Protocol of the Session on August 29, 2012

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Unstreitig!)

Das freie Mandat ist Voraussetzung jeder parlamentarischen Versammlung, die ja auch zu eindeutigen Entscheidungen fähig sein soll. Das hierbei bestehende Spannungsverhältnis zwischen freiem Mandat und Parteienparlament ist nur durch eine Geschlossenheit von Partei und Fraktion zu lösen, damit politische Ziele auch durchgesetzt werden können. Hier sind gemeinsames Arbeiten und Handeln und ein rücksichtsvoller Umgang miteinander und untereinander der Sache sehr förderlich, und das verhindert vielleicht in einzelnen Angelegenheiten, dass Abgeordnete hier doch wechseln.

Das freie Mandat ist im Übrigen auch nicht, wie Herr Lafontaine in der Presse zitiert wird, von der deutschen Justiz völlig falsch interpretiert. Das freie Mandat des Abgeordneten kann nicht Gegenstand einer Interpretation sein! Es ist ein elementarer Grundstein unserer Verfassung; diesbezüglich sind wir uns, so glaube ich, einig. Und da haben auch finanzielle Interessen der LINKEN, wie sie von Ihnen, Herr Professor Bierbaum, vor dem Plenum am 23. Mai vorgetragen wurden, überhaupt nichts zu suchen.

(Zuruf von der CDU: Schnöder Mammon! - Zuru- fe von der LINKEN.)

Diese finanziellen Interessen seien Gegenstand eines Betruges, dieser Vermögensvorteil, den die LINKE hier darzulegen versucht.

(Abg. Berg (SPD) )

Sowohl die Landeswahlleiterin als auch der Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung haben die Entscheidung der Abgeordneten Döring rechtlich geprüft und die Rechtmäßigkeit zweifelsfrei festgestellt. Auch die Staatsanwaltschaft hat die Anzeige der Partei DIE LINKE nicht weiterverfolgt, weil überhaupt keine Anhaltspunkte für einen Betrug vorlagen, auch nicht für ein Verhalten, das auch nur in die Nähe eines Betruges zu rücken wäre. Das muss einmal ganz klar und eindeutig herausgestellt werden.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Aus diesem Grund, aus Respekt vor der saarländischen Verfassung und der parlamentarischen Arbeit, ist eine Akzeptanz dieser Rechtslage zu fordern. Es ist nicht im Interesse der Funktionsfähigkeit eines Parlamentes, aus rein monetären Interessen elementare Grundsätze unserer Verfassung infrage zu stellen. Ich bitte daher nochmals um Zustimmung zum Beschlussvorschlag des Ausschusses.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Berg. - Das Wort hat nun Michael Neyses von der Fraktion der PIRATEN.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei den Wahlanfechtungen geht es in vielerlei Hinsicht um Formfehler: um eine 5-Pozent-Hürde, nicht anfechtungsberechtigt, zu spät dran. Frau Berg hat hier bereits viele der sachlichen Punkte genannt. Es mag sein, dass bei einer Anfechtung Moral und Gesetz nicht ganz übereinstimmen.

Ich möchte nun hier aber auch einmal den Eindruck einer neuen Fraktion wiedergeben: Wir haben in dieser Legislaturperiode nunmehr die sechste Plenarsitzung, und zum dritten Mal reden wir über Pia Döring. Entschuldigung, aber was sollen wir eigentlich denken? Die FDP wurde abgewählt, weil sie nur noch über Personalien geredet hat. Ich hoffe, dass wir heute über dieses Thema zum letzten Mal gesprochen haben, dass dieses Thema uns nicht die komplette Legislaturperiode verfolgt. - Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme der Drucksache 15/78 ist, den bitte ich, eine Hand zu heben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der

Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 15/78 mit Stimmenmehrheit angenommen ist. Zugestimmt haben die Fraktionen von CDU, SPD, PIRATEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dagegen gestimmt hat die Fraktion DIE LINKE.

