Protocol of the Session on January 20, 2016

Warum soll diese Wende für Deutschland, diese Wende für Europa nicht hier im Saarland ihren Anfang nehmen? Wir hatten letztes Jahr 19 Drogentote zu beklagen, dieses Jahr sind bereits zwei Menschen im Saarland gestorben. Das ist zu viel, und ich bin der Überzeugung, dass das aufhören muss. Deshalb lade ich Sie ein, heute mit uns einen ersten Schritt zu gehen, um weitere völlig unnötige Opfer einer überkommenen Drogenpolitik zu verhindern. Werfen Sie endlich diese überkommenen moralischen Betrachtungen über Bord, es geht hier um eine pragmatische Politik, die den Menschen wirklich hilft.

Bei der Droge Cannabis besteht in weiten Teilen der Bevölkerung ohnehin schon lange kein Verständnis mehr für die bestehende völlig überholte Verbotspolitik. Das sogenannte Kiffen ist in allen Gesellschaftsschichten bekannt, die Dämonisierung des vergleichsweise harmlosen Rauschmittels verunglimpft Präventionskampagnen gegen weitaus gefährlichere Drogen. Denn gerade in der Prävention gilt: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Ich kann keinen Stoff dämonisieren, mit dem viele Leute andere Erfahrungen gesammelt haben. Gerade Cannabis bietet sich somit für ein Modellprojekt an, damit der Staat Erfahrungen sammeln kann für eine neue Drogen- und Suchtpolitik.

(Ministerin Bachmann: Nein. - Beifall von den Op- positionsfraktionen.)

(Ministerin Bachmann)

Es gibt weltweit sehr erfolgreiche Beispiele für die Legalisierung von Cannabis. Eines der erfolgreichsten und modernsten Modelle - und, wie ich meine, auch für das Saarland ein durchaus attraktives Modell - ist das des US-Bundesstaats Colorado. Deshalb sehen wir dieses als gute Möglichkeit, in eine Wende in der Drogenpolitik einzusteigen. Wir fordern die Landesregierung auf, im Saarland in enger Absprache mit den kommunalen Spitzenverbänden ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt zur staatlich kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu initiieren. Zur Vorbereitung eines solchen Modellprojekts in Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern, den Suchthilfeträgern, Experten und Expertinnen, natürlich auch der saarländischen Polizei und den Kommunen, sollen im Vorfeld offene Fragen in Bezug auf die praktische Umsetzung geklärt werden, denn man kann natürlich nicht eins zu eins das Modell eines anderen Landes übernehmen. Gegebenenfalls sollen bereits im Vorfeld hierzu gemeinsame Lösungen erarbeitet werden.

Wir als Piratenfraktion sehen die Entwicklung in Colorado als mögliche Blaupause für eine saarländische Lösung an. Schauen wir uns die Situation dort an. In Colorado kann man seit Januar 2014 Cannabis zu medizinischen Zwecken oder zum Zwecke der „Entspannung“, wie man es in den USA nennt, legal erwerben. Dies geschieht - das ist wichtig - in lizenzierten privatwirtschaftlich organisierten Verkaufsstellen. Folgerichtig werden auch Lizenzen zum staatlich überwachten Anbau der Hanfpflanzen vergeben. Ein Problem, das es in anderen Legalisierungsländern gibt, ist, dass der Schwarzmarkt weiterhin besteht, weil sich auch die legalen oder geduldeten Verkaufsstellen den Stoff irgendwo auf dem Schwarzmarkt besorgen müssen. Das konterkariert natürlich eine entsprechende Politik. Jede Privatperson darf dort zudem zum privaten Gebrauch bis zu sechs Pflanzen zu Hause anbauen.

