Protocol of the Session on November 9, 2016

Aber setzen Sie hier doch mal ein Zeichen für eine plurale, gerechte Gesellschaft!

Einen Vorwurf möchte ich in aller Deutlichkeit zurückweisen. Wir - und besonders ich - machen hier keine Politshow. Der Vergleich, den Frau Berg hier gerade angestellt hat, mit dem, was in Amerika passiert, ist absolut an den Haaren herbeigezogen!

(Zuruf von der CDU: Nein! - Zuruf der Abgeord- neten Berg (SPD). - Weitere Zurufe.)

Ich weise das in aller Entschiedenheit zurück. Es geht hier nicht um eine Politshow, sondern es geht

(Abg. Berg (SPD) )

um gleiches Recht für alle. Setzen Sie hier ein deutliches Zeichen. - Vielen Dank.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme der Drucksache 15/1988 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die Fraktionen DIE LINKE, PIRATEN, B 90/GRÜNE sowie die Abgeordneten Sebastian Thul von der SPD-Landtagsfraktion und Thomas Schmitt von der CDU-Landtagsfraktion. Dagegen gestimmt haben ansonsten die Fraktionen von CDU und SPD.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir treten in die Mittagspause ein. Wir setzen die Sitzung um 12.50 Uhr fort.

(Die Sitzung wird von 11.51 Uhr bis 12.52 Uhr unterbrochen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen unsere unterbrochene Sitzung fort. Wir kommen zu Punkt 6 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Zukunft für das Handwerk: Wirksame Maßnahmen zur Unterstützung der mittelständischen Wirtschaft im Saarland (Drucksache 15/1987)

Zur Begründung des Antrages der Koalitionsfraktionen erteile ich Herrn Abgeordnetem Hans-Peter Kurtz das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aktive Wirtschaftspolitik zur Weiterentwicklung unseres Standortes und zur Schaffung attraktiver Arbeitsplätze, das ist ein Auftrag an uns alle. Dabei muss die mittelständische Wirtschaft im Saarland weiter gestärkt werden. Wir müssen alles daransetzen, um auch in unserem Land ein gutes Handwerk zu haben. Deshalb haben die Koalitionsfraktionen den Antrag „Zukunft für das Handwerk: Wirksame Maßnahmen zur Unterstützung der mittelständischen Wirtschaft im Saarland“ gestellt. Das saarländische Handwerk ist eine tragende Säule der Saarwirtschaft und beschäftigt 64.000 Menschen in rund 12.000 Betrieben. Das Positive ist, dass gerade im Handwerk junge Menschen ausgebildet werden, denn genau 2.500 Jugendliche erhalten dort jährlich eine

Ausbildung. Meine Damen und Herren, das sind beachtliche Zahlen, die zeigen, welch tragende Rolle das Handwerk in unserer Wirtschaft hat.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Handwerk leistet damit einen bedeutenden Beitrag zum Wohlstand und zur Beschäftigung in unserem Land. Das Handwerk trägt aber auch dazu bei, dass der Mittelstand als bedeutender Wirtschaftsmotor, Innovationstreiber und Arbeitgeber hier bei uns im Saarland wahrgenommen wird. Ich bin der Meinung, dass das Ziel der Landesregierung sein muss, das Handwerk bei der Wahrnehmung dieser wichtigen Rolle zu unterstützen. Dazu müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den Betrieben bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen auch helfen. Hierzu zählen insbesondere die Themen: Wie geht es im Handwerk weiter mit dem demografischen Wandel? Was wird getan zur Fachkräftesicherung? Welche Bedeutung hat die Energiewende? Wie wird das Handwerk von der Digitalisierung betroffen sein? Das muss dazu führen, dass die Innovationsfähigkeit gestärkt und die Innovationsbereitschaft erhöht wird.

Leider, liebe Kolleginnen und Kollegen, entscheiden sich heute immer weniger Jugendliche für eine Ausbildung im Handwerk und treffen eine Wahl, die eher in Richtung eines Studiums geht. Der daraus resultierende Fachkräftemangel im Handwerk kann nachhaltig behoben werden, wenn es gemeinsame Initiativen von Politik und Handwerk gibt. Dafür muss nach meiner Meinung die duale Ausbildung noch attraktiver gemacht werden. Wir müssen ein spezielles Programm für Wiedereinsteiger, aber auch für Ausbildungs- und Studienabbrecher sowie für Frauen auflegen, damit mehr Jugendliche sich für Handwerksberufe begeistern.

