Protocol of the Session on September 19, 2012

Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes Drucksache 15/85 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass dieses Gesetz Drucksache 15/85 einstimmig, mit den Stimmen aller Abgeordneten, angenommen ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Ich unterbreche unsere Sitzung bis 13.15 Uhr und wünsche allen einen guten Appetit.

(Die Sitzung wird von 12.11 Uhr bis 13.16 Uhr unterbrochen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort und kommen zu Punkt 9 der Tagesordnung:

(Abg. Heinrich (CDU) )

Beschlussfassung über den von der PIRATEN-Landtagsfraktion, der DIE LINKE-Landtagsfraktion und der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Ablehnung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG) im Bundesrat Datenschutz ernst nehmen!

(Drucksache 15/122 - neu)

Zur Begründung des Antrages erteile ich Herrn Abgeordneten Andreas Augustin das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu dem Thema reicht es meines Erachtens zu rekapitulieren, was bislang geschehen ist. Es gab erst mal das Gesetz im Bundestag. In der ursprünglichen Fassung war es sehr bürgerfreundlich. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis aus dem ursprünglichen Entwurf: „Die Auskunft verlangende Person oder Stelle erklärt, die Daten nicht zu verwenden für Zwecke a) der Werbung oder b) des Adresshandels, es sei denn, die betroffene Person hat in die Übermittlung für jeweils diesen Zweck eingewilligt.“ Wir haben hier ein Opt-in-Verfahren. Die Meldeämter dürfen Daten nur weitergeben, wenn der oder die Betroffene zugestimmt hat.

Diese Fassung wurde geändert. In der Neufassung wurde dies komplett ins Gegenteil pervertiert, in ein Opt-out-Verfahren. In dem neuen Entwurf heißt es erst mal, dass die Daten standardmäßig weiter gegeben werden dürfen, es sei denn, es wird widersprochen. Und selbst das wird noch eingeschränkt ich zitiere aus der Neufassung -, „wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden“. In dem Fall kann man noch nicht mal mehr widersprechen.

Letzteres ist leider genau das Problem, denn das ist immer der Fall: Irgendwelche Daten hat man immer schon verfügbar zu den Leuten, von denen man das kontrollieren will. Das wurde nicht nur ins Gegenteil pervertiert, sondern es wurde noch eins draufgesetzt, und das finde ich schon mal nicht in Ordnung.

(Beifall bei den PIRATEN.)

Danach wurde dieser veränderte Entwurf in einer Sitzung des Bundestages angenommen in einer 57-sekündigen Abstimmung, und dies - als ob das nicht schon lustig genug wäre - während des Halbfinales der Fußball-EM mit unserer Nationalmannschaft; der Bundestag war fast leer.

(Zuruf von der CDU: Deshalb haben wir auch verloren.)

Danach hat sich die Presse auf die Sache gestürzt, es wurde in allen Medien berichtet. Dort wurden die nach der Veränderung angestrebten Veränderungen

als verbraucherunfreundlich bezeichnet. Dementsprechend gab es auch in der Bevölkerung Unverständnis und teilweise Empörung. Sogar die Bundesregierung hat sich inzwischen von der derzeitigen Fassung distanziert und mahnt Änderungen im weiteren parlamentarischen Verfahren an, so zumindest laut „Zeit Online“ vom 18. September.

Weitere Plattformgruppierungen und Gesellschaften haben sich dagegen ausgesprochen. Die Kampagnenplattform Campact gibt an, 200.000 Unterschriften gegen das Meldegesetz gesammelt zu haben, das am Freitag in den Bundesrat geht. Vor der Sitzung will die Plattform die Unterschriftenliste übergeben.

Die PIRATEN haben auch reagiert. Wir haben in den letzten zwei Jahren schon Opt-out-days angeboten. Auch morgen gibt es von uns wieder einen Opt-out-day, also einen Tag, an dem gezielt auf diese Sachlage hingewiesen wird, dass man der Weitergabe der Daten widersprechen kann.

