Protocol of the Session on May 16, 2012

Wenn Sie das in Beziehung zu den Defiziten stellen, dann wird deutlich, dass es kein Tropfen auf den heißen Stein ist. Bei 1,8 Milliarden Defizit haben Sie beim derzeitigen Zinsniveau, das hoffentlich noch lange so bleibt, mit Blick auf die Städte und Gemeinden in etwa 30 Millionen Zinsen pro Jahr. 34 Millio

nen wären nach unserem Modell im Topf. Das wäre eine riesengroße Entlastung. Dieser Topf könnte zumindest derzeit die Zinsen komplett bedienen.

Die Ehrlichkeit gebietet es, klar zu sagen - was auch die Ministerpräsidentin ausgeführt hat -, dass wir mit einer weit höheren Pro-Kopf-Verschuldung als die Städte und Gemeinden nicht auch die Tilgung in hohem Maße bedienen können. Aber unterschätzen Sie bitte nicht, wie wichtig es für die Städte und Gemeinden ist - gerade in Jahren, in denen die Konsolidierung voranschreitet -, auf dieser Seite entlastet zu werden, indem die Zinszahlungen zu einem großen Teil übernommen werden können. Ich glaube, die Kommunalpolitiker wissen, wovon ich rede, wenn ich die bilanzielle Überschuldung erwähne. Deshalb wollen wir mit dem Entlastungsfonds dafür sorgen, dass die Städte und Gemeinden gemeinsam mit uns den Kampf um Entschuldung aufnehmen können.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Dies geschieht ganz klar vor dem Hintergrund, dass ein Land handlungsfähige Kommunen braucht, um attraktiv zu sein und um eine gute Infrastruktur für die Menschen zu haben. Es beginnt bei den Kleinsten. Das ist angesprochen worden. Ich brauche nicht alles zu wiederholen. Wer wie wir Krippenplätze zur Verfügung stellt und klar sagt, dass das Familienbild nicht von uns vorgegeben wird, sondern dass die Menschen sich frei entscheiden können, wer wie wir - ob sozial indiziert oder nach eigenem Lebensbild - Familien unterstützt, wenn beide Elternteile arbeiten wollen und deshalb ein gutes Betreuungsangebot brauchen, der, Herr Lafontaine, wird auch sehen, dass wir hier Millionen ausgeben, die in Ihrer Zeit überhaupt nicht im Haushalt vorhanden waren. Damals gab es umgerechnet pro Kommune etwa fünf Krippenplätze. Wir bewegen uns jetzt auf 7.500 Krippenplätze zu. Wir tragen unserer sozialen Verantwortung also Rechnung. Wir sagen, dort ist das Geld richtig ausgegeben.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Deshalb gehört hierhin auch das Stichwort von der demografischen Rendite. Ich will es heute in aller Deutlichkeit der Öffentlichkeit und allen Fraktionen in diesem Hause sagen. Ich muss aber wiederholen, dass der Ausdruck für mich schlimm ist. Denn er bedeutet ja eigentlich, dass das Wort Rendite mit zu wenigen Kindern verbunden wird, aber wir nennen es nun einmal so. Wir haben ganz klar gesagt, wenn die Schülerzahlen zurückgehen und wir von der Lehrer-Schüler-Relation her Lehrerstellen abbauen könnten, wollen wir dieses Geld nicht zum Sparen nehmen, sondern es im Gesamtspektrum der Bildung belassen. Dazu gehört nach unserem Verständnis, von den Kleinsten ausgehend, Ü 3, Grundschule, Gemeinschaftsschule, Gymnasium, also alle

(Abg. Meiser (CDU) )

