Protocol of the Session on May 23, 2012

(Beifall von der LINKEN.)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Fall hat natürlich nicht nur moralische und politische Aspekte, sondern er hat auch materielle Folgen, und zwar erhebliche finanzielle Folgen. Er bedeutet, dass die Partei finanziell geschädigt wird, aus der die Abgeordnete ausgetreten ist und von wo sie das Mandat mitgenommen hat, bevor der Landtag sich konstituiert hat. Das ist der entscheidende Punkt. Diesen Punkt aber können und wollen wir regeln. Ich bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen, schon vor dem Hintergrund, dass das, was uns als Fraktion DIE LINKE passiert ist, Ihnen allen auch passieren kann. Durch eine solche Regelung kann solchen Vorgängen, die wirklich einmalig sind, wirksam ein Riegel vorgeschoben werden. Ich bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen, der sicherlich nur die materiellen Folgen dieses Vorgangs regeln kann. Von den moralischen und politischen Aspekten ist hier ganz zu schweigen. Ich wiederhole: Ich halte das für einen Fall von Wahlbetrug und von moralischer Verkommenheit, wie er bisher kein Beispiel hat. - Vielen Dank.

(Beifall von der LINKEN.)

Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat für die SPD-Fraktion Herr Abgeordneter Reinhold Jost.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abscheu und Empörung, Skrupellosigkeit, Mangel an politischer Moral - wenn man so will, haben wir das breitgefächerte Repertoire der Entrüstung zur Begründung eines Antrages zur Änderung des Fraktionsrechtsstellungsgesetzes gehört. Es gibt aber überhaupt keinen Änderungsbedarf. Es geht der Partei DIE LINKE um zwei Dinge. Zum einen um die Aufarbeitung und darum, ihr Mütchen zu kühlen, wegen der aus ihrer Sicht - wie Sie gesagt haben - skrupellosen und an Mangel an politischer Moral nicht mehr zu überbietenden Tatsache, dass eine Abgeordnete, die über Ihre Liste gewählt

ist, nicht mehr bereit war, für diese Partei im Landtag zu sitzen.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Noch vor der Konstituierung!)

Zum Zweiten, Kollege Linsler, und das ist wahrscheinlich der entscheidende Punkt, geht es Ihnen um den schnöden Mammon. Es geht Ihnen ums Geld.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. Linsler (DIE LINKE) : Das steht uns zu. - Abg. Lafontaine (DIE LINKE): So eine Dreistigkeit!)

Herr Kollege Lafontaine, die Dreistigkeit ergibt sich durch das Lesen Ihres Antrages. Der ist in der Tat dreist. Sie wollen das Fraktionsrechtsstellungsgesetz hinsichtlich der Finanzierung ändern. Es geht um Paragraf 5.

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) : Der Betrug wird sanktioniert.)

Herr Kollege Lafontaine, vielleicht sollten Sie auch das einmal lesen. Sie sollten nicht nur das lesen, was über Sie geschrieben wird, sondern auch Ihre Anträge. Schließlich sind Sie Fraktionsvorsitzender. Sie sollten lesen, was man beschließt.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. La- fontaine (DIE LINKE) : Komm, hör auf!)

Ja, der Spruch kommt immer dann, wenn er sich getroffen fühlt. - Bei Paragraf 5, den Sie ändern wollen, geht es nicht um Moral oder die Aufhebung von Skrupellosigkeit.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Es geht um Betrug. Nur darum geht es.)

Bei Paragraf 5 des Fraktionsrechtsstellungsgesetzes geht es auch nicht um Betrug, Kollege Linsler.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Doch. Sie hat vor dem Wahlkampf bei euch geholfen. Sie hat gewusst, dass sie geht. - Weitere Zurufe von der LINKEN.)

Auch hier ist das Nachlesen des Fraktionsrechtsstellungsgesetzes nicht hinderlich, sondern förderlich. Paragraf 5 des Fraktionsrechtsstellungsgesetzes regelt die Geld- und Sachleistungen. Geld- und Sachleistungen ist das, was Sie im Blick haben. Deswegen noch einmal: Es geht Ihnen um den schnöden Mammon, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Zuruf von der LINKEN: Und Sie bekommen etwas, was Ihnen nicht zusteht. - Unruhe bei der LINKEN.)

