Protocol of the Session on April 22, 2015

Vielen Dank. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat die Abgeordnete Gisela Kolb von der SPD-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da der Bildungsminister den vorliegenden Gesetzentwurf schon umfangreich begründet hat, will ich davon absehen, diese Begründung hier noch einmal zu geben, zumal auch schon Frau Maurer gesagt hat, dass die PIRATEN diesem Gesetzentwurf zustimmen werden. Ich werde jetzt also nur noch kurz begründen, warum wir den Antrag der PIRATEN-Landtagsfraktion ablehnen.

Die PIRATEN-Fraktion schreibt in ihrem Antrag, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „Die saarländischen Sonderregeln müssen daher an das Gesetz über die religiöse Kindererziehung angepasst werden.“ Man kann politisch darüber reden, dazu komme ich noch, aber diese Regelungen müssen nicht angepasst werden. Es gibt keinen Zwang dazu. Wenn Sie mir nicht glauben, zitiere ich aus dem Kommentar von Wendt/Rixecker zur saarländischen Verfassung: „Infolge seiner Eigenschaft als ordentliches Lehrfach ist der Religionsunterricht grundsätzlich für alle Schüler, die der betreffenden Religionsgemeinschaft angehören, verbindlich. Die Teilnahme kann aber laut Artikel 29 Absatz 2 abgelehnt werden. Das Ablehnungsrecht steht danach bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres den Eltern, später den Schülern selbst zu. Diese Regelung weicht von derjenigen des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung ab.“ Dieses Gesetz ist übrigens vom 15.7.1921. Ja, Sie hören richtig, ich habe mich nicht versprochen, das Gesetz ist schon so alt. Weiter heißt es im Kommentar, dass laut diesem Gesetz über die religiöse Kindererziehung „ein junger Mensch nach Vollendung des zwölften Lebensjahres nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden darf und nach Vollendung des 14. Lebensjahres allein über seine Teilnahme am Religionsunterricht entscheidet.“ Das neuere Gesetz, das Sie angesprochen haben, beruht also auf dem alten Gesetz. Ich zitiere weiter aus dem Kommentar: „Da die saarländische Vorschrift schon ursprünglich in der Landesverfassung enthalten war, handelt es sich um Recht, das auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes früheres Reichsrecht abgeändert hat. Es ist daher gemäß Artikel 125 Nummer 2 GG partielles, auf das Saarland beschränktes Bundesrecht geworden.“ Wir müssen also nicht abändern, wir könnten abändern, wenn es eine politische Mehrheit dafür gibt. Ich glaube aber, es ist der Wertschätzung dieses Parlamentes und der Wertschätzung unserer Verfassung angemessen, wenn wir über verfassungs

ändernde Anträge nicht entscheiden, wenn sie erst am Abend des Vortages der Plenarsitzung den Fraktionen zu gehen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Diesen Umgang sollten wir uns hier im Parlament nicht zu eigen machen. Wir haben heute schon auf eine Geschäftsordnungsdebatte verzichtet. Wir hätten statt einer inhaltlichen Debatte eine Geschäftsordnungsdebatte darüber führen können, ob es überhaupt möglich ist, dass korrespondierende Anträge zu Gesetzesänderungen nach der Tagung des Präsidiums eingebracht werden. Auf diese Geschäftsordnungsdebatte haben wir also schon verzichtet. Es ist für uns als Fraktionen ganz einfach nicht machbar, auf die Schnelle eine fundierte Stellungnahme zu einer Verfassungsänderung abzugeben. Ich glaube, das ist nicht machbar und man kann es auch nicht verlangen. Deshalb sollten wir uns über eine mögliche Verfassungsänderung im Zuge einer anstehenden Verfassungsänderung unterhalten. Der Diskussion steht jeder Weg offen, aber Ihren Antrag können wir heute nicht unterstützen.