Nun, Colorado hat über 50 Prozent deutschstämmige Einwohner, und auch dort gibt es natürlich konservative Politiker. Die hatten vor der Freigabe der Droge gewarnt und vor überbordender Kriminalität, dem Verfall von Sitte und Tugend, dem Verfallen der Jugend an die Sucht und allgemein vor zunehmendem Konsum gewarnt. - Schauen wir uns an, wie sich die Situation entwickelt hat. Inzwischen liegen uns die Zahlen für das komplette Jahr 2014 wissenschaftlich aufbereitet vor. Die Bilanz beim Jugendschutz und in der Prävention ist vorbildlich. Der Konsum bei jugendlichen Cannabiskonsumenten nimmt seit 2009 stetig ab. Die Prävalenz bei HighschoolSchülern sank in dieser Zeit von 24 auf aktuell nur noch 20 Prozent. Eine solche Entwicklung können wir uns in Deutschland nur wünschen. Der legale Verkauf an über 21-Jährige unterstützt diese Entwicklung, denn durch die zweckgebundenen Steuer

einahmen wurden bereits Präventionsprogramme finanziert. Es wird sogar Geld direkt in das Schulsystem für eben diesen Zweck der Prävention investiert.

Anfängliche Befürchtungen, die Regulierung gehe mit einer steigenden Zahl von Verkehrsunfällen einher - auch das hört man in Deutschland in der Diskussion immer wieder -, haben sich nicht bestätigt. Seit der Gesetzesänderung verzeichnet Colorado nicht mehr sogenannter dui-Fahrten - driving under influence, das, was man bei uns „Fahren unter Einfluss von Betäubungsmitteln“ nennen würde - als vorher. Eine andere Studie, die sich mit mehreren US-Bundesstaaten beschäftigt, beweist sogar, dass die Zahl schwerer Verkehrsunfälle in Staaten mit der Freigabe von sogenanntem medical cannabis von 1999 bis 2009 im Vergleich zur vorherigen Dekade um 9 Prozent gesunken ist.

Sind nun alle kriminell geworden im Staate Colorado? - Nein. Die Rate der Gewaltverbrechen ist entgegen allen Befürchtungen in Denver, dem Zentrum der amerikanischen Cannabis-Industrie, gesunken. Häusliche Gewalt bei Paaren, die Cannabis konsumieren, ist seltener als im allgemeinen Durchschnitt. Und eine besonders erfreuliche Entwicklung: Die mexikanischen Drogenkartelle, die bekannt dafür sind, im amerikanischen Gras-Geschäft Milliarden gemacht zu haben, ziehen sich aufgrund der Liberalisierung aus dem Markt zurück.

Last, but not least - ich finde, das ist nicht das wichtigste Argument in dieser Debatte, aber es ist eins, das man der Ehrlichkeit halber mit anführen muss erzielte der Staat Colorado 2014 63 Millionen Dollar an Steuereinahmen aus Cannabisverkäufen und zusätzlich 13 Millionen Dollar aus Lizenzen und Gebühren, die dort anfallen für die strikte staatliche Regulierung von der Aussaat der Pflanze bis zu dem Zeitpunkt, wo sie den Konsumenten erreicht. Das ist eine Summe, mit der sich in der Tat eine neue und bessere Drogen- und Suchtpolitik machen lässt; eine Summe, die sich gut in Präventionsprogramme investieren lässt.

Lassen Sie mich zum Schluss noch darauf hinweisen, dass wir mit der Forderung nach einer Legalisierung von Cannabis nicht alleine stehen. Im letzten Jahr haben sich die Jugendorganisationen von SPD, LINKEN und der FDP im Saarland organisiert und eine Petition zur Legalisierung von Cannabis im Saarland gestartet, die inzwischen über 2.000 Menschen unterschrieben haben. Falls ich Sie heute nicht überzeugen kann, sprechen Sie bitte noch mal mit den jungen Politikern in Ihren Parteien.

Die Legalisierung von Cannabis wird kommen, das ist der Weg, der sich abzeichnet. Auch Deutschland wird sich da nicht ewig sträuben können. Die Argumente sind aufseiten derer, die eine Legalisierung fordern. Ich möchte das Saarland bei dieser Ent

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

wicklung aber gerne an der Spitze sehen. Deshalb fordere ich Sie auf, unseren Antrag zu unterstützen. Wir fordern die Landesregierung auf, ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt zur kontrollierten Freigabe von Cannabis im Saarland zu starten und weitergehend auf Bundesebene für eine grundlegende Reform des Betäubungsmittelgesetzes einzutreten, denn auch dieses Gesetz ist leider über die Jahre sehr angestaubt und erfüllt nicht mehr den Zweck, für den es ursprünglich einmal gedacht war.

