Herr Präsident Kartmann, Sie haben wahrgenommen, das Saarland ist etwas Besonderes. Sie haben gesehen, dass es dazu von allen Fraktionen entsprechenden Beifall gab. Auch das Parlament ist et
Ich eröffne damit die Aussprache und erteile das Wort für die Fraktion DIE LINKE Herrn Prof. Dr. Heinz Bierbaum.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Ministerin hat eben in ihrer Regierungserklärung gesagt, wir bräuchten Fachkräfte, um die Zukunft des Landes zu sichern. Dieser Aussage können wir natürlich vorbehaltlos zustimmen. In der Tat sind Fachkräfte notwendig, das gilt ganz allgemein. Wir haben hier im Lande aber auch besondere Gründe, die ja ebenfalls angesprochen wurden, Gründe, weshalb hier besonders etwas getan werden muss.
Allerdings, gestatten Sie mir diese Nebenbemerkung, haben wir jetzt so viele positive Beispiele gehört, dass ich mich geradezu frage, ob es tatsächlich noch eines eigenen Programmes bedarf, um Fachkräfte ins Saarland zu bekommen. Das aber nur als Nebenbemerkung, die auch nicht ganz ernst gemeint ist.
Der zentrale Punkt ist natürlich, dass wir unter dem demografischen Wandel leiden. Der demografische Wandel unterstreicht noch einmal, dass diesbezüglich etwas getan werden muss. Das ist gar keine Frage. Ich stimme auch der Aussage zu, dass wir diesen demografischen Wandel nicht einfach erleiden sollten, sondern ihn positiv aufgreifen sollten, ihn gestalten müssen. Zudem gibt es natürlich auch die veränderten Anforderungen der Wirtschaft, die es ebenfalls notwendig machen, etwas zur Sicherung des Fachkräfteangebotes zu tun.
Das in der Regierungserklärung Dargestellte und die besondere Betonung, dies stelle ein zentrales Handlungsfeld für die Politik dar, sind nach meiner Ansicht natürlich auch das Eingeständnis, dass die in diesem Lande lange Jahre betriebene Politik des Niedriglohnsektors gescheitert ist.
Dies ist auch eine Kritik an der Hartz-Gesetzgebung, die ja ebenfalls dazu beigetragen hat, dass Lohndrückerei stattfindet - und das ist eben das Gegenteil von dem, was im Zusammenhang mit dem Fachkräftebedarf gebraucht wird.
Frau Ministerin, Sie haben ein Strategiepapier mit neun Punkten vorgestellt und zum Schluss noch einmal ein Acht-Punkte-Programm zusammengefasst. Auch hierzu eine kleine Nebenbemerkung: Es wäre ganz nett gewesen, hätten wir von der Opposition
dieses Strategiepapier vorab schon gehabt. Aber vielleicht ist es ja auch erst gestern fertig geworden. Hätten wir es vorab gehabt, hätten wir uns sicherlich auch noch vertieft darauf einlassen können. Nichtsdestotrotz möchte ich einige Punkte hervorheben, die mir besonders wichtig erscheinen. Ich kann natürlich nicht auf alle Punkte eingehen, aber einige Punkte sind mir doch besonders wichtig.
Sowohl im Strategiepapier als auch im Acht-PunkteProgramm kommt sehr deutlich zum Ausdruck, dass das Thema Bildung, und zwar in einer sehr umfassenden Weise, eine Schlüsselkategorie darstellt. Das beginnt mit der elementaren schulischen Bildung und reicht bis zur Hochschule. Einen Aspekt möchte ich besonders unterstreichen: das Thema Weiterbildung, das Thema des lebenslangen Lernens. Diesbezüglich haben wir sicherlich noch Nachholbedarf. Ich glaube, es ist richtig, dass man das lebenslange Lernen und auch die Weiterbildung als einen Schwerpunkt begreift.
Einen zweiten Punkt aus den Papieren möchte ich hervorheben, denn dies wird immer wieder gefordert, und diese Forderung kann auch nur unterstrichen werden: die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ich glaube, diesbezüglich ergibt sich nach wie vor ein zentrales Hindernis, insbesondere was qualifizierte Frauen angeht. Es gibt sehr viele qualifizierte Frauen, die aufgrund der Tatsache, dass bei den derzeitigen Verhältnissen Beruf und Familie noch immer nicht wirklich vereinbar sind, in ihrem beruflichen Leben gehindert sind. Auch das ist natürlich ein Schwachpunkt mit Blick auf die Frage der Fachkräftesicherung.
