Protocol of the Session on January 21, 2015

(Beifall bei B 90/GRÜNE, der LINKEN, den PIRA- TEN und der SPD.)

Das Wort hat die Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte im saarländischen Landtag findet statt in einer Zeit nach den Anschlägen in Paris. Sie findet statt in einer Zeit, in der wir gemeinsam um die Opfer getrauert haben, in der die Welle des Schocks über diese Anschläge langsam abebbt, in der nun zunehmend auch die Diskussion um die Ursachen und die aus den Anschlägen zu ziehenden Schlussfolgerungen Raum greift. Ich glaube, dass wir heute Morgen im saarländischen Landtag ein gutes Zeichen gesetzt haben, indem wir gemeinsam mit unserer Erklärung und der Schweigeminute der Trauer um die Opfer Raum gegeben haben, indem wir aber in einer sehr ernsthaften Weise auch dem Austausch zu Ursachen und den zu ziehenden Schlussfolgerungen Raum geben.

Es ist eine ganze Reihe von Fragen, die nun aufgetaucht ist in der öffentlichen Diskussion insgesamt, die aber auch in den Redebeiträgen des heutigen Morgens eine Rolle gespielt hat. Für die saarländische Landesregierung, aber auch persönlich möchte ich meinen Beitrag zu dieser Diskussion leisten.

Der Fraktionsvorsitzende der LINKEN hat auf einen Aspekt hingewiesen, der sicherlich in der Beantwortung der Frage nach den Ursachen eine Rolle spielt, der auch eine Rolle in der öffentlichen Diskussion spielt: Es geht um die Frage, wie auch internationales Engagement von Staaten, wie der Umgang mit Terrorismus und Formen des Extremismus an anderen Orten der Welt zu innenpolitischen Reaktionen führen kann. Sehr geehrter Herr Kollege Lafontaine, unabhängig von meiner durchaus differenzierten Haltung zum Irakkrieg habe ich seinerzeit Ihre Äußerungen im Bundestag für nicht richtig gehalten, und ich halte sie auch heute nicht für richtig. Ich möchte an dieser Stelle in Erinnerung rufen, dass Frankreich auch deshalb ins Visier eigener Terroristen gerückt ist, weil es sich zum Beispiel in Mali engagiert hat. Ich möchte an dieser Stelle für mich noch einmal ganz deutlich sagen: Ich bin froh und dankbar, dass sich Frankreich in Mali engagiert hat und damit auch einen Beitrag zur Sicherheit in der Welt, auch zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus, geleistet hat.

(Beifall von der CDU und bei der SPD.)

Wir müssen uns die Frage gefallen lassen, wie wir reagieren. Ich will dazu auf zwei Meldungen hinweisen, die gerade gestern veröffentlicht wurden. Eine Meldung besagt, dass in Syrien, in den IS-besetzten Gebieten, 13 junge Männer erschossen worden sind. Erschossen worden sind, weil sie Fußball geschaut haben. Damit hätten sie einer unislamischen Lebensweise Ausdruck verliehen. In der anderen Meldung wird mitgeteilt, an anderer Stelle seien junge Männer verhaftet worden, weil sie einem Hobby nachgegangen sind, weil sie gemeinsam mit ihren Vätern Brieftauben gezüchtet haben. Sie sind verhaftet worden, und auch sie sind wahrscheinlich erschossen worden. Diese Entwicklungen können wir doch nicht unbeantwortet lassen! Diese Entwicklungen müssen wir doch einschränken! Es ist ja wohl die ursprünglichste Verletzung, die man Menschen antun kann, sie zu töten, weil sie sich Fußball anschauen oder Brieftauben züchten. Kann man dem nur durch Waffengewalt Einhalt gebieten, müssen wir auch bereit sein, die Waffe in die Hand zu nehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall von der CDU.)

Zu einer ehrlichen Auseinandersetzung mit dem Thema gehört doch auch die Feststellung, dass wir im Moment dankbar sein müssen, die Kurden zu haben, die in den besetzten Gebieten gegen die Terroristen des IS kämpfen. Es ist gut, dass wir sie unterstützen durch Ausbildung und mit Waffen. Auch vor dieser Frage können wir uns nicht wegducken.

