Ich finde, wenn man seiner Pflicht nachkommt, dann ist das gut, aber kein Grund, sich daran selbst zu berauschen. Im Gegenteil, ihr nicht nachzukommen hätte die Rechtmäßigkeit Ihres Sondervermögens infrage gestellt. Aus einer Pflicht wird keine Kür, wenn man sich nur lange genug selbst auf die Schultern klopft! Man kann nur eine Sternstunde daraus machen, wenn man keine sehr hohe Meinung vom Parlamentarismus in diesem Land hat. Diese Meinung teilen wir ausdrücklich nicht. Es war eine gute Sitzung, aber das war auch unsere Pflicht. Meine verehrten Damen und Herren, überhöhen Sie nicht das, was wir in dieser Sitzung gemeinsam gemacht haben.
Das gilt im Übrigen auch für die parlamentarische Beteiligung bei der Umsetzung des Sondervermögens. Ähnliches gilt auch für § 6 Abs. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes, der das jetzt neu regelt und von der ursprünglichen Vorstellung dieser Landesregierung abweicht, nämlich der eines Wirtschaftsplans, der mit allgemeinen Überschriften und einigermaßen großen Zahlen gerade mal zwei Seiten brauchte und mit der Möglichkeit verbunden war, als Landesregierung diesen Wirtschaftsplan einseitig, auch ohne Beteiligung des Parlaments, nachträglich zu ändern und eben nicht wie im allgemeinen Haushaltsrecht bei außerplanmäßigen Situationen. Dieser Wirtschaftsplan war vielmehr konzipiert und geplant als Blankoscheck für die Exekutive, den wir von Anfang an abgelehnt haben. Und das nicht aus einem oppositionellen Reflex heraus, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern weil das Budgetrecht des Parlamentes das Kernstück der parlamentarischen Demokratie ist. Das, was über Jahrzehnte und Generationen
hinweg Abgeordnete gegenüber den Monarchen erkämpft haben, lieber Herr Weizsäcker, wollten wir gegenüber dem Freiherrn nicht kampflos aufgeben.
Ich sage das mit einem Lächeln, aber auch ganz im Ernst, weil die Aneinanderreihung von einem Sondervermögen an das nächste - wir haben im Saarland 13 davon, das gilt auch für viele andere Länder - mittlerweile eine echte Gefahr ist. Viele von uns haben sich in der Anhörung mit ihrer Ansicht wiedergefunden, dass es eine echte Gefahr für das Recht der Parlamente ist, ihr Budgetrecht tatsächlich im Hinblick auf die Gänze des Budgets eines Landes auszuüben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist im Übrigen ein Recht, das nicht der Mehrheit des Landtags gehört, sondern jedem einzelnen Abgeordneten Rechte und Pflichten auferlegt. Diese Gefahr wird daher zu Recht in der aktuellen Rechtsprechung auch in anderen Bundesländern gesehen und strenger Kontrolle unterzogen. Der Hessische Staatsgerichtshof führt dazu in einer Entscheidung aus dem Herbst 2021 wie folgt aus. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „Zum verfassungsrechtlichen Status des einzelnen Landtagsabgeordneten gehört die Befugnis zur Rede im Landtag und das Recht, sein Stimmrecht frei auszuüben. Hieraus folgt für jeden Landtagsabgeordneten ein Recht auf Teilhabe am Diskurs und auf Mitentscheidung über geplante Ausgaben staatlicher Finanzmittel. Er soll seine Vorstellungen über die Verwendungsmöglichkeiten der Haushaltsmittel darlegen und dadurch die Entscheidung über ihre Verwendung beeinflussen können.“ - Das Recht jedes einzelnen Abgeordneten!
Daher ist die Konkretisierung des Wirtschaftsplans, der uns seit zwei Tagen vorliegt, aber insbesondere auch die Mitentscheidung des Plenums, nicht nur des Haushaltsausschusses, an Änderungen im Wirtschaftsplan kein gnädiges Entgegenkommen der Mehrheit dieses Hauses, sondern schlicht und ergreifend eine Befolgung dessen, was die Verfassung aus dem Recht jedes einzelnen Abgeordneten auf Mitwirkung am Budgetrecht ableitet. Es bewahrheitet sich wieder einmal der Satz, dass manchmal das Recht des Parlaments gegenüber der parlamentarischen Mehrheit zu verteidigen ist. Das jedenfalls, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist hier gelungen und ist eine gute Nachricht an diesem heutigen Haushaltsmorgen.