Die Handwerkskammer selbst investiert unter anderem auch mit eigenen Bemühungen, um die Fachkräftesicherung durch ein verstärktes Engagement im Bereich der Berufsorientierung in Zusammenarbeit mit den Schulen zu erreichen. Die Handwerkskammer des Saarlandes hat mit ihrem „Masterplan 2020“ diese Herausforderung und mögliche Wege zu ihrer Bewältigung auch beschrieben. Zahlreiche Maßnahmen der Landesregierung zur Förderung der mittelständischen Wirtschaft sind geeignet, das Handwerk für die Zukunft aufzustellen. Das Wirtschaftsministerium unterstützt das Handwerk in diesem Jahr mit fast 900.000 Euro sowie mit weiteren Landesmitteln, etwa für Beratungsprogramme, aber auch zur Messeförderung. Bei der Kampagne „Zukunft im Handwerk“ liegt zum Beispiel der Fokus gerade auf der von mir eben angesprochenen Fachkräftesicherung. Sie zeigt, wie vielschichtig das Handwerk ist und macht seine unterschiedlichen Facetten auch für die Öffentlichkeit deutlich. In vielen Berufen sind die Abläufe mit Technik auch zum Teil

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

automatisiert. Im Handwerk gilt aber, nur wer sein Handwerk beherrscht, kann auch die Technik so einsetzen, dass dadurch gute Dienstleistungen erstellt werden.

Der Meisterbrief ist die beste Unternehmerausbildung, die es gibt. Beim Erwerb des Meisterbriefes ist die Vermittlung von handwerklichen Fähigkeiten ebenso wichtig wie die Vermittlung von unternehmerischen Qualifikationen. Das Bildungsministerium und das Wirtschaftsministerium haben die zunächst bis 2017 gesicherte Finanzierung der Saarländischen Meister- und Technikerschule vorläufig bis 2020 verlängert. Das Bildungsministerium und das Wirtschaftsministerium leisten zum Lehrbetrieb und zur Ausstattung der Saarländischen Meister- und Technikerschule einen jährlichen Zuschuss in Höhe von insgesamt ca. 950.000 Euro. Diese Schule ist die Führungsakademie des Handwerks und ein wichtiges Instrument zur Qualifizierung und zur Fachkräftesicherung des Saarlandes. Das Saarland braucht dringend diesen Handwerkernachwuchs, um seinen Wirtschaftsstandort nachhaltig und zukünftig zu sichern. Die Förderung der Schule ist deshalb auch eine Förderung der saarländischen Wirtschaft.

Die Meisterschule vermittelt den Meisterschülern die notwendigen Grundlagen, um auch die Unternehmensnachfolge in den Betrieben zu sichern und bestehende Unternehmen am saarländischen Markt zu erhalten. In den kommenden fünf Jahren stehen im saarländischen Handwerk rund 2.500 Unternehmen zur Übernahme an. Das zeigt, dass das Weiterbildungsangebot der Meisterschule auch in Zukunft in diesem Land benötigt wird.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Nachhaltige Unternehmer- und Gründerkultur basiert auf dem Dreiklang von Gründung, Wachstum und Unternehmensnachfolge. Deshalb bildet das Thema Unternehmensnachfolge einen Schwerpunkt innerhalb der Aktivitäten der „Saarland Offensive für Gründer“.

Aber auch die Integration von Flüchtlingen ist ein Anliegen im saarländischen Handwerk. Vergleicht man die Integration im Handwerk mit den Bemühungen der Großindustrie, wo innerhalb der 20 DAX-Unternehmen gerade eine Handvoll Flüchtlinge integriert wird, ist die Integration in diesem Bereich sehr gut. Gelungene Integration ist aber keine Selbstläufer, sondern fordert die Anstrengung aller Beteiligten. Die Sprachkompetenz spielt dabei eine sehr große Rolle, aber auch das betriebliche Miteinander ist wesentlicher Bestandteil und Dreh- und Angelpunkt einer gelungenen Integration. Mit den Menschen, die im Saarland Zuflucht suchen, wandern auch viele Talente zu uns. Sie können den saarländischen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt bereichern. Das, meine Damen und Herren, gilt gerade für das