Wir kommen zu Punkt 14 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der DIE LINKE-Landtagsfraktion und der PIRATEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Änderung der Geschäftsordnung des saarländischen Landtages (Drucksache 15/94 - neu)

Zur Begründung des Antrages erteile ich Herrn Abgeordneten Rolf Linsler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird zurzeit ja viel über Transparenz und Offenheit geredet. Bei dieser Gelegenheit erinnere ich noch einmal an den Antrag, den wir vor einem Jahr ein Transparenzgesetz betreffend gestellt haben. Seinerzeit wurde uns vom damaligen Minister zugesagt, es käme bald eine Gesetzesvorlage. Ich möchte nur noch einmal daran erinnern, da es nun ja auch um Transparenz geht.

Die Ministerpräsidentin hat sich bezüglich der Benzinpreise für mehr Transparenz und weniger Preisschwankungen ausgesprochen. Minister Maas hat in seiner Oppositionszeit beim Vierten Pavillon - zu Recht! - mehr Transparenz gefordert. Aber man kann ja nicht immer nur bei anderen fordern, bei sich selbst aber untätig bleiben.

Viele Bürgerinnen und Bürger wollen wissen, wie in Landtagsausschüssen diskutiert wird und wie und auf welcher Grundlage Entscheidungen getroffen werden. Das sind Entscheidungen, die die Bürger ja schließlich teilweise stark betreffen. Und wir alle hier wissen doch, dass gerade in den Ausschüssen besonders lebhaft diskutiert wird. Schließlich sind die Ausschüsse laut Geschäftsordnung des Landtages vorbereitende Beschlussorgane und haben die Pflicht, dem Landtag bestimmte Beschlüsse zu empfehlen. Das heißt, in den Ausschüssen spielt die Musik. Deshalb sollten die Sitzungen der Ausschüsse auch grundsätzlich öffentlich stattfinden. Ich denke, das würde unserer Demokratie sehr gut tun.

Wir haben im Landtag und in den Ausschüssen nach unserer Auffassung doch nichts zu verbergen! Wir sind hier schließlich alle Volksvertreterinnen und Volksvertreter und können doch deshalb nicht das Volk ausschließen. Bei besonderen Fällen kann ein Ausschuss immer noch beschließen, dass die Öffentlichkeit ausnahmsweise ausgeschlossen wird, wenn es etwa um Sicherheitsbelange geht oder um sensible Daten von Einzelpersonen. In Nordrhein

(Abg. Berg (SPD) )

Westfalen geht das ja auch! Da sind die Ausschusssitzungen des Landtages grundsätzlich, genau wie wir und die PIRATEN das verlangen, öffentlich.

Kolleginnen und Kollegen, ich denke, das wäre eine vernünftige Lösung. Wenn Bürgerinnen und Bürger wissen wollen, was ihre Volksvertreterinnen und Volksvertreter tun und wie welche Entscheidungen zustande gekommen sind, sollte man ihnen nicht die Tür vor der Nase zuschlagen. Wenn man zum Beispiel das Trauerspiel um den Vierten Pavillon sieht, kann man gut verstehen, dass viele Saarländerinnen und Saarländer mehr wissen möchten und sehen möchten, wie in den Ausschüssen darüber diskutiert wird.

Wenn die Regierung ihren geplanten - ich nenne es mal - Massen-Stellenabbau beschließen lassen will, werden auch viele Saarländerinnen und Saarländer mehr wissen wollen und den Debatten und Argumenten in den Ausschusssitzungen zuhören wollen. Die Plenarsitzungen des Landtages werden ja auch zu Recht und Gott sei Dank öffentlich im Internet übertragen, mit Zuschauern und Pressevertretern. Deshalb bitte ich, Kolleginnen und Kollegen, für mehr Offenheit und Transparenz um Zustimmung zu dem Antrag der LINKEN und PIRATEN. - Vielen Dank.