Bildungsbereiche. Es ist der richtige Weg, offen zu sagen, dass wir nicht den Stellenplan der Lehrer unverändert lassen werden, dass wir aber das gesamte Geld in die Hand nehmen, um es im Bildungssystem zu belassen und insgesamt Qualität zu schaffen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Dazu gehört, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir als Land auf die Kirchen bauen können. Ich möchte das heute nicht vergessen. Ich will die kirchlichen Vertreter aber nicht nur erwähnen, weil sie hier anwesend sind, sondern ich tue es gerne. Wir sollten nicht vergessen, wie viele Aufgaben die Kirchen heute - Gott sei Dank - bei uns immer noch wahrnehmen. Sie tun dies gerade bei den Kindergärten, den Sozialverbänden und in der sozialen Arbeit. Das ergänzt unsere Arbeit. Es ist eine gute Zusammenarbeit, die wir in den kommenden Jahren fortsetzen wollen. - Herzlichen Dank dafür.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Bei der Bildung, begonnen bei den Kleinsten, kommen wir nun zur Grundschule. Auch dort ist klar: Wir wollen in den Grundschulen Wahlfreiheit. Ich erwähne wiederum das Familienbild. Wir haben viele Freiwillige. Wir wollen gebundene Schulen schaffen, rund 25 in den nächsten fünf Jahren. Wir wollen also ein gutes Angebot in den Landkreisen aufbauen. Nach den Grundschulen folgt das Zwei-Säulen-Modell der weiterführenden Schulen, einschließlich der Berufsschulen. Wir haben hier als Bundesland genau den richtigen Weg eingeschlagen. Bei uns können Eltern und Kinder sagen, dass die Kinder nach acht oder nach neun Jahren Abitur machen sollen. Bei uns können sie wählen zwischen Ganztagsoder Halbtagsschule, zwischen freiwilliger oder gebundener Ganztagsschule. Genau das ist unser Bild von toleranter Politik, die Angebote schafft, die Akzente setzt, aber die Menschen nicht bevormundet. Das ist uns im Bildungsbereich mit unserer Verfassungsänderung und mit dem Schulordnungsgesetz, das jetzt kommen wird, gelungen. Das ist Schulfrieden, wie wir ihn immer angestrebt haben und den wir jetzt wirklich erreichen können.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Eines will ich in dem Zusammenhang nicht vergessen. Auch dies formuliere ich durchaus ein Stück weit fordernd und als Erwartung. Wenn die Schule abgeschlossen ist, geht es in eigener Verantwortung weiter in die Ausbildung, die Hochschulen und später in den Beruf.

Deshalb wollen wir sowohl im Ausbildungsbereich als auch im Hochschulbereich erreichen, dass junge Menschen die Freiheit haben, den Weg zu gehen, den sie gehen wollen; wir haben aber auch die Verantwortung, ihnen zu sagen, wo Berufe der Zukunft

sind, damit nicht ausgebildet wird für eine Zukunft ohne Beruf. Es ist deshalb, denke ich, legitim zu sagen, wir wollen im Bereich der Ausbildung mit beeinflussen, in welche Richtung verstärkt ausgebildet wird, wir wollen an den Hochschulen gerade die Fächer stärken, die wir in diesem Lande brauchen. Das große Stichwort ist, auch mit Blick auf unsere Unternehmen, dass wir den Fachkräftebedarf decken wollen, und das muss übereinanderkommen. Das ist ein großes Ziel, aber ich denke, dieses Ziel ist erreichbar und es wird unser Land erheblich weiterbringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, ich muss nur kurz erwähnen - denn es ist in der Regierungserklärung ausführlich angesprochen -, dass wir selbstverständlich alle Generationen mitnehmen wollen, auch die ältere Generation. Am besten aktiv und gesund, deshalb müssen wir für diese Bereiche etwas tun. Hier sind die Stichworte Prävention und Wellness zu nennen, aber in der Gesundheitswirtschaft geht es weiter. Wir wollen eine medizinische und pflegerische Grundversorgung in allen Regionen. Wir werden den Krankenhausbedarfsplan weiterentwickeln müssen, aber mit dem klaren und bleibenden Ziel eines flächendeckenden Netzes der Gesundheits- und Pflegeversorgung. Wir wollen auch eine menschenwürdige Pflege, und wir wollen dies alles ganzheitlich etwas stärker zusammenführen. Sie kennen das Problem der Schnittstellen in diesen Bereichen. Auch das ist eine große Aufgabe.

