Protocol of the Session on November 11, 2015

Egal, wie viel Redezeit man hat, wenn man ein Gesetz einbringt, sollte man auch auf die Regelungen des Gesetzes eingehen. Die Öffentlichkeit kann erwarten, dass sie von Ihnen erfährt, was Sie mit welcher Maßnahme tatsächlich erreichen wollen.

Bevor ich mich trotzdem mit den einzelnen Regelungen auseinandersetzen werde, möchte ich etwas zu den Rahmenbedingungen sagen. Auch für die SPD-Fraktion besteht Einigkeit mit den nationalen Klimaschutzzielen. Das heißt, wir streben nach wie vor an, bis zum Jahr 2050 den CO2-Ausstoß um bis zu 80 Prozent zu reduzieren im Vergleich zum Niveau des Jahres 1990. Nach wie vor müssen wir bis zum Jahr 2020 eine 40-prozentige Reduzierung anstreben.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Das ist die Zielsetzung bundesweit. Wir wissen alle, dass das sehr ambitioniert ist, und wir wissen alle, dass Deutschland bei der Umsetzung dieser Klimaschutzziele insgesamt hinterherhinkt. Es ist uns wichtig, dass wir diese Ziele erreichen, denn es ist uns klar: Die Versorgung Deutschlands, die Versorgung auf der Welt mit Primärenergie kann nicht so weitergehen, wie sie sich in den letzten 150 Jahren entwickelt hat. Die Ressourcen sind endlich. Wir wissen, dass der Klimawandel die Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen an vielen Stellen zerstört und dass die direkte Folge des Klimawandels Hunger, Krieg und Flucht in vielen Teilen der Welt sind. Vor allen Dingen in den ärmsten Teilen der Welt hat der Klimawandel die dramatischsten Folgen. Der Klimawandel ist eine wesentliche Ursache für das Artensterben. Das Ganze wird noch zusätzlich dadurch verschärft, dass auf der einen Seite in den hoch entwickelten Ländern die ProKopf-Produktion an CO2 enorm hoch ist -

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Zum Beispiel im Saarland!)

Auch im Saarland, im Saarland sogar ganz besonders. - Gleichzeitig wollen aber auch in den Schwellenländern diejenigen aufholen, die für sich auch Wohlstand anstreben, und dieses wirtschaftliche Wachstum ist mit einer zusätzlichen CO2-Produktion verbunden. Das macht die Aufgabenstellung, die in Paris diskutiert werden muss, besonders schwer.

Wir können aber auch feststellen, dass wir nicht von vorne anfangen. Herr Kollege Ulrich, wir beide könnten gemeinsam darauf hinweisen, dass mit der sozial-ökologischen Wende, die Rot-Grün 1998 eingeleitet hat, viele wichtige Grundlagen geschaffen wurden, beispielsweise für den Ausbau der erneuerbaren Energien,

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Da wird ja gerade wieder zurückgedreht)

wo Deutschland heute europa- und weltweit an der Spitze liegt. Klar ist, das gehört zur energiepolitischen Debatte hinzu,

(Sprechen zwischen Ministerin Rehlinger und dem Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE) )

dass für uns der Ausstieg aus der Atomenergie erste Priorität hat. Das ist eine ganz wichtige energiepolitische Weichenstellung, die wir vorgenommen haben und die jetzt umgesetzt wird und die den Energiemarkt in Deutschland jetzt schon ganz erheblich verändert.

Es ist eben schwierig, aus der Atomenergie auszusteigen und gleichzeitig im beschleunigten Tempo auch aus anderen Energien auszusteigen. Beides gleichzeitig ist jedenfalls nicht so leicht möglich, wie Sie das der Öffentlichkeit hier vor Augen führen wollen.

Das Saarland ist ein Energieland mit einem überdurchschnittlich hohen Verbrauch aufgrund seiner Industriestruktur. Wir haben eine überdurchschnittlich hohe Produktion und sind in den meisten Jahren auch ein Land mit Energieexport. Im Saarland verzeichnen wir aktuell einen CO2-Ausstoß von rund 22 Millionen Tonnen, davon entfallen 40 Prozent auf die Produktion von Energie und Wärme und 45 Prozent auf die Industrie und das verarbeitende Gewerbe. Den Rest teilen sich zu ungefähr gleichen Teilen der Verkehr und die privaten Haushalte. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass der CO2-Ausstoß im Saarland außerordentlich volatil ist. Die Regierungszeit von Ihnen, Herr Kollege Ulrich, die Zeit der JamaikaKoalition, ist ein gutes Beispiel dafür.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Das ist aber überraschend.)

Im Jahr 2010 wurde nicht nur genauso viel Energie verbraucht, sondern der Verbrauch ist sogar um 4 Prozent angestiegen.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Nein.)

