Protocol of the Session on August 29, 2012

Wir wissen alle, was in Elversberg passiert ist, und ich denke, ich spreche für jeden, wenn ich sage, dass dieser Vorfall uns alle im Herzen sehr berührt hat und wir alle mehr als nur schockiert waren. Wenn wir bedenken, was dort passiert ist, muss uns klar sein, dass jeder von uns älter wird - das ist Fakt - und irgendwann einmal auf Pflege angewiesen sein wird, sei es durch Angehörige oder sei es durch Pflege in einem Heim, dass das auf uns zukommt.

Was wir erreichen müssen, ist, dass solche Skandale wie in Elversberg - - Ich denke, das ist kein Einzelfall. So etwas passiert garantiert öfters, aber hinter verschlossenen Türen, es kommt nicht so transparent an die Öffentlichkeit. An dieser Stelle muss auch ich noch einmal die Aufklärung durch die AWO loben.

(Beifall bei den PIRATEN, der SPD und der LIN- KEN.)

Pflegebedürftigkeit kommt auf uns zu. Es ist daher umso wichtiger, dass wir uns bereits jetzt, wo wir es noch können, darüber Gedanken machen, wie wir damit umgehen. Frau Kolb hat es bereits angesprochen. Auch die Zahl jüngerer Menschen, die schon ab dem Kindesalter pflegebedürftig sind, wächst immer weiter an. Hinzu kommt die demografische Entwicklung, welche uns vor eine große Herausforderung stellt. Leute, es ist fünf vor zwölf. Da wir uns in dieser Sache einig sind, kann ich nur sagen, nehmen Sie diesen Antrag an. Damit wird ein Leitfaden für alle Menschen geschaffen, die in der Pflege arbeiten und vielleicht auch selbst irgendwann einmal pflegebedürftig werden. - Danke sehr.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Vielen Dank Frau Maurer. - Das Wort hat die Abgeordnete Dr. Simone Peter von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den bekanntgewordenen

(Abg. Kolb (SPD) )

schrecklichen Vorfällen in Spiesen-Elversberg wurde es notwendig, sowohl Maßnahmen zur Aufklärung wie auch zur zukünftigen Vermeidung solcher Missstände zu ergreifen. Hierfür bedarf es einer durchdachten und mit allen Akteuren diskutierten und abgestimmten Gesamtstrategie. Wir begrüßen auch ausdrücklich den von der Landesregierung eingeleiteten Pflegedialog. Der Landtag fordert ja mit dem gemeinsamen Antrag, den wir auch unterstützen, die Landesregierung unter anderem dazu auf, gemeinsam mit allen Beteiligten Vorschläge zur Qualitätsverbesserung im Pflegebereich zu erarbeiten, einen Pflegebeauftragten einzusetzen und gemeinsam mit diesem oder dieser einen jährlichen Pflegebericht zu erstellen.

Gerade im Saarland, das dem demografischen Wandel besonders ausgesetzt ist, wächst der Dienstleistungsbedarf im Bereich der Pflege und Gesundheit rapide. Ich meine, es ist ein sich verschärfender Prozess. Und ich meine auch, dass man in diesem sich verschärfenden Prozess den Begriff „Notstand“ durchaus verwenden darf. Es stehen heute schon zu wenige Fachkräfte zur Verfügung. Dieses Problem wird sich in den kommenden Jahren noch verschärfen, wenn wir jetzt nicht massiv vorbeugen und gegensteuern. In Deutschland wird erwartet, dass sich die Lücke von derzeit etwa 30.000 auf über 200.000 Pflegekräfte in den kommenden Jahren vergrößert. Allein im Saarland könnte es dann zu einer Lücke von rund 1.200 Fachkräften kommen. Deshalb ist die Debatte über geeignete Maßnahmen im Saarland richtig und wichtig. Wir müssen das tun, was wir hier im Saarland lokal, regional, in den Kommunen und im Land mit den entsprechenden Verbänden und Akteuren angehen können.

