Protocol of the Session on December 16, 2020

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der letzten Woche stand ich an dieser Stelle mit den Worten, dass 2020 auch in Erinnerung bleiben wird als das Jahr der Wissenschaft, weil ich zitiere mich nun quasi selbst - Politik, Gesellschaft, Medien, weil wir alle angesichts dieser Pandemie so offen für die Worte der Forscherinnen und Forscher sind und so stark auf diese Ergebnisse und wissenschaftlichen Erkenntnisse vertrauen - zumindest die meisten von uns. Ich sage ausdrücklich, dass wir vertrauen müssen. Denn die Wissenschaft bleiben wir in dem viel bemühten Seefahrer-Bild des heutigen Tages - ist in diesem schwierigen Jahr unser Kompass. Sie ist unser Kompass, wenn es darum geht, wie die Prognosen für die kommenden Tage und Wochen aussehen, welche Szenarien auf uns zukommen, wenn wir an Stellschrauben drehen oder es eben nicht tun. Wir vertrauen auf sie, weil die besten Wissenschaftler Deutschlands und des Saarlandes mit ihrer wichtigen Arbeit dafür sorgen, dass der Impfstoff, das einzig wirklich wirksame Mittel in dieser Pandemie, in unmittelbarer Reichweite ist. Egal, ob wir Gegenwind bekommen und Rückschläge einstecken müssen wie vielleicht gerade heute oder ob wir Rückenwind haben und es gute Entwicklungen gibt, die wir in dieser Phase ja auch schon hatten, was noch gar nicht so lange her ist, wir tun gut daran, den Kompass immer im Blick zu haben.

Natürlich muss man den Bürgern in dieser Situation die Information zumuten, dass wir auf Sicht fahren. Das bestreitet niemand. Das ist bei schwerer See in einer weltweiten Pandemie auch gar nicht anders möglich, aber - und da möchte ich einigen Aussagen von Kollegen hier im Hause der letzten Tage und Wochen deutlich widersprechen - wir stochern nicht im Nebel! Teil unseres Kompasses im Saarland sind Professor Lehr und sein Team, der COVID-Simulator wurde heute schon mehrfach angesprochen. Er zeigt passgenau die Szenarien für uns, für andere Bundesländer, den Bund, ja auch für andere Länder wie Frankreich, Spanien oder die USA. Er zeigt eindrücklich, was uns bevorsteht, wenn wir an diesem Punkt weiterfahren und nicht einlenken.

Die Fakten sind eindeutig. Der R-Wert lag in dieser Woche bei 1,35. Das sind 100 Menschen, die 135 andere Menschen anstecken. Mathematik! Noch vor einer Woche lag dieser Wert bei 1,01. Die Zahl der Todesfälle hat sich im letzten Monat verdoppelt, Stand gestern waren es im Saarland 354. Wir haben

heute gehört, dass wir in Deutschland innerhalb von 24 Stunden knapp 1.000 Tote zu verzeichnen hatten. Die 7-Tage-Inzidenz, auch wenn Herr Lafontaine den Begriff nicht mag, kratzt an der 200er-Marke. Natürlich schauen wir auch auf diesen Wert, denn anhand der Inzidenz ist ziemlich treffsicher vorherzusagen, wie viele Menschen vier Wochen später in unseren Krankenhäusern liegen. In diesen Punkten sind die Prognosen von Professor Lehr verlässlich. Sie bilden ab, welche Entwicklung die Pandemie nimmt, wenn bestimmte Bedingungen eingehalten werden oder wenn Maßnahmen nicht ausreichend greifen. Seine Erkenntnisse sind offen einsehbar. Das ist keinesfalls Hoheitswissen, das ist Spitzenforschung, die für jeden zugänglich ist. Deswegen ist es mir so unerklärlich, warum manch einer in dieser Debatte so tut, als würde bei den Corona-Maßnahmen gewürfelt, gerade wie man möchte.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Nun werden aus heutiger Sicht und mit Blick auf die steigenden Werte die Rufe laut, dass man den Kurs früher hätte anpassen und eine härteres Vorgehen hätte einschlagen können. Allen voran unsere Bundeskanzlerin, aber auch unser Ministerpräsident haben immer gesagt, auch hier an dieser Stelle, dass ein Lockdown light nur Erfolg haben kann, wenn alle ihn so ernst nehmen, dass wir die Kontakte auf ein Minimum reduziert bekommen. Ich erinnere daran, dass die Bundeskanzlerin noch vor wenigen Wochen nicht nur belächelt, sondern sogar scharf kritisiert wurde dafür, dass sie davon sprach, dass wir an Weihnachten 19.000 Neuinfektionen haben werden. Man hat ihr Panikmache vorgeworfen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, diesen Wert haben wir in den letzten Wochen mehrfach um einiges gerissen. Das war keine Panikmache, das war Mathematik! Auch hier hat unser Kompass, die Wissenschaft, von Anfang an aufgezeigt, dass zwar eine reelle Chance besteht, dass wir eine Trendumkehr mit diesen Maßnahmen schaffen könnten, dass es aber ein schmaler Grat ist und dass das Risiko besteht, dass die Maßnahmen nicht ausreichen, sondern dass sie nur aufgehen können mit einem hohen Maß an Selbstbeschränkung.