Im Bundesrat wurde das Gesetz im Ausschuss für Inneres federführend unter Hinzuziehung des Ausschusses für Justiz beraten. Die Ausschüsse haben empfohlen, den Vermittlungsausschuss anzurufen, dies jedoch nur, um ein paar Kleinigkeiten auszubessern. Das heißt, wenn man danach geht, bleibt es beim Opt-out-Verfahren, es geht eben nicht zurück zu einem Opt-in-Verfahren. Das ist genau das, was ich kritisieren möchte.

Unabhängig davon, was die Ausschüsse im Bundesrat empfohlen haben, geht unser Antrag dahin, unsere Regierung aufzufordern, dagegen zu stimmen. Ich sehe dies einerseits als Aufforderung an die Regierung, wie sie sich im Bundesrat verhalten soll, gleichzeitig aber auch als Chance für das gesamte Parlament, unseren Standpunkt zu der Sache darzustellen, eben nicht nur die Sicht des Bundesrats insgesamt, sondern eben auch die Sicht des saarländischen Landtages. Ich hoffe, dass wir in diesem Sinne für diesen Antrag eine Mehrheit finden, dass wir ihn vielleicht sogar einstimmig durchwinken können. - Ich danke Ihnen.

(Beifall von den PIRATEN und vereinzelt von der LINKEN.)

Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat Christian Gläser von der CDU-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Oppositionsparteien beantragen, die Landesregierung aufzufordern, im Bundesrat gegen den Entwurf des Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens zu stimmen. Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen können. Der

(Vizepräsidentin Ries)

Antrag geht völlig in die falsche Richtung, denn wir sind mit dem Thema Meldegesetz bereits ein gutes Stück weiter.

Schon in der Sitzung am 06. September hat der Innenausschuss des Deutschen Bundesrates in einer 16:0-Entscheidung dafür plädiert, den Vermittlungsausschuss anzurufen, um eine Korrektur des Gesetzes zu erwirken. Ziel aller Länder einschließlich des Saarlandes, Herr Augustin, ist dabei, von einer Widerspruchslösung zu einer Einwilligungslösung zu kommen. Am kommenden Freitag bereits tritt der Bundesrat zu seiner ersten regulären Sitzung nach der Sommerpause zusammen. Dann soll auf Empfehlung des Ausschusses für Innere Angelegenheiten und des Rechtsausschusses beschlossen werden, den Vermittlungsausschuss offiziell anzurufen. Es ist zu erwarten, dass in der Länderkammer einschließlich des Saarlandes erneut alle 16 Bundesländer für eine grundsätzliche Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen werden. Die A- und die B-Seite sind hierzu in Gesprächen, um gemeinsam eine Einwilligungslösung zu finden.

Es geht also längt nicht mehr darum, im Bundesrat gegen das Gesetz als Ganzes zu stimmen, wie es von den antragstellenden Fraktionen verlangt wird. Die Medien haben Anfang September, wie ich denke, breit genug darüber berichtet. Deshalb hat es mich gestern besonders erstaunt, dass der fehlerhafte Beschlussantrag, der auf die Ablehnung als Ganzes zielt, als Drucksache neu vorgelegt wurde, diese aber keine Korrektur im Beschlussantrag beinhaltete, sondern den Beitritt der GRÜNEN-Landtagsfraktion. Im Übrigen ist es meines Erachtens nicht angemessen, ein umfangreiches Gesetz zum Meldewesen als Ganzes abzulehnen, wenn nur wenige Paragrafen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu korrigieren sind.

Ich möchte etwas zum Hintergrund sagen. Die Bundesregierung hat das Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens vorgelegt, weil das Meldewesen mit der Föderalismusreform I in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes überführt wurde. Mit dem vorliegenden Gesetz füllt der Bund diese Gesetzgebungskompetenz aus und führt das bisher geltende Melderechtsrahmengesetz aus dem Jahr 1980 mit den Landesmeldegesetzen in einem Bundesmeldegesetz zusammen. Mit der angestrebten Rechtseinheit im Meldewesen werden erstmals bundesweit und unmittelbar geltende Vorschriften für die Bürgerinnen und Bürger und für die Meldebehörden geschaffen.

Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung hatte bei der Melderegisterauskunft aus guten Gründen eine Einwilligungslösung vorgesehen. Das bedeutet, dass die Bürgerinnen und Bürger ausdrücklich zustimmen müssen, bevor persönliche Daten von einer Meldebehörde zu Werbezwecken wei

tergegeben werden dürfen. Im Übrigen haben die Vorgänge im Bundestag am 28. Juni, Herr Augustin, überhaupt nichts mit dem Fußballhalbfinalspiel zu tun. Das war den Parlamentariern allesamt bekannt, und selbst diejenigen, die in Opposition zu diesem Gesetz standen, haben auf eine Aussprache verzichtet. Es kam im Bundestag zu einer nachträglichen Abänderung im Widerspruchsrecht und damit zu einer wesentlichen Änderung.

Es war daher von Anfang an richtig, dass die Landesregierung im Bundesrat bereits Anfang September zusammen mit allen anderen Ländern wieder für eine Einwilligungslösung bei der einfachen Melderegisterauskunft eingetreten ist. Ziel aller Länder war, dem grundgesetzlich geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung zu tragen. Die Landesregierung hat den Datenschutz also längst ernst genommen. Wir wollen der Landesregierung keine Aufträge erteilen für Dinge, die sie längst erledigt hat. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Gläser. Das war die Jungfernrede von Herrn Gläser. Herzlichen Glückwunsch. - Das Wort hat nun Ralf Georgi von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir alle haben die Umstände zur Kenntnis genommen, unter denen der Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Meldewesens den Bundestag passiert hat. Es war nicht gerade geschickt, noch in letzter Minute wichtige Teile dieses Gesetzentwurfs zu ändern. Voraussichtlich sollten diese Änderungen ohne große Diskussionen aufgenommen werden.

Der Inhalt des Gesetzes ist aber mindestens genauso kritikwürdig wie das Verfahren. Das Hauptproblem liegt natürlich in der Weitergabe von persönlichen Daten an Dritte. Schon der ursprüngliche Entwurf, wonach der Bürger in einem sogenannten Optin-Verfahren ausdrücklich zustimmen muss, wenn seine Daten weitergegeben werden sollen, war aus unserer Sicht zu weitgehend. Die Änderung aber, wonach die Weitergabe nur dann nicht stattfindet, wenn der Bürger ausdrücklich widerspricht, ist unsäglich.

Getoppt wird die Regelung noch durch den Zusatz in Absatz 4. Danach reicht nicht einmal ein Widerspruch gegen die Verwendung der Daten, wenn sie ausschließlich zur Bestätigung oder Berechtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden. Das ist aber fast immer der Fall. Damit kann sich der Bürger überhaupt nicht mehr gegen die Datensam

(Abg. Gläser (CDU) )

melwut von werbetreibenden Firmen wehren. Es ist offenbar auch in der schwarz-gelben Koalition im Bund angekommen, dass man nicht so unwidersprochen mit dem Datenschutz umgehen kann.

Dass der Innenausschuss des Bundesrates für die Überweisung in den Vermittlungsausschuss plädiert hat, ist ein gutes Zeichen. Wir sehen allerdings weitere Teile des Gesetzes kritisch. So sollen die Meldedaten zwar nicht mehr in einem Zentralregister hinterlegt werden, wohl aber soll ein automatisierter Zugriff auf die 5.200 Melderegister möglich sein. Das ist angesichts der technischen Entwicklung aber fast das Gleiche.