Handwerk, denn hier sind noch sehr viele Ausbildungsstellen zu besetzen. Aus diesem Grund hat das Wirtschaftsministerium die Kampagne „Perspektive Handwerk“ initiiert. Außerdem gilt es, für die Geflüchteten mit einem Ausbildungsplatz auch hier in unserem Land leichter Anschluss zu finden und sich bei uns zu integrieren. Das ist für uns alle nach meiner Meinung eine klassische Win-win-Situation.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch viel zu tun. In unserem Antrag haben wir das mit den einzelnen Punkten, unsere Forderungen an die Landesregierung, begründet. Ich will das im Einzelnen nicht noch einmal wiederholen. Ich sage, liebe Kolleginnen und Kollegen, die mittelständische Wirtschaft im Saarland muss weiter gestärkt werden, das Handwerk braucht auch in Zukunft eine gute Prognose. Das Handwerk muss gestärkt werden. Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu, damit wir und die Landesregierung eine weitere Stärkung des Handwerks vorantreiben. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE Herr Prof. Dr. Heinz Bierbaum.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Da der Antrag ja durchaus für sich spricht, möchte ich mich auf drei kurze Anmerkungen beschränken. Erstens. Auch die Opposition erkennt - zumindest kann ich das für unsere Fraktion, die LINKE, sagen - die Bedeutung des Handwerks an, sowohl im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung, vor allen Dingen aber auch im Hinblick auf die Ausbildung. Zweitens. Die Forderungen, die hier enthalten sind, sind sehr umfassend. Dem können wir ausnahmslos zustimmen. Drittens. Wir freuen uns immer, wenn die die Regierung tragenden Fraktionen die Regierung auffordern, ihre Pflicht zu tun. - Vielen Dank.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun für die CDU-Fraktion der Kollege Bernd Wegner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bierbaum, „kurz und bündig“ nennt man das. Aber im Wesentlichen haben Sie ja diesem Antrag durchaus zugestimmt.

(Abg. Kurtz (SPD) )

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) : Wir stimmen zu.)

Ich freue mich natürlich, heute hier im Parlament die Gelegenheit zu haben, über das Handwerk zu sprechen. Der Kollege Hans-Peter Kurtz hat ja die vielen Punkte, die in der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsministerium, Bildungsministerium und der Landesregierung, der Handwerkskammer und dem saarländischen Handwerk von Bedeutung sind, angesprochen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich noch einmal in meiner Rolle als Handwerkskammerpräsident für diese Unterstützung für das saarländische Handwerk ganz herzlich zu bedanken.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

„Das Handwerk. Die Wirtschaftsmacht. Von nebenan“. Sie alle kennen dieses Logo, das auch ich ständig mit mir herumtrage und das viele, die im Handwerk engagiert sind, an ihrem Jackett tragen. Lassen Sie mich in dem Zusammenhang vielleicht doch ein bisschen tiefer einsteigen und sagen, was Handwerk ist und was Handwerk bedeutet. Der Kollege Hans-Peter Kurtz hat ja schon einen Abriss gegeben, wie wir es im Antrag stehen haben, wie wir die Bedeutung des Handwerks einordnen.

Lassen Sie mich aber eines vorwegnehmen, was ich für sehr wichtig halte. Wenn wir über Industrie reden, wenn wir über große Verkaufsketten reden, dann reden wir über Unternehmen, die häufig international vernetzt sind und je nachdem, wie die Situation, die wirtschaftliche Lage, die Auftragslage, die Produktionslage ist, oder wie die Kosten sich in einem Land entwickeln, ihre Standorte verlegen und dann nicht mehr da sind. Für das Handwerk heißt es lebenslang Deutschland, heißt es lebenslang Saarland, heißt es, immer im Mittelpunkt dieser Gesellschaft zu stehen. Das Handwerk, die Wirtschaftsmacht von nebenan, ist ein Teil und ein zentraler Punkt in dieser Gesellschaft. Deshalb, glaube ich, ist es auch richtig, dass von der Politik, dass von der Öffentlichkeit der Fokus auf diesen Bereich gelegt wird.

Wir haben ja eben die Zahlen über das saarländische Handwerk schon einmal gehört. Ich sage es jetzt einmal für die Bundesrepublik: 1 Million Handwerksunternehmen, fast 6 Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 360.000 Azubis. Das bedeutet ungefähr 544 Milliarden Euro Umsatz ohne Mehrwertsteuer. Das ist wirklich eine Wirtschaftsmacht. Das ist wirklich eine Leistung, die hier in Deutschland erbracht wird, die vor allen Dingen auch bedeutet, dass das Handwerk nicht nur für sich selbst ausbildet.

Natürlich hat jedes Unternehmen den Anspruch oder möchte, dass es die Auszubildende oder den Auszubildenden auch in der Zukunft in seinem Unterneh

men hat. Aber gerade hier im Saarland haben wir häufig die Situation, dass das Handwerk für die Industrie und für viele andere die Fachkräfte formt und damit einen wichtigen Beitrag auch zum Industriestandort Saarland liefert. Lassen Sie mich aber auch ein Stück weit auf die Probleme eingehen. Der Fachkräftemangel, der demografische Wandel, ist natürlich ein wichtiges Thema. Wenn man die Weltpresse, wenn man die europäische Presse, wenn man die deutsche Presse verfolgt, dann wird ja überall die duale Ausbildung in hohem Maße gelobt. Überall redet man darüber, dass es das Modell ist, das bedeutet, dass man nur 5,5 oder 6 Prozent Jugendarbeitslosigkeit hat und nicht wie 10 Kilometer weiter entfernt 22 und 25 Prozent Jugendarbeitslosigkeit. Deshalb ist das, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt.

