Protocol of the Session on March 6, 2008

(Widerspruch des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Als ich mir das anhörte, habe ich gedacht, es ist doch klar, dass ich für diese Debatte Humor brauche, aber dass ein solcher Arche-Typ für die berühmten Männerprojekte im Wald hier wirklich leibhaftig ans Mikro tritt, hätte ich mir nun nicht ausgemalt. Ich würde sagen, versuchen Sie es mal mit Trommeln im Wald.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Natürlich brauchen Männer mehr Beratung, und sie sind Beratungsmuffel. Wenn Sie da nicht informiert sind, schlage ich Ihnen vor, wenn Sie wissen wollen, wie man diese schwierige Zielgruppe beratend erreicht, erkundigen Sie sich beim Magdalenen-Stift in Chemnitz, die zum Beispiel nur auf Männer konzentrierte Sucht- und Präventionsberatung machen. Da kann man sich ja mal kundig machen, statt rumzublödeln.

Ansonsten: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf darf in Zukunft kein Frauenproblem mehr sein. Das ist ein Problem für Männer und Frauen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch Männer wollen Familie und Beruf vereinbaren. Wenn Sie das in der politischen Wahrnehmung immer darauf reduzieren, das sei ein Problem für Frauen, dann verkürzen Sie die Debatte und nehmen vielen Männern die Möglichkeit, ihren Wunsch umzusetzen, mehr für die Familie da zu sein und zum Beispiel in Teilzeit zu arbeiten, weil sie Freude an ihren kleinen Kindern haben und sie auch täglich erleben wollen, und zwar nicht erst nachtschlafend, wenn sie nach Hause kommen.

Die globalisierte Arbeitswelt und der hohe Druck, der aus demografischen Veränderungen im Freistaat Sachsen entsteht, ist genau der hohe Druck im politischen Kessel, dessen Entäußerungen manchmal hier drüben bei der NPD irgendwelche merkwürdigen Sachen absondern oder vielleicht auch unseren gemeinsamen Wohlstand in Sachsen und unsere gemeinsame Zufriedenheit und Sicherheit hier und da gefährden können. Ich bin als Frau und Bürgerin in diesem Land daran interessiert, dass es allen, die hier leben, nach ihren Möglichkeiten gut geht. Darum geht es in der Debatte, die wir heute führen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Ich frage die Fraktion der CDU, ob sie noch einmal reden möchte. – Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich die Linksfraktion. Herr Prof. Porsch, bitte.

(Jürgen Gansel, NPD: Keine verkappte Germanistikvorlesung, bitte! Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: – Ich kann sie Ihnen nicht ersparen, Herr Gansel, aber Sie werden sie wie immer nicht verstehen. Es wird eine. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen von der Fraktion der GRÜNEN! Herzlichen Dank für Ihre Große Anfrage. Wenn jemand noch bezwei- felt hätte, dass sie nötig sei – die Debatte hat gezeigt, wie bitternötig sie ist. (Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Sie haben in ein Wespennest der Genderproblematik gestochen. Bei der Gleichstellung der Geschlechter – das ist das Fazit aus der Anfrage, aus den Antworten und aus der bisherigen Debatte – ist noch viel zu tun, vor allem im Alltag. Deshalb kann man sich noch andere Informationsquellen erschließen als nur die Staatsregierung und ihre Antworten. Ich will das versuchen.

Sprache zum Beispiel ist ein kollektiver Wissensspeicher. Sie ist sozusagen das Lager alltagskultureller Wahrnehmungs-, Einstellungs- und Bewertungsmuster. In ihr findet man, wie es im Alltag wirklich ist. Daraus will ich einige Dinge zum Thema verfügbar machen. Ich will das auch machen, um Herrn Rohwers Vorwurf der Vorurteile und Stereotypen, die an dieser Großen Anfrage hingen, daran zu überprüfen und damit auch auf Herrn Dr. Martens’ Beitrag eingehen.

