Protocol of the Session on September 24, 2014

Die Schule braucht also eine gewisse Zeit, um sich zu bewähren. Diese Zeit hatte noch keine einzige Gemeinschaftsschule. Deshalb halten wir einen Fünfjahreszeitraum gewissermaßen als Bewährungsfrist für das Mindeste.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen. - Abg. Schmitt (CDU) : Die Gemeinschaftsschulen sind zum Teil drei- bis vierzügig.)

Wir sehen ein weiteres Problem, das es bereits vor der Gemeinschaftsschule gab. Ich habe es während des Studiums erlebt. Damals gab es bei den Gymnasien eine interessante Entwicklung. Ich hatte zu der Zeit guten Kontakt zum Studienkoordinator, der damit beauftragt ist, aktuelle Entwicklungen von der Universität in die Schulen zu tragen. Er hat berichtet, dass es an den Gymnasien beim Notenspiegel eine Entwicklung weg von der klassischen Gauß-Verteilung gibt. Im alten Notensystem bedeutete dies, dass es hauptsächlich die Note 3 gab, weniger die Noten 2 und 4 und lediglich sehr wenige Einser und Fünfer. Es ging hin zu einer Verteilung, die dann liebevoll als Kamelkurve bezeichnet wurde - mit einem zweiten Buckel bei der Note 5. Diese Entwicklung wurde darauf zurückgeführt, dass Leute, die früher einen guten Realschulabschluss gemacht hätten, nun aufs Gymnasium geschickt wurden, dort nicht richtig gefördert wurden und entsprechend schlechte Noten erhielten. Dadurch ist der zweite Buckel bei der Note 5 entstanden. Das war der Stand vor etwa acht Jahren.

(Abg. Schmitt (CDU) : Es stimmt so nicht, was Sie da sagen.)

Herr Commerçon, es war also nicht in Ihrer Zuständigkeit, es war nicht Ihre Baustelle. Trotzdem wird das natürlich jetzt verstärkt. Wenn die Gemeinschaftsschule nicht den entsprechenden Zulauf findet, nicht so populär und bekannt ist, dann gehen mehr Leute ins Gymnasium, allein schon deshalb, weil sie es als die einzige Alternative sehen. Dementsprechend fordern wir, den Gemeinschaftsschulen eine längere Bewährungszeit zu geben, in der sie sich etablieren können. Deshalb fordern wir damals wie heute die Fünfjahresfrist.

Da der Antrag der LINKEN ansonsten keinen Punkt beinhaltet, gibt es von uns keine Kritik. Der Antrag ist für uns voll zustimmungsfähig. Wir haben damals zugestimmt und das werden wir auch heute tun. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat für die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENLandtagsfraktion Herr Abgeordneter Klaus Kessler.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Änderung des Gesetzentwurfes der LINKEN bezieht sich auf § 9 und § 63 des Schulordnungsgesetzes und zielt im Wesentlichen darauf ab, die Kriterien für einen ordnungsgemäßen Schulbetrieb für die weiterführenden Schulen - das sind für die Klassenstufen 5 bis 9 220 Schülerinnen und Schüler - nicht bereits nach zwei Jahren, sondern erstmals nach fünf Jahren, also zum Schuljahr 2016/2017, zur Anwendung zu bringen und nicht bereits zum Schuljahr 2013/2014.

Dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist exakt die Regelung, die wir als Jamaika-Regierung mit unserem Entwurf zum Schulordnungsgesetz im Oktober 2011 vorgesehen hatten. Deshalb stimmen wir dem auch heute zu. Wir wollten damals, und das wollen wir natürlich auch heute noch, insbesondere den neu eingerichteten Gemeinschaftsschulen fünf anstatt zwei Jahre Entwicklungszeit geben, bevor über ihren weiteren Bestand oder auch über ihre Schließung entschieden wird. Denn unser Gesetzentwurf - damals noch mit Zustimmung der CDU hatte zum Ziel, Schulschließungen zu vermeiden, die jetzt durch die Anwendung des aktuellen Schulordnungsgesetzes Thema geworden sind und möglich geworden sind, wenngleich unser Bildungsminister Ulrich Commerçon ständig das Gegenteil behauptet, dass nämlich hierdurch Schulschließungen verhindert werden sollten. Er bringt dann immer ins Spiel, wir hätten damals 250 als Gesamtmindestschülerzahl vorgesehen. Es gab noch keine Anhörung, aber hätte eine Anhörung stattgefunden und ergeben, dass auch 220 möglich wäre - die SPD hatte damals sogar 200 gefordert -, hätten wir uns selbstverständlich an dieser Stelle auf eine niedrigere Schülerzahl eingelassen.