(Beifall von der LINKEN und den PIRATEN.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Linsler. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende der Fraktion der PIRATEN, Michael Hilberer.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Der vorliegende Antrag der Fraktion DIE LINKE und der PIRATEN enthält eine Forderung, die wir seit unserem ersten Tag hier im Parlament gestellt haben. Es ist eine sehr wichtige Forderung, die parlamentarische Arbeit transparenter gegenüber der Öffentlichkeit darzustellen. So war es bei uns keine Frage, dass wir diesen Antrag unterstützen. Wir halten ihn für einen wichtigen ersten Schritt, um der Öffentlichkeit zu zeigen, wie dieses Parlament arbeitet, um zu zeigen, dass es nicht nur eine Debatte gibt, ein Antrag dann in den Mühlen der parlamentarischen Verwaltung verschwindet und danach wieder aufpoppt und abgestimmt wird, sondern dass dazwischen auch wirklich in diesem Parlament Arbeit geleistet wird.

Das Saarland könnte jetzt wieder Anschluss finden an alle Bundesländer, die dies bereits praktizieren. Das sind inzwischen einige, ich nenne nur Brandenburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nord

rhein-Westfalen. Selbst in Bayern gibt es entsprechende Pläne, öffentliche Ausschusssitzungen durchzuführen.

Nun kann man fragen: Warum das Ganze? Reden wir wieder nur von einem Feigenblättchen der Transparenz oder haben wir wirklich einen Grund, das zu fordern? In den vergangenen Jahren haben wir einen starken Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Politik erlebt. Wir reden von Politik- oder Politikerverdrossenheit. Das trifft uns ins Mark, weil wir ja die Bevölkerung repräsentieren, aber eben kein Vertrauen mehr bei ihr genießen. Nun geht es darum, Vertrauen wieder aufzubauen. Transparenz ist immer eine Möglichkeit, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Wenn die Bevölkerung Interesse an unserer parlamentarischen Arbeit hat, sollten wir dies fördern und uns nicht verschließen. Wir haben immer wieder Argumente gehört, warum es abträglich wäre, Ausschusssitzungen öffentlich zu machen. Es fehle eine vertrauliche Atmosphäre, es besteht die Angst vor „Fensterreden“. Aber nachdem wir nun die parlamentarische Praxis aus eigener Anschauung kennen, sage ich: Keine Sorge, in den Ausschüssen dieses Hauses wird gute Arbeit geleistet, die brauchen wir nicht zu verstecken.

(Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN.)

Zusätzlich muss ich sagen: Was wir hier tun, ist Politik. Viele Bereiche davon sind relativ uninteressant, das sind Verwaltungstätigkeiten, wenn man so will. Aber es gibt auch immer wieder diese Bereiche, die jemanden interessieren, Themen, die Menschen an den Stellen berühren, die wirklich ihr Leben betreffen. Diese Betroffenen können sich im Moment nicht umfassend informieren. Das können wir mit diesem Antrag abstellen. Wer Bürgerbeteiligung wünscht und Interesse an Politik fordert, der muss sich auch öffnen.

(Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN.)

Noch eine abschließende Bemerkung zum Stichwort „Fensterreden“. Das liegt schließlich an uns selbst. Jeder von uns hat es in der Hand, sich auch in öffentlichen Sitzungen so zu äußern, wie er es auch von anderen erwartet. Das ist eine ganz einfache Regel. Von daher bitte ich Sie, diesem Antrag zuzustimmen. - Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN und der LINKEN.)

