstoßen, vor dessen Hintergrund ja gerade die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig ist.
Ich sage hier mit aller Klarheit: Die Ungleichbehandlung von Autofahrern und Benutzern des öffentlichen Personennahverkehrs bei der Entfernungspauschale ist mit uns nicht zu machen. Ich bin dem Kollegen Pecher ausdrücklich dankbar, dass er diese Frage klar angesprochen hat.
Ich würde auch gern einmal wissen, welche Mitnahmeeffekte Sachsens CDU-Generalsekretär Kretschmer meint, wenn er äußerte, dass nur diejenigen davon profitieren sollen, denen auch wirklich Kosten entstehen. Das war doch wohl bisher auch so, es sei denn, man beging Steuerbetrug.
Will man die 30-Cent-Pauschale wieder einführen, wie sie bis Ende 2006 galt, müssten 2,5 Milliarden Euro gegenfinanziert werden. Herr Rößler hatte darauf hingewiesen. Die FDP sagt aber auch nicht, wie sie das machen will. Wenn wir eine kostenneutrale Lösung für die Umgestaltung der Entfernungspauschale ab dem ersten Kilometer haben wollten, dann müssten wir die Entfernungspauschale auf 15 Cent kürzen. Wir sind allerdings grundsätzlich der Meinung, dass man ökologisch nachteiliges Verhalten nicht noch steuerlich begünstigen sollte.
Wir sprechen uns dafür aus, die Entfernungspauschale vom ersten Kilometer an zu gewähren, den Satz aber Schritt für Schritt abzuschmelzen, also sozusagen eine Degression bis zur völligen Abschaffung ins Auge zu fassen.
Übrigens reicht es mir bei dieser ganzen Debatte nicht aus, nur die fiskalischen Aspekte zu beleuchten. Wenn wir über die Entfernungspauschale sprechen, geht es mir auch darum, über ein Paket von Maßnahmen zu diskutieren, die gleichzeitig der Verkehrsvermeidung dienen und trotzdem die sozialen Belange der Betroffenen in den Blick nehmen. Dazu zählen meiner Meinung nach die altbekannten Dinge, die wir alle kennen, denen aber nie ein derartiger Nachdruck verliehen wird, wie diesen vordergründigen Debatten hier zur Pendlerpauschale, nämlich die Umschichtung der Mittel für Neu- und Ausbau von Straßen auf Erhalt und Sanierung, die Forderung eines Entwicklungsleitbildes „Stadt der kurzen Wege“, Aufstockung von Stadtumbauprogrammen und von Programmen „Soziale Stadt“ mit deutlicher Steigerung der Mittel für die Wohnumweltverbesserung und die Reform der Grundsteuer mit dem Ziel, Wohnen in Städten mit wenig Flächenverbrauch günstiger und Bauen auf der grünen Wiese teurer zu machen.
Wenn wir uns einmal derart umfassend mit dem Problem der Pendler beschäftigen, werden wir sehen, dass der simple Vorschlag der Wiedereinführung der Entfernungspauschale ab dem ersten Kilometer wahrlich zu kurz gegriffen ist und den Herausforderungen der Zukunft – seien sie verkehrspolitischer, klimapolitischer oder sozialer Natur – mitnichten gerecht wird.
Meine Damen und Herren! Die Entfernungspauschale ist im Endeffekt – ähnlich, wie es die Eigenheimzulage war – eine Zersiedlungsprämie, die zu einer Ausweitung des Flächenverbrauchs beiträgt. Ich erinnere daran, dass im letzten Umweltbericht des neuen Ministers Wöller gerade diese Aspekte für Sachsen als hochproblematisch erkannt und benannt wurden. Die Menschen ziehen immer weiter weg von der Arbeit, da sie die Kosten des Treibstoffverbrauchs ja von der Steuer absetzen können. Mit einer unüberlegten Wiedereinführung der vollen Entfernungspauschale hätten die Menschen aber auch keinen Anreiz mehr, Benzin und damit Geld zu sparen. Ein erhöhter CO2-Ausstoß führt jedoch zu Auswirkungen auf die Klimaerwärmung und damit langfristig zu größeren Ausgaben für die Allgemeinheit. Dem Ziel einer 40prozentigen Reduzierung der CO2-Emmission bis 2020, dem sich verbal, glaube ich, auch DIE LINKE verpflichtet hat, würde der Subventionierung von Autofahrten zuwiderlaufen.