(Beifall von den PIRATEN.)

Damit soll die überfällige Wende in der Drogen- und Suchtpolitik in Deutschland eingeleitet werden. Dies sind wir als Politikerinnen und Politiker, dies ist die Politik den Opfern der Drogenpolitik auch schuldig. Die Reformen sind überfällig; deshalb bitte ich Sie um Ihre Unterstützung. - Vielen Dank.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Vielen Dank. - Zur Begründung des Antrages der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Neyses das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Prohibition ist gescheitert; seit Jahren ist die Anzahl der Cannabiskonsumenten gleichbleibend hoch. 2,3 Millionen Erwachsene konsumieren regelmäßig Cannabis, fast ein Viertel der 15- und 16-jährigen Schülerinnen und Schüler konsumiert gelegentlich Cannabis. Sie alle werden durch die bestehende Regelung kriminalisiert und sind dadurch nur sehr schwer für Präventions- und Suchtprogramme zu erreichen. Das aktuelle Betäubungsmittelgesetz verfehlt seine Ziele, die Reduzierung des Angebots und die Verringerung der Nachfrage. Seit 2011 fordert die Global Commission on Drug Policy eine Umkehr der Drogenpolitik. Dieser Kommission gehören auch viele ehemalige Staatschefs wie Kofi Annan oder Javier Solana an. In Deutschland fordern 122 renommierte Strafrechtsprofessoren eine Evaluation des Betäubungsmittelrechts. Jüngst hat sich die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin dem angeschlossen, auch wir GRÜNE fordern eine Kehrtwende. Im Mittelpunkt unserer Drogenpolitik steht Prävention, regulieren anstatt kriminalisieren.

Denn nur durch das Regulieren erreicht man tatsächlich einen echten Jugendschutz, denn dieser existiert zurzeit nicht. Man kann überall Cannabis bekommen, auch Jugendliche unter 18. Wir GRÜNE fordern, diesen Schwarzmarkt auszutrocknen, denn dort profitiert letztendlich nur das organisierte Verbrechen. Wir möchten, dass Cannabis nur in lizenzierten Geschäften für Erwachsene abgegeben wird,

dann kann man auch den Cannabisverkauf von der Szene trennen, die letztendlich viel gefährlicheres Zeug anbietet, belastet mit Giftstoffen wie Blei oder mit extrem hohen Wirkstoffkonzentrationen.

Kolleginnen und Kollegen, der Schwarzmarkt kennt keinen Jugendschutz oder Gesundheitsschutz, dort geht es nur um das Erzielen hoher Gewinne, sei es durch Abgabe von Drogen an Jugendliche oder sogar Kinder oder durch das Vermischen von Drogen mit weiteren schädlichen Substanzen. Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen ein Umdenken bei der Politik mit Cannabis.

(Beifall bei B 90/GRÜNE und PIRATEN und von der Abgeordneten Schramm (DIE LINKE.)

Das hat nichts zu tun mit Verharmlosung, im Gegenteil. Wir möchten Cannabis nicht verharmlosen, wir möchten endlich einen effektiven Jugendschutz. Prävention, Aufklärung und Suchthilfe sind tausendmal wirksamer als jedes Verbot, daher müssen diese ausgebaut werden. Kolleginnen und Kollegen, ich möchte einen kurzen Vergleich mit Alkohol machen, denn unsere Gesellschaft toleriert Alkohol, kriminalisiert aber den Cannabiskonsum.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Es gibt keinen Grund, Cannabis anders zu behandeln als Alkohol. Dann können wir auch unsere Jugend wirkungsvoll schützen.