Die Debatte muss aber auch in den Bund getragen werden. Wir müssen uns dem bundesländerübergreifenden Dialog zu Maßnahmen, die eine Verbesserung der Pflege mit sich bringen, anschließen. Wir brauchen eine grundlegende Pflegereform, die eine wirkliche Neuausrichtung der pflegerischen Versorgung ermöglicht. Ich möchte hier nur die Stichworte nennen, die wir als GRÜNE in der Bundesdebatte regelmäßig ansprechen: Das ist der Ausbau von Versorgungs- und Wohnangeboten, das ist die unabhängige Beratung, das ist das Programm zur Bekämpfung des Personalmangels. Wir brauchen dringend eine Aus- und Weiterbildungsoffensive im Bereich der Pflege. Wir fordern ein integrativ gestuftes Ausbildungssystem für die Alten-, Kinder-, Gesundheits- und Krankenpflege, ein durchlässiges und modular aufgebautes Aus- und Weiterbildungssystem mit einem einheitlichen Anerkennungsverfahren und einer soliden Ausbildungsfinanzierung. Ich denke, wir haben als Jamaikakoalition hierzu einen wichtigen Beschluss gefasst, dass nämlich im Bereich der

Altenpflege mit der Ausbildungsumlage im Saarland ein wichtiger Schritt gegangen wurde.

Zur nachhaltigen Finanzierung einer besseren Pflege unterstützen wir klar den Antrag der LINKEN, denn er geht über den saarländischen Handlungsradius hinaus. Er spricht zu Recht von einer solidarischen Pflege-Bürgerversicherung. Wir sagen, wir müssen endlich dazu kommen, dass eine PflegeBürgerversicherung aufgebaut wird, in der private und gesetzliche Pflegeversicherung zusammengeführt werden als Basis für die Finanzierung der Pflege. Wir möchten auch noch einen Aspekt einbringen, der in anderen Bundesländern diskutiert wird. Das ist die Bildung einer Pflegekammer, damit die Pflegebedürftigen vor mangelnder Pflege geschützt werden. Man muss doch konstatieren, dass gerade im Gesundheitssystem - ähnlich wie in anderen Bereichen - ein Lobbyismus herrscht, der eine entsprechende Interessensvertretung auch gerade der Akteure in der Pflege als sinnvoll erscheinen lässt. Das ist ein Punkt, den man in einer Pflegedebatte und auch in der Anhörung mit den entsprechenden Akteuren noch einmal auf die Agenda setzen sollte. Dies gilt insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer wirklichen Aufgabenverlagerung von den Ärzten zur Pflege. Ich hoffe, dass die Debatte, die wir dann mit den Akteuren in der Anhörung haben werden, weitere Aspekte aufgreifen wird. Es wurde eben auch der Aspekt „junge Menschen“ genannt. Wir haben noch eine ganze Reihe weiterer Vorschläge zu unterbreiten und diese in den bundesweiten Dialog mit einzubringen, auch über den Minister, der dort in früheren Zeiten verankert war, um uns diesen Pflegenotstand zu ersparen, wie er in großem Maße aufschlagen könnte. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Bevor ich das Wort an den Minister für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, Andreas Storm, gebe, begrüße ich ganz herzlich den Landesvorsitzenden der Arbeiterwohlfahrt, Paul Quirin, unter den Zuhörern. Herzlich Willkommen!

(Beifall.)

Nun haben Sie das Wort, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal dem saarländischen Landtag ganz herzlich danken für die beiden wichtigen Signale, die die Fraktionen des Landtages senden, zum einen mit dieser guten und grundsätzlichen Debatte zur Pflege und zum anderen mit der großen Anhörung, die der Fachausschuss durchführen wird.

(Abg. Dr. Peter (B 90/GRÜNE) )

Das macht deutlich, dass wir diesen schlimmsten Pflegeskandal in der Geschichte unseres Landes im Juni dieses Jahres, der uns allen wirklich sehr nahe gegangen ist, dazu genutzt haben, nicht nur Konsequenzen zu ziehen, sondern nach vorne zu blicken. Dieses schlimme Ereignis darf aber nicht über eines hinwegtäuschen. Das ist mir ganz, ganz wichtig. In der Pflege wird von mehr als 8.500 Fachkräften tagtäglich in der Regel eine ganz hervorragende Arbeit geleistet. Dafür gilt denen, die in der Pflege ihre Arbeit tun, ein ganz, ganz herzlicher Dank.