Im Jahr 2011 betrug der Anstieg 8 Prozent, im Jahr 2012 betrug der Anstieg weitere 4 Prozent. Das hat natürlich nichts mit Ihrer Klimapolitik zu tun, sondern es hat etwas damit zu tun, dass Energieproduktion und der Verbrauch im Saarland außerordentlich stark von der wirtschaftlichen Konjunktur abhängen. Deshalb ist es wichtig, der Öffentlichkeit zu sagen, dass das, was bei uns an CO2 entsteht, sehr stark mit der Industrie und dem verarbeitenden Gewerbe zusammenhängt und mit dem, was wir an Strom außerhalb des Saarlandes verkaufen können, und dass es eben nur in relativ geringem Maße damit zusammenhängt, welche landespolitischen Entscheidungen wir treffen. Die Konjunktur ist nach wie vor der wichtigste Faktor für die CO2-Produktion im Saarland.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Daher ist nach den energiepolitischen Grundlagen zu fragen. Ja, wir bekennen uns zum Ausstieg aus der Atomenergie. Er muss auch weiterhin zu bezahlbaren Preisen möglich sein und muss so geschehen, dass wir jederzeit Versorgungssicherheit haben. Wir bekennen uns zu den Klimaschutzzielen. Wir bekennen uns aber auch zum Energiestandort Saarland und zur saarländischen Industrie, denn wir brauchen auch in den nächsten Jahrzehnten in Deutschland Kraftwerke, um die Energiesicherheit herzustellen. Und ich sage Ihnen ganz deutlich: Wenn in Deutschland auch in Zukunft Kraftwerke gebraucht werden, dann bin ich froh, wenn diese Kraftwerke im Saarland stehen und nicht woanders.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich möchte Sie auch auf einen Widerspruch hinweisen. Wer die Klimaschutzziele im Saarland erreichen will -

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Der muss SPD wählen.)

SPD wählen ist immer die beste Variante. Die saarländische Industrie hat einen ganz wichtigen Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien zu leisten.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Ja.)

Und je erfolgreicher es beispielsweise im Bereich der Windenergie läuft

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Da sind wir ja sehr erfolgreich)

und je mehr die saarländische Stahlindustrie, die da sehr stark engagiert ist, produzieren kann, um Windenergieanlagen in Deutschland und in Europa aufzubauen, desto mehr CO2-Produktion werden wir im

Saarland haben. Das ist die Kehrseite dieser Entwicklung. Und deshalb sagen wir, wir wollen diese Industrie im Saarland haben. Auch wenn diese Industrie hier vor Ort CO2 produziert, ist es doch eine Industrie, die insgesamt in der von uns allen angestrebten Richtung zum Klimawandel beiträgt. Deshalb bin ich froh, dass die saarländische Stahlindustrie einen positiven Beitrag zum Klimawandel leistet und auch in Zukunft leisten wird.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das bedeutet aber auch: Wenn man den Klimaschutzzielen einer 80-prozentigen Reduzierung, bezogen auf das Saarland, eine absolute Priorität vor allen anderen Zielen einräumen würde, dann würde das die Deindustriealisierung des Saarlandes zur Folge haben.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Das haben wir schon lange nicht mehr gehört.)

Das haben Sie schon lange nicht mehr gehört? Es wird Zeit, dass es Ihnen noch einmal gesagt wird. Wie sonst sollen die von Ihnen deklarierten Ziele denn erreicht werden? Das wäre das Ende für die Industrie und Wertschöpfung im Saarland und das würde mit den entsprechenden wirtschaftlichen Folgen, mit dem Verlust von Arbeitsplätzen, der Klimaschutzpolitik die demokratische Grundlage entziehen, denn die Zustimmung der Gesellschaft wäre dann nicht zu erreichen.

Eine Deindustriealisierung im Saarland wäre aber auch aus anderen Gründen schlecht für das Klima. Denn wenn die Produktion im Saarland, wo sie auf technologisch höchstem Niveau stattfindet, verschwindet, dann verschwindet sie nicht ganz, sondern sie wird verlagert in andere Bereiche der Welt, wo der technische Stand wesentlich schlechter ist und mit der Produktion ein wesentlich höherer Ausstoß von CO2 verbunden wäre. Auch deshalb ist es wichtig, diese Ziele miteinander in Einklang zu bringen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ansonsten kann man feststellen, dass das von Ihnen vorgelegte Klimaschutzgesetz eigentlich nur recht marginale Auswirkungen auf die Emissionen im Saarland erwarten lässt. Denn wesentliche Entscheidungen zur Klimaschutzpolitik fallen eben auf der Bundesebene und auf EU-Ebene, beispielsweise bei den Veränderungen im EEG, bei den Fragen des Strommarktes, des Emissionshandels, in der Frage der Besteuerung von Energie, in der Frage der Vorschriften zur Energieeinsparung, der Verkehrspolitik und der E-Mobilität. Und wesentlich wichtigere Beiträge als das, was Sie hier heute vorgelegt haben, können wir auch erwarten von technischen Innovationen in der Produktion bei der Verarbeitung und der Speicherung von Energie. Deshalb

