Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich habe heute die Freude und Ehre, diesen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von CDU und SPD einbringen zu dürfen. Ich möchte vorweg darauf hinweisen, dass die Drucksache 15/96 - neu - inhaltlich keine Veränderungen erfahren hat. Es geht vielmehr um Begründungen und
Verehrter Herr Präsident, ich möchte mit einem Zitat beginnen. „Wer glaubwürdig für faire Löhne eintritt, muss mit der Durchsetzung dort anfangen, wo er direkt Einfluss nehmen kann. Deshalb wird die Landesregierung das bestehende Tariftreuegesetz unter Berücksichtigung von EU- beziehungsweise wettbewerbsrechtlichen Bedingungen weiterentwickeln. Ein neues Vergabe- und Tariftreuegesetz wird eine verbindliche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro festlegen und ab einem Auftragswert von 25.000 Euro greifen. Die Wirksamkeit von Nachkontrollen ist durch scharfe Sanktionen, die bis hin zum Ausschluss von Ausschreibungsverfahren reichen können, zu verbessern.“ Die Quelle dieses Zitats ist der Koalitionsvertrag von CDU und SPD an der Saar, konkret auf Seite 22. Der Koalitionsvertrag steht unter der Überschrift „Chancen nutzen - Zusammenhalt bewahren Eigenständigkeit sichern - gemeinsam Verantwortung tragen für unser Saarland“; er stammt vom 08. Mai 2012. Diesen wichtigen Schritt tun wir mit der Vorlage dieses Gesetzes.
Ich möchte die Hauptziele dieses Gesetzes beschreiben. Es sind zum einen faire Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Zum Zweiten sind es gerechte und auskömmliche Löhne sowie Arbeitsbedingungen für Menschen, die im Auftrag von Land und Kommunen Arbeitsaufträge übernehmen. Es ist also ein Gesetz, das im Kern beiden Gruppen - sowohl den Unternehmen als auch den Arbeitnehmern - dient.
Wir sind damit in guter Gesellschaft, weil bereits zehn Bundesländer Tariftreuegesetze haben. Zwei haben es konkret in Planung - nämlich Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt. Vier haben noch keine Tariftreuegesetze. Darunter fällt aber zum Beispiel das Land Schleswig-Holstein, bei dem man sich an fünf Fingern abzählen kann, dass es dort demnächst auch zu einem Tariftreuegesetz kommen wird.
Die wesentlichen Änderungen sind im Einzelnen folgende Punkte, die ich nur kurz beschreiben will, da das Gesetz in Gänze vorliegt. Zum Beispiel ist in § 1 Abs. 5 der Anwendungsbereich genannt. Dort ist die Absenkung des sogenannten Schwellenwertes von 50.000 Euro auf 25.000 Euro festgeschrieben, sodass mehr Auftragsvergaben erfasst werden. Ein wichtiger Punkt wird in § 3 Abs. 1 und 3 sowie später in Absatz 2 genannt. Dort sind die Arbeitsbedingungen und der erweiterte Entgeltbegriff - also zum Beispiel auch die Frage von Arbeitszeitbedingungen im Verhältnis zur Entlohnung - aufgenommen. Das schließt die Beschäftigten im öffentlichen Personennahverkehr insgesamt ein, wo vorher nur das Fahr
personal im engeren Sinn beinhaltet war. Es betrifft natürlich auch die Einführung eines Mindestlohnes von 8,50 Euro bei Vergabe öffentlicher Aufträge. Wir könnten semantisch streiten, ob es eine Lohnuntergrenze oder ein Mindestlohn ist. Die Beschäftigten wird es weniger interessieren.
Um das fortzuschreiben, haben wir reingeschrieben, dass eine Kommission eine jährliche Anpassung vornehmen soll - das steht in § 3 Abs. 5 -, weil es auch bei der Frage des Mindestlohns bundesweit große Bewegung gibt. In einigen Branchen gibt es das bereits. Es deutet sich an, dass wir in absehbarer Zeit zu einem gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn kommen können, weil in allen Parteien an dieser Stelle Bewegung ist.
