Diese inhaltliche Debatte ist im letzten Jahr in den Mittelpunkt gerückt und wird von uns auch fortgeführt. Die Gemeinschaftsschulen erhalten bis 2014/2015 Unterstützung bei der Ausarbeitung ihrer pädagogischen Konzepte. An den Gemeinschaftsschulen und Gymnasien wird eine gleichwertige Funktionsstellenstruktur aufgebaut. Damit haben wir uns schon heute Morgen unter Tagesordnungspunkt 1 beschäftigt. Diese inhaltliche Debatte muss sich aber auch bei der Ausbildung der künftigen Lehrerinnen und Lehrer wiederfinden. Auch ein Thema wie Inklusion muss sich in der Ausbildung und verstärkt auch in der Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern wiederfinden, damit die Inklusion zu einem Erfolgsmodell wird.
Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Ich glaube, meine Ausführungen haben bewiesen, dass die Bildungspolitik, die von Ulrich Commerçon, von der Landesregierung und der Großen Koalition gemacht wird, mehr ist als unverbindliche Ankündigungen und Allgemeinplätze. Wir machen eine gute Bildungspolitik. Wir sparen nicht an der Bildung. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Zur Begründung des Antrages der BÜNDNIS 90/ GRÜNE-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Hubert Ulrich das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kolb, Ihren Redebeitrag, den Sie gerade in Sachen Bildungspolitik zum Besten gegeben haben, kann man nur überschreiben mit „Giselas Märchenstunde“. Was Sie hier vorgetragen haben, hat mit der Realität in der saarländischen Bildungspolitik nicht viel zu tun.
Wie die saarländische Bildungspolitik in der Realität aussieht, durften wir heute alle der Saarbrücker Zeitung entnehmen, nämlich das, was Herr Strube dazu gesagt hat. Soweit ich informiert bin, ist Herr Strube SPD-Mitglied. Er war früher sogar ein engagiertes Mitglied. Ob er das heute noch ist, weiß ich nicht. Im Bildungsbereich ist er es wohl noch. Herr Strube wird heute zitiert mit den aktuellen Zahlen zu den realen Gegebenheiten, was die Schülerentwicklung im Saarland angeht. Das hat mit dem, was Bildungsminister Commerçon uns allen und der Öffentlichkeit erzählt, seit er Minister ist, offensichtlich nicht viel zu tun.
Lehrerstellen abgebaut werden - so viel zu Ihren Verbesserungen im Bildungssystem. Grundlage dieser Zahlen, die zum Abbau von 600 Lehrerstellen führen, ist das PwC-Gutachten. Genau diese PwCZahlen hat bereits Klaus Kessler zu unseren Regierungszeiten komplett in Frage gestellt, weil diese Zahlen, die sich PwC zusammengereimt hat, schon damals durch nichts zu belegen waren. Heute werden diese PwC-Zahlen und wird der Minister, der diese Zahlen immer noch vertritt, eines Besseren belehrt. Das ist die Realität in der saarländischen Bildungspolitik.
Kollege Commerçon hat offenbar Probleme grundsätzlicher Art mit dem wahrheitsgemäßen Wiedergeben von Zahlen. Beim Krippenausbau hat er am 13. August 2012 im „Pressefrühstück“ zum Besten gegeben, dass die Zielvorgabe von 35 Prozent im Jahre 2013 natürlich erreicht werden kann. Wo stehen wir real? Bei 30,8 Prozent, das war die Zahl vom Juli 2013. Immer wenn Ulrich Commerçon in diesem Haus oder bei einem Pressegespräch Zahlen nennt, sollte man sich daran gewöhnen, sie zu hinterfragen. In aller Regel stimmen sie nicht. Da wird den Leuten irgendetwas erzählt, was mit der Realität nicht viel zu tun hat. Aber genau das ist Ihr Problem.