(Beifall.)

Dieser Dank gilt auch den Angehörigen, zum Beispiel den Kindern, die ihre Eltern pflegen. Auch sie leisten eine ungeheuere Arbeit nicht nur für das Gemeinwohl. Dies ist eine Leistung, die zum Teil mit psychischen Belastungen verbunden ist und die unserer Wertschätzung bedarf.

Wir haben diese Krise, wie man das bei einer Krise immer machen kann, als Chance gesehen, als Ausgangspunkt für eine grundsätzliche Debatte über die Pflege. Wenn man über Pflege debattiert, muss eines klar sein: Eine Pflegedebatte ich zuerst eine Wertedebatte. Es geht um die Würde des Menschen, die Würde des Menschen in seinem Lebensabend. Es ist bereits angesprochen worden, dass wir auch Kinder haben, die gepflegt werden. Von daher ist es etwas weitergehend, aber im Kern ist es vor allen Dingen die Frage: Wie können wir die Würde des Menschen in bedrängten Situationen, wo man in besonderer Weise auf die Unterstützung und die Hilfe anderer angewiesen ist, sicherstellen? Und es ist auch eine Zukunftsdebatte. Nicht nur die vorhin eindrucksvoll geschilderten Zahlen über die demografische Entwicklung machen deutlich, dass wir in den nächsten Jahren deutlich mehr Pflegebedürftige haben werden. Wir haben einen Bereich, bei dem man ökonomisch gesprochen von einem Arbeitsmarkt mit Zukunft sprechen würde, bei dem es ganz wichtig ist, dass wir rechtzeitig die Weichen stellen. Aber bei all diesen ökonomischen Aspekten ist mir ganz wichtig, dass zunächst einmal die Menschen im Mittelpunkt stehen müssen, wenn wir überlegen, wo wir im Saarland stehen. Mein Vorredner, der Ausschussvorsitzende Herrmann Scharf, hat viele Zahlen über die Einrichtungen, über die Mitarbeiter in der Pflege und über die Zahl der Pflegebedürftigen genannt.

Eines ist mir aber schon wichtig zu erwähnen: Frau Abgeordnete Schramm, ich schätze Ihren persönlichen Einsatz sehr. Aber bei allen Problemen, die wir bei der Pflege auch sehen mögen, sollten wir eines nicht tun: so tun, als wäre die Lage im Saarland besonders schlimm. Ich habe aus meinen früheren Tätigkeiten ja auch den Blick über die Grenzen des Landes hinaus. Das Saarland ist, auch von den Verbänden in Berlin, bei der Pflege immer als ein Land

gesehen worden, das in vielen Fällen weiter war als andere Länder.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das ist nun kein Eigenlob, das betrifft nicht meine Arbeit als Minister, denn ich habe ja erst im Mai begonnen. Das betrifft die Arbeit meiner Vorgängerinnen und Vorgänger und vor allem auch die Arbeit des saarländischen Landtages in den vorangegangenen Wahlperioden. Im Saarland sind gewisse Dinge bereits sehr früh erprobt worden, weil beispielsweise auch Schlussfolgerungen aus der Arbeit der Landtagsenquete „Demografischer Wandel“ gezogen worden sind. Ein weiterer Punkt: Wir sind mit den landesweit acht Pflegestützpunkten auch in der Fläche sehr gut aufgestellt, was die ambulante Pflege angeht. Nun kann man ja sagen, dass wir das auch schneller machen können als andere Länder, weil wir eines der kleineren Länder sind. Aber man hat diese Chance hier nun einmal genutzt. Und ganz wichtig ist auch, dass wir eine Trendwende erreicht haben im Bereich der Ausbildung. Dazu hat insbesondere die im vergangenen Jahr gefundene Umlagelösung bei der Finanzierung beigetragen.

Der demografische Wandel trifft alle Länder, aber er betrifft das Saarland stärker als unsere Nachbarländer, beispielsweise auch stärker als RheinlandPfalz. Daher ist es richtig und notwendig, dass wir rascher als andere auf neue Herausforderungen reagieren.

