Aber es ist sicherlich noch einmal eine gute Gelegenheit darzustellen, dass Ihre Ausgangspunkte, Ihr Menschenbild und auch die Grundlagen, auf deren Basis Sie Politik betreiben, nicht mit der Realität und mit dem übereinstimmen, was wir als Bild und Politik haben.
(Abg. Hilberer (PIRATEN) : Mit Ihrer Realität! Abg. Augustin (PIRATEN): Mit Ihrer Wahrnehmung der Realität!)
Die Realität der Maßnahmen, die dieses Land im Bereich der Drogenpolitik anbietet, Kollege Hilberer,
können Sie nicht ignorieren. Die Maßnahmen für eine nachhaltige Sucht- und Drogenpolitik habe ich genannt. Ich glaube, sie sind zukunftsorientiert. Wir sind gut aufgestellt. Sie können sich ja gleich zu Wort melden, lieber Kollege Ulrich.
Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) mit einer Zwischenfrage: Herr Conradt, Sie wissen ja, wir lehnen den Antrag der PIRATEN auch ab, weil er uns zu weit geht, aber ich glaube, man sollte diese Debatte nicht so apodiktisch führen. Ihnen ist doch wie uns auch bekannt, dass unser Hauptproblem in dieser Gesellschaft nach wie vor die mehr als 60.000 Alkoholtoten sind, die wir jedes Jahr haben. Ich glaube, in ähnlicher Höhe gibt es Tabaktote. Die Einstiegsdroge ist nach wie vor das Rauchen. Da liegen doch die Hauptdrogenprobleme in diesem Lande. Deshalb sollte man mit dieser Debatte etwas galanter verfahren. Sie ist ganz schwierig.
Ich glaube, es ist überhaupt nichts Verkehrtes darin zu sehen, dass wir ein Bild haben, wonach das Thema Sucht breit angegangen wird. Selbstverständlich gebe ich Ihnen recht, dass das Thema Alkoholmissbrauch in unserem Land ein großes Problem ist. Mit Blick auf die Fallzahlen des kritischen Alkoholkonsums haben wir selbstverständlich ein großes Problem. Meine Damen und Herren, wir lösen aber nicht das Problem mit dem Alkohol, wenn wir Cannabis legalisieren. Das ist ein Trugschluss. Deshalb wollen wir diesen Weg nicht gehen.
Wir wissen, dass es immer ein Problem mit Drogen geben wird in einer Gesellschaft, die frei ist und die auf einem freien Menschenbild basiert. Aber es gibt auch eine Fürsorgepflicht des Staates. Daraus wollen wir den Staat nicht entlassen. Nein, der Staat hat seine Fürsorgepflicht zu übernehmen. Das sehen wir auch in diesem Bereich. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die PIRATEN und die GRÜNEN fordern ein Modellprojekt zur staatlich kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene und eine Initiative im Bundesrat, um Anbau, Herstellung, Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln unter staatlicher Aufsicht straffrei zu ermöglichen.
Meine Damen und Herren, Prävention und Hilfe statt Strafverfolgung, das sollte das Motto sein, nach dem wir alle handeln. Das haben wir auch schon im letzten Jahr gefordert. Damals haben wir den Antrag gestellt, die aktuellen Instrumente der Drogenpolitik einmal wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Leider ist die Drogenpolitik immer noch viel mehr von Ideologie geprägt und nicht von wissenschaftlichen Erkenntnissen geleitet.
Herr Conradt, wir sehen das anders. Die derzeitige Drogenpolitik versucht, den Drogenkonsum durch Verfolgung, Verbote und Strafen einzudämmen. Der Erfolg dieser Politik ist bekannt. Die bisherige Politik der harten Verbote hat den Drogenkonsum nicht verringert. Im Gegenteil, durch die Kriminalisierung auch sogenannter weicher Drogen wie Cannabis wurden kriminelle Strukturen gefördert. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Vorgehensweise funktioniert schon seit über 100 Jahren nicht, und das wird sich nach unserer Einschätzung auch nicht ändern.
Wir müssen die gesundheitlichen und sozialen Probleme von Konsumierenden minimieren und die organisierte Kriminalität bekämpfen. Laut Drogenbericht der Bundesregierung vom letzten Jahr sterben jährlich 74.000 Menschen an den direkten und indirekten Folgen ihres Alkoholkonsums, 110.000 an Krankheiten, die durch Zigarettenrauchen ausgelöst werden, also an den legalen und anerkannten Mitteln. Demgegenüber standen 1.032 Menschen, die an harten, illegalen Drogen starben.