Gerade mit Blick auf die älteren Menschen, aber natürlich auch auf die Bevölkerung insgesamt muss man an einem solchen Tag auch daran denken, dass die innere Sicherheit für die Menschen ein hohes Gut ist, ein großes Stück Lebensqualität. Deshalb meine ich: Wir haben Verantwortung im Bereich der Polizei, aber auch der Rettungsdienste - ob THW, ob DRK, ob Feuerwehr oder Katastrophenschutz. Diese Bereiche haben es verdient, dass wir hinschauen. Hier dürfen wir nicht nur sagen, wir haben Visionen, sondern müssen das, was besteht, was unser Land ausmacht, pflegen.

Dieser Bereich hat auch sehr viel mit der Frage Ehrenamt zu tun. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass das Ehrenamt in der Regierungserklärung als wichtiger Eckpfeiler genannt ist. Denken Sie bitte daran: Je weiter die Globalisierung voranschreitet und umso weniger durchschaubar für die Menschen die Zukunft wird - die Bankenlandschaft, was wird mit Arbeitsplätzen, was wird mit den Rahmenbedingungen -, umso stärker wird das Bedürfnis nach einer gewissen Geborgenheit und nach Zusammenhalt.

Genauso ist es in der Regierungserklärung auch beschrieben. Lassen Sie uns deshalb jedes Element, ob im Kultur-, Sport-, Sozial- oder Umweltbereich, lassen Sie uns alle, die dort ehrenamtlich tätig sind, weiterhin fördern. Ich bin dabei, Herr Lafontaine, wenn wir dort deutlich ansprechen, dass ein Großteil

(Abg. Meiser (CDU) )

unserer Kulturlandschaft in der Breite ist. Wir haben aber auch kulturelle Spitzen. Das ist die Identität des Landes, das ist Zusammenhalt und nicht zuletzt das will ich heute wieder betonen -, ein großer Teil von Prävention. Wenn gerade junge Menschen auf gutem Weg begleitet werden, wenn Menschen in der Gesellschaft eine Anbindung haben, geraten sie am wenigsten auf die schiefe Bahn. Deshalb wollen wir an den Dingen anknüpfen, die bereits sehr positiv auf dem Weg sind.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich will einen letzten Bereich nicht aussparen, weil ich meine, dass auch dort eine wichtige Botschaft von dieser Großen Koalition ausgehen muss: Ein Land wird in seiner Attraktivität sehr stark von der Infrastruktur bestimmt. Gerade junge Menschen, aber auch Menschen, die beruflich ins Saarland kommen sollen und wollen, schauen sich hier um und fragen sich: Was finde ich in diesem Land neben dem Berufsleben an attraktiven Angeboten vor? Wir wissen, dass wir dort vieles zu bieten haben. Wir haben das Staatstheater. Ich spreche bewusst auch den Pavillon an, den wir bauen wollen. Wir wollen die Entwicklung dort noch einmal ins Positive kehren und den Menschen deutlich machen, dass wir große kulturelle Schätze haben, die wir zeigen wollen. Wir wollen eine Messe. Deshalb ist die Botschaft in diesem Punkt „Nicht jahrelang reden, sondern sehr schnell handeln“ eine sehr positive Botschaft für mich. Wir wollen eine Infrastruktur mit einem Stadion. Nach zwölf Jahren des Redens soll in einem Jahr gehandelt werden. Das sind Botschaften, die deutlich machen, dass wir in die Entwicklung unserer Städte und Gemeinden - und da will ich das ganze Land einbeziehen und nicht nur Saarbrücken erwähnen - investieren, dass bei allem Sparen die Infrastruktur erhalten und gestärkt wird.