Sehr geehrter Herr Minister von Weizsäcker, wir erwarten dafür natürlich keine Dankbarkeit - das ist keine politische Kategorie -, dass wir Ihnen damit schon zum zweiten Mal quasi die Rechtmäßigkeit Ihres Sondervermögens gerettet haben. Wir freuen uns aber natürlich, dass Sie
sich unseren Argumenten hinsichtlich des Verfahrens nicht verschlossen haben. Ich glaube, es war keine Sternstunde der SPD in dieser Frage, sondern schlicht und ergreifend die Angst vorm Verfassungsgerichtshof. Und die war berechtigt, denn deshalb hätten Sie damit scheitern können, meine sehr verehrten Damen und Herren. Insofern ist das jedenfalls eine gute Nachricht für den Parlamentarismus in diesem Land, liebe Freunde.
Stephan Toscani hat den berühmten pfälzischen „Philosophen“ heute Morgen schon zitiert: Es kommt darauf an, was hinten rauskommt. - Deshalb kommt es insbesondere auf die Unterschiede in der Sache an.
Die Unterschiede in der Sache bleiben. Deshalb bleibt es auch bei unserer Ablehnung Ihres Weges in die Verschuldungsfalle, die Sie hiermit einleiten.
Ich will in aller Kürze auf diese Unterschiede eingehen. Der erste grundsätzliche Unterschied ist, dass es einen Unterschied gibt zwischen Schuldenmachen als Ultima Ratio - wie es der Rechnungshof in seiner Stellungnahme dargestellt hat - und Schuldenmachen auf Vorrat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Rechnungshof und auch das Grundgesetz sind an dieser Stelle völlig klar aufgestellt. - Herr Commerçon, wenn Sie mir zuhören wür den, könnte es passieren, dass Sie heute noch klüger werden.
Das ist nicht sicher, Herr Commerçon, aber die Chance bestünde. Insofern wäre ich Ihnen sehr dankbar, dann können Sie auch besser dazwischenrufen.
Ich habe Sie gerade nicht gehört, das ist gut. Ich glaube, es war auch nichts, was ich nicht hätte verpassen wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Verschuldung als Ultima Ratio ist das Konzept der Schuldenbremse des Grundgesetzes. Das Konzept, das der Rechnungshof in seiner Stellung
nahme unterstrichen hat, besagt, dass Verschuldung die Finanzierungsform des Staates ist, die nach dem Ausschöpfen aller anderen Möglichkeiten zum Einsatz kommen kann: Nach Haushaltsdisziplin - ja, auch Haushaltsdisziplin -, nach der Generierung zusätzlicher Einnahmen und auch nach dem Einwerben von Mitteln seitens des Bundes und der Europäischen Union. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank, wir haben in dieser Woche gesehen, dass Ihnen nach Ihrem schönen Treffen in Berlin der Bundeskanzler schon wieder quasi eine Postkarte geschickt und gesagt hat, dass er das alles ganz gut findet, was diese Landesregierung hier macht. Jetzt wissen wir schon zum zweiten Mal, dass wir die moralische Unterstützung der Bundesregierung genießen. Ich kann mich erinnern, dass es in der Vergangenheit Bundesregierungen gab - Teilentschuldung unter Oskar Lafontaine, Neuregelung Länderfinanzausgleich unter Annegret Kramp-Karrenbauer -, bei denen es nicht nur Postkarten gab, sondern denen ein Scheck beigelegt wurde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das hätte ich viel lieber als die moralische Unterstützung des Bundeskanzlers. Sie müssen mal liefern, meine sehr verehrten Damen und Herren, und da kommt nichts! Wir sind sehr gespannt, wo wir an der einen oder anderen Stelle etwas zu erwarten haben. Der Bundeskanzler ist bislang noch nicht einmal darauf eingestiegen, Versprechungen zu machen. Ich hoffe, er wird sie wenigstens halten am Ende des Tages.
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, Sie können mich nicht enttäuschen, dafür brauchte man eine Erwartungshaltung.
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, Sie haben in einem Punkt vollkommen Recht, den ich hier noch mal unterstreichen will: Das Saarland wird den Lackmustest liefern, ob die ökonomischen Auswirkungen der notwendigen Bekämpfung des Klimawandels kompatibel sind mit der Bewahrung unseres industriellen Kerns und damit mit der Bewahrung des Wohlstands. „Das wird hier in einem Lackmustest entschieden“ waren Ihre Worte, wenn ich mich recht entsinne.
