Mich stört auch, liebe Simone, ein Begriff in eurem Antrag. Da heißt es: Das arbeitsmarktpolitische Potenzial bleibt ungenutzt. Diese Terminologie stört mich, denn es sollte in diesem Bereich der Familienpolitik wirklich nicht in erster Linie darum gehen, dass junge Mütter und Väter für den Arbeitsmarkt möglichst schnell wieder verwertbar sind.
Das hat etwas mit Ökonomisierung aller gesellschaftlichen Bereiche zu tun. Diesen Trend lehnen wir ab. Das muss man einfach sorgfältiger formulieren, das kann man so nicht stehen lassen. Ich bin der Meinung, Arbeits m a r k t ist schon ein Unwort. Er muss familienfreundlich gestaltet werden und es darf nicht umgekehrt die Familie arbeitsmarkttechnisch angepasst werden.
Da gibt es einfach noch ganz viel zu tun. Ich sehe viele Frauen - wir haben diese Diskussion schon oft geführt -, die an diesem Arbeits m a r k t immer noch in hohem Maße zu billigen Arbeitskräften degradiert werden.
Sie kämpfen oft im Niedriglohnsektor um Minijobs, um ihre Familien durchzubringen. Auch hier sind Antworten notwendig, die wir ganz dringend brauchen. Wie gesagt, Frauen wären gern ein bisschen
unabhängiger in der ersten Zeit, wenn sie Kinder haben. Ich glaube, das muss man mit mehr Respekt diskutieren.
Danke, Eugen. - Ich fasse unsere Sicht zusammen: Den einen Königsweg in dieser Sache - Kindererziehung, Kinderbetreuung - gibt es nicht. Diese Debatte hat viele Fassetten, und es gilt, sorgfältig abzuwägen. Für mich sind immer wieder die Rahmenbedingungen entscheidend für die Familie mit Kindern von heute. Da gehört ganz vieles dazu, aber eben auch eine Diskussion über die Aufwertung der Leistungen, die Familien, wenn sie ihre Kinder zu Hause erziehen, erbringen. Dafür lohnt es sich auch immer zu streiten, wir können diese Debatte gern immer wieder hier führen. Aber ich hoffe, wir kommen auch irgendwann zu einem guten Ergebnis in dieser Frage. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Betreuungsgeld ist eine falsche Weichenstellung, die auf Jahre die Chancen von Kindern und Frauen verschlechtert. Es ist ein Bremsklotz für gute Bildung, ein Stolperstein für Integration und eine Sackgasse für Frauen.
Es fehlen noch Kita-Plätze, die Betreuungsqualität muss verbessert, die Öffnungszeiten müssen ausgeweitet werden. Ab 2013 haben Eltern Anspruch auf einen Betreuungsplatz für ihre Kinder unter drei Jahren. Bund und Länder haben vereinbart, bis dahin 750.000 Kita-Plätze zur Verfügung zu stellen - ein Angebot für 35 Prozent der Unter-Dreijährigen. Wir gehen aber von einem deutlich höheren Bedarf aus. Der Rechtsanspruch gilt für alle Kinder unter drei Jahren, was wohl eine Klageflut zur Folge haben wird.
Wie kann man da von Wahlfreiheit sprechen? Wo Kita-Plätze fehlen, gibt es nichts auszuwählen. Wahlfreiheit sieht anders aus.
Wer behauptet, mit dem Betreuungsgeld Wahlfreiheit zu schaffen, ignoriert die Wirklichkeit. Wenn das Betreuungsgeld gestoppt und das Geld in den KitaAusbau umgelenkt würde, hätten Eltern ab 2013 nicht nur einen Rechtsanspruch, sondern auch wahrscheinlich die Sicherheit, für ihre Kinder einen
Der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung der UnterDreijährigen droht zu scheitern. Wir fordern, das Gesetzesvorhaben zur Einführung des Betreuungsgeldes zu stoppen und die dafür eingeplanten Bundesmittel in den Ausbau der Kindertagesbetreuung und die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern zu investieren. Die Ablehnung des Betreuungsgeldes ist groß, wir haben in unserer Ablehnung zahlreiche Sozialverbände, Kinder- und Jugendorganisationen, Frauenorganisationen, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und die Evangelische Kirche an unserer Seite.
