Protocol of the Session on October 13, 2015

Die Sozialpartner in der Wirtschaft - Arbeitnehmer und Arbeitgeber - haben dafür im Übrigen den Gesetzgeber nicht gebraucht und auch nicht auf ihn gewartet. Im Gegenteil. Wenn ich mir die klassenkämpferischen Debattenbeiträge in der einen oder anderen Debatte vonseiten der LINKEN in diesem Parlament anhöre, dann stelle ich fest: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in diesem Land sind bereits heute viel weiter, als sie sich das vorstellen können. Wer etwas anderes behauptet, der zeichnet ein Zerrbild der gesellschaftlichen Realitäten in unserem Land und zeigt damit nur, wie weit entfernt er heute von der Realität in unseren Unternehmen ist.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Weil das aber so ist, dass es Vieles gibt, was Unterstützung und Verbreitung verdient, erweitert dieser Gesetzentwurf den Anwendungsbereich der sogenannten gemeinsamen Erfüllung des Anspruchs auf Freistellung. Ich finde, wir sollten im Gesetzgebungsverfahren ganz genau darüber nachdenken, ob wir damit nicht auch einen Anreiz für mehr Corporate Social Responsibility schaffen können. Es wäre sicherlich im Interesse der Arbeitnehmer und der Gesellschaft. Auch da sollten wir uns in den

kommenden Wochen und Monaten Freiraum für neue Ideen geben. Damit können wir zeigen, dass wir in diesem Parlament nicht alte ideologische Debatten führen, sondern ganz nah an den realen Entwicklungen in unserer Arbeitswelt sind, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Der dritte Punkt, auf den ich hinweisen will, ist für mich der Schlüssel, nämlich die Entwicklung und Weiterentwicklung einer Weiterbildungskultur in unserem Land. Dieser Gesetzentwurf versucht, dies zu stärken, denn Weiterbildung, wenn sie zur gelebten Kultur wird, braucht weder ein Ministerium noch eine Kammer noch eine Gewerkschaft und auch kein Gesetz.

Meine sehr verehrten unter Damen und Herren, meine Mutter war 40 Jahre lang Unternehmerin und Arbeitgeberin. Ich bin mir sicher, offiziell hat keiner ihrer Angestellten in diesen vier Jahrzehnten jemals einen Tag Weiterbildungsurlaub beantragt. Das war aber auch nicht notwendig, denn wenn im Unternehmen meiner Mutter Weiterbildung auf dem Programm stand, dann hat sie vorher nicht die Industrie- und Handelskammer gefragt, sie hat nicht ins Gesetz geschaut, nicht das Ministerium informiert und sie ist auch nicht von der Bertelsmann-Stiftung dazu befragt worden. Wenn im Unternehmen meiner Mutter Weiterbildung auf dem Programm stand, dann hat sie einen Kuchen gekauft und den Mitarbeitern gesagt: „Heute Nachmittag machen wir keine Termine, heute lernen wir gemeinsam etwas.“

(Oh-Rufe von der LINKEN.)

Das ist die Weiterbildungskultur, die wir in unserem Land brauchen. Dafür müssen wir arbeiten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Da wollen wir auf Platz 1 und nicht in irgendwelchen Statistiken. Lassen Sie uns dafür dieses Gesetz einbringen und darüber diskutieren. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Spre- chen und Lachen bei den Oppositionsfraktionen.)

Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

(Sprechen und Unruhe.)

Entschuldigung, ich sehe, es gibt noch eine Wortmeldung. - Das Wort hat Herr Professor Heinz Bierbaum von der Fraktion DIE LINKE.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Präsidentin! Ich möchte doch einige wenige Anmerkungen machen, insbesondere nach den Ausführungen, die ich zuletzt gehört habe. Zunächst einmal ist festzustellen,

(Abg. Theis (CDU) )

und das will ich auch ganz eindeutig sagen, dass Weiterbildung sich nicht im Bildungsfreistellungsgesetz erschöpft. Natürlich ist Weiterbildung sehr viel umfassender. Es ist in der Tat nur ein Element. Aber es ist ein wichtiges Element, das bisher nicht ausreichend in Anspruch genommen wird. Wir müssen feststellen, dass der Anreiz zu gering ist. Das ist der Punkt. Von daher sind wir der Auffassung, dass das, was hier vorliegt, einfach ungenügend ist. Zwei Tage sind schlicht und einfach zu wenig. Das entspricht auch nicht dem, was in anderen Bundesländern der Fall ist.

(Beifall von der LINKEN.)

Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, gerade weil Sie, Kollege Theis, das Hohelied der Sozialpartnerschaft gesungen haben. Zum Schluss war allerdings von der Sozialpartnerschaft nicht mehr allzu viel übrig, sondern nur noch von der patriarchalischen Unternehmerin.

(Zuruf: Matriarchalische Unternehmerin!)

In dem Fall von der matriarchalischen Unternehmerin. - Ich nehme die Korrektur gerne auf, aber das ist nicht unbedingt, was wir uns vorstellen, was den Anspruch auf Weiterbildung angeht.

(Beifall von der LINKEN.)

Ihre Mutter in allen Ehren, aber das löst das Problem, das wir vor uns haben, nicht. Sie dürfen nicht vergessen, dass das, was Sie als ideologische Debatte bezeichnen - die ja noch nicht einmal geführt worden ist -, eben keine ideologische Debatte ist, sondern Ausdruck von realen Konflikten auch im betrieblichen Alltag.

