Protocol of the Session on September 14, 2016

Wir treten dann in die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sitzung bis um 13.40 Uhr.

(Die Sitzung wird von 12.40 Uhr bis 13.42 Uhr unterbrochen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort und kommen zu den Punkten 11 und 16 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Kita-Beiträge sozialverträglich gestalten - einkommensabhängige Staffelung einführen (Drucksache 15/1937 - neu)

Beschlussfassung über den von der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Kita-Beiträge sozialverträglich gestalten einkommensabhängige Staffelung einführen und solide finanzieren (Drucksache 15/1940)

Zur Begründung des Antrages der B 90/GRÜNELandtagsfraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus Kessler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde ja lieber vor vollen Rängen sprechen, aber das Thema ist vielleicht für den einen oder anderen Abgeordneten nicht ganz so interessant.

(Zuruf der Abgeordneten Kolb (SPD).)

Bildungspolitiker sind zuhauf vertreten. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute einen Antrag

eingebracht, der sich im weitesten Sinne mit dem Thema frühkindliche Bildung befasst und im engeren Sinne mit dem Thema Gebühren in Kindertageseinrichtungen. Anlass ist die doch insbesondere auf kommunaler Ebene zunehmende Diskussion über die Finanzierung der Kitas insgesamt durch Elternbeiträge - das ist der Teil, der uns hier interessiert und die aktuelle Diskussion um die Gebührenerhöhung in Saarbrücken. Daraus mache ich keinen Hehl.

Wir alle sind uns darüber einig, dass es für die Entwicklung unserer Kinder insbesondere im frühkindlichen Bereich darauf ankommt, ein möglichst hochwertiges Versorgungsangebot bereitzustellen. Wir sind uns wohl weiterhin darin einig, dass durch den Dreiklang - das ist in der frühkindlichen Bildung so von Erziehung, Bildung und Betreuung in den Kindertageseinrichtungen ganz wichtige Grundlagen gelegt werden für die weitere erfolgreiche Entwicklung unserer Kinder, insbesondere für die Bildungslaufbahn.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns weitgehend darin einig, dass ein gutes Kita-Platzangebot wichtig für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist. Ich glaube, weiterhin sagen zu können, dass wir ebenso wenig weit auseinander liegen in der Frage, dass Kita-Beiträge für die Eltern bezahlbar bleiben müssen. Sie dürfen nicht durch eine übergroße Erhöhung zu sozialen Verwerfungen führen.

Die derzeitige Rechtslage und Beitragsregelung sieht so aus, dass die Erziehungsberechtigten neben dem Land, den Kommunen und den Einrichtungsträgern an den Kosten zu beteiligen sind. Die Eltern, die ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, können mit bis zu maximal 25 Prozent der bezuschussungsfähigen Personalkosten beteiligt werden. Das ist die Rechtslage.

Weiterhin gilt im Saarland, dass wir im letzten Kindergartenjahr eine bis zu sechsstündige Betreuung an fünf Werktagen für Erziehungsberechtigte entsprechend einer sozialen Staffelung haben. Bei dieser Einkommensstaffelung fallen die Gebühren entweder ganz weg oder müssen nur hälftig bezahlt werden. Diese Regelung - die Beitragsstaffelung nach Einkommen - ist durch die Vorgängerregierung im Jahr 2011 eingeführt worden.

(Abg. Thul (SPD) : Davor war es kostenlos.)

Davor war es kostenlos. Richtig. Das haben wir damals schweren Herzens mitgemacht; das gebe ich zu.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Unser Wunsch bleibt weiterhin, dass es im Idealfall langfristig zu einer kompletten Befreiung der Eltern von den Gebühren in den Kitas kommen sollte. Das

ist unser langfristiges Ziel. Damit stehen wir nicht alleine. Vom Grundsatz her sieht das Bildungsminister Commerçon ganz genauso. Zum Schuljahresbeginn hat er erhärtet und öffentlich verlautbart, dass er sich vom Grundsatz her für eine generelle Gebührenbefreiung einsetzt.

Doch spätestens dann, als er den Finanzbedarf nannte - es ging um eine Summe von 50 Millionen Euro jährlich -, war uns doch wohl allen klar, dass insbesondere angesichts unserer Haushaltslage so etwas zurzeit nicht realistisch finanziert werden kann, zumindest nicht vom Saarland allein, es sei denn, der Bund hilft uns an dieser Stelle. Aber das ist nicht in Sicht. Das sehe ich nicht. Insofern bleibt es zunächst einmal in der heutigen Zeit ein frommer Wunsch. Vielleicht war es auch eine Aussage des Ministers, die als platte Wahlkampfaussage zu werten ist. Das muss er selbst beurteilen.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Nein, so etwas macht er nicht. - Abg. Spaniol (DIE LINKE): So etwas macht er nicht. - Sprechen.)

