die Flüchtlingsströme nicht eindämmen können. Es war natürlich ein innenpolitisches Signal. Das war ein Signal nach Europa, aber ich glaube, es war zu teuer erkauft. Wir müssen schnell wieder davon wegkommen, den Schengen-Raum wieder reparieren und die Grenzen öffnen. Das ist unsere Verpflichtung als Europäer!
Wie gesagt, ich möchte nicht als zynisch verstanden werden und auch nicht kleinreden, was diese Menschen durchmachen, die zu uns kommen. Aber diese Menschen zu empfangen, ist eben auch in unserem ureigenen Interesse. Der „Economist“ hat getitelt, Europa sollte mehr Wirtschaftsflüchtlinge aufnehmen, zum Nutzen der Welt und zum eigenen Nutzen. Warum zum eigenen Nutzen? Europa steuert auf eine demografische Katastrophe zu. Das ist ein Fakt. Das Saarland spielt da ganz vorne mit. Wir haben zu wenige junge Menschen. Wir haben zu viele alte Menschen. Wir haben ein zu geringes Wachstum. Wir haben zu wenig Innovation, weil uns diese frischen Ideen ausgehen. Die größte Gefahr für den Wohlstand und die Stabilität in Europa sind keine Flüchtlinge, die zu uns kommen. Die größte Gefahr für Wohlstand und Stabilität in Europa ist diese demografische Katastrophe, auf die wir zurollen.
Die Menschen, die heute an unseren Grenzen stehen, sind eben der Schlüssel dazu, um aus dieser Abwärtsspirale auszusteigen. Früher oder später werden dies auch immer mehr politisch Verantwortliche in Europa akzeptieren, begreifen und auf die politische Agenda setzen. Deshalb sollten wir das Saarland jetzt schon für den kommenden Wettbewerb um Zuwanderer aufstellen. Dann wird es darum gehen, wer die Leute kriegt.
Wir als PIRATEN haben das Ziel formuliert, wir wollen bis 2030 1,3 Millionen Saarländer werden. Das würde bedeuten, 400.000 Menschen müssten in den nächsten 15 Jahren zu uns hinzukommen für ein gemeinsames Wachstum, damit Schulen gebaut und nicht geschlossen werden, damit Lasten in der Zukunft wieder auf mehr Schultern verteilt und Spielräume für Investitionen gewonnen werden, denn diese Menschen werden später hier ihre Steuern zahlen.
Das wird nicht einfach. Das wird verdammt schwierig, wenn wir dieses Ziel angehen wollen. Aber ich bin davon überzeugt, dass es eine Chance ist, diese Zukunft gemeinsam mit all den armen Menschen zu meistern, die jetzt auf dem Weg hierher sind und denen wir eine neue Heimat bieten können, damit sie ihr Leben gestalten und selbst in die Hand nehmen können und mit uns zusammen wachsen.
Es kann gelingen, wenn wir alle daran arbeiten. Dazu gehören Dinge wie schnelle und faire Anerkennungsverfahren. Da muss es auch einmal „im Zweifel für den Antragsteller“ heißen. Ich muss nicht bis zuletzt prüfen, ob das wirklich gerechtfertigt ist. Im Zweifel kann man auch einmal in der Richtung fünf gerade sein lassen.
Wir brauchen die Integration in zwei Richtungen: Heimat geben und Spaltung überwinden. Wir müssen aber auch den Drive nutzen, den uns das bietet. Es ist der Drive, der auch in diesem Land zu spüren ist, die Probleme einfach einmal anzugehen, Bürokratie abzubauen, Vorschriften auszumisten. Vielleicht wird es in diesem Land auch wieder einmal möglich, einen Flughafen zu bauen. Das wäre auch einmal schön!
Ich freue mich auf 1,3 Millionen Saarländer im Jahr 2030. Ich weiß aber auch, dass viele Menschen da draußen Angst haben. Diesen Ängsten - das haben wir auch schon gehört - müssen wir begegnen. Wir müssen dem ein positives Bild entgegensetzen. Wir müssen zeigen, ja, es ist toll, wenn man als Land wieder wächst. Das gibt uns ganz neue Chancen und Möglichkeiten. Dieses positive Bild müssen wir ausnutzen, um diesen Ängsten entgegenzutreten. Das wird vermutlich die schwierigste Aufgabe werden.