(Zuruf.)

Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht nicht um diese Mindestschülerzahl insgesamt. Vielmehr geht es - und das steht im Zentrum des Antrags der LINKEN - um die Entwicklungszeit, die einer Schule gegeben wird, um ihre Existenzberechtigung zu haben. Bereits nach zwei Jahren Ihres neuen Gesetzes diskutieren wir in diesem Parlament

(Abg. Augustin (PIRATEN) )

wieder über Schulschließungen, und die Große Koalition hat das Gesetz verschärft. Natürlich ist offensichtlich, dass - insbesondere von dem Kollegen Commerçon, aber auch von anderen Rednern - das Wort Schulschließungen gar nicht so gerne in den Mund genommen wird. Vielmehr ist die Rede von Zusammenlegung, von Schulverbünden, von Dependancen. Aber es geht doch darum, dass, wenn das Gesetz so zur Anwendung kommt, es in bestimmten Gemeinden einen eigenständigen Schulstandort in Zukunft nicht mehr geben wird!

(Beifall von B 90/GRÜNE.)

Herr Commerçon hat ja im letzten Bildungsausschuss die Standorte schon genannt. Er hat gesagt, 2015/16 sind es fünf Standorte: Großrosseln, Friedrichtsthal, Bous, Mandelbachtal, Nonnweiler. Im Jahr 2016/17 kommen drei Standorte dazu: Quierschied, Saarlouis 1 - In den Fliesen -, St. Ingbert. Bis 2017/18 weitere vier Standorte: Kleinblittersdorf, Saarwellingen, Wellesweiler und Ottweiler. Wenn ich das addiere, meine sehr geehrten Damen und Herren, kommen in den genannten Zeiträumen Schulschließungen im Umfang von 12 Standorten auf uns zu.

(Abg. Schmitt (CDU) : Nein!)

In der Antwort auf unsere Große Bildungsanfrage, meine sehr geehrten Damen und Herren, waren es sogar noch mehr. Da ist aber der Zeitraum etwas kürzer gewesen. Da ist gesagt worden, bis 2016/17 seien es 16 Standorte, die möglicherweise die Voraussetzung eines geordneten Schulbetriebes nicht mehr erfüllen können.

(Zuruf und Sprechen.)

Da fällt doch auf: Einmal sind es 16 Standorte, einmal sind es 12 Standorte, es wird auf die Unsicherheit der Prognosen verwiesen. Meine Damen und Herren, wird da etwas schöngerechnet? Wird da etwas geheim gehalten? Ich bin der Meinung, dass die Anwendung des derzeitigen Schulordnungsgesetzes mit der vorgeschriebenen Frist die kleinen Standorte bestraft, weil sie ohnehin weniger Schüler haben. Durch die Additionsregelung - nach zwei Jahren werden die neuen Schüler gerechnet plus die Zahl der alten Schüler der auslaufenden Schulen besteht hier ein eklatanter Wettbewerbsnachteil für die kleinen Schulen, sich dauerhaft zu entwickeln. Sie brauchen aber diese Zeit zur Profilbildung, zur Werbung, zur Umsetzung neuer pädagogischer Konzepte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb ist der Weg - ich will ja eine Schulentwicklungsplanung überhaupt nicht in Abrede stellen -, den Sie mit diesem Gesetz einschlagen, ein Weg, der unweigerlich zu massiven Schulschließungen im Saarland führt. Das werden wir nicht mitmachen. Deshalb stimmen

wir dem Antrag der LINKEN zu. Ändern Sie das Gesetz an dieser Stelle, lassen Sie den Schulen mehr Entwicklungszeit - neue Schulen brauchen dies -, sonst machen Sie die Schullandschaft in diesem Land viel zu schnell kaputt.