So etwas macht er nicht. - Dieser Aussage eines SPD-Bildungsministers steht die Realität in der Landeshauptstadt Saarbrücken gegenüber. Da wird zurzeit eine drastische Beitragserhöhung für die Kitas diskutiert, die allerdings von uns GRÜNEN nicht mitgetragen wird. Das sage ich hier in aller Deutlichkeit.

(Zuruf: Das hat auch nichts mit Wahlkampf zu tun.)

Zu den Zahlen, die hier in Saarbrücken diskutiert werden. Während ein Ganztagskrippenplatz im Jahr 2012 monatlich 314 Euro kostete, soll diese Gebühr im Jahr 2016 auf 397 Euro angehoben werden. Das ist eine Steigerung von 83 Euro oder rund 20 Prozent in vier Jahren. Diesen Betrag sollen alle Eltern unabhängig vom Einkommen gleichmäßig bezahlen, natürlich mit Ausnahme der Sozialleistungsempfänger.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind der Meinung, dass dies nicht mehr akzeptabel ist. Eine solch drastische Erhöhung, bei der alle Eltern ohne Einkommensunterscheidung gleichmäßig bezahlen müssen, ist weder sozial ausgewogen noch verantwortungsvoll noch bildungspolitisch sinnvoll. Das tragen wir nicht mit.

(Beifall bei B 90/GRÜNE.)

Ich komme zur Rechtslage zurück. Es steht natürlich jeder Kommune frei, nach dem Kinderbetreuungsund -bildungsgesetz die maximal mögliche Quote von 25 Prozent der Personalkosten entweder voll auszuschöpfen oder auch nicht. Das muss sie nicht.

(Zuruf der Abgeordneten Kolb (SPD).)

Aber natürlich ist das eine eher theoretische Größe so der Zwischenruf der Kollegin Kolb -, da wir doch

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

wissen, dass die Kommunen hoch verschuldet sind und unter finanziellem Druck stehen. Dazu kommt noch, dass sie die kommunale Schuldenbremse einhalten müssen. Wir können aber dennoch nicht akzeptieren, dass durch unverhältnismäßig hohe Gebühren Geringverdienende an der frühkindlichen Bildung nicht mehr teilnehmen können, weil sie einfach zu teuer geworden ist. Schauen wir einmal, wer das ist. Das sind in erster Linie Alleinerziehende und sozial schwächer gestellte Familien. Es kann nicht sein, dass Alleinerziehende nur noch für die KitaGebühren arbeiten müssen und am Ende ihr Kind schlichtweg aus Kostengründen zuhause lassen, anstatt es beispielsweise in den Kindergarten zu schicken, obwohl sie diese Betreuung doch eigentlich wollen und favorisieren.

(Beifall bei B 90/GRÜNE.)

Für diese Entscheidung sind nur noch finanzielle Gründe ausschlaggebend. Das wäre eine fatale Entwicklung. Wir GRÜNE wollen, dass Bildung - insbesondere die frühkindliche Bildung und Erziehung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein darf. Wir wollen außerdem, dass insbesondere der Aufstieg durch Bildung, auch durch frühkindliche Bildung, weiter möglich ist. Das ist nämlich eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass ein späteres Armutsrisiko vermieden wird. Also Aufstieg durch Bildung.

(Beifall bei B 90/GRÜNE.)

Ein Armutszeugnis ist es allerdings für die Landesregierung, wenn laut aktueller Bertelsmann-Studie die Kinderarmutsquote im Saarland überdurchschnittlich angestiegen ist und mittlerweile bei 17,6 Prozent unserer Kinder liegt, die im Saarland armutsgefährdet sind. Dieser Anstieg ist der zweithöchste nach Bremen. Das ist ein deutliches Armutszeugnis für unser Land.

(Beifall bei B 90/GRÜNE.)

Solange keine komplette Gebührenbefreiung erreicht werden kann - wie ich sagte, aus finanziellen Gründen -, wollen wir GRÜNE mehr Gerechtigkeit in das System bringen. Das heißt für uns, dass wir ganz einfach dem Grundsatz folgen, schwache Schultern sollen weniger belastet werden als starke. Der Grundsatz dürfte bekannt sein. Wir wollen deshalb, dass die Landesregierung ein gerechteres, sozial verträglicheres Gebührensystem landesweit für alle Kitas entwickelt. Als Vorbild, das brauchen wir ja nicht neu zu erfinden, kann dann die Gebührenstaffelung der Elternbeiträge für das dritte Kindergartenjahr aus dem Jahr 2011 herangezogen werden. Das muss man nicht identisch machen, aber wir haben eine Regelung, die zumindest als Beispiel gelten kann.

