Protocol of the Session on November 11, 2015

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

nur auf dem Papier, sondern vor allem in der Realität organisieren will. Das ist unser Anspruch, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Man kann natürlich - das ist völlig legitim - zusätzlich die Frage stellen, ob wir darüber hinaus auch noch ein Klimaschutzgesetz brauchen. Diese Frage hat sich im Übrigen auch der Bund gestellt. Der Bund hat dazu eine Studie erstellen lassen und sich nach Vorliegen des Ergebnisses ganz bewusst gegen ein eigenes Klimaschutzgesetz entschieden. Er hat vielmehr konkreten Klimaschutz mit Aktionsplänen auf den Weg gebracht. Auch die Antwort der saarländischen Landesregierung sieht so aus, dass wir ein Klimaschutzgesetz nach dem Muster, wie es jetzt vorgelegt worden ist, nicht brauchen, da es nicht den notwendigen Mehrwert für die Sache bringt.

Im Gegenteil, es ist der Sache abträglich - das werde ich nachher erläutern - und so, wie es aufgebaut ist, ein bürokratisches Monster dazu. Die Landesregierung soll einen Klimaschutzplan mit Monitoring erstellen, ihn alle fünf Jahre fortschreiben. Sie soll einen Klimaschutzrat einrichten und bis 2030 eine klimaneutrale Landesverwaltung sicherstellen. Andere öffentliche Stellen wie Kommunen haben eigene Klimaschutzkonzepte aufzustellen und werden verpflichtet, sofern landesseitig ein finanzieller Ausgleich erfolgt, dies auch zu tun. Wirtschaft und Privathaushalte sind gar nicht erfasst, kann man aber untergesetzlich durch Verordnungen zu Maßnahmen verpflichten und sie dabei unterstützen. All das kann man auf den Weg bringen, aber all das ist zunächst mal nur Bürokratie, hilft erst einmal niemandem. Dafür ist uns die Zeit zu schade, um sie in Bürokratie zu investieren. Da sind wir lieber in der praktischen Umsetzung unterwegs.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Was das Helfen in der Sache angeht, muss man auch noch mal auf die Festschreibung solcher Ziele eingehen. Eben wurde schon mal die Frage relativiert, was wir bis 2020 und was wir bis 2050 erreichen wollen. In der letzten Debatte hat Kollegin Simone Peter davon gesprochen, in diesem Land sei eine Reduzierung der Treibhausgase bis zum Jahr 2050 um mindestens 80 Prozent und bis zum Jahr 2020 um mindestens 25 Prozent zu erreichen. Das ist jetzt anscheinend wieder verhandelbar.

Aber ich will nur noch mal deutlich machen, weil das eben in Abrede gestellt wurde, was die Auswirkungen solcher Klimaziele angeht, dass es nichts Negatives bedeuten würde für die saarländische Industrie, wie sich die CO2-Ausstöße in diesem Land überhaupt zusammensetzen. Es wird immer wieder gesagt, wir hätten einen zu hohen Pro-Kopf-Ausstoß in diesem Land. Das stimmt, den haben wir. Das hat aber vor allem etwas damit zu tun, dass 70 Prozent

des CO2-Ausstoßes im verarbeitenden Gewerbe entstehen und nur der geringere Anteil von 13 Prozent im Verkehr und von 16 Prozent in Haushalten, Gebäuden, Handel und Dienstleistungen. Wenn Sie eine Minderung um 80 Prozent erreichen wollen, dann geht das eindeutig zulasten der Vorgaben für das verarbeitende Gewerbe, sonst ist dieser Wert nicht zu erreichen. Deshalb kann man an dieser Stelle viel beteuern, was man alles nicht will an negativen Beeinträchtigungen,