Wir können ihn auch inhaltlich nicht unterstützen, weil er abweichende Regelungen zum Gesetzentwurf enthält. Ich will auf Folgendes hinaus: Der vorliegende Gesetzentwurf ermöglicht es, dass das Fach Ethik nunmehr ab Klassenstufe 5 eingeführt werden kann, dass aber die Schulen selbstständig entscheiden und dass der Ethikunterricht als Ersatzfach angeboten wird. Diese selbstständige Entscheidung der Schule wurde gewählt, weil es regional eine sehr unterschiedliche Anzahl von Schülerinnen und Schülern gibt, die nicht am konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen. Deshalb ist es in die Entscheidung der Schulen gestellt, dies im Rahmen des vorhandenen Budgets umzusetzen. Ich halte diese Regelung für richtig. Sie widerspricht dem, was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der PIRATENFraktion, in Ihrem Antrag fordern, dass nämlich Ethik an jeder Schule verpflichtend ab Klassenstufe 5 angeboten werden muss. Der langen Rede kurzer Sinn: Ich bitte Sie um Zustimmung zum Gesetzentwurf der Landesregierung. Die SPD-Fraktion wird den Antrag der PIRATEN-Fraktion aus den dargelegten Gründen ablehnen. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun Barbara Spaniol von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Gisela Kolb, Sie haben sich in Ihrer

Rede sehr ausführlich mit dem Antrag der PIRATEN auseinandergesetzt. Sie müssen doch feststellen, dass er aus einer wichtigen und richtigen politischen Diskussion heraus kommt. Da muss man es doch einmal nachsehen, wenn formale Fehler im Antrag sind. Denn das ist das Schicksal der Opposition. Wir haben kein Equipment wie ein Ministerium. Das ist eben so. Immerhin ist es eine Antwort auf die aktuelle Diskussion. Ich meine, Sie könnten dem Antrag durchaus eine Chance geben. Die Möglichkeit ist, ihn in den Ausschuss zu überweisen und dort die Debatte anzustoßen. Wir machen sowieso eine breite Anhörung. Sie haben also alle Möglichkeiten, wenn Sie denn wollen. Das wollen wir feststellen.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen. - Zuruf aus den Regierungsfraktionen.)

Wir wollen heute nicht sofort die Verfassung ändern. Das geht natürlich nicht. Ich sage dies, um Ihre Kritik aufzugreifen. Die Diskussion anzustoßen und eine gemeinsame Vorlage zu erarbeiten, diese Möglichkeit haben wir als Parlament. Das ist doch kein Thema. Sie müssen das entscheiden. Wir werden nachher hinschauen.

Wir kommen zum Gesetz. Es geht im vorliegenden Entwurf um ein Artikelgesetz. Da hat man immer das Dilemma, dass einige Aspekte zu befürworten sind, wohingegen man andere kritisch sieht. Die Zustimmung in Gänze wird manchmal erschwert. Wir sind heute in der Ersten Lesung. Es kommt mit Sicherheit eine Anhörung. Diese werden wir abwarten. Ich möchte nun einige Punkte herausgreifen, die aus unserer Sicht zu kommentieren sind. Erstens begrüßen wir es natürlich, dass in Zukunft Ethikunterricht ab Klassenstufe 5 möglich sein wird. Ab Klassenstufe 5, da sind wir uns einig, ist auf jeden Fall besser als ab Klassenstufe 9, das ist klar. Aber wenn wir schon in der Diskussion um die Ausweitung sind, warum dann nicht gleich von Anfang an? Es gilt sicherlich zu überprüfen, was mit dem Grundschulbereich ist. Der Bedarf ist da. Es geht darum, ein Angebot in diese Richtung zu machen. Im Saarland gehören immerhin 14 Prozent keiner Religionsgemeinschaft an. Immer mehr Schülerinnen und Schüler sind konfessionslos. Sie dürfen nicht dadurch benachteiligt werden, dass kein flächendeckender Ethikunterricht angeboten wird. Dem ist Rechnung zu tragen. Das haben wir in vielen Gesprächen auch seitens der Lehrerinnen und Lehrer und der betroffenen Schulen erfahren. Es herrscht Handlungsbedarf. Ethikunterricht ist aus unserer Sicht ein zeitgemäßes Unterrichtsfach. Kindern und Jugendlichen muss die Chance geboten werden, im Unterricht über ethische Werte und Normen zu diskutieren, unabhängig von verschiedenen Lebensvorstellungen und Religionen. Das ist das Gebot der Stunde.

Aber schauen wir einmal genauer hin. Wenn Ethikund Religionsunterricht künftig stärker parallel ange

boten werden, was ja richtig ist, dann wird das nicht ohne zusätzliche Lehrer zu machen sein, um ein ordentliches Angebot in der Schule vorhalten zu können. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat in ihrer Stellungnahme klargemacht, dass die Landesregierung auch die nötigen personellen Ressourcen bereitzustellen hat, damit ein flächendeckendes, verlässliches Unterrichtangebot sichergestellt werden kann. Im Klartext heißt das natürlich, dass schwerlich neue Aufgaben und Fächerangebote umgesetzt werden können, wenn gleichzeitig Lehrerstellen abgebaut werden. Das muss angekommen sein!