Nach dieser Regelung ist es vom monatlichen Nettoeinkommen der Erziehungsberechtigten abhängig, ob überhaupt ein Beitrag zu zahlen ist, wenn ja, entweder hälftig oder ganz. Es gibt also entweder eine vollständige Befreiung für die Eltern, eine halbe Befreiung oder sie müssen den vollen Beitragssatz zahlen. So liegt beispielsweise für einen Zweipersonenhaushalt die Einkommensgrenze für eine hälftige Beitragsstellung bei etwa 2.500 Euro monatlichem Nettoeinkommen. Diese Regelung folgt dem Prinzip: Starke Schultern können mehr tragen als schwache Schultern.

Diese Regelung ist zwar immer noch schlechter als beispielsweise die Regelung in Rheinland-Pfalz, wo der Kindergartenbesuch für alle zwei- bis sechsjährigen Kinder komplett beitragsfrei ist, aber wir würden uns immerhin auf den Weg machen. Es ist aus unserer Sicht allerhöchste Zeit, dass das Saarland beginnt, den Rückstand in dieser Frage gegenüber unserem Nachbarland endlich aufzuholen.

(Beifall von den GRÜNEN.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, wir sind ja gar nicht so weit voneinander entfernt. Sie haben ja selbst im Jahr 2012 im Koalitionsvertrag die einkommensabhängige Gebührenstaffel über das dritte Kindergartenjahr hinaus als ihr Koalitionsziel hineingeschrieben. Allerdings muss ich feststellen, getan hat sich in dieser Hinsicht bis heute schlichtweg nichts.

(Zuruf der Abgeordneten Kolb (SPD).)

Deshalb fordern wir Sie mit unserem Antrag auf: Setzen Sie dieses Vorhaben endlich um. Es ist auch in dieser Landesregierung noch nicht zu spät, die Weichen für ein landesweit gerechteres Gebührensystem im Kitabereich zu stellen. Außerdem wollen wir - auch das ist Teil unseres Antrags - zur Entlastung der Kommunen, dass die Ausgaben für die frühkindliche Bildung aus der kommunalen Schuldenbremse herausgerechnet werden. Dies würde es auch den Kommunen erleichtern, sozialere Kitabeiträge festzulegen.

Ich komme zum Ende. In der frühkindlichen Bildung werden die entscheidenden Weichen für die Entwicklung und Zukunftschancen unserer Kinder gestellt. Hiervon darf kein Kind aus finanziellen Gründen ausgeschlossen bleiben. Ein gutes Kitaangebot zu sozialverträglichen Preisen ist notwendig für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und außerdem, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch ein wichtiger Standortfaktor, wenn es darum geht, junge Familien in unser Land zu ziehen. Das Saarland darf im Wettbewerb der Länder in dieser Hinsicht nicht weiter abgehängt werden und deshalb muss sich auch ein Haushaltsnotlageland mehr Investitionen in die frühkindliche Bildung leisten können.

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Unserer Meinung nach sind das Investitionen - der Satz ist zwar schon abgegriffen, aber er ist nach wie vor richtig - in die Zukunft unseres Landes.

Jetzt hat die LINKE den gleichen Antrag gestellt wie wir und den Forderungskatalog noch um den Punkt ergänzt, dass sich zur Finanzierung dieser Leistungen das Saarland im Bundesrat für eine höhere Besteuerung großer Vermögen und Erbschaften einsetzen soll. Das hat zwar nur mittelbar mit der KitaFinanzierung zu tun, aber es wäre durchaus eine Verbesserung insgesamt, wenn dadurch mehr Geld in die Landeskasse fließen würde. Dem stimmen wir dann auch zu, dieser Erweiterung und dem Antrag der LINKEN insgesamt dann ebenso. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Vielen Dank. - Zur Begründung des Antrages der DIE LINKE-Landtagsfraktion erteile ich Frau Abgeordneter Barbara Spaniol das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wende den Blick direkt auf das Kernproblem. Wir haben die neuesten Zahlen alle mitbekommen. Immer mehr Kinder im Land, auch bei uns, müssen in Armut leben. Die Kinderarmut im Saarland ist deutlich stärker angestiegen als im Bundesschnitt. Das ist sehr bedrückend und das kann auch niemanden kaltlassen. Hier muss sich vieles ändern. Ein Weg aus der Armut heißt gute Bildung und Betreuung, der Kollege Kessler hat es eben gesagt. Eine Schlüsselrolle spielt auch nach Expertenmeinung die Betreuung in Krippe und Kita, das wird heute niemand mehr bestreiten.