(Beifall von B 90/GRÜNE, der LINKEN und den PIRATEN.)

Das Wort hat für die CDU-Fraktion Frau Abgeordnete Gisela Kolb - Entschuldigung, Gisela Rink.

(Zuruf und Heiterkeit.)

Hier besteht normalerweise keine Verwechslungsgefahr. Das Wort hat Gisela Rink.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe selten eine so unehrliche Diskussion erlebt, wie sie gerade in diesem Hohen Hause geführt wird.

(Beifall bei der CDU.)

Wir diskutieren hier, als hätten wir Gott weiß wie viele Kinder, um die die Schulen werben können. Das ist doch gar nicht der Fall, Herr Kollege Kessler und Herr Kollege Augustin! Keiner von der Großen Koalition wünscht sich eine Schulschließung, aber wie soll ich denn Schulstandorte offen halten, wenn sie nicht mehr nachgefragt werden? Das ist die Situation und das sollten wir ehrlich zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU. - Zuruf.)

Wir haben doch jetzt schon Beispiele im Land, wo nicht die Politik gesagt hat, die Schule muss geschlossen werden, sondern wo Eltern dies entschieden haben. Der Kollege Hermann Scharf hat mir gerade zugerufen: Nenn mal das Beispiel Oberthal! Hier hat keine Politik gesagt, die Schule in Oberthal muss geschlossen werden. Nein, die Eltern haben gesagt, es geht so nicht mehr weiter, wir möchten die Zusammenlegung und gehen nach Namborn. Es hätte die Möglichkeit gegeben, vor Ort eine Dependance zu machen. Aber die Eltern haben anders entschieden.

(Abg. Scharf (CDU) : Oder sie gehen nach Türkismühle.)

Oder sie gehen an andere Standorte. Genau das ist das Problem, das wir haben. Ich wünsche mir bei diesem Thema wirklich eine offene und ehrliche Diskussion. Und, Herr Kollege Kessler, im Bildungsausschuss hat der Bildungsminister in der Tat offen und ehrlich gesagt, wie es aussieht. Er hat die Fakten offengelegt, und ich glaube, daran kommen wir nicht vorbei. Wir sollten uns die Fakten anschauen und sehen, wie wir in dieser Situation gemeinsam mit den Schulträgern einvernehmliche Lösungen finden können.

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

(Beifall bei der CDU.)

Wir hatten am 20. Juni 2012, als wir das Gesetz verabschiedet haben, im Grunde schon die gleiche Diskussion. Sie haben uns auch damals schon gesagt, wir brauchen länger Zeit. Aber auch damals stand die Zahl 250 im Raum, Herr Kollege Kessler.

(Zuruf des Abgeordneten Kessler (B 90/GRÜ- NE).)

Es macht schon einen Unterschied, ob ich eine Mindestschülerzahl von 250 habe oder eine von 220. Und ich hatte nicht das Gefühl, dass wir diese Zahl von der Anhörung abhängig machen wollten. Vielmehr hatten wir beschlossen: 250 und fünf Jahre Zeit. Jetzt haben wir 220 als Mindestschülerzahl festgelegt. Und wenn wir uns einmal vergegenwärtigen, wie sich Schülerzahlen und Schulen in diesen zwei Jahren entwickelt haben, müssen wir zur Kenntnis nehmen: Die Prognosen hinsichtlich zurückgehender Schülerzahlen haben sich - ich sage das ganz deutlich - leider bestätigt. Und wir reden ja nicht von Kindern, die jetzt erst auf die Welt kommen, sondern die Kinder, über die wir diskutieren, sind schon auf der Welt; die sind im Kindergarten, vor allen Dingen aber in der Grundschule.

(Vizepräsidentin Ries übernimmt den Vorsitz.)