Dabei ist ein Ansatz, den ich heute nicht vergessen will, der, zu sagen, lasst uns mit den Städten und Gemeinden reden: Dort wo ihr Infrastruktur nicht fünfmal vorhaltet, sondern bereit seid, sie zusammenzuführen, aber dann qualitativ hochwertig, sollen Anreize durch das Land geschaffen werden, helfen wir euch. Auch das ist ein Bereich, wo wir intelligent sparen und Infrastruktur trotzdem weiterentwickeln können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, eine Koalition funktioniert dann am besten, wenn es keine Gewinner und Verlierer gibt und wenn kein Partner den anderen überfordert. Das trägt vielleicht an dem Tag des Sieges, aber nicht darüber hinaus. Ich bin überzeugt davon, dass es gelungen ist, einen Koalitionsvertrag auszuhandeln, der in diesem Sinne fair und ausgewogen ist, der in diesem Sinne Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist. Ich glaube, in den Zielen sind wir uns einig, nämlich für ein eigenständiges Land einzutreten - das ist die klare Bot

schaft aller heute Morgen - mit attraktiven Städten und Gemeinden, mit toleranten und weltoffenen Bürgerinnen und Bürgern, die aber gerne im Saarland leben und arbeiten. Lassen Sie uns in diesem Sinne gemeinsam an die Arbeit gehen! - Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall von den Regierungsfraktio- nen.)

Das Wort hat für die Fraktion der PIRATEN Herr Fraktionsvorsitzender Michael Hilberer.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Werte Regierung! Ich muss zugeben, wir PIRATEN müssen das noch üben. Ich bin weder Dorfökonom noch globaler Ökonom, ich bin Naturwissenschaftler. Deshalb habe ich das getan, was ein Naturwissenschaftler tut: Ich habe mir den Koalitionsvertrag durchgelesen, ich habe mir die Regierungserklärung angehört und habe mir meine Gedanken dazu gemacht. Dabei habe ich ein paar Widersprüche festgestellt, auf die ich jetzt hinweisen möchte.

Ein Punkt, der mich ein bisschen stört, ist dieser Punkt der demografischen Dividende.

(Zuruf.)

Rendite, Dividende, wie auch immer. Ich bin wie gesagt kein Ökonom. - Ich bin 1979 geboren, das heißt, ich komme noch aus einem geburtenstarken Jahrgang. Wir leisten derzeit das Wirtschaftswachstum, von dem wir profitieren. Die Jahrgänge nach uns werden dieses Wachstum aber nicht mehr erbringen. Das heißt, jetzt darauf zu hoffen, dass die Steuereinnahmen weiter sprudeln, wenn wir älter werden, wenn wir weniger werden, ist ein bisschen gefährlich.

Wir haben jetzt eine Große Koalition, und das Motto scheint so ein bisschen zu sein: Alles ist wie immer, nur schlimmer. Wenn die Regierung die Ziele, wie sie hier formuliert sind, so umsetzt, wird das zu großen Belastungen in der Bevölkerung führen. Das Einhalten der Schuldenbremse und die Verantwortung, in allen Bereichen zu sparen, wird im Alltag nahezu jeden Bürgers klare Einschnitte bringen, also einmal auf kommunaler Ebene - die Lebenswirklichkeit der meisten spielt sich dort ab -, aber natürlich auch auf Landesebene. Wir haben im Saarland eine recht hohe Staatsquote. Wenn wir die Zahl der öffentlich Beschäftigten herunterfahren, wird sich das auch auswirken, und zwar in allen sozialen Netzen, die wir kennen. Ich habe Zweifel, dass wir mit dieser demografischen Dividende die Möglichkeit hätten, das Geld einzusparen. Das heißt, es wird woanders eingespart werden müssen.