Ich möchte nun zum betrieblichen Bereich kommen. Mehrfach, und in diesem Hause heute auch nicht zum ersten Mal, wurde das Thema der älteren Arbeitnehmerinnen und älteren Arbeitnehmer im Betrieb angesprochen. Eine Umfrage der IG-Metall zeigt, dass es diesbezüglich Nachholbedarf gibt, dass sehr viele Betriebe hierauf nicht ausreichend vorbereitet sind. Sicherlich gibt es das eine oder andere positive Beispiel, aber in vielen Fällen sind eben die Arbeitsverhältnisse in den Betrieben und Unternehmen nicht so, dass sie wirklich Chancen für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bieten.
Zu Recht wurde von Ihnen das Thema der kleinen und mittleren Unternehmen angesprochen, der KMU. Bei diesen geht es, so glaube ich, nicht allein um den Aspekt der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch um das Thema der Personalwirtschaft insgesamt. Denn die Fachkräftesicherung hat natürlich elementar auch zu tun mit der betrieblichen Personalpolitik. Dafür haben wir zum Teil sehr positive Beispiele, sehen aber teilweise auch erhebliche Defizite im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen und auch im Handwerk. Es ist sicherlich notwendig, entsprechende Unter
stützung zu gewähren. Ich glaube, dass es auch notwendig sein wird, in diesem Zusammenhang mit den Hochschulen, die ja über entsprechende Studien- und Forschungsschwerpunkte verfügen, zusammenzuarbeiten.
Einen weiteren Punkt, der mir sehr wichtig ist und der an meine Eingangsbemerkung anknüpft, möchte ich herausstellen: das Thema Gute Arbeit. Inzwischen hat sich, so glaube ich, dieses gewerkschaftliche Konzept weitestgehend durchgesetzt, das Verständnis, dass Gute Arbeit die Voraussetzung dafür ist, dass wir auch entsprechend qualifizierte Arbeitskräfte haben. Es ist anerkannt, dass Gute Arbeit die Grundlage dafür darstellt, dass wir attraktiv sind und auch künftig Fachkräfte haben. Denn man kann keine Fachkräftesicherung betreiben bei schlechter Bezahlung, bei schlechten Arbeitsbedingungen, bei Verhältnissen der prekären Arbeit. Wir müssen allerdings, und das ist ein großer Wermutstropfen, feststellen, dass wir im Saarland nach wie vor einen ausgesprochen großen Sektor der prekären Arbeit haben, also der schlecht bezahlten Arbeit, der Arbeit zu schlechten Bedingungen, der Arbeit, die unsicher ist. Deswegen gehört, so denke ich, zur Strategie der Fachkräftesicherung auch, den Sektor der prekären Arbeit energisch zurückzuschneiden, die prekäre Arbeit zu bekämpfen, dafür zu sorgen, dass das Konzept der Guten Arbeit in der Tat ein breit angelegtes Konzept wird.
Ich komme zu einem weiteren Punkt, der ebenfalls mit dem Thema des Fachkräftebedarfs sehr viel zu tun hat, und auch Sie, Frau Ministerin, haben das ja in Ihrer Erklärung sehr deutlich gemacht: das Thema Hochschule. Hierzu haben wir eben nicht nur positive Punkte zu vermerken. Wenngleich, Sie haben darauf hingewiesen, der Wissenschaftsrat ausgeführt hat, dass wir insgesamt über eine qualifizierte Hochschullandschaft verfügen, so muss ich doch auch feststellen, dass die gegenwärtige Diskussion um die Weiterentwicklung der Hochschullandschaft schädlich ist. Diese Diskussion ist schädlich, weil sie, so unsere Sicht, falsch geführt wird. Gewiss, man muss die Probleme aufgreifen. Diskutiert man aber über die Hochschulen und den Wissenschaftsstandort Saar allein unter Kürzungsgesichtspunkten, so geht diese Diskussion in die falsche Richtung.
