Protocol of the Session on March 5, 2008

Ich habe im Juli unseren Gesetzentwurf für ein Seniorenmitwirkungsgesetz in 1. Lesung eingebracht. Seither sind fast acht Monate vergangen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns mit der Debatte über diesen

Gesetzentwurf ganz bewusst sehr viel Zeit gelassen, weil wir darauf gewartet haben, welche Reaktionen nicht nur von denen, die uns sozusagen den Auftrag für ein solches Gesetz gegeben haben, kommen würden, sondern auch von jenen, bei denen man vermuten konnte, dass sie dagegen sein könnten.

Erst am 20. Februar wurde in einer Sitzung des Sozialausschusses, über die ich hier wegen ihrer Nichtöffentlichkeit nicht ausführlich informieren darf, von einem Abgeordneten, dessen Namen ich auch nicht nennen darf – ich nehme aber an, dass er sich nach mir in die Debatte begeben wird, sodass Sie sehen werden, um wen es sich handelt –, sehr ausführlich dargelegt, warum man dieses Gesetz in keinem Falle annehmen könne.

Ich werde heute nicht noch einmal ausführlich jedes Detail erläutern. Ich muss mich allerdings wundern, dass sich die Koalitionsfraktionen, insbesondere die CDU, erst sehr spät mit dem Text befasst haben. Wenn die Koalitionsfraktionen denn schon, aus welchen Gründen auch immer – wir kennen sie ja hinreichend –, unserem Entwurf nicht zustimmen, hätte ich erwartet, dass sie wenigs

tens Änderungsanträge eingebracht hätten – das gehört zur Diskussionskultur, meine Damen und Herren –

(Beifall bei der Linksfraktion)

oder dass sie sich befleißigt hätten, wie sie das gelegentlich tun, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen.

Ich warte darauf nach wie vor, denn eines will ich deutlich sagen, bevor ich nochmals auf einzelne Dinge eingehe: Es gibt eine Mehrheit der älteren Menschen in Sachsen – wir können das einigermaßen repräsentativ belegen –, die ein solches Gesetz will. Wenn Sie schon nicht unserem Gesetzentwurf zustimmen wollen, weil Sie das aus Ihrer Tradition werfen würde, hätten Sie etwas Eigenes einbringen können. Ansonsten haben Sie lediglich Scheinargumente geliefert, weshalb man dem Gesetz nicht zustimmen könne.

Lassen Sie mich auf einige dieser Scheinargumente eingehen. Sie sagen, in Sachsen sei alles in Ordnung, ein solches Gesetz sei nicht nötig. Ich sage Ihnen hier noch einmal: Die Idee zu diesem Gesetz kam nicht von uns. Schon vor Jahren haben sich Seniorenverbände und Gewerkschaften an alle Fraktionen dieses Hauses mit der Bitte gewandt, ein solches Gesetz zu entwerfen. Viele Jahre tat sich nichts, bis wir – ich sage Ihnen das so – die Nase voll hatten und endlich diesem Wunsch vieler Seniorenverbände und Gewerkschaften mit einem Entwurf Rechnung getragen haben. Wir wollten – weil Sie sagen, es sei alles in Ordnung – eben Rahmenbedingungen schaffen, damit sich die Interessenvertretung noch besser entfalten kann.

50 Stellungnahmen aus ganz Sachsen sind zu unserem Gesetzentwurf eingegangen, von wesentlichen Verbänden, im Übrigen auch aus den Reihen von CDU und SPD. 200 Vorschläge hat es gegeben. Trotz mancher Einwände zu Details war man mehrheitlich für dieses Gesetz. Im Übrigen gilt dies auch für die Experten, die wir in der Anhörung hatten.

(Alexander Krauß, CDU: Nicht alle!)

Mehrheitlich! Ich rede doch noch deutlich, obwohl ich wegen des Nichtraucherschutzgesetzes hier ziemlich angekrankt bin.

(Zurufe von der CDU)

Zweites Scheinargument: Senioren dürften doch nicht durch ein eigenes Gesetz privilegiert werden, wurde gesagt. Da frage ich: Warum werden Frauen privilegiert – dort ist das festgelegt –, warum Kinder und Jugendliche? Warum haben selbst behinderte Menschen mit dem SGB IX ein eigenes Sozialgesetzbuch und weitere gesetzliche Bestimmungen? Dazu wurde von einem Abgeordneten eingewandt, behinderte Menschen könnten ihre Interessen nicht vertreten, ältere Menschen sehr wohl.