Deshalb haben wir heute einen ergänzenden Antrag in dieser Form eingebracht, weil Sie versuchen, ein Bild zu erzeugen, als gäbe es reale Verbesserungen in der saarländischen Bildungspolitik. Alleine schon die Überschrift Ihres Antrages ist ja nur im zweiten Teil zu gebrauchen. Da steht nämlich: Erfolgreiche Bildungspolitik fortsetzen. Herr Commerçon, diesen zweiten Halbsatz kann ich unterschreiben. Es wird aber nicht Ihre Bildungspolitik fortgesetzt, sondern die der Vorgängerregierung. Die hat nämlich eine ganze Menge von Projekten, auf die Sie sich heute beziehen, auf den Weg gebracht. Diese Große Koalition und der Bildungsminister Commerçon haben bis zum heutigen Tag kein einziges Projekt auf den Weg gebracht, es sei denn, Sie betrachten den Abbau von 600 Lehrerstellen als Projekt. Dann haben Sie ein Projekt, nämlich den Bildungsabbau im Saarland. Aber das entspricht nicht so ganz unseren grünen bildungspolitischen Vorstellungen.
Ach, es werden keine 600 Lehrerstellen abgebaut? Ich höre von der SPD: So ein Quatsch! - Tun Sie das nicht? Bauen Sie keine 600 Lehrerstellen ab? Habe ich mich verhört? Habe ich etwas Falsches gelesen? Bin ich auf einem falschen Dampfer? Sie können mich gerne eines Besseren belehren. Ich höre ganz interessiert und konzentriert zu. Das sage ich Ihnen fest zu.
Auf die Krippenplätze bin ich bereits eingegangen. Bereits beim Krippengipfel 2011 - das ist die Grund
lage der Finanzierung der Krippenplätze im Saarland - sind von Klaus Kessler die Millionenbeträge festgelegt worden, die heute dazu führen, dass überhaupt etwa 35 Prozent erreicht werden können. Herr Jost, das ist in der mittelfristigen Finanzplanung nachzulesen.
Sie können mir gerne eine Zwischenfrage stellen. Nächstes Beispiel: Kooperationsjahr. Auch hier erleben wir einen Abbau. Das Kooperationsjahr wurde von Kessler eingeführt. Damals waren es noch vier Lehrerwochenstunden, die man brauchte. Jetzt fährt man auf zwei Lehrerwochenstunden herunter. Auch da gibt es einen ganz klar erkennbaren Qualitätsverlust.
Inklusion. Dort haben wir einen Stillstand, seit die Große Koalition regiert. Die Ankündigung, dass die Inklusion im Schuljahr 2014/2015 endlich umgesetzt werden soll, bedeutet eine massive Verzögerung in diesem Bereich. Der Schulversuch Inklusion müsste dringend weiter ausgebaut werden. Davon hört man bei Ihnen nichts. Das ist auch verständlich. Sie haben ja nicht die Lehrerstellen, weil Sie die abbauen! - So viel zum Thema Qualitätsverbesserungen im Bildungsbereich.
Zur Gleichwertigkeit von Gemeinschaftsschule und Gymnasium. Das wurde bereits heute Morgen angesprochen. Es war eine zentrale Forderung von Commerçon in der SPD. Das war einer der Gründe, die Gemeinschaftsschule abzulehnen, denn Sie wollten sie ja nie. Aber Sie versuchen jetzt so ein bisschen, das als einen Ihrer Erfolge zu verkaufen. Sie waren immer dagegen und haben sie abgelehnt. Sie haben die Gleichwertigkeit zu Recht gefordert. Sie tun aber nichts dafür! Sie machen eine ganz zarte Annäherung. Der Grund ist klar: Ihnen fehlen die Lehrerstellen.
Ich komme zum Schluss. - Ihnen fehlen die Lehrerstellen. Bei den kleineren Klassen ist es noch dramatischer. Im Koalitionsvertrag steht: 22 Schüler pro Klasse. Bei 29 liegen Sie! Das ist Ihre Bildungspolitik!
Im Koalitionsvertrag steht 22 als Klassenhöchstgrenze bei Grundschulen. Oder habe ich mich da verlesen?