Der Erwerb darf ausschließlich in streng regulierten Fachgeschäften möglich sein, mit dafür ausgebildetem Personal. Wir möchten Jugendliche schützen, die bisher ungeschützt sind. Wir wollen eine rationale Drogenpolitik mit Hilfe anstatt Verfolgung. Dabei setzen wir auf Prävention, Hilfe, risikominimierende Maßnahmen für Abhängige und Entkriminalisierung von Konsumenten. Eine rationale Drogenpolitik muss mehr leisten, sie muss vermeiden, dass Abhängigkeiten und gesundheitliche Schäden entstehen. Sie muss Kinder und Jugendliche schützen und Schwerstabhängigen helfen. Die unreflektierte Kriminalisierung von Drogenkonsumenten führt in die Sackgasse; wer abhängig ist, braucht Hilfe und keine Strafverfolgung. Daher müssen die Therapie- und Hilfsangebote weiter verbessert werden. Nur ein abgestimmtes Hilfe- und Beratungssystem, kombiniert mit präventiven Programmen, kann helfen, Abhängigkeit langfristig erfolgreich zu verhindern. Auch der medizinische Einsatz von Drogen und die Forschung mit Drogen dürfen nicht länger behindert werden. Wir fordern daher die Landesregierung auf, sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative für eine Änderung des Betäubungsmittelrechts auf Bundesebene einzusetzen. Zielrichtung soll dabei eine Änderung im Umgang mit Cannabis sein, die sich an den medizinischen, gesundheitlichen und sozialen Aspekten sowie an der Lebenswirklichkeit orientiert.

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

Wir fordern die Landesregierung auf, auch im Saarland die Möglichkeit von Modellversuchen zu prüfen, ob eine kontrollierte Abgabe von Cannabis - natürlich unter Sicherstellung des Jugend- und Verbraucherschutzes sowie einer umfassenden Suchtprävention - in der Lage ist, einen risikoärmeren Konsum zu fördern und negative Effekte zu verringern. Wobei es wichtig ist, nicht das Ziel aus den Augen zu verlieren, nämlich den bestehenden gesellschaftlichen Problemen mit einem anderen Lösungsansatz zu begegnen und sich dabei stärker an der Lebenswirklichkeit zu orientieren.

Kolleginnen und Kollegen, noch ein paar Worte zum Antrag der PIRATEN. Der Antrag geht grundsätzlich in eine gute Richtung, enthält gute Argumente, aber leider gibt es diesen letzten Spiegelstrich, in dem steht - ich zitiere, mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -: (…) der Anbau, die Herstellung, Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln straffrei möglich sind.“ - Das kann man leider auch so lesen, dass Anbau und Herstellung jeglicher Drogen erlaubt werden sollen. Vielleicht ist es nicht so gemeint, aber man kann es so lesen. Diese Formulierung ist aus unserer Sicht so nicht tragfähig, von daher werden wir den Antrag der PIRATEN ablehnen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.- Vielen Dank.

(Beifall von B 90/GRÜNE.)

Ich eröffne die Aussprache, das Wort hat der Abgeordnete Uwe Conradt von der CDU-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorliegenden Anträge der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion und der PIRATEN-Landtagsfraktion zum Thema der Drogenpolitik sind eine Gelegenheit, erneut zu überprüfen und darzulegen, welche Drogenpolitik das Land verfolgt und wir anbieten. Wir stehen am Anfang eines Jahres, da überprüfen viele Menschen ihr Handeln und das, was sie tun. Wir begleiten das immer wieder mit guten Wünschen, denn Glück ist ein absolut guter Wunsch, auch eine gute Gesundheit. Es ist auch eine gute Nachricht, dass in Deutschland das Thema Drogenpolitik in dem Bereich der Gesundheitspolitik aufgehoben ist, weil wir es nicht als originären Bestandteil des Bereichs der inneren Sicherheit ansehen. In Deutschland steht beim Thema der Drogenpolitik der Mensch im Mittelpunkt, derjenige, der suchtgefährdet, von Sucht bedroht oder süchtig ist, und das ist in erster Linie ein Thema der Gesundheitspolitik. Deshalb muss man sehr scharf zurückweisen, was im Antrag der PIRATEN steht, nämlich dass die auf Prohibition abzielende repressive Drogenpolitik in Deutschland ge