Laut den Vereinten Nationen konsumieren weltweit 159 Millionen Menschen Cannabis - in Deutschland bis zu vier Millionen regelmäßig, trotz aller Strafen, Verbote und Kontrollen. Ein „Weiter so“ wie bisher ist nicht zielführend, das sieht auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter so. Fachleute wie Richter, Polizisten, Ärzte oder Sozialarbeiter, die täglich damit zu tun haben, plädieren schon seit Langem für eine liberalere Drogenpolitik nach dem Motto: Prävention und Aufklärung statt Kriminalisierung. Der Kollege Neyses hat es auch schon angesprochen: International fordern zahlreiche ehemalige Staatschefs und der frühere UNO-Generalsekretär Kofi Annan ebenfalls eine Liberalisierung der Drogenpolitik weltweit. Im Sinne der Menschlichkeit müsse im
Kampf gegen Rauschgift die Gesundheit, nicht die Strafverfolgung im Vordergrund stehen. Dem schließen wir uns an.
Auch das Argument, Cannabis sei die Einstiegsdroge, ist schon lange widerlegt. Bereits 1995 gab das Bundesgesundheitsministerium unter Horst Seehofer eine Studie darüber in Auftrag. Ich zitiere aus der Studie mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „Die Annahme, Cannabis sei die typische Einstiegsdroge für den Gebrauch harter Drogen wie Heroin, ist also nach dem heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht haltbar“, so das Ergebnis der Studie. In den USA gibt es Bundesstaaten, welche die Verwendung von Cannabis für erwachsene Personen innerhalb bestimmter Grenzen ermöglichen; Kollege Hilberer hat es ausführlich dargelegt. Das sollte uns allen zu denken geben. Kolleginnen und Kollegen wir stimmen den Anträgen zu, da sie beide in die richtige Richtung gehen. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Harmloses Genussmittel mit entspannender Wirkung oder gefährliche Droge mit Suchtpotenzial? Über die Risiken von Cannabis gehen die Meinungen seit jeher weit auseinander. Nicht nur Jugendliche halten einen Joint ab und zu für relativ ungefährlich. Der britische Professor Wayne Hall vom King's College in London, Suchtexperte bei der Weltgesundheitsorganisation, hat in einer Langzeitstudie 20 Jahre lang die Folgen von Cannabiskonsum eingehend untersucht.
Ich darf einige Erkenntnisse aus dieser Studie zitieren: „Cannabis entfaltet bei täglichem Konsum über einen längeren Zeitraum dieselbe Suchtwirkung wie Heroin oder Alkohol. Die Hemmschwelle, härtere Drogen zu konsumieren, sinkt bei regelmäßigem Cannabiskonsum. Cannabis verdoppelt die Risiken von Psychosen und Schizophrenie, vor allem bei Menschen, in deren Familien schon einmal psychotische Störungen aufgetreten sind. Zudem führt Kiffen zu Entzugserscheinungen wie Angstzuständen, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit und Depressionen. Bei Heranwachsenden bremst es im Wachstum die geistige Entwicklung.“ Das ist nur ein Bruchteil der Ergebnisse dieser Langzeitstudie.
Der Deutsche Hanfverband weist darauf hin, dass die unmittelbaren Risiken in erster Linie psychischer Natur sind. Problematisch ist die parzielle Unvorher
sehbarkeit der Wirkung. Auch bei erfahrenen Konsumenten können sich unangenehme Wirkungen einstellen wie zum Beispiel Angst, Panik, Paranoia und Erinnerungslücken im Kurzzeitgedächtnis. Statt gemeinsamen Erlebens fühlen sich Konsumenten in ihrem eigenen Film gefangen und nehmen ihre Umwelt nur eingeschränkt wahr. Herzrasen, Übelkeit und Schwindel können sich einstellen. Auch dies ist nur ein Bruchteil der Begleiterscheinungen und Folgen von Cannabisgenuss, die auf der Internetseite des Deutschen Hanfverbandes aufgeführt sind.
Ja, eine Neuordnung der Drogenpolitik und eine Regulierung des Cannabismarktes sind erforderlich. Aber: Drogen sind nicht cool, sondern schädlich, und ein Recht auf Rausch für alle kann es nicht geben.