Wir reden aber nicht vom Durchschnitt. Wir reden von dem, was Sie angegeben haben. Jetzt sind Sie bei 29. Das ist Ihre bildungspolitische Realität. Das ist das Gegenteil von dem, was gute und qualitative Bildungspolitik ausmacht. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat die Abgeordnete Barbara Spaniol von der Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat steht im Koalitionsantrag: „Erfolgreiche Bildungspolitik fortsetzen“. Kolleginnen und Kollegen, bei dieser Überschrift können Sie sich nicht wohlfühlen, vor allem nicht nach der Berichterstattung heute, wonach Sie noch mehr Lehrer als befürchtet einsparen wollen. Das ist ein Einstieg in die Debatte, der heute alle verwundert. Sie wissen, dass die Überschrift in Ihrem Antrag falsch ist. Sie müsste eigentlich lauten: Erfolgreiche Bildungspolitik beginnen. Sie könnte auch lauten: Vielversprechende Absichtserklärungen endlich umsetzen. Wenn Sie die Überschrift ändern, dann stimmen wir Ihrem ambitionierten Antrag zu. Das können wir dann nämlich ohne Weiteres tun. Auch wenn der Antrag nicht die heutige Wirklichkeit darstellt, ist er doch wenigstens zukunftsgerichtet. Das kann man ihm wirklich nicht absprechen. Es fehlt allerdings die Bestandsaufnahme der bildungspolitischen Baustellen. Das sind sehr viele. Die haben Sie natürlich weggelassen. Das kann ich verstehen. Es ist halt immer eine schwierige und teilweise peinliche Debatte. Wie gesagt, das ist nachvollziehbar.
Kolleginnen und Kollegen, wir sind immer dafür das betone ich -, dass eine wirklich erfolgreiche Politik fortgesetzt wird. Aber von Erfolg - das ist so, das hat leider eine lange Tradition im Land - kann man in Bezug auf die saarländische Bildungspolitik noch lange nicht sprechen. Es ist eben kein Erfolg, dass das Ziel einer Betreuungsquote von 35 Prozent weit verfehlt wurde. Es ist kein Erfolg, dass der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz im Saarland vielerorts noch nicht umgesetzt werden kann. Es ist auch kein Erfolg, dass die Kommunen mit den Folgekosten weitgehend alleine gelassen werden. Auch kein Erfolg ist, dass immer noch und immer mehr pädagogische Fachkräfte fehlen. Daneben existiert immer noch kein Gesamtkonzept für den Ausbau bei der frühkindlichen Bildung. Das gab es auch vorher nicht. Das ist das Problem. Wir erinnern uns an die Geschichten mit Antragsstopp und so weiter. Das braucht man nicht zu beschönigen. Diese Debatte muss man daher ehrlich führen.
Kommen wir zurück: Das alles wollen Sie doch hoffentlich ändern und nicht fortsetzen? Das ist doch die zentrale Frage, um die es geht! Wir sind der Landtag. Unsere Aufgabe ist es, angebliche Erfolge kritisch zu hinterfragen. Deswegen ist hier Kritik angebracht.
Da bin ich beim Stichwort Gleichwertigkeit, über das wir heute Morgen gesprochen haben. Das ist in Ihrem Antrag so formuliert, aber wir sind noch ganz weit entfernt von einer Augenhöhe, die wir alle wollten, als wir die Gemeinschaftsschule auf den Weg gebracht haben. Davon sind wir noch meilenweit entfernt.
Sie haben es zugelassen - und damit komme ich zu dem, was Sie selbst in dieser Koalition in der Hand gehabt hätten -, dass die Gemeinschaftsschule entgegen früherer Ankündigungen kaum Zeit zum Aufbau hat. Vorher waren fünf Jahre vorgesehen, damit die Schule Bestandsschutz hat. Jetzt ist das reduziert worden. Das ist genau das Problem. Nach einem Jahr am Start müssen die neuen Schulen aus Spargründen ums Überleben bangen. Das kann es nicht sein, wenn man hier sagt, wir bringen Chancengerechtigkeit mit der Gemeinschaftsschule auf den Weg.
Das geht noch weiter. Die Schulschließungen stehen natürlich im Raum. Von 17 Standorten ist die Rede. Das ist die absolut falsche Antwort auf zurückgehende Schülerzahlen. Wie oft haben wir hier in anderer Konstellation diese Debatte geführt. Zurückgehende Schülerzahlen müssen genutzt werden, um Qualitätsverbesserungen zu erreichen. Mehr individuelle Förderung, mehr Lehrer, weniger Unterrichtsausfall, anstatt mit Spartricks durch die Hintertür zu gehen, so, wie Sie es derzeit machen oder zumindest den Anschein erwecken.