Politisch wird es die schwierigste Aufgabe werden, die Spaltung in unserer Gesellschaft zu überwinden, die Ängstlichen mitzunehmen und zu einer gemeinsamen Zukunft zu finden. Wir als Saarländer haben bisher eine gute Arbeit geleistet. Ich möchte nicht der Einzige sein, der dem Innenminister nicht dazu gratuliert, aber er weiß auch, dass ich seine Arbeit in der Richtung schätze.
Ich komme zum Ende. - Wir als Saarländer bauen auch an dem Fundament dieser neuen Freiheitsstatue, die wir Europäer auf Lampedusa errichten sollten. Ich glaube, wir machen bisher einen guten Job, aber wir müssen dranbleiben und noch besser werden. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Das Wort hat nun die Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr Anke Rehlinger.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der Zahl und der Massivität des Zustroms kann man sicherlich sagen, dass die Flüchtlingsfrage eine der größten Herausforderungen, wenn nicht die größte Herausforderung seit der deutschen Wiedervereinigung ist, mit der wir uns in der Gesellschaft und in der Politik dieser Tage zu beschäftigen haben. Die Dimension dieser Herausforderung bildet sich ab, indem wir sagen, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.
Das heißt, alle Gruppen, im Grunde genommen jeder Einzelne in unserer Gesellschaft, tragen dabei Verantwortung. Aber es ist auch eine gesamtstaatliche Aufgabe, das heißt, alle Ebenen von Bund, Länder und Kommunen haben daran mitzuwirken. Es ist ganz sicherlich mehr als nur eine administrative Aufgabe. Das ist die Pflicht, die wir zu erledigen haben. Aber zum guten Gelingen wird sehr viel mehr gehören.
Für die Menschen, die hierher kommen, ist unser Land das Ziel ihrer großen Hoffnungen, Hoffnungen auf Freiheit und Sicherheit. Sie fliehen vor Verfolgung und Krieg in ihren Ländern. Sie wollen eine bessere und eine friedlichere Gesellschaft, in der Gerechtigkeit und Solidarität real und an der Tagesordnung sind. Die Flüchtlinge bauen in diesem Zusammenhang auf unsere Grundwerte. Ich finde, ohne dass man das allzu emotional machen sollte, gehört es dazu - weil es uns in diesen Stunden und Tagen an die Grenzen dessen führt, was wir als leistbar erachten -, in Erinnerung zu rufen, dass das ungeahnte Ausmaß an Hilfsbereitschaft, Mitgefühl, Nächstenliebe, Empathie oder einfach schlicht nur Freundlichkeit, das wir in den letzten Tagen und Wochen in Deutschland, vor allem aber hier bei uns im Saarland erleben durften, eine besondere Dimension hat und dass es ein Gesicht von Deutschland und vom Saarland ist, das uns alle miteinander unglaublich stolz machen sollte, denn das ist das Gesicht von der Gesellschaft, die wir in Deutschland gelebt wissen wollen.
Das sollte uns unglaublich dankbar machen. Es stimmt, das haben alle gesagt, aber ich finde, das kann man an der Stelle nicht oft genug sagen: Danke an alle, die in den letzten Wochen ihren Beitrag zu diesem positiven Bild geleistet haben! Selbstverständlich, diejenigen in den Hilfsorganisationen, die in Lebach täglich an ihre Belastungsgrenzen gegangen sind, haben viel von dem, was sie dort erlebt haben, mit heim genommen. Viel von dem hat sie sicherlich sehr belastet. Es sind die Menschen in unserem Land, die Geld sammeln, Menschen, die Kleider und Decken bringen. Es sind die Menschen in unseren Kommunen und in ehrenamtlichen Flüchtlingsorganisationen, die sich dort einbringen, sei es,
indem sie die Behördengänge begleiten, sei es, indem sie Arztbesuche begleiten, oder schlicht und ergreifend nur helfen, eine Deckenlampe aufzuhängen, oder ganz spontan einmal einen kleinen Sprachunterricht in ihrem Garten organisieren oder aber auch eine Kuchenbackaktion veranstalten, um Willkommen in der Erstaufnahmestelle Lebach zu sagen. All das sind Menschen, die das Gesicht unserer Gesellschaft ausmachen. All das sind die Menschen, denen wir unseren Dank schulden. Ich finde, es sind wunderbare, große und kleine Gesten der Menschlichkeit, für die man an dieser Stelle einfach nur dankbar sein muss.