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE) )

tatsächlich wird es aber so kommen. Deshalb sind das wieder mal Krokodilstränen, die Sie hier vergießen. Die Konsequenzen müssen an dieser Stelle klar benannt werden. Wenn man ein Klimaschutzgesetz auf den Weg bringt mit diesen Vorgaben, mit der Reduzierung bis 2050 um mindestens 80 Prozent, dann bedeutet das Deindustrialisierung in diesem Land. Da kann man hier sagen, was man will wer das fordert, wird auch dafür gerade stehen müssen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wenn dann gesagt wird, es wäre zynisch von mir, das auch so auf einer Veranstaltung zu sagen, auf dem Stahlgipfel, den wir durchgeführt haben, kann ich nur antworten: Ich finde es zynisch, wenn wegen parzellengenauem Klimaschutz, der sich nur auf dem Papier abspielen soll und der sonst keinen Mehrwert hat, Arbeitsplätze im Saarland gefährdet werden. Wenn etwas zynisch ist, dann ist es diese Haltung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Starker Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Es ist auch geradezu aberwitzig, diese Linie zu verfolgen, weil nicht nur Arbeitsplätze gefährdet werden, sondern weil man auch sieht, wohin die Arbeitsplätze abwandern werden. Die Arbeitsplätze werden nämlich in Staaten verlagert, die nichts mit dem EU-weiten Emissionshandel zu tun haben und wo es höchstwahrscheinlich weitaus geringere Umweltstandards gibt als bei uns. Das heißt also, im Ergebnis werde ich die Arbeitsplätze hier im Saarland gefährden und gleichzeitig dem Klimaschutz einen Bärendienst erweisen, weil nämlich der gleiche Stahl mit einem höheren CO2-Ausstoss pro Tonne in einem anderen Land produziert wird. So einen Unfug kann niemand Vernünftiges in diesem Land wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Deshalb ist völlig klar: Klimaschutz braucht faire und vor allem international gültige Spielregeln, damit er insgesamt funktioniert. Er braucht im Übrigen auch gesellschaftliche Akzeptanz. Genau das organisieren wir hier in diesem Land mit einem Dialog. Die Zeiten, in denen es Aufstände gab, weil irgendwel

(Ministerin Rehlinger)

che energiepolitischen Positionen vertreten worden sind, die niemals Realität geworden sind, aber nur das Land in Aufruhr versetzt haben, sind Gott sei Dank vorüber.

Wir diskutieren das anständig mit den Akteuren im Energiebeirat und beziehen eine gemeinsame Position, die dann dazu geeignet ist, dass man sich auch in Berlin und Brüssel damit befassen kann. Das halte ich für eine sehr viel mehr Erfolg versprechende Politik als das, was wir bereits in diesem Land erlebt haben. Wir werden in den kommenden Monaten abwarten, was herauskommt, wenn es um die Fragen des Strommarktdesigns und des Ausschreibungsdesigns im EEG und um das KWK-Gesetz geht. Das sind nämlich viel bedeutendere Stellschrauben, wenn es um den Klimaschutz geht als all das, was wir in unser kleines saarländisches Klimaschutzgesetz hineinschreiben können. Wenn das klar ist, dann ist der Rahmen klar. Dann werden wir uns innerhalb dessen bewegen und werden dafür Sorge tragen, dass der Klimaschutz mit Ziel, aber auch mit Augenmaß in diesem Land betrieben wird. Das ist unser Anspruch. Dem werden wir gerecht, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Fraktionsvorsitzender Hubert Ulrich das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte mich eigentlich nicht zum dritten Mal zu Wort melden, aber da Sie, Frau Ministerin, erneut den Versuch unternommen haben, uns als Partei in eine Ecke zu stellen, in der wir nicht stehen, muss ich das tun. Sie haben zum wiederholten Mal - genau wie Ihre Vorredner Jung und Heinrich versucht, den Eindruck zu erwecken, unser Klimaschutzgesetz hätte insbesondere das Ziel 80 Prozent Reduzierung bis 2050. Ich wiederhole: 2050, in 35 Jahren. Dann sind die Weltmeere wahrscheinlich schon um einen Meter gestiegen. Das nur am Rande. Dann kann der Oberbürgermeister in Hamburg, Herr Scholz, schauen, wo seine Stadt bleibt. Jetzt wissen wir, worüber wir hier reden! Wir reden von 2050. Sie haben erneut versucht, den Eindruck zu erwecken, das bedeute, dass dann die saarländische Industrie und die saarländische Stahlindustrie nicht mehr existent sind. Ich sage Ihnen: Das ist purer Blödsinn!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Diese 80-Prozent-Reduktion bezieht sich zum großen Teil auf die uralten Kohlemöhren, die wir hier haben. Es sind uralte Kohlekraftwerke aus den Sechzigerjahren, Siebzigerjahren und Achtzigerjah