In der Tat wäre es notwendig, hier positiv zu reagieren, das zur nachhaltigen Sicherung des Wissenschaftsstandortes Saar Notwendige aufzugreifen. Die Hochschulen im Saarland sind ein Kernstück der weiteren Entwicklung dieses Landes. Deswegen müssen sie entsprechend ausgebaut werden. Natürlich weiß auch ich, dass es finanzielle Restriktionen gibt. Zunächst einmal müssen wir aber doch überlegen, was denn getan werden muss, was wir brauchen, und dann müssen wir schauen, wie die Mittel
eingesetzt werden können, wie möglicherweise auch umgeschichtet werden kann. Das halte ich für den richtigen Ansatzpunkt.
Sie haben zu Recht betont, dass eben auch die Hochschulen - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, aus der Regierungserklärung, aus dem, was mündlich vorgetragen wurde - bei der Wirtschaftsstruktur des Landes ansetzen müssten. Dann ist es aber doch auch richtig, zu überlegen: Was brauchen wir denn für die Weiterentwicklung des Landes an wissenschaftlichen Leistungen? Nun wurde hier schon mehrfach angesprochen, die Industrie stelle das Herz der Wirtschaft des Saarlandes dar. Daher müssen wir noch stärker als bisher das Thema „Wissenschaft und Technologie“ in den Mittelpunkt stellen und dies verbinden mit der Industriepolitik und eben auch mit einer entsprechenden Hochschul- und Wissenschaftspolitik. Ich verweise diesbezüglich auch auf die gegenwärtig in der Bundesrepublik Deutschland geführte Diskussion, die nun ja auch bei der Hannover-Messe eine Rolle spielt, die Diskussion zum Thema „Industrie 4.0“. Damit gemeint ist die Digitalisierung der Industrie. Hierzu liegt eine beachtliche positive Entwicklung vor, hierbei gibt es Potenziale, die genutzt werden können. Ich glaube, das ist auch eine Zielvorgabe, die wir für unsere Wissenschaftspolitik brauchen: Wissenschaftspolitik ist auch Standortpolitik, ist auch Regionalpolitik, und sie muss auch in dieser Richtung gesehen und begriffen werden.
Ich möchte in diesem Zusammenhang das Beispiel ZeMA anführen, das ist das Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik. Ich halte dieses Zentrum für ein gelungenes Beispiel dafür, wie so etwas aussehen kann. Ich glaube, derartige Ansätze müssen wir noch stärker in die gesellschaftliche Diskussion einbringen.
Ich möchte auch an dieser Stelle noch einmal unsere alte Forderung betonen, dass das Thema Wissenschaftsstandort Saar verbunden werden sollte mit der Entwicklung eines Masterplanes Industrie, damit die Entwicklungsrichtungen klarer werden. Das ist meiner Ansicht nach auch deswegen notwendig, weil bei allen positiven Beispielen, die Sie aufgezählt haben - ich kann auch viele nennen, wie beispielweise ZF, wo sich eine ausgesprochen positive Entwicklung darstellt -, gibt es auf der anderen Seite natürlich Probleme, auch auf Unternehmerseite, das sollten wir nicht verschweigen. Die gegenwärtige Situation in der saarländischen Stahlindustrie ist nicht sehr gut, das wissen Sie alle, es gibt durchaus Probleme. Ich glaube allerdings nicht, dass die Landesregierung sie unmittelbar lösen kann, aber man muss sie einfach zur Kenntnis nehmen und aufgreifen. Es ist notwendig, dort etwas zu
Hier, meine ich, gibt es einen Schwachpunkt in der Infrastrukturentwicklung. Die Diskussion um die mögliche Zukunft oder die Nicht-Zukunft des Flughafens Saarbrücken oder um die Frage der Bahnverbindung sind eben Eckpunkte, die die Entwicklung dieses Landes beeinflussen. Wir haben nun mal gegenwärtig die Situation, dass das Saarland Schlusslicht in der wirtschaftlichen Entwicklung ist. Wir müssen etwas dafür tun, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Deswegen ist es so wichtig, entsprechende Maßnahmen zu treffen, ein Zeichen bezogen auf die Infrastruktur zu setzen. Da die saarländische Wirtschaft eben stark von der Industrie abhängt und diese wiederum vom Weltmarkt abhängt, müssen solche industriellen und wirtschaftlichen Tätigkeiten die geeigneten Rahmenbedingungen vorfinden. Deswegen halte ich das Thema Infrastruktur für sehr wichtig. Wir hatten im letzten Plenum angefangen, dies zu diskutieren, das sollten wir weiterhin tun.