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Kolleginnen und Kollegen! Kant hat einmal gesagt, es sei unmöglich, dass ein Mensch ohne Religion seines Lebens froh werde. Diesen Satz muss man sicherlich nicht teilen. Kant hat das vielleicht in philosophischer Hinsicht postuliert, aber er hat es in der Praxis so nicht gelebt. Das ist bekannt. Aber daran sehen wir doch, zumindest ist es mir einmal so vorgekommen, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Denn in einer freien Gesellschaft sollte jeder selbst entscheiden können, woran er glaubt und woran nicht und wo seine Prioritäten liegen und wo nicht. Es wird daher höchste Zeit, dass auch an den Schulen diese Wahlfreiheiten geschaffen werden. Ich fasse zusammen: Die Ausweitung des Ethikunterrichts ab Klassenstufe 5 ist ein richtiger Schritt. Hier sind wir uns sicher einig. Wir erwarten aber noch mehr. Das wissen Sie auch, Herr Minister.

Ich möchte ebenso wie die Kollegin Maurer den Punkt 2 noch erwähnen. Es geht um die Anpassung des Schulordnungsgesetzes an die Regelung des Bundeskinderschutzgesetzes. Das ist natürlich ebenfalls sehr zu begrüßen. Wenn es um die Gefährdung des Kindeswohls geht, müssen immer alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um Kinder zu schützen. Mit der Änderung hier kann der Datenund Informationsaustausch zwischen Schule und Jugendhilfe erleichtert werden, die Schulleitungen haben damit einfach größere Handlungsspielräume. Die Handreichungen - Sie haben sie im Entwurf angekündigt - müssen natürlich schnell kommen, das ist ein Petitum aus den Schulen heraus, um für Rechtsklarheit sorgen zu können.

Kolleginnen und Kollegen, man darf bei alledem nicht aus dem Auge verlieren, dass man letztlich nur an den Symptomen herumdoktert, statt die Ursachen für Kindeswohlgefährdung zu bekämpfen. Das kann natürlich dieser Gesetzentwurf nicht regeln, das ist auch klar, das muss man fairerweise sagen. Aber wie gesagt, man muss den Blick dahin wenden, die Ursachen für die Gefährdung des Kindeswohls, die sehr vielfältig sind, zu erfassen. Was deshalb fehlt, das muss auch klar sein, ist eine stärkere Prävention, damit Maßnahmen der Gefahrenabwehr

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) )

gar nicht erst erforderlich sind. Dazu gehört für uns beispielsweise eine angemessene personelle Ausstattung der Schulsozialarbeit, die spielt eine wichtige Rolle. Sie muss besser ausgestattet werden, damit sie mehr leisten kann, genauso brauchen wir bessere Ressourcen im Bereich der Jugendhilfe und Jugendämter. Das wird mit Blick auf die reine Kostenfrage leider oft im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Blick verloren.

Einen dritten Punkt im Entwurf will ich auch noch ansprechen. Die Durchsetzung der Schulpflicht durch Zwangsmittel. Da klingt die Drohung über die Wortwahl ja schon heraus, zumindest war das mein Eindruck an der Stelle. Diesen Passus sehen wir schon sehr kritisch. Unter Umständen - Sie haben es erwähnt - geht es hier nur um die Verweigerung der Teilnahme am Sportunterricht. Das war mir so nicht ganz klar, wie weitgehend die Konsequenzen sind, wenn die Schulpflicht durch Zwangsmittel durchgesetzt werden soll. Deshalb noch einmal meine Einschätzung: Es gibt hier nicht nur schwarz oder weiß, das Problem ist vielschichtig. Es ist nachvollziehbar, dass es auch für die Teilnahme am Sportunterricht klare Regelungen geben muss. Die Frage ist aber, ob mit solcher Härte gegen die Jugendlichen vorgegangen werden muss.