(Abg. Meiser (CDU) )

Wenn es Ihnen bei all den Anstrengungen hier nicht gelingt, die Bevölkerung mitzunehmen, dann geraten wir in eine sehr gefährliche Lage. Wenn wir die Bevölkerung nämlich über Gebühr belasten, ohne sie abzuholen, ohne uns zu erklären, wo wir eigentlich hinwollen, dann untergraben wir das Vertrauen und das Funktionieren unserer demokratischen Strukturen. Das ist sehr gefährlich. Wir sehen das momentan in Europa, in erster Linie in Griechenland, wo Radikale in die Parlamente kommen, wo es schwierig oder gar unmöglich scheint, Regierungen zu bilden, die nur noch aus Demokraten bestehen. Wenn wir uns eine solche Dividende aufladen, werden wir in Zukunft große Probleme haben.

Im Moment ist unsere Ausgangslage natürlich noch ungleich besser. In unserem Parlament sitzen Demokraten und das müssen wir als Chance begreifen. Wir haben das Angebot gemacht, konstruktiv mitzuarbeiten und dazu stehen wir auch in den nächsten fünf Jahren. Wir werden uns sicher über Details streiten und wir werden uns über Inhalte streiten und ich glaube auch, dass das gut ist. Vielleicht noch ein Wort zu der Bemerkung von vorhin. Ich habe versucht, der Regierungserklärung komplett zu folgen. Ich muss aber zugeben, dass ich zwischendurch auch einmal geistig abgeglitten bin und mich nicht konzentrieren konnte. Ich habe mich kurz mit den Kollegen unterhalten. Das war aber an dem Punkt, an dem Sie gesagt haben, dass Sie eine UN-Konvention umsetzen wollen. Das erwarte ich einfach. Wir sind hier nicht in Nordkorea, wir sind im Saarland und UN-Konventionen sollten bitte umgesetzt werden.

Nichtsdestotrotz begrüßen wir es sehr, dass auch Sie mehr Bürgerbeteiligung anstreben und dass Sie Ihre Entscheidungsfindung transparenter machen wollen. Bei diesen Punkten können Sie definitiv auf unsere größte Unterstützung bauen. Politik muss sich heute erklären. Politiker haben die Bringschuld, die Bürger aktiv in die Meinungsbildung einzubeziehen. Es bringt nichts, wenn wir hier Politik hinter verschlossenen Türen machen und irgendwann ein Ergebnis nach draußen dringt. Das funktioniert heute einfach nicht mehr. Wir haben eine viel mündigere Gesellschaft, eine Gesellschaft, die viel mehr mitdiskutiert als das früher der Fall war. Die Gesellschaft möchte aber auch abgeholt werden, sie möchte die Themen herangetragen bekommen und das müssen wir tun, gerade - aber nicht nur - bei großen Infrastrukturprojekten. Dort tritt das immer am deutlichsten zutage, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Dann gibt es eine Diskussion und man fragt sich, kann man überhaupt noch große Infrastrukturprojekte machen? Natürlich kann man das, aber man muss die Leute dann auch mitnehmen. Wenn wir die Karten offen auf den Tisch legen und mit allen Beteiligten ergebnisoffen diskutieren, dann kann am Ende auch eine Abstimmung stehen, vor

der sich die politischen Akteure nicht fürchten müssen.

Noch ein Wort zur effizienteren Verwaltung. Hier sehen Sie große Einsparpotenziale und ich glaube, das ist weitestgehend Konsens. Aber bitte lassen Sie auch die Betroffenen zu Wort kommen. Personalvertretungen und Gewerkschaften mit einzubeziehen ist gut, aber es ist bei Weitem nicht ausreichend. Wir müssen in der Breite mit den Beteiligten Lösungen finden. Wir müssen auch die Möglichkeiten nutzen, die die Menschen haben, die die Arbeit machen. Denn die wissen, wie die Arbeit zu tun ist und sie wissen auch, wie sie effizienter zu tun ist. Das heißt, wir müssen darüber ins Gespräch kommen und sollten nicht auf zu enge Schnittstellen gehen. Entscheiden wir nicht über die Köpfe der Leute hinweg, sondern entscheiden wir mit den Leuten. Bitte beachten Sie auch, dass Transparenz und Bürgerbeteiligung nicht das neue Opium fürs Volk sind. Es sind Werkzeuge, die wir dringend benötigen, um die Herausforderungen der Zukunft und die Krisen, die vor unserer Tür stehen, zu meistern. Wenn wir uns alle sehr anstrengen, können wir die Veränderungen in diesem Land in Kooperation mit seinen Einwohnern gestalten.