Wir sind deshalb für eine viel schärfere generelle Datensparsamkeit und eine Zweckbindung beim Datenabruf. Es gibt noch weitere Kritikpunkte, die mein Kollege schon angesprochen hat. Ich will auch nicht näher darauf eingehen. Wir jedenfalls hoffen, dass die Landesregierung die Risiken des Entwurfes sieht und sich für eine Fortentwicklung des Meldewesens einsetzt, das den Namen auch wirklich verdient. Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun Günter Waluga von der SPD-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Ich möchte in meinen Ausführungen zu diesem Tagesordnungspunkt vieles ist schon gesagt worden - auf zwei Punkte eingehen, auf den vorliegenden Antrag und auf das im Bundestag eingebrachte Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens, welches am Freitag im Bundesrat behandelt wird. Im Zuge der Föderalismusreform I wurde das bis dahin rahmenrechtlich geregelte Meldewesen in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes überführt. Mit diesem Gesetzentwurf soll nun das alte Melderechtsrahmengesetz ersetzt werden. Im April wurde das Gesetz im Bundestag aus SPD-Sicht als gute Beratungsgrundlage eingebracht, dann aber in der letzten Sitzung vor der Sommerpause in der zweiten und dritten Lesung in einer veränderten Fassung angenommen. Zu dieser Bundestagssitzung erspare ich mir einen Kommentar. Es wurde ausführlich in den Medien darüber berichtet.

In den Medien und von Datenschutzorganisationen wurden diese Änderungen bezüglich der Verwendung der Meldedaten für Zwecke der Werbung und des Adresshandels scharf kritisiert. Während im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung eine Einwilligungslösung für die Verwendung der Meldedaten für Zwecke der Werbung und des

Adresshandels vorgesehen war, sieht das Gesetz nun eine Widerspruchslösung vor. Außerdem hat die betroffene Person kein Widerspruchsrecht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden.

Schon frühzeitig hat sich der Kollege Reinhold Jost für die SPD Saar kritisch zum neuen Meldegesetz geäußert. Unsere Bürgerinnen und Bürger müssen sich sicher sein, dass ihre bei den Meldeämtern gespeicherten Daten sicher aufgehoben sind und nicht unbegründet an Dritte weitergeleitet, dort gespeichert und eventuell weiterverwendet werden. Hochsensible Daten dürfen nicht in die Hände von Firmen und Callcentern geraten, sondern müssen weiterhin durch staatlich sichere Institutionen verwaltet werden.

Mit dem gefassten Beschluss, dass Adresshändler und privatwirtschaftliche Unternehmen diese Daten von Meldebehörden anfordern und verwenden dürfen, wird eine Art zweites, staatlich unkontrolliertes Meldeamt für wirtschaftliche Interessen geschaffen. Der Bürger wird mehr und mehr durch solche Beschlüsse ohne sein Zutun zum gläsernen Menschen. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, dies zu verhindern. Mehrere Landesparlamente haben diese Weitergabe der Daten schon beraten. Im Länderkreis besteht breite Kritik an der im Bundestag erfolgten Änderung hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Regelung beim Adresshandel.

Im Bundesrat wird am Freitag dieser Woche der Beschluss des Bundestages beraten. Es liegt dem Bundesrat eine Empfehlung vor, zu dem Gesetz die Einberufung des Vermittlungsausschusses zu verlangen. Das ist heute schon mehrmals gesagt worden. Somit wird nun im Bundesrat das im Grundgesetz vorgesehene Verfahren beschritten, das für den Fall von Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat sowohl für Einspruchsgesetze als auch - wie hier - für Zustimmungsgesetze vorgesehen ist. Es zeichnet sich eine breite Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses ab. Dies wird mit Unterstützung des Saarlandes erfolgen. Darin soll zumindest die ursprünglich vorgesehene Regelung wiederhergestellt werden. Ob im Vermittlungsverfahren noch ein weitergehendes Datenschutzniveau erreicht werden kann, kann noch nicht vorhergesagt werden; allerdings stehen solche Anliegen im Raum. Ich hoffe, dass man hier den Signalen aus der Bundesregierung vertrauen kann, hat sich diese doch von der beschlossenen Gesetzesänderung distanziert.

Werte Kolleginnen und Kollegen, mit der von der Opposition beantragten Ablehnung des Gesetzes käme es zu einer Verzögerung der übrigen wesentlichen Vorschriften des Gesetzes und würde die bestehenden Regelungen mit viel geringerem Datenschutzniveau deutlich verlängern. Der von uns

(Abg. Georgi (DIE LINKE) )