Geldleistungen, heißt es dort, setzen sich zusammen aus einem Grundbetrag für jede Fraktion, aus einem Betrag für jedes Mitglied und einem Zuschlag für jede Fraktion, die nicht die Landesregierung trägt. - Sie wollen die Kohle, nichts anderes. Das garnieren Sie mit Empörung. Ich sage Ihnen, das ist

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

genauso billig wie manche andere Tour, die Sie hier gefahren haben.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. Kugler (DIE LINKE) : Sie tun das! Sie wollen die Kohle! - Weitere Zurufe von der LINKEN.)

Ich bin dem Kollegen Professor Bierbaum nachgerade dankbar, dass er es angesprochen hat. Denn es gab ähnliche Fälle. Man muss sich einmal anschauen, wie wer reagiert hat. Ich will Ihnen einige Zitate nennen und damit unter Beweis stellen, dass der Vorwurf der Skrupellosigkeit, der angebliche Mangel an politischer Moral, Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei, manchmal als Vorwurf auf sich selbst zurückfällt. Und dann bleiben nicht mehr als Verlogenheit und Heuchelei übrig.

Diese Eigenartigkeit - wie es der Kollege Bierbaum eben formuliert hat - unserer Gesichtsausdrücke geht wahrscheinlich auch auf die Heuchelei bei der Begründung zurück, die wir hier hören. In der Saarbrücker Zeitung war Anfang August 2007 nachzulesen: Linkspartei-Boss Oskar Lafontaine - damals noch in dem jungen Alter von 63 Jahren - ist es gelungen, die ehemalige GRÜNEN-Abgeordnete Barbara Spaniol zum Wechsel in seine Partei zu bewegen. Am Montag, dem 06. August präsentierte er sie stolz auf einer Pressekonferenz als neues Mitglied der Linkspartei.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Das ist nicht vergleichbar! - Lautes Lachen bei den Regierungsfraktionen.)

Das mag ja sein, dass es aus Ihrer Sicht nicht vergleichbar ist.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Sie hat zumindest die Konstituierung abgewartet!)

Aber auch wenn es für Sie nicht vergleichbar war, möchte ich Ihnen vorlesen, was die taz geschrieben hat: „Lafontaine jedenfalls strahlte bei der Vorstellung seiner neuen Vorzeigefrau.“

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Wie der Pauluhn - nur hatte er kein schlechtes Gewissen dabei! - Vereinzelt Lachen.)

Kollege Linsler, es kommt noch besser. „Der große Bellheim von der Saar“ titelte die Saarbrücker Zeitung vom 11. August 2007. Da spielen Sie auch eine Rolle, Kollege Linsler. „Wie Lafontaine die Überläufer Rolf Linsler und Barbara Spaniol präsentierte, war bühnenreif, chapeau!“, schreibt die Saarbrücker Zeitung. „Inklusive des großen Zähneknirschens bei Saar-SPD und Grünen. Davon abgesehen lässt dieser Streich Lafontaine wohl die Herzen vieler hierzulande zufliegen. Die eigenen Leute werden sagen: ‚De Oskar hat’s denne mo widder gezeid!’ (...).“ So weit zur Begründung für die Überläufer Rolf Linsler

vielleicht kennen Sie den - und der Kollegin Barbara Spaniol.

(Abg. Kugler (DIE LINKE) : Damals wurde keine Fraktion geschädigt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Skrupellosigkeit und Mangel an politischer Moral haben Sie uns vorgeworfen. Übrig geblieben ist nicht mehr als Verlogenheit und Heuchelei Ihrerseits. Ich kann nachvollziehen, dass das wehtut. Aber ich kann Ihnen auch eines sagen: Irgendwann muss man damit leben können, und ich gehe davon aus, dass das auch Ihnen gelingen wird, gelingen muss. Ansonsten, denke ich, kriegt man es davon „an die Gall“, und das wünschen wir niemandem.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will auf den zweiten Punkt noch einmal zurückkommen, das eigentliche Kernthema des Antrages der Partei der LINKEN, nämlich den schnöden Mammon. Sie haben vor, die entsprechende Fraktionsrechtsstellungsgesetzesregelung zu ändern. Sie wollen das Geld der von Ihnen leider nicht mehr in der Fraktion befindlichen Kollegin. Da mache ich Ihnen einen Vorschlag. Wenn Sie es damit ernst meinen, dann gehen Sie zu allererst einmal in sich, machen einmal die Rechnung auf, was Sie beispielsweise noch aus den Jahren 2007 bis 2009 den Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu zahlen haben. Wir haben uns einmal die Mühe gemacht: Das sind über 70.000 Euro. Wenn man es verzinst, sind wir bei 80.000 Euro.