Sie haben jetzt eine breite und bequeme Mehrheit im Landtag und dabei - so scheint es - gibt es kaum Dissens in der Koalition. Sie zeigen Anzeichen, mehr mit dem Bürger als über ihn regieren zu wollen, und über 65 Prozent der saarländischen Wählerinnen und Wähler haben dieser Regierung in einer Momentaufnahme vor fast zwei Monaten ihr Vertrauen geschenkt. Sie haben damit die Exekutive und die Legislative mit einer komfortablen Mehrheit ausgestattet. Die Bürger dieses Landes haben Ihnen damit großes Vertrauen geschenkt und sie erwarten jetzt auch einen großen Wurf, um dieses Land voranzubringen. Leider lehrt uns die Erfahrung aber auch, dass wir dies von großen Koalitionen im Allgemeinen nicht erwarten dürfen. Sie konnten sich ja nicht einmal zu einem richtigen Ja zum Mindestlohn durchringen - Herr Kollege Lafontaine hat das ja schon deutlich ausgeführt -, obwohl das, wie Sie ausgeführt haben, Kollege Meiser, eigentlich Konsens ist.

Erwarten uns also jetzt fünf Jahre langweilige und ideenlose Politik mit einem minimalen Kompromiss? Ich glaube, wir können uns das nicht leisten und ich möchte daher an Sie appellieren, ein bisschen mutiger zu sein in dieser Richtung. Vor allem in einem Punkt sehe ich einen schweren Mangel sowohl im Koalitionsvertrag als auch jetzt in der Regierungserklärung. Es fehlt tatsächlich an einer Vision, wie die Zukunft denn in diesem Land aussehen soll. Sie erklären, wie Sie den Mangel bewirtschaften wollen und wie man versucht, es nicht schlimmer werden zu lassen. Aber worauf sollen wir Saarländer denn

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

hinarbeiten? Lediglich die Eigenständigkeit des Saarlandes zu erhalten, ist ja an sich kein Selbstzweck. Wir wollen uns davon etwas versprechen. Wieso sollen wir hart arbeiten, um in diesem Saarland zu leben, das wir erhalten wollen? Das Ziel muss ein besseres Saarland sein, das Ziel muss ein liebenswerteres Saarland sein und es muss auch ein gerechteres Saarland sein. Wir wollen, dass alle Bürger die Möglichkeit haben, gleichberechtigt teilzuhaben am gesellschaftlichen Leben hier im Saarland.