scheitert sei. Meine Damen und Herren, in Deutschland haben wir keine Drogenpolitik, die alleine auf repressive Maßnahmen abzielt. Wir haben eine ausdifferenzierte Drogenpolitik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, und das ist gut so.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Beide Anträge unterscheiden sich aus meiner Sicht genau an dem Punkt, der Kollege Neyses hat es richtig dargestellt, dass die GRÜNEN eine weitestgehende Legalisierung von Cannabis fordern und dass die PIRATEN - Herr Hilberer ist nicht darauf eingegangen, aber so steht es im Antrag - eben nicht nur eine Legalisierung von Cannabis fordern, nein, sie möchten sämtliche Drogen freigeben. Das ist sozusagen die Frage, die Sie unter dem Gesichtspunkt der Bevormundung aufgeworfen haben. Da muss man eben sehr genau schauen, was für ein Menschenbild dahinter steckt. Sie sehen das Thema Bevormundung alleine unter dem Aspekt, dass der Staat Schutzmaßnahmen ergreift, in dem Glauben, man würde dann mehr Schutz erzeugen, wenn man sämtliche Drogen freigibt.

(Abg. Hilberer (PIRATEN) : Verbot ist kein Schutz!)

Meine Damen und Herren, wir wissen doch, dass Menschen nicht immer die Entscheidungen treffen, die für sie selbst langfristig die besten sind. Manche Menschen erliegen einer Versuchung, manche Menschen handeln gedankenlos, gerade dann, wenn es vielleicht entwicklungsbezogen eine schwierige Phase ist, denken wir an die Pubertät, denken wir an persönliche Krisen, denken wir an familiäre Krisen, denken wir an Probleme im Beruf, an das soziale Umfeld, all das kann Auslöser sein für das eine oder andere gedankenlose Handeln. Insofern ist es richtig, dass wir Menschen, die Probleme mit Sucht haben, in unserem Land als Kranke betrachten und dass wir ihnen ein abgestimmtes Hilfeangebot zukommen lassen.

Dabei, meine Damen und Herren, stehen wir bei dem Thema Sucht vor insgesamt neuen Herausforderungen. Das betrifft das Thema Drogen, ich sage aber auch, Sucht geht weit über Drogen hinaus. Es betrifft die Medien- und Computerspiele. Es betrifft selbstverständlich - das ist ein Teil der Drogenpolitik - den Alkoholmissbrauch und das pathologische Glücksspiel. Es sind Fragen des Jugendschutzes zu beantworten. Es ist die Frage zu beantworten, warum wir beispielsweise beim Nikotinmissbrauch einen deutlichen Rückgang bei den Männern haben, aber keinen so deutlichen Rückgang, im Gegenteil, in vielen langen Jahren einen Anstieg bei den Frauen. Wir müssen auch Antworten auf die Fragen finden, warum es mehr Suchtprobleme im Alter gibt als früher.

(Abg. Neyses (B 90/GRÜNE) )

Meine Damen und Herren, das sind ganz sicherlich Herausforderungen für eine Drogenpolitik, die ausdifferenziert ist, für eine Politik, die die Sucht und den Menschen als Ganzes im Blick hat. Dabei geht es nicht nur um staatliche Verbote, sondern eine moderne Drogenpolitik - und das ist die Drogenpolitik im Saarland - basiert auf vier Säulen. Zum einen ist das eine enge Verzahnung der Suchtprävention. Das ist das Themenfeld Beratung und ausstiegsorientierte Hilfen. Das ist das Thema der Drogensubstitution. Das sind Gesundheitshilfen für Drogenkranke und Nachsorge. Und, meine Damen und Herren, selbstverständlich gilt es auch, rechtsfreie Räume zu vermeiden und die unkontrollierte Einfuhr und Abgabe von Drogen zu bekämpfen.