Lassen Sie mich einen letzten Punkt erwähnen, das ist das Thema Arbeitsmarktpolitik. Die Frage der Fachkräftesicherung muss in eine integrierte Arbeitsmarktpolitik eingebettet werden. Wir sollten neben den Fachkräften - die haben Sie in Ihrer Erklärung angesprochen - nicht die sogenannten Problemgruppen am Arbeitsmarkt vergessen, die Schwierigkeiten haben, eine Arbeit zu finden. Deswegen finde ich das Thema des öffentlichen Beschäftigungssektors außerordentlich wichtig. Ich glaube allerdings, dass die Landesregierung initiativ werden müsste, da die Rahmenbedingungen, die wir gegenwärtig von der Bundespolitik haben, alles andere als günstig sind. Es werden Programme gekürzt, andere Programme sind angekündigt, von denen man nicht weiß, wie sie wirken werden. Es gibt auf jeden Fall ein erhebliches Defizit. Bei allen Anstrengungen des Landes, die wir bereits gewürdigt haben, werden diese Defizite der Bundesebene im Saarland nicht ausgeglichen werden können. Ich denke, es sind Initiativen auf der Bundesratsebene notwendig, um hier etwas zu erreichen.
Ich komme zu einem allerletzten Punkt. Ich möchte ausdrücklich unterstreichen, was Sie zur Zuwanderung gesagt haben, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Insbesondere im Bereich der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer liegen erhebliche Potenziale. Wir sollten uns darauf einstellen. Wir sollten uns nicht nur als Saarland, sondern als Bestandteil einer größeren interregionalen Region begreifen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Ministerin Rehlinger! Das Saarland ist aufgrund struktureller Faktoren früher und intensiver den Folgen des demografischen Wandels ausgesetzt als andere Länder. Wir werden früher weniger und insgesamt auch älter. Das beeinflusst alle möglichen Lebensbereiche, ganz besonders aber auch unseren heimischen Arbeitsmarkt. Mit Blick auf den Fachkräftebedarf entsteht dort langsam aber sicher ein Nachfrageüberhang. Frau Ministerin Rehlinger hat eben schon etwas zu den Branchen gesagt, bei denen das jetzt schon der Fall ist. Deswegen ist es richtig und notwendig, dass wir uns in unserem Land mit dieser sich zukünftig verschärfenden Situation beschäftigen. Die Landesregierung tut dies in hervorragender Kontinuität, einzig orientiert an der Notwendigkeit, der Unterversorgung mit Fachkräften entgegenwirken zu müssen.
Dazu hat im Jahr 2011 die damalige Arbeitsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer die Arbeitsagenturen, die Kammern, die Unternehmen und die Gewerkschaften in die Allianz zur Sicherung des saarländischen Fachkräftebedarfs gerufen und mit ihnen eine entsprechende Strategie entwickelt. Diese Initiative wurde von ihrer Amtsnachfolgerin Ministerin Monika Bachmann fortgeführt, bis die Zuständigkeit nach Bildung der neuen Regierung in das Wirtschafts- und Arbeitsministerium gewechselt ist. Da eine Strategie nur dann Aussicht auf Erfolg bietet, wenn sie gemeinsam mit den Partnern permanent weiterentwickelt wird, bin ich mit dem „Zukunftsbündnis Fachkräfte Saar“ sehr einverstanden, das unsere Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger heute erneut vorgestellt hat.