In der Bildung sehen wir die richtigen Weichen teilweise gestellt. Die Wissensgesellschaft von heute braucht den mündigen, gut gebildeten Bürger und sie braucht den informierten Bürger. Es freut mich deshalb auch von Herzen, dass die CDU endlich Abstand vom Irrsinn der Studiengebühren nimmt. Das war mir ein sehr wichtiges politisches Anliegen. Das gefällt mir sehr gut. Konservative sind lernfähig. Das ist ein gutes Zeichen. Wie einige von Ihnen wissen, war ich früher selbst in der Jungen Union und kann daher sagen, ich bin ein lebendes Beispiel dafür, dass man auch als Konservativer über sein Weltbild hinauswachsen kann.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wenn wir es jetzt noch schaffen, angesichts steigender Studentenzahlen die Finanzierung der Hochschulen zu sichern, dann haben wir wenigstens ein Schäfchen im Trockenen. Nein, ich verlange jetzt nicht von Ihnen, dass Sie unser Weltbild annehmen, aber wir können bestimmt zu einem Konsens kommen. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Ein Problem, das ich noch sehe, ist diese Fixierung auf die Erwerbsarbeit. Wir sehen, dass durch die technologische Entwicklung weniger Lohnarbeit zur Verfügung steht. Vor allem bei sozialversicherungspflichtigen Jobs haben wir seit Jahren die Tendenz, dass wir immer weniger davon haben. Es gibt aber verschiedene Möglichkeiten, die Menschen trotzdem in Beschäftigung zu bringen. In den letzten Jahren wurde da einiges ausprobiert und vonseiten der SPD auf Bundesebene einiges mit der Agenda 2010 auf den Weg gebracht, aber vieles davon funktioniert nicht so, wie man sich das vorgestellt hat. Vieles davon führt tatsächlich dazu, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse gefördert werden. Und es führt dazu, dass Druck ausgeübt wird auf die Arbeitnehmer, die in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen sind. Ich denke, wir müssen uns langsam eingestehen, dass die Zeit der Vollbeschäftigung vorbei ist, und neue Modelle entwickeln. Wir müssen die gesellschaftliche Teilhabe unabhängig von der Erwerbsarbeit ermöglichen. Wir bauen aktuell im Sozialsystem eine ungeheuere Hypothek auf. Diese prekären aufgestockten Beschäftigungsverhältnisse werden uns auf die Füße fallen, denn diese Leute zahlen nicht in die Sozialkassen

ein. Die Zeit, in der wir diese Hypothek abbezahlen müssen, ist wahrscheinlich gar nicht mehr so fern. Diese Probleme lassen sich natürlich nicht allein hier im Saarland lösen; das ist klar.

Wir müssen das Saarland fit machen für diese Veränderungen, die sich bereits abzeichnen, für eine Zukunft in einer komplett veränderten Gesellschaft. Ziel muss es sein, eine mobile und durchlässige Gesellschaft zu erreichen. Die Lebensrealitäten vieler Mitbürger sind bereits heute durch gebrochene Lebensläufe gekennzeichnet. Das heißt, es ist gar nicht mehr normal, dass man jahrelang beim selben Arbeitgeber ist. Es gibt immer wieder Phasen dazwischen, wo gar nicht gearbeitet wird, wo man vielleicht nur ehrenamtliche Tätigkeiten ausübt und auf die sozialen Sicherungssysteme angewiesen ist. Die moderne Gesellschaft fordert deshalb von ihren Bürgern Anpassungsfähigkeit und Mobilität. Dafür muss die Gesellschaft aber auch ein Netz aufspannen, um trotz ständiger Veränderungen eine vernünftige Lebensplanung zu ermöglichen. Und das sehe ich momentan in der Verwaltung des Mangels nicht gegeben. Wir müssen die produktiven Kräfte freisetzen, die wir so dringend benötigen. Die Innovation, die wir so gerne möchten und die uns voranbringt, braucht einen vernünftigen Rahmen. Im Saarland hätten wir theoretisch die Möglichkeit, ein Land der kurzen Wege zu machen. Im Saarland haben wir die Chance, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich die produktiven Kräfte entfalten können. Wir sind hier tatsächlich im Herzen Europas. Wir haben eine starke Hochschul- und Forschungslandschaft. Wenn wir es schaffen, offene Schnittstellen anzubieten und den Menschen die Möglichkeit geben, all dies zu nutzen, dann kann das Saarland vielleicht wirklich ein Vorreiterland werden für die Wissensgesellschaft, die vor der Tür steht. Ich bitte Sie daher herzlich, diese Chancen zu nutzen und gestalterisch tätig zu werden. Wie Sie vielleicht wissen, sind wir PIRATEN dafür, dass gute Ideen kopiert werden. Gerade in einer innovativen Gesellschaft leistet Kopieren und ständiges Verbessern einen aktiven Beitrag zur Weiterentwicklung der Gesellschaft. Falls Ihnen also Teile unserer Vision gefallen, fühlen Sie sich bitte frei, diese zu kopieren und zu nutzen. Vielen Dank!