ren, die die Masse der CO2-Emissionen hier im Saarland produzieren. Dort liegt das Problem und nicht bei der saarländischen Stahlindustrie. Dort geht es letztendlich nur um eine sehr eingeschränkte Zahl von Arbeitsplätzen. Es ist eine Zahl von Arbeitsplätzen, die - würden wir hier im Saarland endlich auf die erneuerbaren Energien setzen - dort in sehr viel größerem Maße entstehen würden und vor allen Dingen mit einer Wertschöpfung, die in den saarländischen Kommunen bleiben würde. Das ist die Wahrheit! Das sollten Sie hier benennen, Frau Ministerin!

(Beifall von B 90/GRÜNE.)

Die SPD aber - das haben Sie, Frau Ministerin Rehlinger, sehr deutlich gemacht - ist und bleibt rückständig bei der gesamten Klima- und Energiedebatte. Daran hat sich bis zum heutigen Tage in diesem Land leider Gottes nichts geändert. Ich sage Ihnen mit Blick auf die Stahlindustrie, aber auch andere Industrien, die CO2 produzieren - das sage ich offen dazu, wo es ein reales Problem ist, die CO2-Produktion zu vermindern -, dass es auch andere technologische Wege gibt, die in der Fachwelt schon lange diskutiert werden, bei Ihnen aber offenbar bis zum heutigen Tag nicht angekommen sind.

Es gibt die Idee der sogenannten Methanisierung. Der eine oder andere Kollege aus der CDU - Kollege Meiser war dabei, an ihn erinnere ich mich noch gut - haben wir den Masterplan Energie eine Nacht lang durchdiskutiert, bis wir zu einem Ergebnis kamen. Wir haben damals über das Thema Methanisierung diskutiert. Von Peter Müller wurde dieses Thema Methanisierung als ein sehr ernstes Thema angenommen, weil es so ist. Methanisierung bedeutet, dass man aus überschüssigem Strom, der durch erneuerbare Energien entsteht, Methangas produziert. Technologisch ist das alles kein Problem. Das sind Prozesse, die seit 100 Jahren bekannt sind.

Das ist der Sabatier-Prozess, um Methan zu erzeugen. Das ist die Elektrolyse, um Wasserstoff zu erzeugen. Was Sie dabei brauchen, um Methan zu erzeugen - jetzt hören Sie gut zu, Frau Ministerin, damit Sie es einmal gehört haben -, ist CO2. Dieses CO2 kann man aus solchen Produktionsanlagen wie der Stahlindustrie gewinnen. Das heißt, das CO2, das in der Stahlindustrie produziert wird, wird man in der Zukunft einsetzen können, um sinnvolles Methangas zu gewinnen, um hier Gaskraftwerke zu betreiben. Das ist technologische Zukunft, die bei Ihnen offenbar bis zum heutigen Tage nicht angekommen ist. Meine Damen und Herren, das finde ich äußerst bedenklich und schade.

(Beifall von B 90/GRÜNE.)

Diese Mär von der Deindustrialisierung packt die SPD bei jeder sich bietenden Gelegenheit allzu gerne aus. Ich denke jetzt ein paar Jahre zurück. Im

(Ministerin Rehlinger)

Jahr 2007 haben wir über den Bau eines neuen Kohlegroßkraftwerks in Ensdorf diskutiert. Da ging es um 1.600 Megawatt zusätzlicher Kohleenergie im Saarland. Das Kraftwerk hätte für die nächsten 50 Jahre da gestanden. Zwei Milliarden Euro wären vom RWE-Konzern, der jetzt auf der Kippe steht, fehlinvestiert worden. Zum Glück ist es den Bürgerinitiativen und uns GRÜNEN damals gelungen, dieses Kohlekraftwerk zu verhindern.

Aber damals gab es einen SPD-Landtagsabgeordneten, der groß in die Öffentlichkeit gegangen ist und die GRÜNEN gescholten hat, sie betrieben eine Deindustrialisierung, wenn dieses Kraftwerk verhindert wird. Wir haben dieses Kraftwerk verhindert, die Industrie läuft aber immer noch. Dieser Abgeordnete ist heute saarländischer Umweltminister. Das ist Reinhold Jost. So sieht es nämlich innerhalb der Debatte bei der SPD aus, wenn es um diese sehr ernsten Themen geht!