Herr Minister, sorgen Sie endlich für Klarheit, wie viele Stellen im Schulbereich wirklich abgebaut werden. Klären Sie die Vorwürfe der Elterninitiative auf! Die Vorwürfe sind massiv. Sie besagen ganz klar, dass Sie mit falschen Zahlen gearbeitet haben. Sie haben sozusagen den Schülerrückgang hochrechnet, um das nutzen zu können und mehr Stellen einzusparen. Das ist ungeheuerlich! Das kann sich unser Bildungssystem absolut nicht leisten. Klären Sie das auf! Legen Sie die Zahlen auf den Tisch, wie es wirklich aussieht! Wir wollen wissen, was mit den 812 Stellen ist, die angeblich im System bleiben sollen. Wie werden die konkret eingesetzt? Hier sind Sie ganz viele Antworten schuldig. Dies soll nicht auf dem Rücken der Eltern, der Lehrer und der Schüler ausgetragen werden.
Das verunsichert total! Das ist völlig klar. Das tragen viele Eltern an uns heran. Das kann man nicht in einer rot-schwarzen Beweihräucherungsdebatte schönreden, wie Sie es versuchen. Ich finde das sehr schade. Es wäre ehrlicher gewesen, eine klare Bestandsaufnahme zu machen und selbstkritisch zu sagen, okay, hier sind wir noch nicht weiter. Aber das haben wir gerade nicht gehört. Die Eltern brauchen Planungssicherheit, wo die wohnortnahe Schule ist, in die sie die Kinder schicken können, damit sie dort ihren Abschluss machen können. Das hat ganz klar etwas mit gleichen Chancen zu tun. Die dürfen doch nicht von der Entfernung zum Schulort abhängen. Das ist ganz klar der Punkt.
Über das eben angesprochene Oberstufenkonzept haben wir sehr gestritten. Ich war enttäuscht, dass man nebulöse Aussagen macht, wie es mit der Oberstufe an der Gemeinschaftsschule weitergeht. Das war eine klare, zentrale und wichtige Forderung. Sie ist bis heute nicht erfüllt. Die Eltern müssen wissen, wie und wo die Kinder nach neun Jahren an der Gemeinschaftsschule Abitur machen können! Nur dann wird doch die Schule richtig attraktiv, dann wird sie ein Erfolgsmodell, um hier im Bild zu bleiben.
Ich komme zu den Erfolgen, aber ich setze sie in Anführungszeichen, die „Erfolge“ der Politik der letzten Jahre. Ich nehme keine Regierung aus. Diese sogenannten Erfolge haben wirklich Namen, die haben Sie wohlweislich in Ihrem Antrag weggelassen. Die heißen nämlich: massiver Unterrichtsausfall, zu große Klassen, drohende Schulschließungen, wahrscheinlich noch mehr als 600 Lehrerstellen, die abgebaut werden, schlechte Chancen für Referendare hier in diesem Land. Ich komme zum Bereich der beruflichen Bildung, der ist ja ganz ausgenommen. Das ist offenbar der Steinbruch. Dort fehlt immer noch die Lehrerfeuerwehr, dort haben wir zu wenige Lehrer, zu wenig Perspektiven. Auch das ist eine Riesenbaustelle, zu der Sie hier nichts gesagt haben!
Sie haben mit fadenscheinigen Begründungen Gebühren für die Eltern erhöht, die ihre Kinder in die Ganztagsbetreuung schicken, um damit quasi auch auszuhebeln, dass bis 17.00 Uhr das Kind in der Freiwilligen Ganztagsschule betreut wird. Das geht zulasten von Eltern und ihren Kindern, das ist unsozial und ist Bildungspolitik auf dem Rücken der Familien. Das will hier eigentlich niemand. Da hätte ich klare Antworten erwartet.
Schauen wir uns die Bildungslandschaft weiter an. Sie wollen einen dramatischen Rückbau der SaarUniversität durchziehen! Sie glauben, wenn Sie die Spar-Axt an die Schule und an die Universität anlegen, sichern Sie die Zukunft des Landes. Das ist wirklich an Unverschämtheit und Zynismus nicht mehr zu überbieten, Kolleginnen und Kollegen.
Sie wissen ganz genau: Damit die Gemeinschaftsschule ein Erfolg wird und damit die inklusive Schule gelingt, braucht es viel mehr Ressourcen statt viel weniger. Das ist absolut notwendig, dazu müssen Sie sich ganz klar bekennen, hier und heute.