Herr Bierbaum, wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie auf das Thema Niedriglohn eingegangen. Darüber können wir uns natürlich gerne inhaltlich auseinandersetzen, aber es ist zumindest kein saarlandspezifisches Problem. Ich glaube, darin sind wir uns einig. Sie haben im Bereich der Hochschulpolitik versucht, ein kleines Haar in der Suppe zu finden. Aber auch da mussten Sie zugeben, dass es gewisse Notwendigkeiten gibt, die einfach so sind, wie sie sind. Deshalb: Wenn ich Ihren Vortrag richtig deute, war da sehr viel mehr Zustimmung zu dieser Strategie zu hören als Kritik. Das finde ich gut; in der Frage der Fachkräftesicherung müssen alle relevanten Kräfte dieses Landes und natürlich im besonderen Maße das Parlament dieses Landes zusammenstehen.
Die Fachkräftestrategie ist ein gutes Beispiel für den ganzheitlichen Ansatz der Landesregierung. Sie ist elementarer Bestandteil des neuen Saarland-Marketings, genauso wie umgekehrt das Saarland-Marketing seinen Beitrag zur Fachkräftestrategie leistet. Unser Ziel muss es sein, heimische Fachkräfte im Land zu halten und gleichzeitig durch Zuwanderung neue hinzuzugewinnen. Der Arbeitsmarkt ist im Wandel, er stellt neue Anforderungen an Wirtschaft und Politik, darauf müssen wir uns einstellen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und beginnt damit, dass wir unsere Ressourcen optimal nutzen. Dazu gehört: Wir müssen erstens die Anzahl der Schulabgänger ohne Abschluss reduzieren, zweitens die Anzahl der Ausbildungsabbrecher reduzieren, drittens die Anzahl der Studienabbrecher reduzieren, viertens die Erwerbspartizipation der Menschen über 55 Jahre erhöhen, fünftens die Frauenerwerbsquote steigern, sechstens die Zuwanderung von Fachkräften im Saarland steuern, siebtens die Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten steigern und achtens die Ausbildung und Qualifikation unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorantreiben. Daraus ergeben sich die von Frau Ministerin Rehlinger genannten Handlungsfelder: Der Bereich der allgemeinen schulischen und akademischen Bildung sowie der beruflichen Aus-, Fort-, und Weiterbildung, Programme für Arbeitssuchende und Unterbeschäftigte wie „Perspektiven in Betrieben“ oder das „Landesarbeitsmarktprogramm ASaar“.
Wir müssen uns um unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 55 Jahre kümmern und ihre Potenziale viel stärker nachfragen und nutzen. Dafür müssen wir aber auch bereit sein, bei Bedarf ganze Arbeitsprozesse daran anzupassen. Wir können es uns in Zukunft immer weniger leisten, auf die hervorragend ausgebildeten Frauen zu verzichten, die dem Arbeitsmarkt wegen fehlender Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf nicht zur Verfügung stehen. Dazu brauchen wir ein umfassendes und zeitflexibles Betreuungsangebot. Wir brauchen eine Haltestrategie für die jungen Menschen in unserem Land. Um Facharbeitskräfte von außerhalb in unser Land zu bringen, bedarf es mehrerer Maßnahmen. Einerseits bietet die Gruppe der Grenzgänger noch ungenutzte Möglichkeiten, sowohl bei der Beschäftigung selbst als auch bei der vorbereitenden Qualifizierung, also bei der Ausbildung. Andererseits müssen wir die Chancen nutzen, die uns Menschen mit Migrationshintergrund bieten. Dazu brauchen wir unter anderem Programme zur Förderung der Sprachkompetenz, eine aktive Förderung der sozialen und beruflichen Integration sowie eine Verbesserung der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Wenn wir Fachkräfte in unser Land ziehen möchten, brauchen wir attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen in Verbindung mit einer ausgeprägten Willkommenskultur.
Letztlich müssen wir ein hohes Interesse am Erhalt beziehungsweise am Zuwachs von Arbeitsplätzen in Industrie und produzierendem Gewerbe haben. Eine besondere Bedeutung bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels kommt den kleinen und mittelständischen Unternehmen zu, auch dazu wollen wir einen Beitrag leisten. Es gibt beispielsweise das Demografie Netzwerk Saar mit seinem Angebot für kleine und mittlere Unternehmen zum aktiven Umgang mit den demografischen Veränderungen in den Unternehmen. Darüber hinaus ist eine gezielte Weiterbildungsberatung für kleine und mittelständische Unternehmen beim Wirtschaftsministerium eingerichtet, die bewährten Förderinstrumente für KMU stehen weiterhin zur Verfügung.