Wenn das aber so ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann ist das etwas - Stephan Toscani hat zu Recht darauf hingewiesen -, was stärker unterstützt werden muss von denen, die ein Interesse an diesem Lackmustest haben. Das ist eben die Bundesrepublik und auch Europa.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da habe ich in der Haushalts- und Finanzausschusssitzung diese Woche einiges gelernt. Dort hat nämlich der Finanzminister erklärt: Na ja, so
genau wissen wir ja nicht, was kommt, aber es wird sich an dem orientieren, was Salzgitter und andere bekommen. - Das reicht aber nicht! Wenn das der Lackmustest ist, dann muss es hier entschieden werden. Dann muss es ein Mehr sein. Das ist die Erwartungshaltung, die Sie geweckt haben, Frau Rehlinger. Daran werden wir Sie messen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das X muss mehr sein als das, was alle anderen bekommen, weil sich hier die Zukunft des Industriestandortes Deutschland entscheidet. Da haben Sie recht. Aber da muss auch etwas rüberkommen für das Land, meine sehr verehrten Damen und Herren. Darauf werden wir genau schauen.
Ich wiederhole nur das, was die Ministerpräsidentin von diesem Pult aus gesagt hat. Auf der anderen Seite haben Sie, Herr Commerçon, vorhin gesagt, aus der Haushaltsdisziplin könne sich doch kein richtiges Geld für Investitionen generieren lassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich verstehe Ihre Mutlosigkeit nicht. Sie haben doch in den letzten zehn Jahren daran mitgewirkt, dass wir aus Haushaltsdisziplin zusätzliche Spielräume für Investitionen haben generieren können. Sie haben doch mit uns dafür gesorgt, dass die Investitionsquote und die absoluten Zahlen in Investitionen in diesem Land gestiegen sind. Warum denn so mutlos? Sie haben bei den Steuereinnahmen dieses Jahr 500 Millionen Euro mehr bekommen. Warum denn so mutlos? Ich sage es Ihnen: Weil die Wahrheit ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Sie sich zwei lockere Legislaturperioden machen wollen, ohne auch nur einen Pfennig sparen zu müssen, damit es schön weitergehen kann. Aber das ist nicht das Ziel. Dafür darf man nicht die Zukunft dieses Landes verzocken. Genau das tun Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Unsere Position ist klar: Notlagefinanzierung, soweit sie zur konkreten und fokussierten Bewältigung der tatsächlich bestehenden ökonomischen und ökologischen Notlage des Landes notwendig ist. Schuldenmachen Ja, auf Vorrat Nein. In der Anhörung ist es zu Recht kritisiert worden. Die lange Laufzeit des Sondervermögens, die - gelinde gesagt - Gewagtheit des Wirtschaftsplans und der vom Rechnungshof und zahlreichen Gutachtern zu Recht kritisierte mangelnde Veranlassungszusammenhang zeigen das.
Daher, sehr geehrter Herr Commerçon, ist Ihr Verweis auf Brandenburg und NRW auch ein gutes Argument, denn die unterscheiden sich von unserem, von Ihrem Sondervermögen, da sie auf die Folgen der aktuellen Krise in den nächs
ten zwei, drei oder vier Jahren mit diesem Sondervermögen reagieren und nicht in zehn Jahren. Während Sie nämlich noch im Jahr 2032 Grundschulsanierungen auf Grundlage der Argumentation, dass heute in der Ukraine Krieg ist, finanzieren wollen, konzentrieren sich die Sondervermögen in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg auf die unmittelbaren Folgen der Energiekrise, die wir derzeit durchleben.
Da Sie heute mit Brandenburg und NordrheinWestfalen argumentieren, sage ich, das ist sowohl der Höhe nach im Vergleich zum Gesamthaushalt als auch hinsichtlich der Laufzeit der jeweiligen Sondervermögen ein gutes Argument, aber ein gutes Argument für unseren Vorschlag, wie wir ihn heute Morgen gemacht haben. Das ist Teil der Redlichkeit der Debatte, meine sehr verehrten Damen und Herren. Schauen Sie sich die Details in Ruhe an! Sie sollten sich ehrlich machen!