Die Folgen der Inanspruchnahme des Betreuungsgeldes können katastrophal sein. Kinder werden von der Teilhabe an frühkindlicher Bildung ferngehalten, die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund wird erschwert, es hält ihre Mütter von der Erwerbstätigkeit ab - wo wir doch alle wissen, wie wichtig gerade für diese Kinder frühe Förderung in Kitas und das Erlernen der Landessprache ist.
Das Betreuungsgeld ist auch eine Falle für Frauen bei ihrer Rückkehr in die Erwerbstätigkeit. Vor allem für Frauen im mittleren und niedrigen Einkommensbereich wird ein Anreiz geschaffen, auf einen Platz in einer Kita zu verzichten, das Kind selbst zu betreuen und auf Erwerbseinkommen zu verzichten. So fallen auf der einen Seite keine Elternbeiträge für einen Betreuungsplatz an, auf der anderen Seite winken das Ehegattensplitting und zusätzlich 150 Euro Betreuungsgeld. Es schafft also einen zusätzlichen finanziellen Anreiz, mehrere Jahre aus dem Erwerbsleben auszusteigen, was sich negativ auf berufliche Entwicklung, Einkommen und letztlich auf die Rentenhöhe von Frauen auswirkt.
Frauen wünschen sich eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zudem haben viele Frauen, insbesondere Alleinerziehende, gar keine Wahl. Sie müssen erwerbstätig sein. Sie sind weiter auf einen Betreuungsplatz für ihre Kinder angewiesen. Mit gerechter Politik hat das nichts mehr zu tun. 2013 sind für das Betreuungsgeld 400 Millionen Euro und ab 2014 1,2 Milliarden Euro pro Jahr vorgesehen. Gleichzeitig fehlen laut Statistischem Bundesamt noch 230.000 der 750.000 angestrebten Betreuungsplätze. Hinzu kommen dann noch die Kosten, die die Länder für die Umsetzung aufbringen müssen. Die exakte Belastung des Bundeshaushaltes ist nur schwer zu kalkulieren, da niemand weiß, wie viele Eltern ihre Kinder wegen der Prämie nicht in Kitas schicken. Experten gehen von deutlich höheren Kosten aus.
In einer Empfehlung des Finanzausschusses an den Bundesrat vom 21.09.2012 zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013) steht - ich zitiere daraus mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -: „Der Bundesrat lehnt das im Bundeshaushalt 2013 erstmals veranschlagte Betreuungsgeld ab. Das Betreuungsgeld ist nicht zuletzt unter finanz- und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten verfehlt. Internationale Erfahrungen zeigen, dass entsprechende Leistungen in der Tendenz zu einem Rückgang der Erwerbsbeteiligung von Müttern und bei der Nutzung frühkindlicher Bildungsund Betreuungseinrichtungen führen. Eine sinkende Erwerbsbeteiligung ist vor allem bei Müttern mit geringerem Bildungsgrad zu erwarten, für die eine kontinuierliche Erwerbsbiografie im Interesse einer eigenständigen Alterssicherung besonders wichtig wäre. Zudem steht zu befürchten, dass von einer zurückgehenden Nutzung von Kindertageseinrichtungen insbesondere Kinder betroffen wären, die von einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Betreuung individuell besonders stark - und auch mit besonders positiven gesamtgesellschaftlichen Effekten - profitieren würden. Der Bundesrat schlägt deshalb eine Umschichtung der für das Betreuungsgeld vorgesehenen Mittel vor. Diese Mittel sollen - über die in den Verhandlungen zum Fiskalpakt zugestandenen Mittel hinaus - zur Schaffung von U3-Plätzen den Ländern und Kommunen zur Verfügung gestellt werden.“
Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Die Lösung dieses Problems ist ein flächendeckendes Ganztagsbetreuungsangebot. Dazu wird Geld benötigt. Wir setzen weiter konsequent auf den Ausbau der Betreuungsplätze und wollen die Mittel, die für das Betreuungsgeld verschwendet werden sollen, hier investieren. Das Betreuungsgeld hat keinen nachhaltigen Effekt, weder für die Kinder noch für ihre Eltern.