Nehmen wir die Welt zur Kenntnis, so wie sie ist und so wie sie sich in der Sprache darstellt. Schauen wir in einen sprachlichen Lagerkatalog, zum Beispiel in das einbändige Deutsche Universalwörterbuch in der Dudenreihe. Da bekommt man sehr schnell – Sie werden es gleich merken – Anschauungsunterricht über einige interessante Differenzen zwischen der Lage der Männer und der Frauen, der gefühlten und der wirklichen Lage zwischen Männern und Frauen. Wenn Sie zum Beispiel in der Auflage von 2003 des Duden-Universalwörterbuchs unter dem Stichwort „Frauen“ nachsehen, finden Sie unter anderem folgende Information: „titelähnliche, auch als Anrede verwendete Bezeichnung für eine erwachsene Person weiblichen Geschlechts“. Dann kommen einige Verwendungsbeispiele. Das ist so üblich in Wörterbüchern. Die klingen eigentlich sehr normal: „ich habe Frau Meier getroffen, Frau Oberin, sehr geehrte Frau Müller, sehr geehrte gnädige Frau.“

Interessant wird die Sache aber, wenn Sie bei männlichem Äquivalent nachsehen, in diesem Fall unter dem Stichwort „Herr“. Da lesen Sie zunächst mutatis mutandis: „titelähnliche, auch als Anrede verwendete Bezeichnung für eine erwachsene Person männlichen Geschlechts“. Was sonst, denkt man, und dann geht man zu den Verwendungsbeispielen über. Hier lauert die erste Ohrfeige der Realität. Ich zitiere die Verwendungsbeispiele: „Herr (Minister), Direktor, Doktor; lieber Herr Müller; nur mit Herrn (Professor) Müllers Einverständnis;

(Heiterkeit bei der Linksfraktion)

ich erwarte den Besuch des Herrn Ministers Müller; die Rede des Abgeordneten Müller; Herr Ober, bitte eine Tasse Kaffee; ich habe Herrn Meier getroffen“. Zitatende.

Ich will der Ehrlichkeit halber hinzufügen, dass die Worte Minister und Professor in Klammern gesetzt sind. Das Duden-Universalwörterbuch will nach Aussage der Redaktion am Puls der Zeit bleiben. Und es ist am Puls der Zeit, das sage ich Ihnen.

Es ist klar, dass nicht jeder „Herr“ Minister oder Professor sein kann. Wenn aber, dann nur oder wenigstens zu allererst „Herren“, denn bei „Frau“ kommen die Titel auch in Klammern nicht vor.

Weil aber am Puls der Zeit und weil die Welt sich ändert, muss man wiederum ehrlicherweise nachsehen, was in einer späteren Auflage als 2003 unter den gleichen Stichwörtern steht. Nehmen wir die Auflage 2006, eine jüngere kenne ich nicht.

Zu „Herr“ hat sich nichts geändert. Männer stagnieren also von 2003 bis 2006 in ihrer Entwicklung. Wo soll es denn auch noch hingehen?

(Lachen des Abg. Falk Neubert, Linksfraktion)

Bei „Frau“ liest man jetzt jedoch – Zitat –: „Ich habe Frau Meier getroffen; Frau Direktorin; Frau Rechtsanwältin; Frau Studienrätin; Sehr geehrte Frau Müller; Sehr geehrte gnädige Frau“. Zitatende.

Na also, denkt man, es geht doch. Auch wenn die Wörterbuchmacherinnen und -macher noch bescheiden, aber realistischerweise Ministerinnen und Professorinnen weglassen, ihre Zahl reicht eben noch nicht aus, um in den Katalog des Alltags zu kommen. Und die Bundeskanzlerin war zum Redaktionsschluss noch nicht Realität.

Immerhin sind aber „Professorin“ und „Bundeskanzlerin“ in diesem Buch, das die Linguistin Luise F. Pusch einst zu Recht als „Trivialroman“ bezeichnete, als weibliche Form zu „Professor“ und „Bundeskanzler“ angeführt; sozusagen als Möglichkeit, wenn auch kaum genutzt. Ich bin sicher, weitere Dudenausgaben werden weitere Veränderungen reflektieren.

Folgt man den derzeitigen sprachlichen Lagerbeständen weiter, könnte man meinen, die Unterschiede zwischen Mann und Frau hätten keine sozialen, sondern einzig natürliche Ursachen,

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

auch eine weit verbreitete Meinung. Die Unterschiede lägen, so registriert das Wörterbuch, im Grunde darin, dass die Frau vom Menschen an und für sich anatomisch abweicht.