Es ist wichtig, sich in Erinnerung zu rufen - und vielleicht können Sie das noch einmal aufklären -, was das für Zwangsmittel sind. Ich glaube, es gab in dem Entwurf einen Verweis auf das Saarländische Verwaltungsvollstreckungsgesetz, die Rede ist von Zwangsgeld. Es gibt auch Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang bis hin zur Erzwingungshaft. Ich hoffe, Herr Minister, dass Sie nicht so weit gehen werden. Wie ich Sie kenne und einschätze, werden Sie das nicht tun. Ich wollte nur der Vollständigkeit halber noch einmal aufgezählt haben, um was es gehen könnte.

(Zuruf.)

Insgesamt muss man sich fragen, ob Repression und Zwang das geeignete Mittel sind, um Jugendliche vom Schuleschwänzen, vom Unterrichtsfachschwänzen abzuhalten. Es muss immer Prävention vor Sanktion gelten, es ist die ganze Gesellschaft gefragt. Die GEW, die ich zitieren möchte, sieht das ja auch kritisch, vor allem mit Blick auf die Nichtteilnahme am Sportunterricht. Worum es wirklich gehen kann, ist nämlich ein interkulturelles Problem, wenn zum Beispiel manche muslimische Mädchen nicht am Sportunterricht teilnehmen. Ob dieses Problem durch Androhung einer Ordnungsstrafe als Ultima Ratio gelöst werden kann, gilt laut GEW als äußert fraglich. Dem schließen wir uns vollumfänglich an.

Kolleginnen und Kollegen, ich glaube nicht, dass wir hier im Saarland ein großes Problem mit sogenannten anhaltenden Schulpflichtverletzungen, also dem

tagelangen Fernbleiben vom Unterricht haben. Ich will damit sagen: Vorsicht vor Zwangsmaßnahmen! Wir sollten ihnen nicht Tür und Tor öffnen, das muss anders geregelt werden. Solche Maßnahmen sind für mich immer ein Zeichen für eine gewisse Hilflosigkeit aus der Schule heraus oder auch vonseiten der Politik. Das können wir so nicht wollen.

Das ist an der Stelle der für uns kritische Punkt. Deswegen werden wir uns in Erster Lesung enthalten und sind sehr gespannt auf die Anhörung. Dem Antrag der PIRATEN stimmen wir natürlich zu.

(Beifall bei LINKEN und PIRATEN.)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Klaus Kessler von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht in diesem Tagesordnungspunkt um die Änderung mehrerer Gesetze im Bildungs- und Schulbereich, die zum Teil Anpassungen an bundesgesetzliche Regelungen sind, zum Teil notwendige rechtliche Klärungen und Präzisierungen, die aus unserer Sicht im Wesentlichen in die richtige Richtung gehen, vorbehaltlich der Anhörung. Da wollen wir noch abwarten, was in der Anhörung von den Experten dazu gesagt wird.

Deshalb beschränke ich mich heute auf die Änderung des Schulordnungsgesetzes, bei der es darum geht, den Ethikunterricht als Ersatzunterricht ab der Klassenstufe 5 für die Schülerinnen und Schüler einzuführen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Hierzu, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich allerdings einige kritische Anmerkungen machen.

Grundsätzlich ist es richtig, den Ethikunterricht als Ersatzunterricht im Saarland auszuweiten. Der Minister hat schon darauf hingewiesen: Verbindlich gibt es dies erst ab dem 9. Schuljahr. Hier bilden wir im Saarland im Vergleich der Bundesländer zusammen mit Hamburg das Schlusslicht. Da besteht Handlungsbedarf. Die meisten anderen Länder haben eine Regelung, wonach das Fach Ethik - zum Teil wird es dort auch Philosophie genannt - bereits ab der 5. Klasse verbindlich eingeführt ist, und zwar als Ersatzfach für Religion. Über die Sinnhaftigkeit eines solchen Unterrichtes für Kinder, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, besteht weitgehend Übereinstimmung - die Gründe wurden von den Vorrednerinnen und Vorrednern hinlänglich genannt -, auch zwischen den Kultusbehörden, den Lehrerorganisationen und auch den Vertretern der großen Kirchen.

Hinzu kommt, auch das ist bereits gesagt worden, dass in den letzten Jahren ein zunehmender Bedarf

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) )

an Ethikunterricht als Ersatzunterricht besteht, weil in zunehmendem Maße Schülerinnen und Schüler vom Religionsunterricht abgemeldet werden. Deshalb beabsichtigten wir in der Vorgängerregierung, eine entsprechende Verbesserung durchzuführen. Ich hatte dazu schon mehrere Gespräche mit dem Philosophielehrerverband geführt. Das stand auf der Agenda. Dazu sind wir aber nicht mehr gekommen.