Ich glaube, niemand hier im Raum und im Land hat nicht gehofft, dass wir es schaffen, mit den milderen Einschränkungen einen längerfristigen Erfolg zu erreichen. Das zeigt aber nur eines, liebe Kolleginnen und Kollegen: Niemand hat diesen Umweg, den wir nun mit einem harten Lockdown einschlagen, gewollt. Wir haben viel darangesetzt, um die Schulen und Kindergärten, die Läden und Betriebe so offenzuhalten wie bisher, obwohl die Wissenschaftler schon gemahnt und immer eindringlicher gewarnt haben, weil es eben andere Grundrechte und berechtigte Interessen gibt, die es immer in die Waagschale zu werfen gilt.

Eines ist klar: Der Kompass zeigt die Richtung. Welchen Weg das Schiff wählt und welches Risiko das Schiff eingeht, um zum Ziel zu kommen, ist eine Entscheidung, die der Kapitän und die Besatzung mit Blick auf die Gesamtlage gemeinsam treffen müssen. Diese Entscheidung macht sich ganz sicher keiner leicht. Warum sollten wir also jetzt den Weg anpassen? - Weil die Wissenschaft nicht mehr nur mahnt und warnt. Die Kanzlerin hat es so formuliert: Sie fleht. Von der Leopoldina bis zu den führenden Virologen Deutschlands - die Quelle „Welt online“ lasse ich an dieser Stelle einmal weg - sagen ganz deutlich: Wenn wir jetzt nicht handeln, kommen wir vom Kurs ab. Auch hier können wir auf das Saarland schauen. Der COVID-Simulator von Professor Lehr sagt unmissverständlich: Wenn wir es weiterlaufen lassen, haben wir die 300er-Inzidenz an Weihnachten, die 400er-Inzidenz an Silvester mit den vier Wochen zeitversetzt eintretenden Konsequenzen für Krankenhäuser und die Sterberate. Die Situation wird dann unweigerlich aus dem Ruder laufen.

Herr Lafontaine will sich andere Aspekte anschauen als den Inzidenzwert, beispielsweise das Thema Test. Ich verstehe nicht ganz, welche Information da fehlt. Bei 100 Tests gibt es zehn positive Ergebnisse. Das ergibt die gleiche Linie wie bei 1.000 Tests mit 100 positiven Ergebnissen. Die Kurve bleibt gleich. Diese schöne Kurve haben wir jeden Tag in unserem Überblick, der uns zugeschickt wird. Dieses Bild ist sonnenklar.

Zweitens haben Sie, Herr Lafontaine, in der letzten oder vorletzten Sitzung das Thema Todeszahlen ganz allgemein angesprochen. Sie wollen, dass wir stärker auf die Todeszahlen schauen. Davon haben Sie heute so nicht mehr gesprochen, wahrscheinlich deswegen, weil der Blick auf die Todeszahlen allgemein heute sehr düster ist und als Argumentation in dieser Hinsicht nicht mehr hilft. Heute wollen Sie die Todeszahlen differenzierter betrachten. Aber wenn wir das dann tun, wollen Sie wieder etwas anderes betrachtet haben. Im Moment sprechen doch alle Zahlen die gleiche Sprache: Die Situation ist dramatisch!

(Zuruf des Abgeordneten Lafontaine (DIE LIN- KE).)