Wir verstehen unter Elementarerziehung vor allen Dingen den frühkindlichen Erziehungsauftrag. Das Betreuungsgeld bietet einen finanziellen Anreiz, keine Elementarbildung zu nutzen und damit auf eine wichtige Förderung der Kinder zu verzichten. Gerade weil der Schulerfolg eines Kindes stark von der familiären Herkunft abhängt, sollte ein Interesse daran bestehen, Kinder früh zu fördern. Laut unserem Koalitionsvertrag enthält sich das Saarland bei Abstimmungen im Bundesrat, wenn bei Fragen von grundsätzlicher Bedeutung keine Einigung erzielt werden kann. Dies ist beim Betreuungsgeld der Fall. Deshalb lehnen wir den Antrag ab.
Trotzdem ist es die Position der SPD, dass es falsch ist und bleibt, Leistungen für die Nichtinanspruch
nahme von öffentlich geförderten Kindertageseinrichtungen zu zahlen. Für die SPD ist und bleibt das Betreuungsgeld bildungs-, integrations- und gleichstellungspolitisch fehlgeleitet. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gäbe es eine staatliche Leistung dafür, dass man eine andere staatliche Leistung nicht in Anspruch nimmt. Wir sehen die Einführung des Betreuungsgeldes als Rückschritt, verfassungsrechtlich bedenklich und die von Olaf Scholz angekündigte Verfassungsklage als Ultima Ratio, wenn das Betreuungsgeld politisch nicht verhindert werden kann. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Döring. - Das Wort hat nun Jasmin Maurer von der Fraktion der PIRATEN.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon zweimal die Gründe gehört, weshalb man gegen ein Betreuungsgeld stimmen sollte. Ich denke, ein drittes Mal muss ich nicht die gleichen Argumente bringen. Deshalb werde ich mich kurz fassen und versuche, etwas zu sagen, was noch nicht gesagt wurde. Die ganzen Gründe, weshalb das Betreuungsgeld sinnlos ist und gestoppt gehört, haben wir sowohl von Frau Döring als auch von Frau Dr. Simone Peter schon gehört.
Das Betreuungsgeld würde in erster Linie das konservative Familienmodell fördern, sprich Mutter, Vater; die Mutter bleibt zu Hause und kümmert sich um die Kinder. Allerdings lehnen wir PIRATEN die Förderung eines einzelnen Familienmodells konsequent ab. Wir fordern die gleichwertige Anerkennung verschiedener Familienmodelle. Dafür ist das Betreuungsgeld eindeutig der falsche Weg, meine Damen und Herren.
Die Gelder, die durch die Nichteinführung des Betreuungsgeldes gespart würden, könnte man viel besser in die Kinderbetreuung oder in die Bildung investieren. Wir haben eben schon gehört, ab 2013 hat man einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren. Zum Abschluss noch ein paar Zahlen, meine Damen und Herren: Die Kosten von 400 Millionen Euro im Jahre 2013 würden den Bau von 13 Kindertagesstätten in der Grö
Die Kosten von 1,2 Milliarden Euro, die ab dem Jahr 2014 in das Betreuungsgeld fließen würden, würden sogar den Bau von 400 Kitas ermöglichen. Das sind Kitas, die allen zugutekommen würden. Deshalb ist das ein Grund, weshalb wir das Betreuungsgeld ablehnen und dem Antrag der GRÜNEN, den wir mitgetragen haben, zustimmen. An die SPD noch ein Appell: Wenn Sie gegen das Betreuungsgeld sind, aber nicht zustimmen wollen, dann ringen Sie sich doch bitte zu einer Enthaltung durch. Das wäre ehrlich, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Maurer. Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Antrages Drucksache 15/179 - neu - ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 15/179 - neu - mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Dagegen gestimmt haben die Koalitionsfraktionen, enthalten hat sich die Fraktion DIE LINKE. Zugestimmt haben die Fraktion der PIRATEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende des heutigen Sitzungstages angekommen. Wir unterbrechen die Sitzung bis morgen früh 09.00 Uhr.
Im Rahmen der Einführung von Gruppen in die Parlamentsarbeit sind heute Schülerinnen und Schüler der Volkshochschule Klarenthal unter Leitung von Herrn Herbert Stock bei uns zu Gast. Seien Sie uns herzlich willkommen.