(Heiterkeit)

Denn wir finden unter dem Stichwort Anatomie bei Duden 2006 – Zitat –: „Aufbau, Struktur des (menschli- chen) Körpers, die Anatomie des Menschen, der Frau, der Hauskatze, die weibliche Anatomie“.

(Jürgen Gansel, NPD: Langweilig!)

Was sagen uns die Verwendungsbeispiele? Es weicht die Anatomie der Frau, die weibliche Anatomie, genauso wie zum Beispiel die Anatomie der Hauskatze, offensichtlich von der Anatomie des Menschen ab.

(Allgemeine Zurufe und Unruhe)

Bestärkt wird diese Interpretation, wenn man unter „Würde“ nachsieht. Unter „Würde“ wird ebenfalls unterschieden zwischen der Würde des Menschen und der Würde der Frau, und zwar kommen hier in diesem Hause jetzt die Reaktionen hauptsächlich von rechts außen; aber wer die Realität kennt, weiß bedauerlicherweise, dass der Duden diese Verwendungsbeispiele nicht nur in NPDKreisen gefunden hat.

Weil es mit der Anatomie so ist, sind Ähnlichkeiten oder gar Übereinstimmungen zwischen der Anatomie der Frau und des Mannes, zum Beispiel für den Mann in Extremfällen bedauerlich, die Würde betreffend.

Ein Beispiel. Das „Weiblein“ ist nach Duden-Universalwörterbuch 2006 – ich zitiere –: „eine kleine alte Frau“. Als Beispiel gebracht „ein verhutzeltes, altes Weiblein“.

Das äquivalente „Männchen“ ist hingegen nicht ein kleiner alter Mann, sondern „ein kleiner bedauernswerter Mann“.

(Heiterkeit)

Ansonsten aber auch „ein altes, verhutzeltes Männchen“.

Wenn Sie unter „watscheln“ nachsehen – ich höre dann auf …

(Beifall bei der NPD – Zuruf von der NPD: Endlich!)

Ich weiß ja, dass es wehtut und dass Sie nur so tun, als würde es nicht wehtun.

(Alexander Delle, NPD: Langweilig!)

Aber mit dem Wehtun werde ich nicht aufhören, da habe ich noch ein paar Sachen auf Lager.

Also sehen wir unter „watscheln“ nach. Da lernen wir, dass Enten watscheln und seine Frau wie eine Ente watschelt. Es ist immer wieder die weibliche Anatomie; so weit, so gut, im Duden-Universalwörterbuch, in der Sprache und in der Gesellschaft.

(Zuruf des Abg. Robert Clemen, CDU)

Jetzt kann ich es mir natürlich nicht verkneifen, einmal die Methode Schowtka, Bandmann und Jähnichen und anderer Think Tanks der CDU

(Heiterkeit und Beifall bei der Linksfraktion und Beifall des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

und manchmal auch der SPD zu kopieren, und bemühe deshalb – verzeihen Sie es mir – die DDR zum Vergleich. Sie können mir glauben, in deren international sehr geachteten Wörterbüchern, dem Handwörterbuch der

deutschen Gegenwartssprache aus dem Jahre 1984 und dem 1978 erschienenen Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, stehen die Frauen und damit auch die Männer besser da, was schon etwas über ihre Stellung, die Stellung der Männer und Frauen und ihre Beziehungen in der Gesellschaft aussagt.

Ich wollte eigentlich an dieser Stelle dem Hohen Hause die extremen Beispiele ersparen. Ich kann es nicht nach den Beiträgen, die ich hier gehört habe. Ich will mich gar nicht lange aufhalten bei „ausfahren“, wo in den DDRWörterbüchern steht „ein Kind ausfahren“, während im Duden immer steht „die Mutter fährt das Kind aus“. In den DDR-Wörterbüchern steht „ein Kind abhalten“, in den Duden-Wörterbüchern steht erst „sie hält das Kind ab“, dann „die Mutter hält das Kind ab“. Das ist ja alles noch okay.