Auch das ist ein wichtiger Teil einer nachhaltigen zukunftsorientierten Drogenpolitik. Wir kriminalisieren nicht. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu den USA, die gerade eben als Referenzbeispiel angeführt worden sind. Jeder weiß, dass in den USA das Modell der Drogenpolitik viele Jahrzehnte im Wesentlichen darin bestanden hat, jeden Drogenabhängigen zu kriminalisieren, zwar Beratungen durchaus anzubieten, aber ab dem einmaligen, erstmaligen Konsum sofort Gefängnisstrafen, drakonische Strafen zu verhängen. Das war in Deutschland nie der Fall und es ist insbesondere seit 1994 - das ist eine lange Zeit, das hätte Ihnen nicht verborgen bleiben dürfen - so, dass in Deutschland der alleinige Besitz und damit letztlich auch der Konsum von minderen, geringen Mengen von Cannabis in der Regel nicht unter Strafe steht.

Wir haben im Betäubungsmittelgesetz rechtliche Regelungen geschaffen, wonach Drogen von denjenigen konsumiert werden können, die am stärksten von diesem Leid und Elend betroffen sind. In unserem Land gibt es für diese Menschen Räume, in denen sie das tun können. Ich glaube, dass diese Ausdifferenzierung sehr sinnvoll ist, weil sie den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Wir haben zahlreiche Hilfen. Wir haben das Programm „WIESEL“ für Kinder aus suchtbelasteten Familien. Wir haben Angebote für Frauen in der Schwangerschaft, die von Sucht bedroht sind. Es gibt darüber hinaus selbstverständlich auch Hilfen für Kinder, die von Alkohol bedroht sind.

Wir haben sehr viele Beratungsstellen in unserem Land und die psychosoziale Begleitung von Substituierten. Wir haben im Saarland ein Drogenhilfezentrum, ein Zentrum für diejenigen, die tagtäglich um ihr Überleben kämpfen und denen manchmal die für uns - einfachsten Tätigkeiten schwerfallen. Ich glaube, es ist zu kurz gesprungen, diese ausdifferenzierte Politik alleine unter das Thema Repression zu stellen. Nein, das wird unserer Politik nicht gerecht. Sie ist ausdifferenziert.

Ich möchte aber auch noch auf das Thema Cannabis eingehen. Es scheint ja ein Stück weit zu den grünen Gründungsmythen einer 68er Generation zu gehören, ein gewisser Lifestyle. Man muss dazu einfach wissen, dass bei vielem von dem, was als Cannabis verkauft wird, der THC-Gehalt entschieden höher ist, dass man sehr stark aufpassen muss, ob es noch das ist, was man als eine nicht harte Droge bezeichnet. Ich glaube, es ist keine weiche Droge. Ob es eine harte ist, darüber müssen wir reden. Aber ich glaube, es ist keine weiche Droge, denn wenn Sie sich anschauen, dass wir alleine über 200 Menschen im Jahr 2014 hatten, die wegen Cannabiskonsum und wegen psychosozialer Probleme in vollstationärer Behandlung waren, dann ist das schon die Frage. Wenn Sie sehen, dass in den Suchtberatungsstellen fast 40 Prozent derer, die dort Beratung suchen, Cannabiskonsumenten sind, bei denen die Hauptdiagnose Cannabis ist, dann ist es eben nicht das, was Kollege Hilberer hier als vergleichsweise harmloses Kiffen abgetan hat. Nein, das ist es bei Weitem nicht.

(Beifall von den Regierungsfraktionen)

Man muss auch sagen, wenn man dann wie Kollege Hilberer nur die Frage, aber nicht den Menschen und die Sucht in den Mittelpunkt stellt,

(Zuruf des Abgeordneten Hilberer (PIRATEN).)

sondern den Schwarzmarkt dadurch zu bekämpfen versucht, indem man ihn legalisiert - Kollege Hilberer, das war ja das, was Sie als Erfolgsmodell vorgeschlagen haben -, dann verstoßen Sie nicht nur gegen internationales Recht, denn die Bundesrepublik hat UN-Konventionen unterzeichnet, mit denen sie gegen Drogen vorgeht, nein, Sie gehen vor allen Dingen - das werfe ich Ihnen vor - fahrlässig, verharmlosend vor und mit einem Ablenkungsmanöver über die Sorgen, Nöte und Probleme der Menschen hinweg. Das lassen wir nicht zu. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall des Abgeordneten Scharf (CDU).)