Wir haben diese schwierige Lage genutzt, um einen Pflegedialog zu beginnen. Ich selbst habe Anfang Juli zahlreiche Gespräche mit den Akteuren in der Pflege geführt, auch mit den Heimbeiräten. Es war außerordentlich beeindruckend, als mehr als 100 Heimbeiräte bei uns im Ministerium zur Diskussion waren. Wir haben daraus unter anderem die Konsequenz gezogen, diesen Dialog mit den Heimbeiräten fortzusetzen, aber verteilt auf acht Regionalkonferenzen, eben dort, wo sich die Pflegestützpunkte befinden, weil es für die hochbetagten Menschen, die diese wichtige Funktion als Vertreter der Heimbewohnerinnen und -bewohner wahrnehmen, leichter ist, in einer kleineren Gruppe zu diskutieren.

Wir haben die Diskussion zum Anlass genommen, einen strukturierten Pflegedialog zu führen, der jetzt, in diesen Tagen, Ende August, beginnt und einmünden soll in eine große saarländische Pflegekonferenz am 22. November. Bei diesem Pflegedialog werden wir in sechs Arbeitsgruppen wirklich sehr grundsätzlich betrachten, wo Verbesserungen zur Stärkung der Pflege herbeigeführt werden müssen.

Die erste Arbeitsgruppe befasst sich mit dem Thema Qualitätsmanagement. Es stellt sich die Frage, ob das alles, was wir an Überprüfungen vornehmen, wirklich der Weisheit letzter Schluss ist. Das führt ja auch dazu, dass die Fachkräfte in der Pflege einen

(Minister Storm)

sehr großen Teil ihrer Arbeitszeit nicht für die Pflege der ihnen anvertrauten Menschen einsetzen können, sondern erhebliche Arbeitszeit für die Dokumentation aufwenden müssen. Es stellt sich die Frage, ob wir hier Dinge verändern müssen. Es geht nicht darum, noch mehr Dokumentation abzuverlangen. Es gilt zu überprüfen, ob man das eine oder andere umstrukturieren muss.

Eine ganz wichtige Frage ist auch das Notensystem in der Pflege. Wir haben ja gesehen, dass an dieses eine betroffene Heim eine Note vergeben war, zu der eine große deutsche Wochenzeitschrift gesagt hat, sie sei sehr gut. Die Insider haben dann hinterher gesagt, die ist ja gar nicht „sehr gut“. Da steht zwar eine „1“ vor dem Komma, aber eigentlich ist die Ziffer hinter dem Komma relevant. Alle Experten waren sich eigentlich einig, dass das derzeitige Notensystem mehr verschleiert als offenlegt. Deshalb ist eine Änderung des Notensystems erforderlich, wenn wir erreichen wollen, dass sich die Menschen über die Note tatsächlich eine Aussage ableiten können. Ist das mit einem solchen System nicht möglich, nimmt man besser von der Notenvergabe Abstand. Ich bin diesbezüglich aber optimistisch, weil diese Frage ja nicht nur bei uns im Saarland diskutiert wird, sondern mittlerweile auch in der Selbstverwaltung auf der Bundesebene.

Die zweite Arbeitsgruppe befasst sich mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit ihrer Begleitung, mit ihrer psychosozialen Betreuung. Es ist von mehreren Rednerinnen und Rednern das Thema Arbeitsbelastung angesprochen worden. Es ist wichtig, dass wir Menschen, die besonderen Stresssituationen, Krisensituationen ausgesetzt sind, nicht alleinlassen. Das gilt vor allem auch mit Blick auf die jungen Menschen, die sich für einen Ausbildungsberuf in der Pflege interessieren, die eine Ausbildung beginnen und daran denken, dass sie sich über ihre Erlebnisse, die sie tagtäglich haben mit Menschen, die sich zumeist in ihrer letzten Lebensphase befinden, weder mit ihren Freunden noch im Familienkreis austauschen können. Sie brauchen eine besondere Form der Unterstützung. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Begleitung und Unterstützung der Menschen, die in der Pflege arbeiten, äußerst wichtig ist. Es geht beim Thema „Arbeit in der Pflege“ eben nicht nur darum, welche Anforderungen an die Qualifikation zu stellen sind.