Zur ehrlichen Diskussion der Realität in unserem Land gehört auch die Feststellung, dass wir sehr stark dazu neigen, auch in den innenpolitischen Dis

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

kussionen, Handlungen von Staaten auf Menschen und auf Religionsgruppen zu projizieren. Erinnern wir uns: Auslöser einer gewissen antisemitischen Welle auch bei uns hier in Deutschland, Auslöser von Demonstrationen gegen Juden, von Angriffen auf Juden auch bei uns in Deutschland, war das Verhalten Israels im Konflikt mit den Palästinensern. Ich glaube, auch wir müssen lernen - und das gilt für alle Staaten -, zu trennen zwischen dem, was ein Staat in eigener staatlicher Verantwortung tut, was er politisch zu verantworten hat, und dem, was Menschen tun. Wir müssen darauf achten, staatliches Handeln nicht zu projizieren auf Menschen, die den gleichen Glauben haben wie die Führer dieses Staates. Das gilt insbesondere auch für Israel und die Juden. Daher muss es uns in Sorge versetzen, dass wir zurzeit in Frankreich eine Massenauswanderung von Juden erleben, weil diese sich in einem europäischen Staat, in Frankreich, nicht mehr sicher fühlen. Das ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Armutszeugnis für unsere freie Gesellschaft in Europa!

(Beifall von CDU, SPD, B 90/GRÜNE und PIRA- TEN.)

Eine weitere Frage, die sich uns stellt und die uns gestellt wird, ist die Frage des Verhältnisses von Staat einerseits und Religion beziehungsweise Religiosität andererseits. Dazu haben wir ja schon interessante Diskussionen erlebt, auch zur Initiative der saarländischen Landesregierung, zumindest in einem ersten Modell an unseren Schulen einen Religionsunterricht für Kinder muslimischen Glaubens einzuführen. In unserem Land gibt es selbstverständlich Religionsunterricht für katholische und evangelische Kinder gibt und es selbstverständlich auch Religionsunterricht für Kinder jüdischen Glaubens. Das soll auf der gleichen Grundlage geschehen, die auch für die anderen Religionsunterrichte gilt: auf der Grundlage staatlich entwickelter und kontrollierter Lehrpläne, in deutscher Sprache, unter schulischer Aufsicht und mit Lehrerinnen und Lehrern, die in Deutschland ausgebildet wurden. Es hat in der Folge auch Diskussionen gegeben; wir erleben eine entsprechende Diskussion ja gerade auch in Luxemburg, wo es den Ansatz gibt, Religionsunterricht generell aus den Schulen zu verbannen und durch einen Ethikunterricht zu ersetzen. Es wurde auch bei uns die Frage diskutiert, ob nicht auch wir den Religionsunterricht abschaffen und zu einem allgemeinen Ethikunterricht kommen sollten. Ich bin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der festen Überzeugung, dass es keine Schlussfolgerung aus den Terroranschlägen in Paris sein kann, wir hätten zu viel Religion. Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch das Recht auf seine Religion hat und dass im Übrigen auch jedes Kind das Recht auf seinen entsprechenden Religionsunterricht in der Schule hat.

Es ist wichtig, dass wir hier nicht die falschen Schlussfolgerungen ziehen. Ich glaube, es ist richtig, dass wir mit Blick auf die Diskussion um einen Blasphemie-Paragrafen sagen: Ja, auch religiöse Gefühle stellen ein schützenswertes Gut dar. Ich sage aber auf der anderen Seite genauso klar: Religiöse Gefühle oder Gefühle welcher Art auch immer dürfen und können nie ein begrenzendes Element von Presse- und Meinungsfreiheit sein, auch und gerade, wenn sie in Form der Überzeichnung, der Karikatur, daherkommen. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir das zulassen, wo fangen wir dann an und wo enden wir? Was ist noch zulässig und zumutbar und was darf dann nicht mehr geschrieben oder gezeichnet werden? Wer macht sich zum Entscheider darüber, was geht und was nicht geht?