Ich finde es ebenfalls sehr beachtlich, dass wir in § 3 Abs. 6 die Aufnahme von Leiharbeitnehmern in dieses Gesetz hineingeschrieben haben. Damit kommen wir bei öffentlichen Auftragsvergaben der Forderung von gleichem Lohn für gleiche Arbeit - dem Equal Pay - nach. Wir haben in den § 4 Abs. 1 die Tariftreue für Nachunternehmer aufgenommen, was die Verschiebebahnhöfe, die es bisher dort gegeben hat, ausschließt. Neu ist in § 7 die Regelung für den öffentlichen Personennahverkehr bei Betreiberwechsel. Hierbei soll den Beschäftigten des ursprünglichen Arbeitgebers die Sicherheit gegeben werden, dass sie zu gleichen Bedingungen von dem neuen Betreiber übernommen werden müssen. Auch das war bisher ein sogenannter Verschiebebahnhof, wo man teilweise auf dem Rücken der Arbeitnehmer bestimmte Dinge ausgetragen hatte, ohne dass es zu Wettbewerbsvorteilen geführt hat.
Wir haben in § 8 Abs. 2 das Wahlrecht des Auftraggebers eingeführt, also der öffentlichen Hand, die die Aufträge bezahlt. Das war früher umgekehrt. Damals konnte der Auftragnehmer wählen, ob er in seinen eigenen Geschäftsräumen Einsicht in die Unterlagen gewährt oder auch nicht. Das wird jetzt in die Direktionsmacht des Auftraggebers - also der öffentlichen Hand - gelegt.
Wir haben das Thema Kontrolle aufgegriffen. Es betrifft die Einführung einer Auskunftspflicht von Auftragnehmern gegenüber dem kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber - auch hinsichtlich der beauftragten Nachunternehmer, weil dort oftmals getrickst worden ist. Wir sind dabei, ein sehr effizientes Kontrollsystem zu erarbeiten, weil mit der Kontrolle eines solchen Gesetzes dessen Wirkung steht und fällt. Es ist eine Rechtsverordnung vorgesehen, die es dem Ministerium erlaubt, entsprechende Kontrollmechanismen einzuführen. Dazu will ich an der Stelle keine weiteren Ausführungen machen. Ich gehe davon aus, dass auch der Minister dazu sprechen wird.
Wir haben die Sanktionen über Vertragsstrafen nicht unwesentlich verschärft: bei einmaligem Vorstoß von 3 auf 5 Prozent, bei mehrmaligen Verstößen von 5 auf 10 Prozent. Wir haben im Entwurf die Dauer des Ausschlusses von Vergabeverfahren bei Verstoß gegen dieses Gesetz von drei auf fünf Jahre angehoben. Damit zeigen wir jedem, dass hier Ernst gemacht wird. Es ist nicht einfach nur ein Gesetz, über das man hinterher nicht mehr redet. Vielmehr sollte sich jeder, der sich um öffentliche Aufträge bewirbt, sehr gut überlegen, diese Vorschriften einzuhalten.
Wir haben darüber hinaus per Rechtsverordnung durch das Arbeitsministerium die Einrichtung eines Registers über von Vergabeverfahren ausgeschlossenen Unternehmen beschlossen. Das heißt, es wird also entsprechend registriert. Öffentliche Auftraggeber müssen vor Auftragsvergabe Auskünfte einholen.
Insgesamt geht dieses Gesetz in die Beratung mit allen gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere mit denjenigen, die es hauptsächlich betrifft, also die öffentliche Hand, die Kommunen und die Unternehmen. Das ist eine Geschichte, die sehr ernsthaft und mit konsequenter Handschrift betrieben werden soll. Damit sind wir nach meiner Beurteilung in der inhaltlichen Gestaltung durchaus im vorderen Drittel zu finden, was diese zehn Bundesländer betrifft, die Tariftreuegesetze haben. Es ist nicht alles nach dem Motto „Wünsch Dir was“ reingeschrieben worden, aber das ist letztendlich das Spiel einer Koalition, hie und da einen Kompromiss einzugehen. Allerdings ist bisher an der klaren Handschrift nichts verwässert worden.