Vielen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Tobias Hans von der CDULandtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, ob

(Abg. Linsler (DIE LINKE) )

Sie, Herr Kollege Hilberer, vor Ihrer Zeit in diesem Parlament auch einmal als Zuschauer in diesem Hause waren oder ob Sie sich mal informiert haben, was regelmäßige Reaktionen aus dem Zuschauerraum auf unsere Plenardebatten sind. Es ist so, dass man sehr häufig die Frage hört - gerade wenn man mit Besuchergruppen aus Schulen spricht -: Ist das eigentlich immer so, dass so zugespitzt diskutiert wird und dass das, was Sie „Fensterreden“ nennen, abgehalten wird? Ich sage dann in Diskussionen als Volksvertreter: Das, was Sie oder ihr hier seht, ist eben zugespitzte politische Diskussion. Das ist das, wovon das Parlament und die Politik in diesem Land lebt, sozusagen die Würze des parlamentarischen Alltags. Man kann aber dennoch nicht ignorieren, dass es immer auf sehr viel Zustimmung bei denjenigen, die mich ansprechen, trifft, wenn ich sage: Die Kernarbeit, die hauptsächliche Arbeit des Parlaments findet in den Ausschüssen statt. Dort wird diskutiert auf einem Niveau, das man auch aus anderen Situationen, aus der Wirtschaft, der Schule, der Universität oder ähnlichen Zusammenhängen kennt. Dort wird wirklich auch konstruktiv über Fraktionsgrenzen hinweg darum gerungen, Entscheidungen zu finden.

Diese Beratungskultur, die wir in den Ausschüssen dieses Parlaments haben, ist meines Erachtens mindestens ebenso wichtig wie die, wie ich finde, gute Debattenkultur, die zugespitzte Debattenkultur, die wir hier in der Öffentlichkeit haben. Ich glaube aber, dass sich die Beratungskultur in diesem Parlament durchaus auch daran festmacht, dass wir eben unsere Ausschusssitzungen in der Regel in nicht öffentlicher Sitzung durchführen und eben nicht die Öffentlichkeit grundsätzlich herstellen. Durch die Nichtöffentlichkeit unserer Ausschusssitzungen soll eine sachliche Debatte ermöglicht werden und die konstruktive Sacharbeit im Vordergrund stehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist gerade diese grundsätzliche Nichtöffentlichkeit unserer Ausschusssitzungen, die dafür sorgen soll, dass die Sitzungen nicht dafür missbraucht werden, „Fensterreden“ zu halten. Das richtige Forum für die politische, zugespitzte Auseinandersetzung ist sicherlich das Plenum. Hier haben wir die Garantie - die Journalisten sind vor Ort -, dass in ausreichendem Maße darüber berichtet wird, wenn ein Thema für die Öffentlichkeit interessant ist. Wir haben die Garantie, dass die Öffentlichkeit zugelassen ist. Deshalb werden eben die Dinge, die in den Ausschüssen vorberaten werden, fast immer hier im Plenum abschließend beraten.

Herr Kollege Hilberer, Ihre Fraktion hat während der Debatte mehrfach darauf hingewiesen, dass Sie erst 100 Tage im Parlament sind. Ich finde es nachvollziehbar, dass man dann einige Dinge noch nicht so beurteilen kann, manche Abläufe hier noch nicht so

„drauf hat“ wie alte „Parlamentshasen“. Ich sage Ihnen aber auch ganz klar: Was mir gegen den Strich geht, ist, dass ich zum Teil den Eindruck habe, das Sie das Bedürfnis haben, uns hier Lehrstunden in Sachen Demokratie abzuhalten

(Zuruf: Genau! - Beifall von den Regierungsfrak- tionen)

nach dem Motto: Wir sind die echten Demokraten, jetzt, wo wir hier sind, geht es endlich demokratisch zu. Ich sage Ihnen: Verwechseln Sie hier bitte nicht Transparenz mit größtmöglicher demokratischer Gestaltung. Das eine hat nicht zwingend etwas mit dem anderen zu tun.

Hier geht es um die Fragen: Wie wollen wir das Parlament informiert halten? Wie wollen wir die Diskussion im Parlament so gestalten, dass sie konstruktiv ist und dass wir vor allem gut informierte Abgeordnete haben? Sie wissen doch, dass wir es in den Ausschüssen mit sensiblen personenbezogenen Daten zu tun haben, bei denen es sinnvoll ist, die Öffentlichkeit auszuschließen.

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Das ist doch nicht immer der Fall, das ist doch Quatsch!)