Ich sage an dieser Stelle auch ganz deutlich, es gibt Karikaturen, auch bei Charlie Hebdo, die mir persönlich nicht gefallen haben und die ich wahrscheinlich, selbst wenn ich zeichnen könnte, so nie zeichnen würde. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich das nicht ertragen kann, ist es mein gutes Recht, diese Zeitung nicht zu kaufen. Dann ist es mein gutes Recht, Briefe zu schreiben und auf die Straße zu gehen und dagegen zu demonstrieren. Aber es war niemals mein gutes Recht und es wird es auch niemals sein, jemanden, der so etwas verfasst, anzugreifen oder gar zu töten! Das ist eine unumstößliche Wahrheit, eine Grenze, die wir niemals infrage stellen dürfen und die wir niemals überschreiten dürfen!

(Beifall von Regierungsfraktionen, PIRATEN und GRÜNEN.)

Die Debatte, die wir darüber führen, bringt uns zum eigentlichen Kern des Problems. Es geht nicht nur um die Frage, was sind äußerliche, etwa durch Gesetze gesetzte Grenzen. Aus meiner Sicht hat der Kabarettist Dieter Nuhr die richtige Frage gestellt. Er hat gefragt: Wo beginnt eigentlich bei uns die Schere im Kopf? Wo fangen wir schon an, unser Verhalten zu ändern, weil wir befürchten müssen, dass Menschen ihre Religion zum Vorwand nehmen, um aus ganz anderen Gründen, und sei es nur aus blankem Hass, andere anzugreifen und zu töten? Und sind nicht auch die Diskussionen, die wir in diesem Land geführt haben, etwa um die Umbenennung von Martinsumzügen und Weihnachtsfeiern, ein Stück weit Ausdruck dieser Schere im Kopf und unseres Unbehagens, auch in Zeiten des religiösen Diskurses eine klare Haltung zu unserer Religion und zu unseren Traditionen einzunehmen? Auch das gehört zu der Diskussion, die wir am heutigen Tag führen müssen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

(Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage an dieser Stelle sehr deutlich: Auch wenn es viele Punkte gibt, an denen ich einer Meinung mit dem Papst bin, an dieser Stelle teile ich seine Auffassung nicht. Ich teile auch die Auffassung anderer in dieser Republik nicht, die sagen, hiermit müsse man vielleicht vorsichtiger umgehen.

Die dritte Frage, die wir im Moment hier miteinander diskutieren, ist, welche Lehren wir aus den Ereignissen von Paris ziehen müssen für die Gestaltung der inneren Sicherheit in Europa insgesamt, aber eben auch bei uns. Auch das ist ja keine neue Überlegung, diese Diskussion hat es zu allen Zeiten gegeben. Zu Recht hat dieser Tage ein Kolumnist in einer überregionalen Zeitung den Vergleich zum RAF-Terrorismus hier in Deutschland gezogen. Auch damals haben wir die Debatte geführt, was wir an Sicherheitsgesetzen brauchen, an polizeilicher Ausstattung, was die richtigen Maßnahmen sind. Ein Ergebnis dieser Diskussion, das innenpolitisch auch sehr umstritten war, war zum Beispiel ein Instrument wie die Rasterfahndung. Auch nach dem 11. September haben wir damals gemeinsam mit Otto Schily lange darum gerungen, welche Antworten auf die Anschläge gegeben werden müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich in dieses Plenum schaue, sehe ich hier, mich eingeschlossen, allein fünf aktuelle oder ehemalige Innenministerinnen und Innenminister. Ich sehe insbesondere, wenn ich in die Reihen der SPD und der CDU schaue, eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die schon seit vielen Jahren gerade im Bereich der inneren Sicherheit hier auch im Parlament Verantwortung tragen. Ich glaube, dass all denjenigen, die das bisher getan haben, eines zugestanden werden muss: dass sie es gerade in der sehr schwierigen Zeit nach dem 11. September hier in unserem Land immer geschafft haben, in aller gebotenen Ruhe und Sachlichkeit darüber zu diskutieren, was angemessen ist, was wir brauchen, was uns auch im Sinne von Sicherheitsarchitektur nützt und wofür wir bereit sind, auch andere Rechtsgüter einzuschränken. Diese Tradition werden wir sicherlich im Saarland und auch in Deutschland genauso fortsetzen. Das ist der Grund, weshalb es bei uns zum Beispiel kein Gesetzespaket gibt, das auch nur annähernd mit dem Patriot Act in den USA vergleichbar ist. Das ist auch der Grund, warum in Frankreich selbst nach den Anschlägen von Paris die Regierung sehr deutlich gesagt hat, dass sie sich zwar Maßnahmen vorstellen kann, aber eben keine Maßnahmenbündel in Form eines Patriot Act in Frankreich haben will.