Wir müssen uns stärker für die Drogen- und Suchtprävention einsetzen. Beim Cannabiskonsumverhalten hat sich in den letzten Jahren grundsätzlich etwas geändert. Der THC-Gehalt des heute angebotenen Cannabis ist weitaus höher als noch vor Jahrzehnten, und der Verbrauch ist steigend. Wenn Sie dann den Vorschlag machen, Cannabis kontrolliert an ab 18-Jährige abzugeben, dann frage ich mich, ob die unter 18-Jährigen, die das ja durchaus auch rauchen, sich das weiter auf dem Schwarzmarkt besorgen sollen.
Man sollte beginnen, gemeinsame Ziele einer fortschrittlichen Drogen- und Suchtpolitik zu formulieren. Dazu müssen Risiken und Nebenwirkungen etwaiger Maßnahmen genauestens abgewägt werden. Das Minimieren von Gesundheitsrisiken und die Prävention müssen bei allen Überlegungen höchste Priorität haben. Das Thema ist komplex und die Lösungswege sind schwierig zu finden. Hier müssen gesundheitspolitische Fragen, ökonomische Auswirkungen, sozialpolitische Aspekte und ethische Fragen in einem gesamtgesellschaftlichen Diskurs zusammengestellt werden.
Drogenpolitik stützt sich auf die Säulen Prävention und Frühintervention, Beratung und Behandlung, Schadensminimierung sowie Angebotsreduktion. Diese Maßnahmen aufeinander abgestimmt tragen zur Zielerreichung bei. Sowohl die einzelnen Maßnahmen als auch ihr Zusammenwirken sind wissenschaftlich erwiesen.
Aufgrund welcher Quellen und Erkenntnisse kommen Sie in Ihrem Antrag zu der Aussage, dass Menschen mit problematischem Drogenkonsum aus Angst vor Strafverfolgung keine Hilfe bei entsprechenden Einrichtungen suchen? Und was verstehen
Der Ausstieg aus dem Drogenkonsum oder das Aufsuchen von Beratungsstellen steht bei uns nicht unter Strafe, im Gegenteil, es wird staatlich gefördert und finanziert. Als nur eine Beispiellektüre empfehle ich Ihnen den Jahresbericht der Aktionsgemeinschaft Drogenberatung e.V.
Sie weisen in Ihrem Antrag auf die hohen Steuereinnahmen hin, auf die der Staat verzichtet, weil er Cannabis nicht legalisiert. Ich persönlich möchte nicht, dass wir Steuern aus dem Drogenverkauf einnehmen.
Da gibt es dann doch noch andere Möglichkeiten, wie der Staat Geld einnehmen kann, ohne an der Gesundheitsgefährdung von Menschen mitzuverdienen.
Ihrer Aufforderung, im Saarland mit den kommunalen Spitzenverbänden ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt zur staatlich kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu initiieren, können wir nicht zustimmen. Dafür bedarf es zuerst einmal einer Änderung des Betäubungsmittelgesetzes auf Bundesebene. Genauso wenig werden wir der Aufforderung zu einer Bundesratsinitiative zustimmen, den Anbau und die Herstellung von Betäubungsmitteln - wir haben verstanden: aller Betäubungsmittel straffrei zu ermöglichen. Wir lehnen beide Anträge ab.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der französische Sender iTélé hat in dieser Woche Folgendes berichtet. Nach einem Medikamententest in Frankreich sind sechs Probanden ins Krankenhaus eingeliefert worden. Ein Mensch liegt im Koma; fünf sind in kritischem Zustand. In einem privaten Labor haben die Mediziner ein Medikament an Freiwilligen getestet. Danach mussten Medienberichten zufolge sechs Menschen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Einer von ihnen soll klinisch tot sein. Laut Information dieses Senders soll es bei dem Test um ein Schmerzmittel auf der Basis von Cannabis gegangen sein. Schon Anfang der Woche seien die ersten Patienten ins Krankenhaus eingeliefert worden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns allen ist bewusst, dass staatliche Verbote und eine intensive Aufklärungsarbeit allein nicht vom Drogenkonsum abhalten. Eine moderne und dynamische Drogenpolitik benötigt deshalb eine ganz enge Verzahnung von Suchtprävention, ausstiegsorientierten Hilfen, Gesundheitshilfen für Drogenkranke, Nachsorge und die Bekämpfung unkontrollierter Einfuhr und Abgabe von Drogen sowie das konsequente Verdrängen von Einstiegsdrogen.