Abschließend möchte ich zu dieser Gesetzeseinbringung noch einmal darauf hinweisen, dass es natürlich insgesamt unser Ziel ist, dass das Saarland den Wettbewerb der Länder und Regionen mit der Maßgabe „besser statt billig“ bestreitet, dass wir genau aus diesem Grund versuchen, das Thema gute Arbeit dort, wo wir es direkt beeinflussen können, in die Umsetzung zu bringen und dass wir der tiefen Überzeugung sind, dass dies am Ende dem Land auch wirtschaftlich wesentlich weiterhelfen wird. Ich darf mich bei allen bedanken, die an diesem Gesetz mitgewirkt haben, und hoffe, dass wir mit Blick auf die weitere Umsetzung auch Unterstützung in der Öffentlichkeit finden. Das deutet sich durchaus an.
Vielleicht noch eine Bemerkung zum Thema Mindestlohn. Auch das ist eine große Geschichte, aber ich habe jetzt bewusst einmal alle Dinge aufgezählt, weil ich die Debatte nicht nur auf den Mindestlohn beschränkt sehen möchte. Wir sind in der Koalition davon überzeugt, dass wir dort, wo wir direkt Einfluss haben und nicht nur „Fensteranträge“ stellen,
das mit dem Mindestlohn machen, was man im Land wirklich machen kann. Andere Dinge müssen über die Bundesebene im Konzert mit anderen geregelt werden, aber wir machen das, was wir wirklich tun können. Wir sind hier tatkräftig.
In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf und hoffe, dass wir die Dinge gut zu Ende bringen. - Herzlichen Dank.
Zur Begründung des Gesetzentwurfs der Landtagsfraktion DIE LINKE - Drucksache 15/95 - erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Oskar Lafontaine das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte natürlich unseren Gesetzentwurf begründen, aber auch zu den beiden anderen Gesetzentwürfen beziehungsweise Anträgen Stellung nehmen. Zunächst einmal will ich klarstellen, dass wir allen drei Vorlagen zustimmen werden, weil sie jede auf ihre Weise - einen gewissen Fortschritt bedeuten. Das versteht sich aus unserer Art heraus, Politik zu machen. Auch dann, wenn der Fortschritt nicht so weit geht, wie wir ihn für richtig halten, stimmen wir ihm selbstverständlich zu.
Ich will das Thema aber in einen größeren Rahmen stellen, weil ich glaube, dass wir noch viel Kraft aufwenden müssen, um in unserer Gesellschaft eine Fehlentwicklung zu korrigieren, die vor Jahrzehnten eingesetzt hat. Jeder wird mir darin zustimmen, dass Politik die Aufgabe hat, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, und jeder wird auch darin zustimmen, dass dies bedeutet, die Löhne im Rahmen der Produktivität zu erhöhen und ein entsprechendes Rentenniveau sicherzustellen. Dass in den letzten Jahren nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und darüber hinaus das Gegenteil bewirkt worden ist, wird niemand in Abrede stellen, der die nationalen oder internationalen Statistiken kennt. Wir haben für die Beschäftigten enorme Lohnverluste. Wir haben Altersarmut in ganz Europa, und wir haben in Deutschland massive Altersarmut programmiert. Das ist der erste Grund dafür, dass die Partei DIE LINKE einen Mindestlohn von 8,50 Euro infrage stellt. Wir tun dies nicht, weil wir einen Wettbewerb nach dem Motto „Wer bietet mehr?“ wollen, sondern weil wir darauf hinweisen müssen, dass wir der festen Überzeugung sind, dass ein Stundenlohn eine solche Höhe haben muss, dass man im Alter über die Grundsicherung kommt und man sich die Rente mit eigenen Beiträgen erarbeiten kann. Das ist für uns eine Frage der Würde der Menschen. Deshalb
Als Gewerkschaftsmitglied bedauere ich es, dass sich die Gewerkschaften insgesamt diese ganz selbstverständliche Forderung noch nicht zu eigen gemacht haben. Es kann doch nicht ernsthaft Beschlusslage von Gewerkschaften sein, dass Altersarmut in großem Umfang programmiert wird! Ich weise darauf hin, dass jemand nach 40 Jahren Berufstätigkeit bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro gerade einmal 550 Euro Rente hat. Die Grundsicherung liegt jetzt bei 680 Euro. Man sieht also, dass bei einer kurz unterbrochenen Erwerbsbiografie solche Altersrenten zu erwarten sind. Das müsste doch für jeden, der sich dem Auftrag verpflichtet fühlt, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, Veranlassung sein, sich dafür einzusetzen, dass sich diese Dinge ändern.