Erkennen Sie doch einmal an, dass all diese Punkte auch in die Überlegungen unserer Politiker mit einbezogen werden, dass das nichts ist, was irgendwo in der Ecke liegt und darauf wartet, entdeckt zu werden. Sie haben über die Sterblichkeit und die Übersterblichkeit gesprochen. Das Ausmaß der absoluten Übersterblichkeit kann man nur in Abhängigkeit von der Entwicklung der Ausbreitung berechnen. Aktuell sind die Prognosen klar. Die Sterblichkeit wird bei COVID mit 1,7 bis 2,2 auf 100 Personen höher bewertet verglichen mit 0,5 auf 100 Personen bei einer Grippewelle. Die Ausbreitung ist offenkundig bei unserem Virus höher. Deshalb ist die Sterblichkeit eine

hohe Bedrohung. Wir werden sicherlich noch einmal darauf schauen, aber zum jetzigen Zeitpunkt ist die Lage einfach klar: Egal, welche Zahlen Sie sich anschauen wollen, die Situation ist bedrohlich.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich will an dieser Stelle mit Blick auf die Rechenbeispiele auch ein paar Worte zu den Kindertageseinrichtungen und Schulen sagen. Wir haben es vorhin gehört, wir alle haben es betont, die stellvertretende Ministerpräsidentin, der Ministerpräsident, der Fraktionsvorsitzende, die Redner. Es war und ist unser erklärtes Ziel, die Bildungseinrichtungen so lange wie möglich im Präsenzunterricht zu halten. Man hätte sich an der einen oder anderen Stelle mehr Flexibilität und mehr Umsetzung vor Ort gewünscht, aber die Grundsatzentscheidung für offene Schulen war und ist richtig. Warum ist es aber richtig und wichtig, wenn wir doch immer davon sprechen, dass Kinder nicht so infektiös sind, dass auch hier konsequent auf die veränderte Lage reagiert wird und Einschränkungen vorgenommen werden? - Auch wenn das Geschehen in den Schulen in den letzten Monaten noch weitgehend überschaubar war, ist es doch so: Je mehr Menschen sich infizieren, desto mehr Kinder infizieren sich natürlich auch.

Ein einfaches Beispiel aus meinem Landkreis macht es deutlich: Zehn Corona-Fälle an der Gemeinschaftsschule in Mandelbachtal lautete die Nachricht der letzten Woche. Das ist eher Ausnahme, meistens sind es weniger Fälle, aber ein solcher Fall macht es sehr gut deutlich. Auch oder gerade wenn die meisten Kinder symptomfrei sind, bedeutet das potenziell 20 Opas, 20 Omas, die an Weihnachten unterm Tannenbaum angesteckt werden können, Väter, Mütter, Onkel und Tanten nicht mitgerechnet. Ein solches Geschehen, gerade weil Kinder öfter symptomfrei sind, wird vielleicht nicht entdeckt und es kommen noch zehn bis 15 Klassenkameraden in diesem einen Fall hinzu. Dann kann sich jeder die Zahl von Omas, Opas und weiteren Familienmitgliedern ausrechnen. Deshalb war es in dieser Situation auch unumgänglich, keine weiteren Lockerungen für die Feiertage zuzulassen. Wir müssen - dazu forscht Frau Professors Smola mit ihrem Team, sie ist ebenfalls Teil unseres Wissenschaftskompasses - von einer Dunkelziffer ausgehen, die umso stärker ins Gewicht fällt, wenn die gesamten Fallzahlen steigen.

Auch wenn solche Fälle an den Schulen nicht die Regel sind, gerade in der aktuell und immer angespannteren Situation ist das ein Risiko, das wir nicht eingehen können und dürfen. Ja, es gibt Probleme beim Umstellen auf den digitalen Unterricht. Das ist auch eine Mammutaufgebe. Klar ist aber, dass die Schulen jetzt Unterstützung durch ein tragfähiges Konzept des Wechselunterrichts für solche Ausnahmesituationen brauchen. Ja, jetzt müssen die Plattformen auch bei voller Auslastung funktionieren. Die Probleme, die jetzt auftreten, müssen behoben wer