Ich hatte vor jetzt zweieinhalb Wochen die Gelegenheit, mit Stephan Toscani in die Normandie zu reisen und mit den Handwerkskammern und auch der Wirtschaft dort Gespräche zu führen. Die saarländische Landesregierung hat im Rahmen ihrer Frankreichstrategie dort einen Letter of intent, also eine Absichtserklärung, unterzeichnet, auch mit den Handwerkskammern, dass wir gerade in der beruflichen Ausbildung mit unseren französischen Freunden in der Normandie eng zusammenarbeiten. Das ist für die Handwerkskammer des Saarlandes nichts Unbedeutendes, sogar etwas sehr Bedeutendes, aber etwas, was wir schon seit über 30 Jahren machen. Denn wir haben eine freundschaftliche Beziehung zu der Handwerkskammer Coutances, wir pflegen dort jährlich einen Lehrlingsaustausch und versuchen, die Berufsbilder des anderen Nachbarlandes den jungen Menschen näherzubringen, versuchen, über diesen Weg die Völkerverständigung beziehungsweise auch das Handwerk in Frankreich mit zu stärken und natürlich auf der anderen Seite dafür zu werben, dass auch junge Menschen aus Frankreich hier ins Saarland kommen, in unseren Unternehmen arbeiten und sich ausbilden lassen.

Ich glaube, auch da ist die Frankreichstrategie unserer Ministerpräsidentin und dieser Landesregierung genau der richtige Weg. Wir arbeiten als Handwerk, als Handwerkskammer des Saarlandes, auch mit den Kammern in Metz, in Nancy und in Luxemburg sehr eng zusammen, um gerade diese Effekte voranzubringen. Wir haben über den demografischen Wandel gesprochen, über die berufliche Bildung und ihre Stellung in der Gesellschaft. Wir stellen fest, dass 2003 etwa ein Drittel eines Jahrgangs eine akademische Ausbildung angegangen ist. Wir sind im Jahre 2016 so weit, dass wir fast 60 Prozent der jungen Menschen eines Jahrgangs haben, die ihr Abitur machen und dann in eine akademische Ausbildung gehen.

(Abg. Wegner (CDU) )

Meine sehr verehren Damen und Herren, ich stelle mich nicht hier vorne hin und sage, das ist schlecht. Ich glaube, dass es richtig ist, wenn junge Menschen versuchen, so viel wie möglich zu lernen und das beste schulische Ergebnis für sich herauszuholen, um damit als Grundlage in ein Leben zu starten. Ich möchte aber dennoch auf eine Problematik aufmerksam machen, die in einer Studie, eigentlich in mehreren Studien, schon belegt worden ist, einmal vom Institut der Bundesagentur, aber auch von der Bertelsmann Stiftung, die deutlich macht, dass wir in zehn Jahren etwa eine Million Menschen haben werden, die eine akademische Ausbildung haben und in ihrem studierten Fach nicht mehr in der deutschen Wirtschaft unterkommen werden. Das bedeutet einmal, dass wir dort einen Verdrängungswettbewerb bekommen. Was heute die Bürokauffrau beziehungsweise der Bürokaufmann in den Unternehmen macht, wird dann von diesen akademisch ausgebildeten jungen Menschen geleistet werden. Zum anderen haben wir das Problem, dass viele, die ein Studium begonnen haben, sich davon später natürlich eine Stelle und eine Stellung erhofft haben, die ihnen ein weitaus höheres Entgelt und eine weitaus bessere Lebensperspektive bieten würde.

Umgekehrt haben wir die Situation, dass die Jahrgänge 1950 bis 1965 dann aus dem Berufsleben ausgestiegen sind, weil sie in ihren verdienten Ruhestand eingetreten sind. Hier sind etwa 70 Prozent dieser Jahrgänge Facharbeiterinnen und Facharbeiter, die dann letztlich auf dem deutschen Markt fehlen werden. Auch das wird dann auf der anderen Seite sozusagen zu einem Defizit von etwa einer Million führen. Das heißt also, dass wir in diesem Bereich etwa eine Million junger Menschen zu wenig haben.

Deshalb sage ich den jungen Menschen, die ihr Abitur gemacht haben und überlegen, ob sie eine akademische Ausbildung angehen, dass sie eine große Chance haben, wenn sie sich für einen der 130 Handwerksberufe entscheiden. Bei 130 Berufen ist sicherlich für alle Talente, für alle Neigungen etwas Passendes vorhanden. Dann kommen sie in einen Beruf, der eine hohe soziale Sicherheit und dazu die Gewissheit bietet, dass sie als Fachkraft, als Meisterin oder Meister, als Technikerin oder Techniker eine gute Zukunft haben und nicht in die Arbeitslosigkeit fallen. Das ist durch Studien belegt.