Es ist richtig, wenn Kollege Roth darauf hingewiesen hat, dass die eigentliche Weichenstellung auf Bundesebene erfolgen muss. Sie wurde damals mit einem Gesetz vorgenommen, das vor zehn Jahren verabschiedet worden ist und sich Hartz 4 nennt. Mit ihm wurde das Abrutschen der Löhne nach unten programmiert. Deshalb hat Deutschland heute den größten Niedriglohnsektor aller Industriestaaten. Das ist eine bedauernswerte Entwicklung. Acht Millionen Menschen sind von dieser Fehlentwicklung betroffen, und insbesondere die jüngeren haben Altersarmut zu gewärtigen. Deshalb bleiben wir natürlich bei der Forderung, dass auf Bundesebene die Gesetzgebung so geändert werden muss, dass nicht mehr jeder, der arbeitslos ist - das ist die sogenannte Zumutbarkeitsklausel -, unabhängig von seinem erlernten Beruf und seiner früheren Bezahlung eine Arbeit aufnehmen muss. Das ist die Einladung zum Lohndumping, und die muss weg, sonst bekommen wir das Problem niemals in den Griff.
Diese Entwicklung spiegelt sich auch darin wider, dass in unserer Gesellschaft eine Werteverschiebung enormen Ausmaßes stattgefunden hat, für die ich niemanden in Anspruch nehmen will. Niemand muss sich angesprochen fühlen, denn allein das Wort „Arbeitsmarkt“ erklärt schon diese Werteverschiebung. Würde man es durch das Wort „Menschenmarkt“ ersetzen - es geht ja um Menschen, die von diesen Regelungen betroffen sind -, dann würde es sicherlich dem einen oder anderen schwerfallen, von einer Deregulierung dieses Marktes zu sprechen. Weil man aber mit dem Begriff des Arbeitsmarktes das Problem auf eine scheinbar sachliche, nicht mehr direkt an den Menschen gebundene Ebene herabgezont hat, kam es zu dieser gigantischen Fehlentwicklung, die ich eben beschrieben habe.
Der Werteverfall in der Gesellschaft ist auch in einem Aufsatz in der ZEIT aus dem Jahr 2002 sichtbar geworden, in dem der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Herr Breuer, Folgendes geschrieben hat: „Die Finanzmärkte spiegeln die Werteorientierung der modernen Industriegesellschaft wider.“ Allein an diesem Satz können Sie ermessen, was in den letzten Jahren fehlgelaufen ist und warum irgendwann das zusammengebrochen ist, was wir den rheinischen Kapitalismus nannten. In ihm gab es vieles, was sozial orientierte Gewerkschafter und Politiker kritisiert haben, aber eines war eine Selbstverständlichkeit: Man wollte die Löhne so gestalten, dass die Menschen davon einigermaßen leben können und dass im Alter eine einigermaßen auskömmliche Rente gewährleistet ist. Das war, wenn man so will, eine Maxime des damaligen Systems; sie ist völlig zerbrochen.