Ich fordere Sie auf: Nehmen Sie die Themen Energieerzeugung und Klimaschutz ernst! Handeln Sie entsprechend und machen Sie entsprechende Vorgaben, damit wir hier endlich ein entsprechendes Gesetz in diesem Haus haben! - Vielen Dank.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen. - Spre- chen.)

Für die CDU-Landtagsfraktion hat Herr Abgeordneter Günter Heinrich das Wort.

Herr Präsident! Ich möchte ganz kurz auf die Äußerungen des Kollegen Hilberer eingehen, der versucht hat - es war aus meiner Sicht ein krampfhafter Versuch -, den Gesetzentwurf mit einer Flüchtlingswelle zu rechtfertigen. Dem Augenschein nach ist so etwas zu befürchten, aber die Ursachen kann man nicht bekämpfen.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Lesen Sie manchmal Zeitung? Lesen Sie manchmal Zeitung?)

Die Flüchtlingswelle kann man nicht mit einem saarländischen Klimaschutzgesetz bekämpfen. Sehr geehrter Herr Kollege, da sind andere Ansätze notwendig. Die Ansätze müssen in der Entwicklungspolitik erfolgen. Die Ansätze müssen dort erfolgen, wo es darum geht, Kontinente und Länder nicht in ihren Ressourcen auszubeuten.

Ich glaube, auch da haben wir eine gute Bilanz in der Republik vorzuzeigen. Schauen Sie sich alleine die Recyclingquote an, wenn Müll wiederverwertet wird. Das alles dient dem Schutz der Ressourcen in den Herkunftsländern. Wenn man bei der Gelegenheit die Flüchtlingswelle eindämmen will, dann muss man sich zur Krisenintervention bekennen. Da muss

man einen Arsch in der Hose haben. Man muss, wenn es um Entscheidungen geht, wenn die Bundeswehr einschreiten soll, auch dazu stehen.

(Anhaltendes Sprechen.)

Dann darf man sich nicht in ein Mauseloch zurückziehen. Auch das hängt mit Klimaschutz zusammen. An Ihre Adresse, lieber Kollege Ulrich: Sie schwadronieren an dieser Stelle über Ihre begrenzte Redezeit, anstatt sich Ihrem Gesetzentwurf zu widmen.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Die LINKE hat mir welche geliehen. Das habe ich Oskar Lafontaine zu verdanken.)

Sie sprechen die saarländische Stahlindustrie und die Kraftwerke an, die entbehrlich sind, wenn wir den Strombedarf der saarländischen Stahlindustrie mit Windkraftanlagen decken sollen. Stellen Sie Kollege Lafontaine - sich einmal vor, wie viele Windkraftanlagen wir im Saarland haben müssten! Dann wäre das Saarland total verspargelt. Bei aller Sympathie für Windkraftanlagen: Das will ich nicht. Ich glaube, das will die Mehrzahl der saarländischen Bevölkerung nicht!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Deshalb werden für eine Übergangszeit Kraftwerke auf Kohlebasis erforderlich sein und erforderlich bleiben. Bei all Ihrem Engagement, diese zu beseitigen, werden wir sie zukünftig brauchen, um unsere Wirtschaft im Saarland am Laufen zu halten. Das ist gut und richtig so. Ich habe es eben gesagt: Der Klimaschutz erfordert viele kleine, manchmal auch größere Schritte, und genau in diesem Kontext werden wir Klimaschutz im Saarland betreiben. Wir werden hier bezüglich der Kraftwerkslandschaft keinen Totalschnitt machen, und wir werden keinen Totalschnitt machen, der unsere Stahlindustrie oder unser Gewerbe in irgendeiner Form - die Wirtschaftsministerin hatte es vorgetragen - gefährden wird. Genau das ist Ihre Intension, genau darauf zielt Ihr Gesetzentwurf in seiner letzten Wirkung ab, und deshalb ist er zu Recht heute abzulehnen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. Ul- rich (B 90/GRÜNE) : Wer lesen kann, ist eindeutig im Vorteil, ich wiederhole es noch einmal.)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.