(Abg. Schmitt-Lang (CDU) )

den. Alle Experten im Bereich der Digitalisierung und der digitalen Bildung müssen an Bord, wir haben entsprechende Vorschläge gemacht. Aber daran, dass die Bildungseinrichtungen in dieser bedrohlichen Situation nicht einfach normal weitermachen konnten, besteht kein Zweifel.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Machen wir uns nichts vor, die Erfahrung der Wissenschaft macht klar, dass uns auch mit Lockdown die Spitze der aktuellen Entwicklung im Bereich Krankenhausfälle, Sterbefälle und so weiter erst im Januar bevorsteht. Eine Verdopplung der Zahlen auf den Intensivstationen und eine Verdopplung der Todesfälle stehen bevor, auch wenn wir jetzt entschieden handeln. Ich betone es noch einmal: Diese Erkenntnis ist für jeden leicht nachvollziehbar. Das ist Mathematik. Von denen, die jetzt infiziert sind, werden unweigerlich einige nach dem Jahreswechsel in den Krankenhäusern liegen. Diese Uhr kann man nicht zurückdrehen. Wenn wir aber nichts tun, läuft uns diese Entwicklung davon. Ich bin sicher, auch wenn die anstehenden Maßnahmen schmerzen, die übergroße Mehrheit der Saarländerinnen und Saarländer ist sich der Notwendigkeit der Maßnahmen absolut bewusst, versteht ihre Notwendigkeit und trägt sie mit.

In der Debatte der vergangenen Tage und Wochen war auch immer wieder zu hören: „Na, wenn der Lockdown light nicht mehr gebracht hat, hätte man ihn ja auch bleiben lassen können. Das hat eh nix genutzt“. - Falsch! Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Ohne diese Einschränkungen in den vergangenen Wochen wären wir schon viel früher und viel rasanter auf eine solche Entwicklung zugelaufen. Das alles ist mühsam, und es gibt in dieser Pandemie keinen einfachen, keinen leichten Weg. Das ist Fakt, und das müssen wir den Leuten auch sagen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

Deshalb sage ich es noch einmal: Ja, wir fahren auf Sicht. Aber wir haben ein gemeinsames Ziel - zumindest einige von uns; andere suchen das Ziel noch. Aber der größere Teil dieses Hauses hat ein gemeinsames Ziel: diese Pandemie gemeinsam durchzustehen. Negieren wir die wissenschaftlichen Fakten, werfen wir unseren Kompass also ins Meer, dann - und ich betone: nur dann! - stochern wir wirklich im Nebel und fahren mit voller Fahrt auf den nächsten Eisberg zu.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Zu sagen, die Wissenschaft sei unser Kompass, bedeutet natürlich nicht, die Diskussionen, die es gibt, abzuschneiden oder auch der Wissenschaft blind folgen zu müssen. Das heißt nicht, dass es keine Unwägbarkeiten gäbe. Natürlich gibt es bisweilen Widersprüche, natürlich überholen sich Erkenntnisse auch. Ich sagte das hier auch schon: Genau das ist das Wesen der Wissenschaft. Aber kaum jemals zu

vor war sich nahezu die komplette Wissenschaftswelt, die in diesem Bereich forscht, so einig.

Eines, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir nicht vergessen: Deutschland hat mehr als 80 Millionen Menschen an Bord. Stellen wir fest, dass wir eben nicht alles bis ins letzte Detail planen können. Können wir eben keine zu 100 Prozent eintreffenden Versprechen für den Januar, den Februar, den März machen, so ist das keineswegs der Fehler der Wissenschaft. Das liegt vielmehr vor allem daran, dass diese 80 Millionen Menschen auch mitmachen müssen. Das liegt daran, dass es unter diesen 80 Millionen auch Menschen gibt, die im Rahmen ihrer Kontakte kaum jemanden anstecken, und Menschen, die Superspreader sind. Je mehr Kontakte Menschen noch haben, desto stärker wirkt sich dieser Effekt aus. Dass Vorhersagen so schwer zu machen sind, liegt daran, dass sich menschliches Verhalten nie komplett berechnen lässt. Und es liegt schließlich auch daran, dass an Bord sehr, sehr viele Vernünftige sind, aber eben auch einige Unvernünftige.