Ziel des Ethikunterrichtes ist es, die Schülerinnen und Schüler zu verantwortungs- und wertebewusstem Urteilen und Handeln zu erziehen, wobei die Pluralität der Bekenntnisse und Weltanschauungen natürlich berücksichtigt werden soll. Die jetzt von der Landesregierung geplante Neuregelung hat aber unserer Auffassung nach einen ganz entscheidenden Fehler. Sie gilt nicht verbindlich für alle Schulen, auch nicht verbindlich für alle Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, sondern nur für diejenigen Schulen, die dies im Rahmen ihres Stundenbudgets ermöglichen.

Im Klartext heißt das, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Ethikunterricht im Saarland vor dem 9. Schuljahr nach Kassenlage stattfinden soll. Ist eine Schule in der Lage, aus ihrem bisherigen Budget zusätzliche Stunden für den Ethikunterricht herauszuschneiden, wird dieser angeboten, andernfalls aber nicht. In der Praxis heißt das, dass die Erteilung von Ethikunterricht an einer anderen Stelle kompensiert werden muss, man muss die Stunden irgendwo herausschneiden. Da muss eventuell eine Arbeitsgemeinschaft geschlossen werden, Differenzierungsgruppen müssen vergrößert und zusammengelegt werden oder - das wäre das Allerschlimmste - es müsste Förderunterricht gekürzt werden, um Ethikunterricht im Rahmen des schulischen Budgets anbieten zu können. Das kann es doch wohl nicht sein!

(Beifall von B 90/GRÜNE.)

Dem Werteunterricht im Saarland außerhalb des Religionsunterrichtes wird nicht der Wert von zusätzlichen Lehrerstunden zugestanden und eine Ausweitung des Stundenbudgets der Schulen ist nicht vorgesehen. Stattdessen geht die Werteerziehung an vielen Schulen auf Kosten anderer Unterrichtsangebote. Dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nichts anderes als eine Billiglösung. Einer solchen Billiglösung kann man doch nicht zustimmen! Die Folge davon ist - und das ist der zweite Punkt meiner Kritik - eine landesweit sehr uneinheitliche Regelung. Es wird Schulen geben, die Ethikunterricht ab der 5. Klasse einrichten oder vielleicht erst ab der 6. Klasse oder sogar erst ab der 7. Klasse, je nachdem, wie sie Stunden zur Verfügung haben oder besser gesagt: übrig haben. Dann wird es Schulen geben - es gibt sie ja bereits -, die Ethik schon immer im Stundenplan hatten, noch nicht einmal als AG, sondern fest. Ich habe dieses Fach

selbst an der Gesamtschule Rastbachtal lange unterrichtet, parallel zum Religionsunterricht. Für diese Schulen ändert sich gar nicht viel, außer dass der Ethikunterricht nach der neuen Rechtsregelung eine Note bekommt. Vorher war das unbenotet, da stand auf dem Zeugnis nur: teilgenommen. Es wird aber auch einige, um nicht zu sagen zahlreiche Schulen geben, die infolge ihres doch nach wie vor sehr knappen Budgets gar keinen Unterricht in Ethik anbieten können oder auch wollen, weil sie auf der anderen Seite nichts kürzen wollen, obwohl sie die Mindestgröße von fünf Schülerinnen und Schülern für diesen Unterricht erreichen. Die Folge davon ist, dass es eine notwendige landesweit einheitliche Werteerziehung, die es im Fach Religion bereits gibt, im Fach Ethik nicht geben wird. Hier findet das nach Kassenlage statt. Im Endeffekt heißt das, es gibt außerhalb der Werteerziehung des Religionsunterrichts keine Gleichbehandlung der Schülerinnen und Schüler im Saarland. Am besten sind da noch die Schülerinnen und Schüler am Schengen-Lyzeum dran. Dort ist das geregelt. Dort gibt es ab dem fünften Schuljahr, verbindlich für alle Schülerinnen und Schüler, das Fach Ethik.