Nun will ich mich mit den Gesetzentwürfen und Anträgen befassen und zunächst auf das Tariftreuegesetz zu sprechen kommen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass wir diesem Gesetz zustimmen werden, weil es einen Fortschritt bedeutet; daran gibt es nichts zu mäkeln. Aber natürlich - ich hatte eigentlich gedacht, dass Kollege Roth das ansprechen würde - muss man auch die Einwände der Kolleginnen und Kollegen von Verdi hier zur Geltung bringen, und als Mitglied dieser Gewerkschaft will ich das gerne tun. Sie weist zu Recht darauf hin, dass auch dieser Gesetzentwurf zwei wesentliche Lücken hat. Als wir zusammen mit den Sozialdemokraten einen Gesetzentwurf eingebracht haben, haben wir den Ausdruck „repräsentative Tarifverträge“ eingeführt. Darauf weist Verdi zu Recht hin. Wir bedauern es, dass dies im vorliegenden Gesetzentwurf nicht möglich geworden ist. Wir wissen, dass in Koalitionen Kompromisse geschlossen werden. Ein junger Kollege hat das kürzlich hier vorgetragen. Ich möchte es bestätigen, damit die Harmonie in diesem Haus nicht gestört ist. Aber dennoch werden Sie es mir nachsehen, wenn ich hervorhebe, dass dies schon ein Punkt mit Bedeutung ist. Wir werden also im Laufe des Verfahrens immer wieder darauf hinweisen, dass nach unserer Vorstellung das Instrument des repräsentativen Tarifvertrags eingeführt und somit der ursprüngliche, gemeinsame Ansatz von SPD und LINKEN realisiert werden sollte. Vielleicht kann man ja die CDU noch überzeugen.
Der zweite Punkt ist, dass der Vorrang der Bundesgesetze von Verdi nach unserer Auffassung zu Recht infrage gestellt wird. Natürlich gibt es bei rechtlichen Diskussionen immer zwei Meinungen. Wir brauchen sie hier nicht im Sinne einer Beweisführung gegeneinanderzustellen, aber wir meinen, es wäre wichtig, das Tariftreuegesetz so zu fassen, dass auch das Arbeitnehmerentsendegesetz, wenn
man so will, an der Stelle ausgehebelt wird, an der es niedrigere Löhne als 8,50 Euro vorsieht. Auch das gibt es bei uns. Das Arbeitnehmerentsendegesetz erfasst viele Branchen. Ich nenne einmal einige: Bauhauptgewerbe, Gebäudereinigung, Briefdienstleistungen, Sicherheitsdienstleistungen, Pflege.
Man muss also die ganze Problematik sehen. Deshalb wäre es wichtig, den Bereich des Entsendegesetzes mit hineinzunehmen. Das sind die beiden Punkte, die wir als Partei DIE LINKE hier noch einmal anmahnen müssen. Ich verweise auf die Argumentation von Verdi, die mit der Problematik hauptsächlich zu tun hat.
Ich komme zu unserem Mindestlohngesetz. Herr Kollege Roth - ich benutze diese Anrede im Sinne gewerkschaftlicher Tradition -, Sie haben gesagt, dass man dort, wo man etwas tun kann, auch etwas tun muss. Deshalb haben wir ein Gesetz vorgelegt, das in einem anderen Parlament bereits verabschiedet worden ist, und zwar von SPD und GRÜNEN. Wir haben zu dieser Methode gegriffen, weil dann nicht mehr ohne Weiteres argumentiert werden kann, das gehe nicht, das sei nicht möglich. Es kann auch nicht argumentiert werden, es sei sachlich nicht haltbar. In diesem Gesetz, das in Bremen verabschiedet worden ist und das nach der Presseberichterstattung bundesweit das am weitesten gehende Mindestlohngesetz eines Landesparlamentes ist, ist der wesentliche Punkt aufgegriffen, wonach die Zuwendungen des Landes im weitesten Sinne auch an den gesetzlichen Mindestlohn gebunden werden.