Dieses Gesicht haben nicht nur wir hier wahrzunehmen. Dieses Gesicht wird auch von außen wahrgenommen. Ich glaube, wir sind nach einer Geschichte in Deutschland von Krieg, Flucht und Vertreibung ein Ort der Zuflucht und der Hoffnung geworden. Hans-Dietrich Genscher hat gesagt, ja, unser Volk ist ein Volk des guten Beispiels geworden. Auch auf diese neue Sicht auf Deutschland können wir stolz sein. Wir müssen diesen Weg weitergehen. Wir wissen jetzt schon, dass dieser Weg in Zukunft ein steiniger sein wird. Er wird noch schwieriger sein als das, was wir bisher zurückgelegt haben, denn die große Aufgabe der Integration, die Aufgabe, aus Flüchtlingen Neubürger zu machen, liegt noch vor uns. Wie das letztendliche Gesicht in Deutschland und im Saarland sein wird, das wissen wir zum heutigen Tage noch nicht. Es kann sich sehr schnell ändern und deshalb ist jeder gut beraten, vor allem dann, wenn er Verantwortung trägt, darüber nachzudenken, wie er formuliert, damit sich dieses Gesicht letzten Endes nicht zum Negativen hin ändern wird.
Viele Bilder der letzten Wochen haben uns emotional berührt, sie haben uns betroffen und manchmal auch wütend oder unendlich traurig gemacht. Die gekenterten, überfüllten Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer, ein am Straßenrand geparkter Kühllaster, in dem mehr als 70 Flüchtlinge auf grausame Art und Weise ihr Leben lassen mussten oder zuletzt auch der an den Strand der türkischen Küste gespülte, leblose Körper des dreijährigen Ailan Kurdi, das alles waren Bilder, die uns ganz sicher nicht mehr loslassen werden und die auch, wie ich finde, in unserer Gesellschaft eine unglaubliche Wucht entfaltet haben. Sie machen aber auch deutlich, welche Verantwortung wir für diese Menschen hier bei uns im Saarland, in Deutschland, aber eben auch in Europa insgesamt haben. Wenn man dann sieht, dass es offensichtlich doch noch Teile in Europa gibt, die sich selbst durch solche furchtbaren Bilder nicht angesprochen fühlen und sich nicht ihrer Verantwortung stellen, dann kann das einen letztendlich nur wütend machen. Ich sage, die Handlungsunfä
higkeit der europäischen Staatengemeinschaft hin zu einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingsund Asylpolitik bis hin zur Verweigerungshaltung nicht weniger europäischer Nationalstaaten kann und darf von uns nicht hingenommen werden.
Europa darf sich nicht nur handlungsfähig zeigen, wenn es um die Rettung der Banken und Finanzmärkte geht. Europa hat sich immer dann zu bewähren, wenn es tatsächlich um Menschen geht. Das Europa der Menschen muss mehr sein als nur eine Transferunion. Europa ist ein Versprechen auf Wohlstand, Frieden und auch Solidarität. Ich glaube nicht, dass unser Beitrag für Europa jetzt wirklich der sein sollte - gerade auch im dreißigjährigen Bestehen des Schengener Abkommens -, dass die Schlagbäume wieder runtergelassen werden. Ich glaube, dass tatsächlich auch diese Frage der Flüchtlingsproblematik eine echte Bewährungsprobe für die Europäische Union ist. Es geht um die Frage, ob es noch ein gemeinsames, solidarisches, wertegetragenes Grundverständnis der Staatengemeinschaft gibt oder ob es einige tatsächlich nur noch als Transferunion betrachten.
Wir hier in Deutschland haben gesagt, dass wir den an uns adressierten Herausforderungen und der an uns adressierten Verantwortung gerecht werden, aber wir können es nicht alleine schaffen. Wir brauchen deshalb eine faire und feste Verteilungsquote. Jetzt kann man sagen, dass das, was gestern die EU-Innenminister beschlossen haben, ein Schritt in die richtige Richtung ist. Ich würde mal kommentieren, dass es allenfalls ein Schrittchen war. Wenn wir uns die Mehrheitsverhältnisse anschauen, dann kann und darf uns das nicht zufriedenstellen, sondern da muss sehr viel mehr kommen, denn Solidarität ist keine Einbahnstraße. Auch ich sage, wir müssen prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, bei denen Druck auszuüben, die das Verständnis von Solidarität nicht in dem erforderlichen Ausmaß mitbringen. Ich sage deutlich, die sollten in Zukunft nicht allzu sehr darauf hoffen, dass das Geld immer automatisch fließt, und zwar nur in die eine Richtung. Das ist nicht das Europa, das wir brauchen, das ist auch nicht das Europa der Menschen und es wird uns auch nicht voranbringen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir hier sammeln Kleider und die anderen rollen Stacheldraht aus, das kann nicht die europäische Flüchtlingspolitik sein. So darf sie sich nicht weiterentwickeln, denn sonst werden wir tatsächlich von einer Flüchtlingswelle in Deutschland überrollt werden. Ich sage auch voraus, dass dann die Europäi
sche Union ins Wanken geraten wird, das sollten alle wissen, die jetzt überall mit an den Tischen sitzen.
