Ich muss das kurz skizzieren, um einzuordnen, inwieweit hier politische Gestaltung gefordert ist. Mit der Transformation in das Informationszeitalter und den enormen Veränderungen, die vor uns liegen, wird für viele Menschen der Ort, an dem sie leben, nicht mehr die dominante Rolle spielen für ihre Arbeits- und Kulturerfahrungswelt, wie das heute der Fall ist. Der Ort wird für die Arbeit nicht mehr die Rolle spielen, weil es für viele Menschen möglich sein wird, „remote“ zu arbeiten, das heißt nicht mehr an jedem Tag und oft überhaupt nicht mehr im Büro zusammenzukommen. Der Ort wird auch nicht mehr die Rolle für Kulturgenuss spielen. Falls Sie gestern Abend Lust auf Mozart hatten - unter der Regie von Kasper Holten -, dann mussten Sie nicht in die Wiener Staatsoper gehen, sondern Sie können inzwischen mit einem Online-Abo ganz gemütlich regelmäßig die Übertragungen ansehen. Sie benötigen dazu lediglich ein schnelles Internet.
Viele haben umfassend noch gar nicht verstanden, was diese Änderungen bedeuten. Politik muss diesen Wandel begleiten. Zusätzlich haben wir die saarländischen Besonderheiten. Über allem schwebt die Haushaltskonsolidierung, keine Frage, und damit auch zwingend eine radikale Modernisierung unserer Verwaltung. Für diese Gesellschaft im Wandel muss die Landesregierung Politik machen. Sie muss zeigen, wie sie mit weniger Menschen bessere Ergebnisse erreicht. Und das wird nur funktionieren, wenn die von diesen Änderungen Betroffenen Ihrem Kurs folgen können. In der Wirtschaft würde man sagen, Sie brauchen ein verdammt gutes Change Management. Change Management bedeutet eine aktive Steuerung der Veränderungen bei einer ständigen Evaluation und Anpassung. Wissen Sie, was die Grundlage eines guten Change Management ist, was die Voraussetzung für das Gelingen eines solchen Change Management ist? Das ist eine große Vision, der alle folgen können, denn ohne die wird es nicht funktionieren.
Und genau an dieser Stelle, bei der großen Vision, versagen Sie. Ihr Versagen besteht darin, den Menschen in diesem Land in Zeiten des Wandels keine Richtschnur zu geben, den Menschen keine Vision und keine klaren Ziele anzubieten. Einzelne Schritte hin zu diesem Ziel dürfen Sie dann gerne auch SMART definieren, sodass die Menschen auch nachvollziehen können, wo im Wandel wir uns gerade befinden.
Aber was tun Sie stattdessen? Sie, Herr Toscani, verweisen darauf, dass bis 2020 2.400 Stellen abzubauen sind. Dabei soll die Landesverwaltung voll funktionsfähig gehalten werden,
das Saarland soll attraktiv bleiben für Menschen und Unternehmen, Infrastruktur und Kultureinrichtungen sollen erhalten bleiben, der Service, auf den die Bürger Anspruch haben, soll erhalten bleiben. Alles schön und gut, das unterschreibe ich Ihnen auch alles.
Aber das alles würden wir in der Wirtschaft als Commodity bezeichnen; das sind die Selbstverständlichkeiten eines ordentlichen Regierungshandelns!
Wir möchten dem eine Vision entgegenstellen, eine Vision für ein Saarland in der Zukunft, für ein Saarland in zehn, in 20 Jahren, das den Wandel in die Informationsgesellschaft gemeistert hat. Die Vision für ein Zukunfts-Saarland, das aus der überragenden Lebensqualität, die wir in diesem Land haben, aus unseren offenen und freundlichen Menschen, die wir in diesem Land haben, aus unserer Lage im Herzen der Großregion, in der wir leben, und aus unserer in Deutschland einmaligen Mischung aus städtischem Zentrum und ländlichem Raum klare Wettbewerbsvorteile schmiedet, Wettbewerbsvorteile für eine Welt, in der Arbeit immer orts- und zeitsouveräner wird. Dafür schlagen wir vier Leitinvestitionen vor, die wir in den anstehenden Haushaltsberatungen herausarbeiten werden. Das sind vier Leitinvestitionen für ein mobiles und wissensbasiertes Leben im Saarland der Zukunft.
Die erste Leitinvestition, das wird Sie nicht besonders verwundern: ein echtes Breitbandinternet. Für die Arbeit wird es immer unwichtiger, wo ich wohne. Ob mein Arbeitgeber in München, Singapur oder Chicago sitzt, spielt keine Rolle - ich kann im schönen Saarland verbleiben. Ich brauche lediglich eine vernünftige Anbindung ans Internet. „Vernünftige Anbindung“ meint aber nicht LTE. „Vernünftige Anbindung“ meint auch nicht Kupferkabel. „Vernünftige Anbindung“ und Zukunftssicherheit, das heißt Glasfaser. Und weil wir es mit der Zukunft im ländlichen Raum ernst meinen, muss unser aller Ziel sein: Glasfaser in jedes Haus, in jedem Dorf, mit einem Ausbauziel von 1 GBit/s symmetrisch. Das echte Breitband ist d i e Infrastruktur der Informationsund Wissensgesellschaft.
Die zweite Leitinvestition: Bildung, Bildung, Bildung. Schuli - - Schule, Uni, HTW. Ja, ja, schnullibulli.