Dazu sage ich in aller Öffentlichkeit deutlich: Wer so über die Möglichkeit behinderter Menschen zur Interessenvertretung spricht, sollte seine Standpunkte gründlich überdenken und in sich gehen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Behinderte Menschen – ich sage das persönlich und auch im Namen meines Kollegen Horst Wehner, der in dieser Ausschusssitzung sehr betroffen war – können ihre Interessen sehr wohl vertreten, und sie tun es täglich.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das dritte Scheinargument: Seniorenbeauftragte seien nicht nötig und eigentlich auch nicht demokratisch legitimiert. Viele Beauftragte, auch Seniorenbeauftragte nicht zuletzt in meiner Stadt Leipzig, leisten eine sehr gute Arbeit. Sie sind oft eine Brücke zwischen den Verwaltungen und der Bürgerschaft. Das wollen wir nicht missen. Wir wollen ihre Rolle stärken.

Wenn man das ernst nähme, was da eingewandt wurde, würde das ja bedeuten, dass die Minister der Staatsregierung eigentlich nicht demokratisch legitimiert seien, denn sie sind auch nur berufen und nicht gewählt. Aber auf einen solchen Gedanken käme die CDU sicherlich niemals, weil er nicht in ihr Konzept passt. Aber wer in Sachen demokratische Legitimation A sagt, muss dann eben auch B sagen.

Lassen Sie mich ein viertes Scheinargument andeuten, das insbesondere auch aus der Fraktion der GRÜNEN kam, nämlich: Zwei Vertretungsinstitutionen auf Landesebene seien eigentlich nicht sinnvoll. Ja, das haben wir auch so gesehen. In unserem ersten Entwurf hatten wir nur eine Vertretungskörperschaft, nämlich den Landesseniorenbeirat. Aber in den vielen Stellungnahmen, die wir erhalten haben, wiesen uns die Betroffenen, für die das Gesetz sein soll, darauf hin, dass sie es gut finden würden, wenn man an der Praxis von zwei Vertretungen und zwei Körperschaften festhielte.

Was macht ein guter Demokrat dann? – Er überprüft seinen eigenen Kenntnisstand, seinen eigenen Stand, und wird sich, wenn es im Interesse derer ist, die das Gesetz brauchen, diesem anschließen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Insofern zieht auch dieses Argument für uns im Endeffekt nicht.

Der letzte Einwand: Wir würden mit diesem Gesetz unzulässig in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen. Also, meine Damen und Herren, insbesondere von der CDU, fast jedes Gesetz, das hier von Ihnen initiiert und beschlossen wird, beinhaltet radikale Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Verwaltungsreform!)

Insbesondere die regelrechte finanzielle Knebelung seitens des Freistaates gegenüber den Kommunen

(Beifall bei der Linksfraktion)

was ist das anderes, als ein direkter, unmittelbarer Eingriff in kommunale Selbstverwaltung? Aber ich will Ihnen Folgendes sagen: Ja, wir greifen mit diesem Gesetz

in kommunale Selbstverwaltung ein, ich gebe das zu. Aber wir stärken sie, indem wir sinnvolle Rahmenbedingungen schaffen, damit insbesondere Seniorenvertreterinnen und -vertreter vor Ort agieren können, ohne dass sie vom Gutdünken eines Landrates oder eines Bürgermeisters abhängen, davon, ob er sie denn zulässt oder nicht. Das ist Stärkung kommunaler Selbstverwaltung,

(Beifall bei der Linksfraktion)

nämlich vor Ort die Möglichkeit zur unmittelbaren Betätigung zu schaffen.

Abschließend: Ja, ich gehe davon aus, obwohl ich einleitend eine andere Hoffnung hatte, dass Sie auch dieses Gesetz ablehnen werden. Aber damit – das sage ich deutlich – treten Sie den mehrheitlichen Willen von älteren Menschen mit Füßen.