Wir müssen uns dieser Diskussion stellen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht darauf, dass wir uns überlegen, ob wir mit allen Maßnahmen richtig auf

gestellt sind oder wo wir nacharbeiten müssen. Im Übrigen ist das keine saarländische Erfindung, sondern es ist das, was die Koalitionsparteien in Berlin als Arbeitsauftrag festgelegt haben. Das, was wir hier einfordern, ist nichts anderes, als dass die Berliner Regierung diesem Arbeitsauftrag nachkommt. Es darf nicht so sein, dass die eine Seite erklärt, was sie an Maximalpositionen in die eine Richtung vertritt und die andere Seite erklärt, was ihre Maximalpositionen in die andere Richtung sind. Die Regierung muss sich vielmehr auf den Weg machen zu erklären, wie denn eine Lösung aussehen könnte. Selbstverständlich muss diese Lösung nicht nur unserem Grundgesetz entsprechen, sondern auch europäischem Recht. Aber dazu bedarf es eben auch der Vorarbeiten auf nationaler und europäischer Ebene. Nicht mehr und nicht weniger erwarten die Menschen in diesem Land. Und ich glaube, das ist auch den Vertreterinnen und Vertretern auf Bundesebene sehr wohl bewusst.

(Beifall von der CDU.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden immer und nach jedem Anschlag - das wird insbesondere auch dann gelten, wenn es wirklich einmal einen Anschlag hier in Deutschland geben sollte diese Diskussion führen müssen. Wir werden uns dabei immer vor der Versuchung hüten müssen, aus einem Reflex der konkreten Situation heraus überschießende Maßnahmen zu diskutieren und umzusetzen. Deswegen ist es richtig, dass wir uns der Mühe dieser Diskussion unterziehen. Ich glaube, das wird mit Blick auf die Sicherheitsfragen heute hier eine erste Diskussion gewesen sein, aber sicherlich nicht die letzte.

Die letzte Frage, vor die wir gestellt sind - insbesondere der Kollege Pauluhn hat sie in seiner Rede angesprochen -, hat die Pegida-Bewegung aufgeworfen. Ich habe zur Kenntnis genommen und ich kann das nur unterstreichen, dass man, ob man das will oder nicht, einen differenzierten Blick auf diese Bewegung werfen muss. Man muss unterscheiden, wie es der Kollege Ulrich eindrucksvoll getan hat, zwischen denen, die der harte Kern sind, die organisieren, und denen, die im wahrsten Sinne des Wortes Mitläufer sind. In den Reden ist zum Ausdruck gekommen, und das treibt uns ja alle miteinander um, dass wir auf der einen Seite natürlich sagen: „Ja, es gibt dort Ängste, ob wir sie nachvollziehen können oder nicht, und wir müssen uns mit diesen Ängsten auseinandersetzen.“ Auf der anderen Seite ist eben deutlich geworden, wie schwierig es ist, sich mit Ängsten auseinanderzusetzen, bei denen man sich fragen muss, wie sie überhaupt zustande kommen, wenn es aus unserer Sicht eigentlich gar nichts Greifbares gibt, an dem sich diese Punkte festhalten.

(Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer)

Ich bin der festen Überzeugung, die sehr grundsätzliche Frage, die diese Bewegung an uns stellt, ist, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa, wie wir als Repräsentanten des etablierten politischen Systems, so will ich es nennen, mit den Populisten in unserer Gesellschaft umgehen sollen. Zu den Repräsentanten des etablierten politischen Systems zählen die Demonstranten nicht nur wir Politikerinnen und Politiker selbst, sondern zum Beispiel auch die Vertreterinnen und Vertreter der Medien. Manch einer nennt uns Altparteien, ich muss sagen, das ist ein Begriff, der bei mir gerade mit Blick auf die deutsche Historie der Weimarer Republik mehr als einen schalen Beigeschmack hinterlässt. Wie gehen wir mit denen um, die Probleme aufwerfen, von denen eigentlich kein vernünftiger Mensch sagen kann, dass es wirklich Probleme sind, die, in einer Welt, die immer komplexer und schwieriger wird, die immer mehr vernetzt und immer internationaler ist und aus Sicht vieler Menschen sicherlich immer unübersichtlicher wird, darauf ihre vermeintlich einfachen Antworten geben, die die Welt erklären und unterteilen in Gut und Böse, in Schwarz und Weiß, in die da oben - damit sind wir gemeint - und wir da unten? Wie gehen wir mit dieser Art von Politik und politischen Antworten um? Das ist die große Herausforderung, vor der wir insbesondere als gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerinnen und Bürger stehen. Das ist eine Herausforderung, auf die - wenn wir ehrlich sind - zurzeit niemand in Europa eine wirklich eindeutige und schlüssige Antwort hat. Das können wir in Frankreich, in Schweden, in den Niederlanden und in anderen Staaten sehen.

Aus meiner Sicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das mit die schwierigste Diskussion, die wir zu führen haben. Es geht im Kern genau um die Frage, die Stefan Pauluhn angesprochen hat: Wie schaffen wir es, das Vertrauen in unser politisches System zu erhalten? Genau dieses Vertrauen ist der Kern dessen, was uns zusammenhält. Für dieses Vertrauen bewerben wir uns alle fünf Jahre bei den Wahlen, um dieses Vertrauen ringen und kämpfen wir Tag für Tag in unserer Arbeit. Dieses Vertrauen müssen wir uns gerade als Vertreter von politischen Parteien immer wieder aufs Neue erarbeiten. Damit wir das können, müssen wir auch solche Diskussionen um sehr grundsätzliche Fragen führen, wie wir das heute getan haben. Wir müssen eben aber auch in der ganz konkreten politischen Arbeit Ängste aufgreifen, die da sind, ob wir das wollen oder nicht. Wir müssen die passenden und richtigen politischen Antworten darauf geben. Das sind nicht die populistischen Antworten, sondern das sind die Antworten, die manchmal auch schwer zu vertreten sind, die nicht immer nach dem Geschmack der Bürgerinnen und Bürger und schon gar nicht nach dem Geschmack der Populisten sind. Es sind im Zweifel die Antworten, die wir tagtäglich auch in einem echten

demokratischen Ringen miteinander erkämpfen und erarbeiten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist gut so, denn das ist freiheitliche Demokratie, so wie wir sie verstehen. - Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall von den Regierungsfraktio- nen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe damit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über diese von Ihnen formulierte gemeinsame Erklärung. Wer für die Annahme der gemeinsamen Erklärung ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Landtag als Ganzes mit den Stimmen aller Abgeordneten dieser gemeinsamen Erklärung zugestimmt hat.

(Beifall des Hauses.)

Im Einvernehmen mit dem Erweiterten Präsidium habe ich den Landtag des Saarlandes zu seiner 33. Sitzung für heute, 09.00 Uhr, einberufen und die Ihnen vorliegende Tagesordnung festgesetzt.

Bevor ich in die Tagesordnung eintrete, möchte ich einen Gast auf unseren Zuschauerrängen begrüßen. Heißen Sie mit mir herzlich willkommen den Intendanten des Saarländischen Rundfunks, Herrn Professor Thomas Kleist.

(Beifall des Hauses.)

Zu Punkt 3 der Tagesordnung, dem Gesetzentwurf der PIRATEN-Landtagsfraktion - die Änderung des Bestattungsgesetzes betreffend Drucksache 15/1216 -, hat die DIE LINKE-Landtagsfraktion mit Drucksache 15/1223 einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Wer dafür ist, dass dieser Gesetzentwurf Drucksache 15/1223 als Punkt 14 in die Tagesordnung aufgenommen wird, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass dieser Gesetzentwurf als Punkt 14 in die Tagesordnung aufgenommen und gemeinsam mit Punkt 3 beraten wird.