Aber wir wollen ja, dass es der nächsten Generation besser ergeht. Nun gut, ich habe in Rheinland-Pfalz studiert, vielleicht muss man das dazusagen. - Aber weiter: Schule, Uni, HTW, finanziell gut ausgestattet und vor allem mit Erlaubnis zum Experimentieren; wir müssen in diesem Bereich noch mehr Experimente wagen. Unsere Schulen und unsere Hochschulen müssen echte Lern- und Lehrorte mit vielen Freiräumen zum Erlernen des lebenslangen Lernens
Die dritte Leitinvestition: der Öffentliche Personennahverkehr. Die individuelle Mobilität muss neu gedacht werden, fern vom privaten Auto. Wir brauchen ein infrastrukturelles Rückgrat für die individuelle Mobilität, und das ist eben der ÖPNV.
Die Saarländerinnen und Saarländer sollen endlich den ÖPNV bekommen, für den sie heute schon bezahlen, nicht den, den sie heute leider bekommen für das, was sie bezahlen.
Diese Mobilitätsinfrastruktur sollte dann auch fahrscheinlos genutzt werden, das versteht sich von selbst, und sie könnte grundsätzlich auch umlagefinanziert begleitet werden.
Die vierte Leitinvestition: die gesundheitliche Versorgung. Der demografische Wandel erfordert auch hier neue Konzepte - seien es gut erreichbare Gesundheitszentren, seien es mobile Versorgungsdienste. Erforderlich ist die Entwicklung eines Bedarfsplans im Kontext des Umgangs mit der alternden Bevölkerung, eines Bedarfsplans, der auch neue technische Möglichkeiten stärker berücksichtigt. Wir benötigen an dieser Stelle punktuelle Investitionen, vorzunehmen anhand eines solchen Bedarfsplanes. Das Saarland kann eine Modellregion werden für solcherart neue Konzepte. Hier nutzt uns unsere einmalige Mischung aus städtischem und ländlichem Raum.
Die Finanzierung dieser Leitinvestitionen werden wir im Laufe der Haushaltsberatungen en détail herausarbeiten. Eines muss aber klar sein: Wir formulieren damit den politischen Willen, die Transformation, in der wir uns bereits befinden, zu gestalten. Das Saarland braucht schon heute diese Investitionen, die sich teilweise erst in 10 bis 20 Jahren auszahlen werden.
Die Zinssätze sind historisch niedrig. Wir brauchen diese notwendigen Investitionen, wir haben historisch niedrige Zinskosten - daraus entsteht ein Zwang zum Handeln. Vor diesem Hintergrund darf es auch kein Tabu sein, aktiv die Obergrenze des strukturellen Defizits auszuloten.
Es ist, wenn man sich den Haushaltsentwurf der Landesregierung und die Entwicklung der vergangenen Jahre ansieht, zu konstatieren, dass die industrielle Säule in ihrem Entwurf zunächst einmal passt. Diesbezüglich steht das Saarland vergleichs
weise gut da. Das Saarland schultert die Herausforderungen des Industriezeitalters, wir können heute im Saarland sogar Seefisch an Land züchten.
Nun aber braucht das Informationszeitalter die gleiche Aufmerksamkeit, die wir dem Industriezeitalter gewährt haben.
Frau Kramp-Karrenbauer, Herr Toscani, wahre generationengerechte Politik können Sie nicht auf das Reduzieren von Buchschulden beschränken. Als Regierung müssen Sie unserer Generation und der Generation unserer Kinder mehr bieten. Unsere Generation muss auf Ziele hinarbeiten, die unseren Kindern ein modernes und enkelfittes Saarland eröffnen. In diesem Kontext ist, Kollege Finkler, meine Kritik an der Schuldenbremse zu verstehen, die Sie vorhin zitiert haben: Eine Schuldenbremse, die nur dazu führt, dass wir versuchen, in den Büchern die Schulden zu reduzieren, bringt uns nicht voran, führt das Saarland nicht in die Zukunftssicherheit.
Eine Schuldenbremse ist auch nicht das Ende der Geschichte. Sie ist lediglich eine weitere Herausforderung, die es zu meistern gilt. Minister Toscani hat es gestern folgendermaßen formuliert: Wir sparen nicht um des Sparens willen, auf dem Weg zur Schuldenbremse gestalten und modernisieren wir unser Land. - Frau Ministerpräsidentin, Herr Finanzminister, machen Sie das! Dann haben Sie unseren Respekt. Machen Sie das sogar richtig, erhalten Sie dafür auch unsere Unterstützung. Allerdings: Bisher ist von Gestalten und Modernisieren noch zu wenig zu sehen, viel zu wenig. Die Zukunft wartet nicht auf das Saarland, sie ist morgen schon da. Legen Sie also einen Haushaltsplan vor, der eine Zukunftsperspektive bildet; dann können wir diesen Haushaltsplan auch unterstützen. Den uns im Moment vorliegenden Haushalt können wir in dieser Form nicht unterstützen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Worum geht es heute? Es geht um den Haushaltsentwurf für das Jahr 2015. Wir haben eben im Beitrag des Kollegen Hilberer gehört, es sei für uns vielleicht doch etwas neu, dass der Ort, in dem wir wohnen und leben, nicht mehr die entscheidende Rolle spiele, dass es darauf nicht
mehr ankomme. Wir haben von „Remote-Orten“ gehört. Wir haben gehört vom „Change Management“. Meine Damen und Herren, worum geht es uns heute? Es geht uns doch heute um nichts weniger als um die Zukunft unserer Heimat, meine Damen und Herren!
Das erklärte Ziel ist, die Eigenständigkeit unseres Bundeslandes dauerhaft zu sichern und zugleich das Saarland zu einer Modellregion im Herzen Europas zu machen. Das ist unser Ziel. Und es gilt, die Finanzen des Saarlandes zu konsolidieren und gleichzeitig in Zukunftsperspektiven zu investieren. Herr Hilberer, ich wollte die Leitinvestitionen, die Sie genannt haben, eigentlich mitschreiben, ich habe es aber dann doch gelassen.