(Beifall von der LINKEN.)

Wir haben eine Reihe von sozialen Konflikten und Problemen. Wir haben nicht nur Interessenidentität auf Unternehmensebene zwischen der Unternehmerseite und der Arbeitnehmerschaft. Ich könnte Ihnen viele Beispiele nennen. Uns allen ist das Beispiel Whitesell in Beckingen bekannt, wo wir nicht diese Übereinstimmung haben, sondern wo es um harte Interessengegensätze geht, die sich auch ausdrücken. Wir haben das Problem prekärer Arbeit. Wir haben das Problem von Missbrauch von Werkverträgen, wenn ich an bestimmte Dinge denke. Wir haben also eine ganze Reihe von sozialen Konflikten und von unterschiedlichen Interessen. Das ist eben nicht nur Ausdruck von ideologischen Debatten, sondern das sind soziale Konflikte, die wir angehen wollen.

Unsere Aufgabe ist, gesetzliche Grundlagen dafür zu schaffen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Lage versetzt werden, gleichberechtigt zu arbeiten und ihre Rechte in Anspruch nehmen zu können. Das ist zentral. Das kann man nicht einfach

als überkommene klassenkämpferische Darstellungen abtun, sondern es handelt sich um soziale Konflikte in der Gesellschaft selbst, die sich gerade im Betrieb abbilden. Auch wenn dieses Bildungsfreistellungsgesetz nur ein kleines Element ist, so gibt es doch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mehr Rechte, sich selbstbewusst zu entwickeln. Das halte ich für zentral und wichtig. Deswegen sind wir dafür, dass wir darüber debattieren, wie so etwas aussehen soll. Wir sind mit dem Gesetzentwurf nicht zufrieden. Wir sind aber damit zufrieden, eine Debatte darüber zu führen, wie er verbessert werden kann. Das ist der Hintergrund unseres Beitrags. Vielen Dank.

(Beifall von der LINKEN.)

Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr zu überweisen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 15/1527 in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 15/1527 in Erster Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen wurde. Zugestimmt haben die CDU-Fraktion, die SPD-Fraktion sowie die PIRATEN. Dagegen gestimmt hat die Fraktion die LINKE. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich enthalten.

Kolleginnen und Kollegen! Wir treten nun in die Mittagspause ein. Wir unterbrechen die Sitzung bis 13.30 Uhr.

(Die Sitzung wird von 12.26 Uhr bis 13.32 Uhr unterbrochen.)

Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort und kommen zu Punkt 14 der Tagesordnung:

Zweite Lesung des von der Regierung eingebrachten Gesetzes zur Anpassung und Entfristung der Geltungsdauer von Vorschriften des Landesrechts (Drucksache 15/1464)

Zur Berichterstattung über die Beratungen im Ausschuss erteile ich dem Ausschussvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Günter Waluga, das Wort.

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Regierung des Saarlandes zur organisationsrechtlichen Anpassung und Entfristung der Geltungsdauer von Vorschriften des Landesrechts Drucksache 5/1464 wurde vom Plenum in seiner 39. Sitzung am 15. Juli 2015 in Erster Lesung einstimmig, bei Zustimmung aller Fraktionen, angenommen und zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen.

Eine Vielzahl von Landesgesetzen aus den verschiedenen Fachbereichen der Ministerien unterliegt derzeit einer bis zum 31.12.2015 befristeten Geltungsdauer. Die Gesetze, die im vorliegenden Entwurf enthalten sind, werden jeweils landesrechtlich als nicht verzichtbar angesehen und sollen daher vollständig entfristet werden beziehungsweise in einem Fall soll die Befristung bis 2020 verlängert werden.

Der Ausschuss für Inneres und Sport hat auf eine Anhörung verzichtet und empfiehlt das Gesetz einstimmig, bei Enthaltung der PIRATEN-Landtagsfraktion, zur Annahme in Zweiter und letzter Lesung. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Kollege Waluga. Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen sind nicht eingegangen.

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) : Doch!)

Oh, das haben wir übersehen. Die ist nicht bei uns eingegangen.

(Abgeordneter Kessler (B 90/GRÜNE) gibt der Saaldienerin seine Wortmeldung und tritt ans Rednerpult.)

Geben Sie nur in Ruhe ab, Herr Kollege.

(Sprechen. - Abgeordneter Kessler (B 90/GRÜ- NE) kehrt wieder an seinen Platz zurück. - Teilweise Heiterkeit.)

Kein Problem, Herr Kollege Kessler.

(Zurufe.)

Wir hatten jetzt den Punkt 14: Zweite Lesung zur Anpassung und Entfristung der Geltungsdauer von Vorschriften des Landesrechts. Noch mal: Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfs Drucksache 15/1464 in Zweiter und letzter Lesung ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf 15/1464 in

Zweiter und letzter Lesung einstimmig angenommen ist. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen, die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, enthalten hat sich die PIRATENFraktion.

Wir kommen zu Punkt 15 der Tagesordnung:

Zweite Lesung des von der Regierung eingebrachten Gesetzes zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drucksache 15/1442) (Abände- rungsanträge: Drucksachen 15/1545 und 15/1547)