Deshalb, weil wir es eben mit Menschen zu tun haben, bleibt das Geschehen dynamisch. Deshalb muss Politik immer wieder hinterfragen, ob die gewählte Strecke noch zielführend ist oder geändert werden muss. Deshalb muss die Politik auch immer noch einmal auf den Kompass schauen. Wir sind, ich habe es gesagt, an einem Punkt angelangt, bei dem uns die Wissenschaft anfleht, einzulenken. Hier und heute sehen wir den Eisberg vor uns. Es klingt vielleicht dramatisch, aber ich möchte nicht Teil des Orchesters sein, das die Musik zum Untergang der Titanic spielt. Ich will mit Ihnen, ich will mit euch gemeinsam auf der Brücke stehen, mit dem Kompass Wissenschaft in der Hand, und rechtzeitig gegenlenken.

Deshalb habe ich heute in diesem Parlament eine Bitte an alle Kolleginnen und Kollegen, an die Menschen zu Hause an den Bildschirmen, an die Menschen auf der Pressetribüne, an alle, wo auch immer sie gerade sein mögen: Jenseits aller Parteiinteressen, jenseits aller persönlichen Befindlichkeiten und auch, wenn es Entscheidungen auf dieser Strecke gab und Kursanpassungen, die Ihnen nicht gefallen haben, die Sie in den vergangenen Wochen anders gemacht hätten, Anpassungen, die Sie nicht für geeignet hielten, bleiben Sie im gemeinsamen Kampf gegen das Virus an Bord! Folgen wir gemeinsam unserem Kompass! Ich habe es vorhin gesagt: Wir sind mehr als 80 Millionen, aber jeder von uns ist einer von 80 Millionen. Auf jeden kommt es an! - Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall von den Regierungsfraktio- nen.)

(Abg. Schmitt-Lang (CDU) )

Vielen Dank. - Die nächste Wortmeldung kommt von Rudolf Müller von der AfD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst muss ich eine Zahl korrigieren, die heute Morgen für zusätzliche Aufregung gesorgt hat, die so aber nicht richtig ist: Es wurde gesprochen von 952 Toten an einem Tag. Das ist so nicht richtig, diese Zahl kam zustande durch eine Nachmeldung aus Sachsen, eine Nachmeldung von Daten, die gestern nicht gemeldet wurden.

(Zurufe.)

So ist das nun einmal, das gilt auch für Sie, Frau Rehlinger. Es ist dramatisch genug, wenn es mehr als 800 Tote sind, es sind aber eben nicht 950 an einem Tag. Das zur Korrektur dieser Zahl.

Meine Damen und Herren, am 01. September 2020 verkündete der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, die Politik habe ihre Lehren aus dem sogenannten ersten Lockdown im Frühjahr, nach Beginn der Pandemie in Deutschland, gezogen. Man würde „mit dem Wissen heute, das kann ich Ihnen sagen, (…) keine Friseure mehr schließen und keinen Einzelhandel mehr schließen.“ Auch wenn Herr Spahn hier zunächst einmal seinen Fehler zugibt, was auch sonst, Herr Lafontaine, so war das auch Anlass und praktisch eine Freigabe für Gewerbetreibende aller Art, sich unter Beachtung der Abstands- und Hygieneregeln auf die kommenden Monate vorzubereiten. Insbesondere für Handel und Dienstleistung und auch für die Gastronomie ist die Zeit um Weihnachten und um den Jahreswechsel herum äußerst wichtig und Anlass für konzentrierte Arbeit - einerseits, um die Erwartungen der Kunden und Gäste zu erfüllen, andererseits, um mit den schwachen Monaten des Jahres zurechtzukommen. Es wurden also Textilien, Schuhe und sonstige Waren für Winter und Weihnachten geordert. Beispielsweise durften sich auch die Beschäftigten der Gastronomie auf Arbeit freuen und eben auch auf das Trinkgeld, das in dieser Zeit oft großzügig gegeben wird. Das, meine Damen und Herren, bitte nicht geringschätzen und auch einmal bedenken, dass die Entscheidungen in dieser Frage von solchen Leuten gefällt werden, deren Gehälter stabil bleiben!

Seit heute ist nun fast alles geschlossen. Es entstehen riesige Schäden und die Betroffenen müssen sich in den Kampf mit St. Bürokratius stürzen, um irgendwelche Entschädigungen zu erhalten, um ihren Betrieb zu retten und um auch noch mit der wieder erhöhten Mehrwertsteuer zu rechnen. Zudem müssen sie mit der ab Januar zusätzlich zu leistenden grün inspirierten CO2-Steuer zurechtkommen, durch

die Treibstoffe und Heizung weiter verteuert werden, sogar in dieser Zeit.