(Zuruf des Abgeordneten Lafontaine (DIE LIN- KE).)

Aber ich denke, das können Sie aus Ihren Rücklagen relativ gut finanzieren. Nach dem, was uns vorliegt, hatten Sie ja am 31.12.2010 noch Rücklagen von 502.000 Euro. Wenn es denn nicht um den schnöden Mammon ginge, hätten Sie das Gesetz so nicht einbringen müssen. Ich sage es noch einmal: Was Sie hier abziehen, ist in vielerlei Hinsicht eine billige Nummer. Sie werfen anderen vor, sie seien skrupellos und hätten keine politische Moral.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Wer hat denn die 70.000 Euro damals bekommen? - Weitere Zurufe von der LINKEN.)

Ich stelle fest, die Verlogenheit und Heuchelei hat einen festen Sitz in diesem Parlament, und wir wissen, wo der ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat für die Fraktion der PIRATEN die Abgeordnete Jasmin Maurer. Es ist - ich weise darauf hin - ihre Jungfernrede.

(Zurufe und Heiterkeit.)

(Abg. Jost (SPD) )

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich für die Erteilung des Wortes. Da es meine erste Rede ist, weiß ich noch nicht genau, welches die richtige Höhe für das Pult ist. Ich bitte, das zu entschuldigen.

Ich denke, es ist wichtig, dass man als neutrale Partei, als Partei, die nicht betroffen ist, ein paar Worte zu dem Thema sagt. Wenn ich mir den Antrag der LINKEN durchlese, frage ich mich: Um was geht es? Geht es um Rache oder eine Moralpredigt? Oder geht es wirklich um einen Ausgleich des finanziellen Schadens? - Ich glaube, man muss das Ganze nüchtern betrachten. Ich gehe davon aus, dass wir uns alle einig sind, dass niemand gerne einem Angestellten kündigt, weil der Fraktion Geld fehlt, weil sie nicht mehr das Geld hat, um alle Angestellten zu beschäftigen - was ja durch den finanziellen Schaden so entstanden ist.

Aber betrachten wir das Ganze einmal aus der anderen Richtung: Was wäre denn jetzt, wenn aus einer größeren Fraktion jemand in eine kleinere Fraktion eintritt? Dann würde, wenn man das Gesetz annehmen würde, das Geld bei der größeren Fraktion bleiben, was bedeuten würde: Die kleinere Fraktion hätte dann zwar mehr Abgeordnete, bekäme aber auch nicht das Geld. Würde man dann das Gesetz erneut ändern wollen?, frage ich mich an dieser Stelle.

Der Fehler liegt meiner Meinung nach nicht im Gesetz, sondern an der Partei, die diese Person auf die Liste genommen hat. Ob es moralisch richtig oder falsch ist, was die entsprechende Abgeordnete gemacht hat, ist eine ganz andere Frage. Ich denke, das muss sie mit ihrem Gewissen vereinbaren können, vielleicht sogar mit Gott, wenn sie möchte. Aber hier ist nicht die richtige Stelle, um über Moral zu urteilen.

Abschließend möchte ich sagen: Das Mandat gehört der gewählten Person, sie bekommt es vom Volk, nicht von einer Fraktion oder Partei. Ich wiederhole mich, ich weiß, aber es war dann eben ein Fehler, diese Person auf die Liste zu nehmen. Ob sie in der anderen Partei in Zukunft noch einmal auf eine Liste kommt, weiß man nicht. - Das war’s von meiner Seite dazu, nur als kleiner Gedankenanstoß.

(Beifall.)

Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen, ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Es ist vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung zu überweisen. Wer für die