In diesem Zusammenhang müssen wir uns doch einmal in diesem Hause eines vergegenwärtigen: Politik schafft keine Arbeitsplätze, Politik schafft nur die jeweiligen Rahmenbedingungen, unter denen Unternehmen Arbeitsplätze schaffen können oder eben abbauen müssen. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen in Deutschland und im Saarland haben sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt ordentlich entwickelt. Die Ministerin hat eben eine ganze Reihe von solchen Unternehmen aufgezählt, auch wenn wir derzeit gewisse Schwierigkeiten in dem Segment Stahl haben. Ich hoffe, dass dies nur temporär ist und wir sobald wie möglich aus der Delle herauskommen, keine Frage, Herr Bierbaum hat das eben auch schon so gesagt. Aber auch die Unternehmen selbst tun etwas dafür, attraktive Arbeitgeber zu sein. Das gilt ganz besonders für die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die nach wie vor für 70 Prozent der Beschäftigung und 80 Prozent der Berufsausbildung in unserem Land sorgen.
Die kleinen und mittleren Unternehmen tätigen rund die Hälfte aller Investitionen in unserem Land, sie sind Keimzelle von Fortschritt und Innovation. Großes entsteht eben immer im Kleinen. Im Sinne unserer Strategie zur Fachkräftesicherung sollten wir den Mittelstand im Fokus haben, denn von einer mittelstandsfreundlichen Politik profitieren alle.
Neben der Bereitstellung von Arbeits- und Ausbildungsstellen ist der Mittelstand Hauptsponsor von Kunst, Kultur, karitativen Einrichtungen und Sport. Nicht zuletzt ist er auch größter Steuerzahler und finanziert damit zu einem guten Teil unser Gemeinwesen. Daher ist es uns ein Anliegen, quasi als Bestandteil der Strategie zur Standortsicherung das neue Mittelstandsförderungsgesetz demnächst auf den Weg zu bringen ebenso wie Maßnahmen zur Sicherung der Infrastruktur. Auch die wurden eben schon angesprochen. Es ist notwendig, dass wir von den internationalen Verkehrslinien nicht abgeschnitten werden.
In kleinen und mittleren Unternehmen ist es geübte Praxis, dass Arbeitsverhältnisse langfristig angelegt sind, salopp formuliert: Die Unternehmer gehen mit ihren Beschäftigten durch dick und dünn. Die kleinen und mittleren Unternehmen brauchen ihre Fachkräfte zu Hochzeiten und durchschreiten mit ihnen auch konjunkturelle Dellen. Sie ziehen ihren Nachwuchs weitgehend selber nach, sie bilden nämlich aus. Diese geübte Praxis hat über Jahrzehnte gut funktioniert, aber immer mehr Unternehmen in immer mehr Branchen finden keine adäquate Zahl an Auszubildenden mehr, um daraus ihren eigenen Fachkräftebedarf zu decken.
Darin liegt eine der größten Herausforderungen für das „Zukunftsbündnis Fachkräfte Saar". Junge Migrantinnen und Migranten sowie die Intensivierung der grenzüberschreitenden Ausbildung scheinen mir hier die beiden wichtigsten Ansatzpunkte zu sein, um das bewährte System der eigenen Ausbildung für den eigenen Fachkräftebedarf auf Dauer am Leben zu erhalten. In diese Richtung müssen wir besondere Anstrengungen unternehmen.
Dabei helfen sowohl die Frankreich-Strategie der Landesregierung als auch das neue Saarland-Marketing, meine sehr verehrten Damen und Herren. Diese beiden Dinge gehören zu einer Strategie. Das Saarland als Haushaltsnotlageland engagiert sich im Bereich der Fachkräftesicherung außerordentlich, und wenn die finanziellen Rahmenbedingungen dennoch begrenzt sind, wie wir alle wissen, braucht es umso mehr kreative Ideen und Kräftebündelungen. Beides hat die Landesregierung in das „Zukunftsbündnis Fachkräfte Saar“ eingebracht. Es beinhaltet eine kontinuierliche, langfristig angelegte Strategie und bündelt in rund 170 Maßnahmen die Anstrengungen aller Projektpartner.