Punkt 12 der Tagesordnung, dem Antrag der B 90/GRÜNE-Landtagsfraktion betreffend „Protokolle Untersuchungsausschuss „Sonderabfall“ öffentlich zugänglich machen“, sind die Koalitionsfraktionen zwischenzeitlich beigetreten. Der Antrag liegt nunmehr als Drucksache 15/1219 - neu - vor.

Wir kommen nun zu der von der BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion beantragten Fragestunde zum Thema „Abfälle in saarländischen Gruben“. Die B 90/GRÜNE-Landtagsfraktion hat formund fristgerecht zwei Fragen gestellt.

(Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer)

Fragestunde zum Thema: Abfälle in saarländischen Gruben (Antragsteller: BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich rufe nun die Frage 1 auf, gestellt von Herrn Fraktionsvorsitzendem Hubert Ulrich:

Welche Mengen an PCB-haltigen Stoffen befinden sich im Saarland unter Tage, wo und in jeweils welchen Tiefen?

Zur Beantwortung dieser Frage erteile ich Herrn Minister Reinhold Jost das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Ulrich! Die Frage, die Sie stellen, ist zu allererst eine Frage, die wir auch der RAG im laufenden Verfahren gestellt haben. Das, was wir an Kenntnissen haben, was uns an Daten vorliegt, ist in den veröffentlichten Unterlagen im Untersuchungsausschussbericht von 1984 nachzulesen. Es gab in den Jahren bis 1983 PCB-haltige Hydraulikflüssigkeiten, die Nachweispflicht und die Erfassung dieser Hydraulikflüssigkeiten waren bis 1971 nicht vorgeschrieben. In diesem Zusammenhang haben wir auch aufgrund der Rückfragen und Unterlagen, die insbesondere den Bergbehörden vorliegen, folgende PCB-haltige Hydraulikflüssigkeiten festgestellt, die sich auf die Jahreszahlen 1979 bis 1983 beziehen: Es waren 1979 226 Tonnen, 1980 321 Tonnen, 1981 311 Tonnen, 1982 358 Tonnen, 1983 356 Tonnen. Für diesen Zeitraum gab es eine Gesamtmenge von 1.572 Tonnen PCB-haltiger Hydraulikflüssigkeiten. Ich habe eben schon darauf abgestellt, dass sich diese Zeiträume und entsprechende Volumina mit den Ergebnissen im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses „Sonderabfall“ decken. Dieser hat seinen Abschlussbericht unter der Drucksache 8/2132 mit Datum vom 17.10.1984 veröffentlicht. Er war Gegenstand nicht nur einer damaligen, sondern einer nachlaufenden umfangreichen Berichterstattung und hat dieses Themenfeld unter anderem aufgeführt.

Wir haben in den nachfolgenden Jahren die Feststellung getroffen, dass in diesem Zusammenhang 1984 479 Tonnen, 1985 561 Tonnen, 1986 412 Tonnen, 1987 411 Tonnen nicht PCB-haltiger Hydraulikflüssigkeiten eingesetzt worden sind.

Diese PCB-haltigen, aber auch nicht PCB-haltige Hydrauliköle - das hat ja auch die RAG am vergangenen Montag in ihrer Pressekonferenz selbst dargestellt - sind wohl nur zu einem geringen Teil wieder über Tage gebracht worden. Wir haben in den vergangenen Jahren auch in Umweltausschusssitzungen über dieses Thema geredet. Dabei gab es insbesondere in einer Sitzung vom 20. Au

gust 2010 eine Darstellung des damaligen Umweltministeriums, ein grün geführtes Umweltministerium, in dem beispielsweise auch auf den Einsatz von 13.000 Tonnen PCB-haltiger Hydrauliköle im Bergbau in ganz Deutschland abgestellt wurde. Es wurde auch - beispielsweise durch Nachfragen einzelner Abgeordneter - auf diese Umstände von unter Tage verbliebenen Mengen abgestellt. Die Fragen wurden aber damals von den Vertretern nur sehr unzureichend bis gar nicht beantwortet.