Wenn beispielsweise ein Wirtschaftsminister, um einen Fall aus der Vergangenheit aufzugreifen, auf die Idee kommt, irgendeine Fast-Food-Kette zu fördern, dann muss er zunächst prüfen, ob dort auch die Mindestlöhne gezahlt werden. Ich könnte die Beispiele endlos ausweiten und Höll und so weiter nennen. Ich will es aber nicht vertiefen. Ich will auch nicht so tun, als sei das von einer Landesregierung so ohne Weiteres handelbar, aber hier redet ja nicht die Jungfrau vom Kinde, sondern jemand, der das alles selbst schon in der Praxis realisieren musste. Nach meiner Auffassung ist es machbar. Es wird da oder dort Schwierigkeiten geben. Wir plädieren aber dafür und appellieren an Sie, diesem Gesetz zuzustimmen. Es kann in den Beratungen hier und dort noch präzisiert werden, wenn berechtigte Einwände bestehen, aber es wäre ein weiterer Schritt in unserer Verantwortung - ich greife die Formulierung des Kollegen Roth erneut auf -, dort Zeichen zu setzen, wo wir das Recht dazu haben und wo wir gegen die Prekarisierung der Arbeit etwas tun können.
Aus Zeitgründen will ich einen dritten Punkt ansprechen, der nachher noch debattiert wird. Es ist der Fall der Saarbrücker Zeitung. Ich will ihn nur insoweit ansprechen, als die Prekarisierung der Arbeit hier betroffen ist. Ich will in Erinnerung rufen, weil es vielleicht ganz aus dem Blickwinkel verloren ist, was für einen Auftrag die Stiftungen haben, von denen nachher die Rede sein wird. Sie haben einen klaren gesellschaftlichen Auftrag. Sie haben die Interessen des Saarlandes innerhalb der Saarbrücker Zeitung zu vertreten. Das können Sie alle nachlesen. Ich frage mich, ob es den Interessen des Saarlandes entspricht, wenn die Prekarisierung der Arbeit in einem Zeitungsverlag in großem Umfang weiter betrieben wird. Wer will das ernsthaft behaupten? Wir haben von Verdi Hinweise, dass dieser Verlag, von dem die Rede ist, die Rheinische Post, in großem Umfang Dienstleistungen auslagert, natürlich mit dem Ziel, die Löhne zu drücken und zu senken. Deshalb appelliere ich ganz energisch, diese Entwicklung zu stoppen. Die Gesellschaft für staatsbürgerliche Bildung mbH kann nicht in großem Umfang gegen ihren eigenen im Gesellschaftsvertrag festgelegten Auftrag verstoßen.
Verdi spricht davon, dass der Düsseldorfer Verlag Tarifflucht begeht. Verdi hat ganz klare Forderungen, die sich dieses Haus zu eigen machen kann, wenn man sich denn schon die anderen Forderungen, die ich nachher vortragen werde, nicht zu eigen machen will. Tarifflucht ist doch nicht im Interesse des Saarlandes. Diese Tarifflucht hat nicht nur Verdi kritisiert, sondern auch der Deutsche Journalistenverband - also zwei Gewerkschaften unterschiedlicher Ausprägung. Bei dem infrage stehenden Unternehmen ist darauf hingewirkt worden, dass es bei den Aachener Zeitungen - ich nenne beide Zeitungen unter diesem Obertitel - durch Auslagerungen zu einem Lohnverlust der Belegschaft von über 30 Prozent gekommen ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man das Risiko eingeht, dass Prekarisierung der Arbeit dazu führt, dass bei Beschäftigten der Saarbrücker Zeitung ein Lohnverlust von über 30 Prozent eintritt, dann ist das nach meiner Auffassung nicht zu verantworten und mit den Interessen des Saarlandes überhaupt nicht in Übereinstimmung zu bringen.
Deshalb sollte man sich von der Tradition lösen zu sagen, man brauche unternehmerisches Know-how in diesem Unternehmen. Wenn ich dieser Maxime bei Saarstahl gefolgt wäre und das unternehmerische Know-how von Wolff von Armerongen oder Arbed, Usinor-Sacilor oder von wem auch immer für unverzichtbar erklärt hätte, dann gäbe es wahrscheinlich die Stahlindustrie an der Saar in dieser