Die dritte Arbeitsgruppe befasst sich mit dem eben schon angesprochenen Thema der Qualifikation und der Ausbildung der Kräfte in der Pflege. Eines ist mir dabei sehr wichtig: Im Bereich der Altenpflege liegt die Dauer, während der die Menschen in diesem Beruf arbeiten, bei acht Jahren. Dieser Wert ist im Vergleich zu den meisten anderen Berufen nicht allzu hoch. Es gäbe aber viele, die eigentlich in einem pflegenahen Bereich arbeiten wollten. Deshalb

macht es Sinn, im Bereich der Alten- und Krankenpflege die Ausbildung etwas besser aufeinander abzustimmen. Eben das ist unser Ziel. Wir wollen auf der Bundesebene erreichen, dass es ein Pflegeberufegesetz gibt. Als wesentliche Hürde diesbezüglich erweist sich bislang, dass die Ausbildung in der Altenpflege und die Ausbildung in der Krankenpflege unterschiedlich finanziert werden.

Deshalb haben wir Ende Juni bei der Gesundheitsministerkonferenz in Saarbrücken mit dem Bundesgesundheitsminister vereinbart, mit einer gemeinsamen Studie zu versuchen, einen konsensfähigen Vorschlag zur Finanzierung der Pflegeausbildung zu erreichen. Schafften wir das bis Ende November das ist sozusagen die Zielvorgabe -, könnten wir dieses wichtige Projekt des Pflegeberufegesetzes noch in dieser Wahlperiode des Bundestages angehen. Wir von saarländischer Seite versuchen alles, damit dies gelingt. Aber eine Erfolgsgarantie gibt es natürlich nicht, denn das betrifft nicht nur den Bund, sondern es sind auch 16 Länder, die an diesem Projekt arbeiten. Aber ich verspreche Ihnen, dass wir an diesem Thema dranbleiben. Es muss jedenfalls an dieser Stelle etwas geschehen.

Nimmt man die beiden Aspekte der Stärkung der Pflegekräfte und der Verbesserung der Ausbildung zusammen, betrachtet man auch den Gesichtspunkt der Weiterbildungsmöglichkeiten und auch den Aspekt der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf durch zusätzliche Teilzeitangebote, so sollte das Ganze in eine Imagekampagne zugunsten der Pflegeberufe münden. Diese Imagekampagne wollen wir durchführen, aber erst dann, wenn wir wirklich richtig Boden unter den Füßen haben, wenn also die Ergebnisse der Arbeitsgruppen vorliegen und wir auch die Ergebnisse der Pflegekonferenz im November haben.

Die vierte Arbeitsgruppe befasst sich mit dem Thema Pflegekammer. Dieser Gesichtspunkt wurde ja schon von der Frau Abgeordneten Simone Peter angesprochen. Dieses Thema wird sehr streitig diskutiert. Die Vorgabe an die Arbeitsgruppe ist daher, wirklich ergebnisoffen zu diskutieren. Es kann am Ende sein, dass es einen breiten Konsens für die Einführung einer Pflegekammer gibt. Es kann aber auch durchaus sein, dass man zum Ergebnis kommt, eine solche Pflegekammer nicht einführen zu wollen. Bislang gibt es kein einziges Land, das eine Pflegekammer eingeführt hätte, es gibt aber viele Länder, in denen dies diskutiert wird. Man muss sehen, dass die Hürde für eine Kammer mit einer Zwangsmitgliedschaft in einem solchen Bereich, der sich ja strukturell etwas unterscheidet vom Bereich der Wirtschaft und seinen Kammern oder etwa unserer Arbeitskammer hier an der Saar, schon sehr hoch ist, auch hinsichtlich der Akzeptanz bei den Betroffenen, und das sind ja die 8.500 Mitarbeiterin

(Minister Storm)

nen und Mitarbeiter in der Pflege. Ich habe eines deutlich gemacht: Wenn wir einen solchen Weg gehen wollen, dann möchte ich, dass dies in einem breiten Konsens geschieht. Das ist keine Entscheidung, die man in einer solchen Arbeitsgruppe mit ganz knapper Mehrheit treffen kann. Deshalb bin ich auch sehr gespannt, ob diese Arbeitsgruppe zu einem Vorschlag kommt; möglicherweise könnte der ja auch einen neuen Weg aufzeigen.