Was Sie hier tun, ist die aus Ihrer Sicht günstige Gelegenheit der Aktualität für einen kräftigen Schluck aus der „Schuldenpulle“ zu nutzen und damit die von Ihnen dem Grunde nach - das ist ja legitim, dass man das politisch so sieht - abgelehnte Schuldenbremse für zwei Legislaturperioden de facto auszusetzen. Diesen Weg geht kein anderes Land in Deutschland. Dieser Weg ist ein Irrweg. Deshalb werden wir den mit Ihnen nicht mitgehen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dieser Unterschied bleibt. Für uns ist Verschuldung Ultima Ratio. Wir stehen zum Ziel einer generationengerechten Haushaltspolitik. Daher konzentrieren wir das, was notlagenfinanziert ist, auf das, was wirklich Krisenbewältigung bedeutet. Sie suchen einen Weg, sich von dieser Pflicht zu befreien. Auch dieser Unterschied bleibt. Daher lehnen wir den Weg in den Teufelskreis der Verschuldung unseres Landes ab.
Lassen Sie mich zu einem letzten Punkt kommen, der Unterschiede mit sich bringt und der dazu führt, dass wir heute Ihren Vorschlag ablehnen werden. Das ist die Rückzahlung der Notlagenverschuldung. Für uns bedeutet die Pflicht zum nachhaltigen Handeln auch, die Haushaltsspielräume und die Handlungsspielräume zukünftiger Generationen nicht mehr als unbedingt notwendig einzuschränken. Auch da liegt ein Unterschied. Ich will auf das eingehen, was der Finanzminister von dieser Stelle aus in einer der vorangegangenen Debatte erklärt hat: Bei einer Hausfinanzierung müsse man ja nur - so ist das Zitat aus meiner Erinnerung - lange genug die Rückzahlung ziehen, damit die jährliche Belastung mit dem Schuldendienst nicht mehr so groß sei. Dann sei das ja zu stemmen. Ja, Herr von Weizsäcker, wenn wir ein Haus für die nächsten 70 Jahre bauen würden, dann hätten Sie sicherlich recht. Aber mit der Notla
genfinanzierung bauen wir kein Haus, sondern wir dürfen nur die Folgen der aktuellen Krise bekämpfen.
Das Problem an Krisen ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die nächste bestimmt kommt. Schauen Sie sich die vergangenen 15 Jahre an, Subprime, Banken‑Krise, Schulden-Krise, Flüchtlings-Krise, Corona-Krise, jetzt Ukraine-Krise und leider wird es nicht die letzte sein. Es ist nicht „The war to end all wars“. Es ist nicht die letzte Krise, die wir erleben werden, denn eines ist sicher: Die Generation derer, die diese Verschuldung bis 2070 tilgen muss, wird ihre eigenen Krisen haben, vermutlich sogar mehr als eine. Generationengerechtigkeit heißt auch die Fähigkeit, auf Krisen entschlossen reagieren zu können, die Krisenresilienz zukünftiger Generationen im Takt zu belassen. Das tun Sie weder mit der Höhe dieses Sondervermögens noch mit der jetzt auf 35 Jahre angelegten Rückzahlung.
Ich habe es an anderer Stelle schon einmal gesagt. Mein Sohn ist letzte Woche ein Jahr alt geworden. Er kann noch nicht einmal richtig „Papa“ sagen. Aber mit der heutigen Entscheidung ist eines klar: Er wird bis kurz vor seinem 50. Geburtstag - und damit einen Lö wenanteil seines Berufslebens - Steuern für die Rückzahlung dieser Verschuldung zahlen, Steuern, mit denen zu seiner Zeit dann weder Straßen saniert, Schulen gebaut, Kindergärtner bezahlt, Lehrerinnen bezahlt, Krankenhäuser renoviert noch die Krisen seiner Generation bekämpft werden können. Das ist auch ein wesentlicher Unterschied unseres Vorschlags. Wir wollen früher tilgen, wir wollen schneller tilgen. Sie gehen bis an die Grenze der Verlagerung von Lasten in die Zukunft. Auch daher lehnen wir diese nicht generationengerechte Notlagenfinanzierung heute ab.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Ziel ist uns gemeinsam, die Begleitung der Saarwirtschaft auf dem Weg zur Klimaneutralität teilen wir. Unser Weg dahin ist ein anderer, ein Weg, der auf die heutige Krise adäquat reagiert, ohne zukünftigen Generationen jeglichen Handlungsspielraum zu nehmen, ein Weg, der auch den heute Regierenden Anstrengungen abverlangt, ein Weg, der die ökonomische und ökologische Notlage des Saarlands ehrlich beschreibt und zusätzliche Verschuldungen auf das Notwendige beschränkt, ein Weg, der kein saarländischer Sonderweg ist, sondern für den wir mit guten Argumenten auf Unterstützung aus Berlin hoffen und diese einfordern können. Dieser Weg ist die Alternative zum Irrweg in die Überschuldungsfalle. Dazu steht die CDU-Landtagsfraktion. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.