Ich schließe ab. Wir werden in dieser Legislaturperiode mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Seniorenmitwirkungsgesetz haben. Wer dieses Gesetz will, meine Damen und Herren, der muss so lange warten, bis die CDU – dann aber auf den Oppositionsbänken, die sie drücken wird – nicht mehr dagegen sein kann. Vorher wird es nicht möglich sein. Also, auch das ist bei allen Wahlentscheidungen zu berücksichtigen. Allzu lange ist es nicht mehr hin.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die CDU-Fraktion erhält das Wort. Herr Dr. Jähnichen, bitte.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Es kommen schwere Zeiten, Herr Dr. Jähnichen! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Die Lehrerschelte nicht vergessen, Herr Dr. Jähnichen!)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, ich finde es gut, dass wir im Rahmen dieses Tagesordnungspunktes in diesem Hohen Haus einmal eine seniorenpolitische Diskussion führen, denn die zunehmende Alterung der Bevölkerung in Deutschland ist mit einer Menge von Herausforderungen verbunden.

(Einzelbeifall bei der CDU)

Im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion stehen insbesondere die ökonomischen und die sozialpolitischen Folgen. Stichworte sind hier: Rückgang, Alterung der Erwerbspersonen, ungünstige Auswirkungen auf Kaufkraft und Wirtschaftswachstum, sozialpolitische Folgen in erster Linie bezüglich der gesetzlichen Kranken-, Alters- und Pflegekassen.

Aber, meine Damen und Herren, die politischen und auch die kulturellen Herausforderungen werden oft übersehen. Dabei ist die Mobilisierung von Potenzialen und Kompetenzen der Seniorengeneration eigentlich die wichtigste nationale Ressource, die wir haben. Gegenüber früheren Generationen haben sich die Bedingungen des Alterns in

allen modernen Wohlfahrtsstaaten stark geändert. Mit den gewonnenen Lebensjahren geht eine Verlängerung der Phase mit einer relativ guten Gesundheit einher.

Wir diskutieren Seniorenpolitik aber nach wie vor vorrangig unter sozialpolitischen Aspekten, wie Hilfe- oder Pflegebedürftigkeit. Ältere Menschen verfügen über Fähigkeiten und Erfahrungen, die sie in Wirtschaft und Gesellschaft einbringen wollen und auch können. Sie haben oft eine hohe Qualifikation und Motivation oft, eine bessere Bildung als frühere Generationen sowie ein hohes Selbstbewusstsein und es gilt, diese gewonnenen Jahre sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft zu nutzen.

Nun, meine Damen und Herren, zu den Details dieses Gesetzentwurfes:

Die anlässlich der Anhörung zu dem Gesetzentwurf von den Parteien benannten und vom Landtag eingeladenen Damen und Herren haben in ihrer Mehrzahl gesagt: Eigentlich ist so etwas unschädlich, man kann so etwas durchaus machen. Es ist, wenn Sie so wollen, eine Aufwertung der Senioren. Die aktive Beteiligung der Seniorinnen und Senioren im Freistaat Sachsen am gesellschaftlichen Leben stärker befördern zu wollen – so heißt es in der Zielstellung zum Gesetzentwurf – ist auch eine löbliche Absicht.

Allerdings haben mehrere Experten in der Anhörung auch darauf hingewiesen, dass der Gesetzentwurf massiv gegen die kommunale Selbstverwaltung verstößt, keine Aussagen zur Finanzierung enthält und andere Gesetze des Landes tangiert. Meine Fraktion stellt deshalb Folgendes fest:

Erstens. Wir sind gerade gemeinsam mit dem Koalitionspartner dabei, das größte Reformwerk dieser Legislaturperiode umzusetzen, nämlich eine Verwaltungs- und Funktionalreform mit dem Ziel, die kommunale Ebene in ihrer Entscheidungsfreiheit, in ihren Kompetenzen und in ihrer Verantwortung zu stärken. Wie Sie wissen, ist für uns Christdemokraten die Subsidiarität ein Grundanliegen der Politik. Nun fordert DIE LINKE in ihrer Gesetzesinitiative genau das Gegenteil: Wir sollen den Städten, Gemeinden und Landkreisen mehr Vorschriften machen, sie gesetzlich zwingen, Seniorenräte, -vertretungen, -beauftragte per Landesrecht zu etablieren.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Ist ja wirklich unerhört!)

Dabei sind alle gesetzlichen Voraussetzungen für derartige Vertretungen und Beauftragte bereits vorhanden, aber in kommunaler Eigenregie.

(Beifall bei der CDU)

In dem kürzlich der Öffentlichkeit übergebenen Altenhilferahmenplan der Koalitionsregierung heißt es – ich zitiere –: „Das Wirken von Seniorenvertretungen im sogenannten vorpolitischen Raum sollte mit Nachdruck unterstützt werden. Dies ist Aufgabe der Kommunen.“