(Abg. Dr. Jung (SPD) )

komme ich zu dem Zwischenfazit, dass der von Ihnen heute vorgeschlagene Gesetzentwurf kaum geeignet ist, wesentliche Effekte zu erzielen. Er verursacht jedoch einen hohen Verwaltungsaufwand und hohe Kosten beim Land und den Kommunen. Sie betreiben mit diesem Gesetzentwurf Symbolpolitik statt Klimaschutzpolitik.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Um dies zu begründen und zu erläutern, möchte ich beispielhaft auf einzelne Regelungen in Ihrem Gesetzentwurf eingehen. Zunächst einmal: Ihre Ziele sind recht wolkig formuliert. Sie wollen den CO2Ausstoß bis zum Jahr 2020 um 25 Prozent reduzieren im Vergleich zum Referenzjahr 2005, üblicherweise nimmt man ja das Referenzjahr 1990. Wenn man sich das anschaut, stellt man fest, dass im Jahr 2005 die Emissionen bei rund 25 Millionen Tonnen im Saarland lagen. Das war der zweithöchste Wert aller Zeiten. Im Vergleich dazu: Im Jahr 2009 lagen die Emissionen bei 18 Millionen Tonnen, das sind fast 25 Prozent weniger als im Jahr 2005. Ich bin eben schon auf die Frage der Volatilität und auf den Zusammenhang zwischen Emissionen und der konjunkturellen Entwicklung eingegangen. Insofern ist es etwas seltsam, welche Referenzwerte Sie hier angeben wollen.

Man muss zweitens festhalten, dass sich Ihr Gesetzesentwurf im Wesentlichen an die öffentlichen Stellen richtet. Das Land soll einen Klimaschutzplan erstellen, seine Behörden ebenfalls. Die Kommunen, kommunale Unternehmen und Zweckverbände sollen Klimaschutzkonzepte erstellen. Es bedeutet zunächst einmal eine ganze Menge Arbeit, wenn überall Studien erstellt werden sollen, wenn überall Konzepte gemacht werden sollen, wenn überall geplant werden soll. Jeder soll etwas vorstellen beziehungsweise ein Monitoring entwickeln. Das ist in erster Linie Verwaltung, das sind Planungskosten, die hier entstehen.

Am Ende wird man feststellen können, dass damit das Klimaschutzgesetz zum Bürokratiemonster des Klimaschutzes werden wird - mit Kosten in Millionenhöhe für das Land, was die Planung betrifft, was das Monitoring betrifft -, dass damit aber in der Sache zunächst einmal keine einzige Tonne CO2 eingespart worden ist. Der von Ihnen für das Jahr 2016 vorgesehene Klimaschutzplan ist in der Kürze der Zeit überhaupt nicht zu erarbeiten; das, was Sie diesbezüglich in das Gesetz geschrieben haben, ist völlig unrealistisch. Geht man auch auf Ihre Forderung ein, einen Klimaschutzrat -

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Sie reden jetzt aber von Ihrer Regierung! Andere schaffen das!)

Schauen Sie doch einmal in Ihren Gesetzesentwurf hinein! Schauen Sie sich an, was Sie darin vorschlagen, was die Grundlagen eines Klimaschutzplans

sein sollen! Und dann erklären Sie nachher bitte einmal, wie das binnen zwölf Monaten umgesetzt werden soll!

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Wenn Sie mir Redezeit geben - gerne!)

Der Klimaschutzrat, den Sie fordern, besetzt mit nur fünf Personen, ist weniger als das, was wir jetzt schon mit dem Energiebeirat im Saarland haben. Was Ihren Vorschlag einer klimaneutralen Landesverwaltung angeht: In der Tat, das kann man anstreben. Dafür braucht man aber nicht unbedingt ein Gesetz.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Nur nichts Konkretes!)

Und am Ende ist es in der Sache auch eine Frage der Berechnungsgrundlagen, die man dafür ansetzen will.

Ich möchte zusammenfassen: Wir wollen auch in Zukunft im Saarland eine aktive und ehrgeizige Klimaschutzpolitik betreiben. Wir wollen aber auch unsere Kraftwerke erhalten und der verarbeitenden Industrie und dem Gewerbe im Saarland eine gute Zukunft geben.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Ja, ist klar! Wir wollen die eierlegende Wollmilchsau!)

Wir weisen zweitens darauf hin, dass die entscheidenden Weichenstellungen für die Klimaschutzpolitik in Berlin vorgenommen werden, dass aber auch in der Wirtschaft, beim Verkehr und bei den privaten Haushalten einschlägige Weichenstellungen vorzunehmen sind. Das von Ihnen vorgelegte Gesetz ist völlig ungeeignet, die von Ihnen selbst angestrebten Wirkungen tatsächlich zu erzielen. Sie schaffen so in erster Linie mehr Bürokratie und höhere Kosten für das Land und die Kommunen. Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.