Der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist nun natürlich nicht schuld am Ausbruch von COVID‑19 in Deutschland und damit auch im Saarland. Aber falsche Prognosen und die daraus resultierenden Folgen muss sich der gelernte Bankkaufmann Spahn schon anrechnen lassen. Nichts gegen Bankkaufleute, aber die ganz richtige Qualifikation für das Gesundheitswesen ist das vielleicht nicht.

(Abg. Scharf (CDU) : Haben Sie die?)

Ich auch nicht. Ich würde mich auch nicht zum Gesundheitsminister machen lassen, Herr Scharf, das sage ich zu Ihrem Zwischenruf sehr gerne. - Um Fehler dieser Art künftig zu vermeiden, um die allgemeine Verunsicherung nicht noch zu vergrößern und um eine Langfriststrategie gegen COVID‑19 mit möglichst viel Sachverstand zu entwickeln und diese zu vertreten, beantragen wir, eine Kommission zur Erarbeitung einer saarländischen Langzeitstrategie zur Bekämpfung von COVID‑19 einzurichten. Diese Kommission soll Handlungsempfehlungen erarbeiten, und zwar nach den Maßstäben: Erstens, was ist erforderlich? Zweitens, was ist geeignet? Drittens, was ist angemessen? In der Summe also: Was ist verhältnismäßig?

Mitglieder dieser Kommission sollen jeweils ein Virologe, ein Internist, ein Betriebswirtschaftler, ein Volkswirtschaftler, ein Unternehmer, ein Gewerkschafter der Industrie, ein Gewerkschafter aus Handel und Dienstleistung, ein Schulleiter, ein Leiter eines Pflegeheims und ein Jurist des Landesverfassungsgerichts sein.

(Abg. Commerçon (SPD) : Und ein Bankkaufmann?)

Auf den können wir verzichten. - Die Auswahl der betreffenden Damen und Herren erfolgt durch das Kabinett unter Führung des Ministerpräsidenten. Die Entscheidung der Volksvertreter auf einer solchen Grundlage zeugt für alle sichtbar - und das ist wichtig - von Verantwortungsbewusstsein und dem Willen, die entstandene Lage bestmöglich unter Berücksichtigung möglichst vieler Interessen und etwaiger Notlagen zu meistern.

Meine Damen und Herren, wir sitzen in dieser Krise alle in einem Boot. Kein Leiter eines Pflegeheims und kein Schulleiter kann die jeweilige Einrichtung betreiben, ohne von der Gesellschaft getragen zu sein. Kein Unternehmer kommt ohne seine gesunden Mitarbeiter aus. Kein Mediziner kann ohne funktionierende Wirtschaft und ohne Bezahlung arbeiten. Und ohne die Leistungen der modernen Medizin wären viele von uns jetzt schon tot. Wir wollen und wir können uns auf unseren Gemeinschaftsgeist stützen und auf ihn vertrauen, um gemeinsam aus dieser

Krise herauszukommen. Ich bitte also um Zustimmung zu unserem Antrag. - Ich danke Ihnen.

(Beifall von der AfD.)

Ich bitte Sie, die Maske auf dem Weg zu Ihrem Platz anzuziehen. - Der nächste Redner ist Eugen Roth von der SPD-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Persönlich bin ich sehr angetan von dieser Debatte, die so faktenreich geführt wird. Ich muss sagen, bei aller Dramatik, die einen ohnehin emotional sehr aufwühlt, übertrifft diese Debatte in qualitativer Hinsicht meine Erwartungen - und ich bin ja schon ein paar Tage länger in diesem Haus. Ich will nun auch niemanden ausnehmen, das wäre ungerecht.

Stellvertretend möchte ich aber unserem Regierungschef, aber auch seiner Vizechefin sagen: Ich bin froh, dass ihr dieses Steuerrad so fest in der Hand haltet, dabei aber auch eine völlig überzeugte Demokratin und ein völlig überzeugter Demokrat seid, die sich dreimal überlegen, bevor sie irgendwelche schwierigen Maßnahmen dem „Volk“ aufoktroyieren, wenn es aber sein muss, das dann wohlüberlegt tun. Angesichts dessen fühle ich mich sicher. Und ich sage den Saarländerinnen und Saarländern: Gott sei Dank haben wir solche Leute an der Spitze, sonst könnte das auch anders laufen!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)