Eine solche Regelung wäre natürlich auch im Saarland dringend erforderlich, auch im Hinblick auf den Ländervergleich, weil in den meisten anderen Bundesländern eine solche Regelung existiert. Da dies aber wohl aus Kostengründen - nicht aus pädagogischen Gründen - nicht gemacht wird, im Übrigen wird auch in der Bildung gespart, bleibt es bei meiner Bewertung dieses Gesetzentwurfes, der zwar eine Ausweitung des Ethikunterrichts vorsieht und vom Grundsatz her in die richtige Richtung geht, in seiner Wirkung aber, in Richtung einer einheitlichen, landesweit verbindlichen Verbesserung des Werteerziehungsunterrichts, völlig unzulänglich bleibt. Deshalb werden wir uns in der Ersten Lesung enthalten. Wir warten die Anhörung ab und behalten uns weitere Anträge vor.

Der Antrag der PIRATEN beinhaltet ja das Gleiche. Er fordert erstens, dass man eine ausreichende Personalisierung sicherstellt. Im zweiten Punkt geht er noch darüber hinaus. Auch das begrüßen wir und deshalb stimmen wir diesem Antrag auch zu. Die Forderung lautet, das Wahlrecht der Schülerinnen und Schüler zwischen Religions- und Ethikunterricht an die Religionsmündigkeit der 14-Jährigen anzupassen, wie es die Rechtslage in fast allen Bundesländern ist. Das ist in diesem Land dringend erforderlich. Auch hier stimmen wir dem Antrag der PIRATEN zu. Bei dem Gesetzentwurf enthalten wir uns in Erster Lesung. - Vielen Dank.

(Beifall bei B 90/GRÜNE.)

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

Das Wort hat nun die Abgeordnete Gisela Rink von der CDU-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf, das wurde ja schon mehrfach angesprochen, enthält verschiedene Änderungen. Der Minister und auch die Kolleginnen und Kollegen haben dies bereits vorgetragen. Er enthält aber insbesondere die Ausweitung des Ethikunterrichts. Kollege Kessler, ich muss schon eines sagen: Wir machen mehr als vorher und Sie reden von einem Sparmodell! Ich werde gleich auf Ihre Kritik eingehen. Der Minister hatte damals schon in der Presseerklärung auf Ihre Angaben geantwortet und Ihnen dargelegt, dass es gar nicht anders geht. Ich glaube, auch beim Thema Ethikunterricht müssen wir, wie so oft im Bildungsbereich, einfach sagen, es ist gut, wenn wir dies Schritt für Schritt umsetzen und nicht von null auf hundert. Es ist gut, wenn wir diesen Weg Schritt für Schritt gehen und dies wollen wir auch tun.

Wir sind uns einig über die Bedeutung der Werteerziehung. Das ist uns allen bewusst. Und Werteerziehung, das sage ich in aller Deutlichkeit, wird unter anderem durch den Religionsunterricht in den Schulen vermittelt. Die Notwendigkeit ist unumstritten. Ich glaube auch, dass wir möglichst früh mit der Werteerziehung beginnen müssen. Auch das ist unstrittig. Kinder und Jugendliche, die Angehörige einer Glaubensgemeinschaft sind, sollten etwas über ihren Glauben erfahren. Sie erhalten im Saarland in den Schulen die Möglichkeit, im katholischen, evangelischen und jüdischen Religionsunterricht Erfahrungen mit ihrem Glauben zu machen. Seit dem Jahr 2011/2012 gilt das auch für alevitischen Religionsunterricht. Auch der Islamunterricht ist angedacht und in Vorbereitung. Ich erwähne jetzt hier nur, dass wir 8.600 Kinder in saarländischen Schulen haben, die muslimischen Glaubens sind. In den Schulen wird versucht, den Kindern ihre Glaubenstradition und ihre Religion zu vermitteln. Ich halte das für richtig und wichtig. Denn diese Vermittlung des Glaubens geschieht dann unter staatlicher Aufsicht, in deutscher Sprache und von der Grundschule aufsteigend von Klasse 1 - so ist es als Modellversuch angedacht. Die CDU und auch die Große Koalition sprechen sich ganz klar für den Religionsunterricht aus. Frau Kollegin Maurer, ich war etwas überrascht, als ich Ihren Antrag gelesen habe, denn ich hatte vorher Ihre Presseerklärung in der Hand -

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Kann man Sie noch überraschen?)

Ja, man kann mich überraschen und die PIRATEN haben das geschafft. Ich darf hier aus einer Presse