Wenn ich eben von den bewegenden Bildern der Welle der Hilfsbereitschaft gesprochen habe, dann gehört zur Realität auch dazu, dass es in den letzten Tagen und Wochen auch hässliche Bilder gegeben hat. Demonstrationen vor Asylbewerberheimen, Brandanschläge, unerträgliche - auf Neudeutsch Posts in den sozialen Netzwerken. Ich glaube, auch da sind wir zumindest in diesem Hause - und ich hoffe, dass es weit darüber hinausgeht - einig, dass es darauf nur eine Antwort geben kann: Keine Handbreit für den rechten Mob und für fremdenfeindliche Parolen, dafür ist in unserer Gesellschaft kein Platz. Jeder Angriff auf eine Flüchtlingsunterkunft ist auch ein Angriff auf unsere Gesellschaft. Die Täter müssen mit aller Härte des Gesetzes zur Rechenschaft gezogen werden. Wir dürfen die Straßen und das Netz nicht den Hetzern und Rechtsextremen überlassen. Da sind wir alle gefragt, der Staat wie auch die Gesellschaft.
Was aber nicht heißt, dass wir die berechtigten Sorgen und Bedenken von Bürgerinnen und Bürgern nicht ernst nehmen, ganz im Gegenteil. Ja, die Gesellschaft ist hin- und hergerissen zwischen Hilfsbereitschaft, Hilfslosigkeit, Abwehr und Angst. Und ja, ich habe auch dafür großes Verständnis, denn keiner weiß so recht, wie die Zukunft aussehen wird. Wir erleben im Moment einen Härtetest für unsere Willkommenskultur und dieser Test wird noch schwieriger werden. Menschen mit berechtigten Sorgen dürfen wir nicht alleine lassen. Wir müssen unsere Gesellschaft zusammenhalten und für Akzeptanz werben. Diesen Satz kann jeder formulieren, die Frage ist, wie der Fließtext unter dieser Überschrift lautet. Wir müssen dazu zumindest einmal in einem ersten Schritt deutlich machen, dass wir für die Flüchtlinge da sind, dass wir aber auch da sind für die, die bereits in Deutschland leben und unsere Unterstützung brauchen. Wir dürfen nicht in die Situation kommen, dass die Menschen in Deutschland sagen: Für die Flüchtlinge ist Geld da, aber für uns ist kein Geld da. Das muss vermieden werden. Deshalb muss man auch deutlich sagen, dass es zusätzliches Geld geben muss, wenn es zusätzliche neue Aufgaben und Bedarfe gibt, um diese zu erfüllen. Integration zum Nulltarif ist zum Scheitern verurteilt, wir dürfen allerdings bei der Integration nicht scheitern, denn sonst scheitert unsere Gesellschaft.
Deshalb muss das praktische Konsequenzen für die Haushalte haben, auch für den Bundeshaushalt. Ja, wir haben die schwarze Null. Im Sinne von Generationengerechtigkeit ist es auch richtig, das alles zu diskutieren, aber wir haben jetzt veränderte Rah
menbedingungen. Deshalb muss sich im Bundeshaushalt einiges ändern. Es wird sich auch im Landeshaushalt einiges bewegen. Die Welt ist nicht mehr die gleiche wie vor einem halben Jahr. Es muss sich auch im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit Bewegung ergeben, denn dort wird beim Thema „Integration in den Arbeitsmarkt “einiges zu leisten sein. Ich rege allerdings jetzt schon an, darüber nachzudenken, wer zum Beispiel den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit finanziert, denn Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und wird am Ende des Tages nicht allein von den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern zu finanzieren sein, sondern von der gesamten Gesellschaft. Deshalb müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Steuermittel dafür verwendet werden und nicht nur abhängig Beschäftigte zur Finanzierung herangezogen werden, auch das sei an der Stelle einmal gesagt.