Eine fünfte Arbeitsgruppe befasst sich mit dem Thema Ombudssystem. Da ist ein wichtiges Signal, dass mittlerweile die Krankenkassen geschlossen gesagt haben, dass sie sich daran beteiligen. Es muss noch geschaut werden, wie die exakte Form aussieht. Die großen Trägerverbände haben ebenfalls ihre Bereitschaft signalisiert, viele davon haben bereits Ansprechpersonen benannt. Ich habe gerade in meinen Unterlagen gesehen, dass gestern eine große Krankenkasse ihre Ombudsperson benannt hat.

Eine sechste Gruppe ist auch sehr wichtig: die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen pflegerischer und medizinischer Kompetenz. Das mag sich für diejenigen, die sich nicht so intensiv mit der Pflege beschäftigen, banal anhören. Aber dahinter stehen ganz wichtige Fragen, die die Lebensqualität von pflegebedürftigen Menschen betreffen. Ich schildere Ihnen ein Problem, an das man nicht gleich denkt. Aus vielen Berichten der Qualitätskontrolle konnte ich entnehmen, dass es oftmals Probleme gibt im Hinblick auf die Zeit, die für Zahnpflege und Zahnreinigung zur Verfügung steht. Früher war es so, dass die Menschen im pflegebedürftigen Alter ein Gebiss hatten, das man herausnehmen konnte. Dank der Fortschritte in der Zahngesundheit haben die meisten heute noch ihre echten Zähne und sehr komplizierte Konstruktionen, bei denen eine besonders intensive Pflege notwendig ist. Das bedeutet aber natürlich, dass die Erkenntnisse, die unsere Zahnärzte haben, an das Pflegepersonal weitergegeben werden müssen. Dazu ist unsere Zahnärzteschaft auch bereit. Sie hat sehr gute Informationsund Schulungsmaterialien. Dieses kleine Beispiel soll Ihnen zeigen, wie wichtig es ist, dass wir die Fortschritte im medizinischen Bereich auf die Kompetenz unserer Pflegefachkräfte übertragen und auch das, was die Pflegefachkräfte an neuen Erkenntnissen haben, mit den Erkenntnissen des medizinischen Bereichs verbinden.

Wir haben einen neuen Weg beschritten. Ich möchte mich ausdrücklich bei den Abgeordneten bedanken, die das im Ausschuss und den Fraktionen unterstützt haben. Wir werden das erste Land sein, das einen vom Landtag gewählten Pflegebeauftragten bekommt. Dahinter steht die Erkenntnis, dass wir Missbrauch zumindest in weiten Teilen nicht dadurch aufdecken können, dass wir die Dokumentati

on weiter optimieren - darüber habe ich eben berichtet. Wir haben vielmehr eine Situation, in der wir eine Ansprechperson brauchen, die akzeptiert wird, die einen Zugang hat, den andere nicht haben, und die gleichzeitig eine Vertrauensperson für die Stärkung der Pflege insgesamt ist.

Wir sind nicht das erste Land, das diese Idee hatte, vor einem Jahr kamen die Bayern schon auf den Gedanken. Die haben aber gesagt, ein solcher Pflegebeauftragter müsse sehr hoch im Ministerium angesiedelt werden. Die Idee hier im Saarland ist zu sagen: Dieser Pflegebeauftragte braucht eine besondere Legitimation durch den saarländischen Landtag. Ich halte das auch für die Akzeptanz des Pflegebeauftragten für essenziell. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiges Signal.

Meine Damen und Herren, es ist für die Menschen, die in der Pflege arbeiten, wie für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen ganz wichtig, welches Signal von diesem heutigen Nachmittag ausgeht. Deshalb noch mal ein Appell: Vielleicht ist es ja möglich, diesen Antrag gemeinsam zu verabschieden. Ich darf all den Fraktionen, die ihn mittragen werden, an dieser Stelle schon ganz herzlich danken.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Minister. Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag der CDU-Landtagsfraktion, der SPD-Landtagsfraktion, der PIRATEN-Landtagsfraktion und der B 90/GRÜNE-Landtagsfraktion. Wer für die Annahme des Antrags Drucksache 15/91 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag einstimmig, mit den Stimmen aller Abgeordneten, angenommen wurde.