Sie erwähnen den Standort Saarlouis-Bous. In diesem Jahr wurden in der Grundschule in Bous 40 Kinder eingeschult. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen alle, dass etwa 50 Prozent sich für das Gymnasium entscheiden. Dann ist doch voraussehbar, dass ich für die Gemeinschaftsschule nur noch ein Schülerpotenzial von 20 Schülern habe, unabhängig davon, ob diese 20 Schüler dann überhaupt Bous als Schulstandort wählen oder ob die sich nach Völklingen, Schwalbach oder Saarlouis orientieren. Das heißt, Sie diskutieren, als würden die Zahlen gar nicht auf dem Tisch liegen, sondern als würden wir uns einen Spaß daraus machen, Schulentwicklungsplanung so zu gestalten, dass wir einfach ein paar Schulen schließen. So ist es nicht, deshalb bitte ich um eine sachliche Diskussion.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist denn in den vergangenen zwei Jahren geschehen? Die Prognosen haben sich bestätigt, das hatte ich eben gesagt, aber es wurden auch vonseiten der Schulträger Schulentwicklungspläne geschrieben. Eine Gemeinschaftsschule im Kreis St. Wendel ist bereits mit einer anderen Schule zusammengelegt worden. Die demografische Entwicklung hat sich nicht verändert.

Und ich sage noch eines ganz deutlich: Es war der Wunsch der Schulträger, in die Entscheidungen mit eingebunden zu werden. Diesem Wunsch haben wir

Rechnung getragen. Und das ist eine neue Entscheidung; das war sonst nicht üblich. Es ist richtig und wichtig, dass die Schulträger hier ein Wort mitreden können, dass wir sie mit einbeziehen. Ich sage noch einmal, dass wir versuchen, einvernehmlich Lösungen zu treffen, und zwar gemeinsam mit den Schulträgern, denn das ist eine gemeinsame Verantwortung.

Die Gemeinschaftsschulen sind gut gestartet und sie unterrichten nun im dritten Jahr. Das heißt, wir sind bei Klasse 7 angekommen. Herr Kollege Kessler, wir haben damals über den Differenzierungsrahmen in der Gemeinschaftsschule diskutiert. Sie wissen selbst, dass ab Klasse 7 differenziert wird. Ich frage Sie: Wie können wir das denn vor Ort gewährleisten, wenn es dort nur noch eine Klasse mit 20 Schülerinnen und Schülern gibt? Natürlich können Sie sagen, wir machen eine Binnendifferenzierung.

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) : Das kann man auch machen.)

Das kann man auch machen; da gebe ich Ihnen recht. Das wird vielleicht auch hier und dort geschehen. Aber, würden Sie heute sagen, dass alle Lehrer dazu befähigt sind, in allen Fächern binnendifferenziert zu arbeiten und dass wir dann noch eine qualitativ gute Schule haben? Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wir haben den Anspruch, dass wir auch in der Gemeinschaftsschule den Eltern und den Schülern eine gute Qualität anbieten wollen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Im Gegensatz zur Grundschule haben wir nämlich bei den weiterführenden Schulen ab Klasse 5 ein Wahlrecht. Die Eltern wählen und schauen sich mit den Schülerinnen und Schülern die Schulen an. Das sind ja keine kleinen Kinder mehr, sondern diese Schülerinnen und Schüler wissen genau, wo sie gerne hin möchten. Ich finde das auch richtig. Sie gehen zum Tag der offenen Tür und entscheiden sich dann, welchen Standort sie wählen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Kollegin Spaniol, das Wahlrecht wollen Sie doch gewiss nicht abschaffen. Das Wahlrecht ist gewährleistet. Und wenn Sie bei der Mindestschülerzahl von 220 sagen - die Kollegin Gisela Kolb hat eben eine Zahl von einem Standort in Saarlouis genannt -, auch wenn wir darunter liegen, ist noch ein geordneter Schulbetrieb gewährleistet, dann weiß ich ehrlich gesagt nicht, was Sie unter einem geordneten Schulbetrieb verstehen.

Ich sage eines in aller Deutlichkeit: Eine zeitliche Verschiebung löst dieses Problem nicht. Sie haben eben selbst gefordert, dass Eltern und Schüler ein Recht auf Planungssicherheit haben. Da gebe ich Ihnen recht. Planungssicherheit brauchen die Eltern, die Lehrer, die Schüler und auch die Schulträger. Deshalb finde ich es richtig, dass wir diese Zahl 220

(Abg. Rink (CDU) )