Die Ministerpräsidentin hat es gesagt: Die Forderungen der Länder gegenüber dem Bund sind klar und deutlich artikuliert worden. Dynamisch, strukturell und dauerhaft muss die Unterstützung auch sein. Ich sage es an der Stelle auch noch einmal, weil ich es öffentlich formuliert habe: Für den Fall, dass der Bund uns nicht ausreichend unter die Arme greift, wird das schwierig werden, auch mit der Einhaltung der Schuldenbremse in diesem Land. Deshalb muss man, wenn man A sagt, auch B sagen und darf die Länder und Kommunen mit dieser großen Herausforderung nicht alleine lassen. Diejenigen, die die Möglichkeit haben, insbesondere auf der Einnahmeseite zu reagieren, müssen es tun. Sie müssen es tun im Sinne der Länder, denen sie auch die Vorgabe gemacht haben. Deshalb ist der Bund an dieser Stelle zu allererst gefordert, den Ländern und Kommunen zu helfen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Der erste Akt der Flüchtlingsbetreuung heißt Erstversorgung. Darüber ist eben gesprochen worden. Der Innenminister wird dazu sicherlich noch selbst das Wort ergreifen. Dieser Akt ist in diesem Land gut gelungen, auch das ist dankenswerterweise von allen anerkannt worden, mit viel Improvisation, mit viel Herz und Tatkraft. Insofern ein herzliches Dankeschön an alle, die daran mitgewirkt haben. Natürlich dem Minister, aber auch seinem Staatssekretär Christian Seel und den vielen Helfern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dort unterwegs waren. Es ist aber auch klar, dass diesem ersten Akt ein zweiter Akt folgen muss, und der heißt: Integration, Integration und nochmals Integration. Ich sage, wir können das schaffen. Der Satz ist in diesen Tagen nicht ganz neu, aber wir sollten ihn verinnerlichen. Wir können es vor allem dann schaffen, wenn
wir zwei Dinge beherzigen, nämlich erstens ein notwendiges Maß an Zuversicht walten zu lassen, zweitens aber auch ein notwendiges Maß an Realitätssinn. Zuversicht deshalb, weil wir ein starkes Land sind, und Realismus im Sinne von praktischer Vernunft.
In dem Zusammenhang müssen ein paar Dinge ausgesprochen werden, die uns vielleicht nicht so lieb sind, die aber dazugehören. Und da ist als Wahrheit auch auszusprechen, dass wir vielen eine Heimat bieten können, aber wir können in dieser Massivität und in dieser Geschwindigkeit nicht allen eine Heimat bieten. Menschen, die aus Ländern kommen, wo man zurzeit nicht unter Verfolgung und Krieg leidet, werden wir unter diesen Bedingungen - auch wenn sie eine berechtigte Motivation haben, ihr Land zu verlassen, weil sie dort perspektivlos sind zügig wieder ausweisen müssen. Sie werden unser Land wieder verlassen müssen, damit wir die notwendigen Ressourcen haben, um uns um die zu kümmern, die in unserem Land tatsächlich asylberechtigt sind. Denn eines ist klar: Das Asylrecht steht - und daran darf auch insbesondere angesichts unserer Geschichte nicht gerüttelt werden -, aber der Traum vom besseren Leben, so nachvollziehbar er auch ist, ist kein Asylgrund.
Und um auf die Frage zu antworten, welche Gründe es sonst noch geben mag, um in unser Land zu kommen, und ob wir daran vielleicht auch ein Interesse haben: Dazu braucht man etwas anderes als ein Asylrecht. Dazu brauche ich ein Zuwanderungsrecht. Auch das ist eine Frage, die zwar jetzt nicht im Vordergrund steht, weil wir uns noch im Krisenmodus befinden, die aber irgendwann wieder auf die Tagesordnung kommen muss. Richard von Weizsäcker hat den Unterschied zwischen Asylrecht und Einwanderungsrecht außerordentlich zutreffend beschrieben, indem er gesagt hat: Das Asylrecht ist für die, die uns brauchen. Das Einwanderungsrecht ist für die, die wir brauchen. In diesem Sinne müssen wir die beiden Rechtskreise voneinander trennen. In diesem Sinne bekommt der eine das Recht und der andere die Möglichkeit eingeräumt, und nach diesem Motto sollten wir auch zukünftig verfahren, denn sonst überfordern wir unser Asylrecht und nehmen denjenigen die Möglichkeiten, die ansonsten keine Chance haben, in dieses Land zu kommen. Dieser Ausdruck trifft die Debatte am besten, meine sehr verehrten Damen und Herren, und deshalb sollten wir das eine von dem anderen trennen.
Ich sage es nur, weil es einmal kurz aufgeflackert ist: Eine Kontingentierung des Asylrechts verbietet sich schon aus verfassungsrechtlichen Gründen. Das ist aber auch nicht mehr weiter verfolgt worden.