Aber nicht nur die Ministerpräsidenten in der Rolle der Bevollmächtigten, sondern die Landespolitik insgesamt war immer Schrittmacher der deutsch-französischen Freundschaft. Die Landespolitik hat immer an der Spitze der Bewegung gestanden. 1970 etwa mit der Gründung der deutsch-französischen Regionalkommission. Ein Jahr später entstand die Regierungskommission Saarland-Lothringen-Luxemburg-Rheinland-Pfalz. 1986 gab es den Interparlamentarierrat, 1995 den Gipfel der Großregion, eine
Institution, die gar nicht mehr wegzudenken ist, 1996 den Wirtschafts- und Sozialausschuss, weil wir gesagt haben, auch in den Sozialsystemen, in den Wirtschaftsbeziehungen und im Arbeitsmarkt müssen wir zusammenwachsen. Danach wurde das Karlsruher Übereinkommen beschlossen, das gerade für Grenzregionen mehr Freiheiten gebracht hat. Oder das Zukunftsbild der Großregion 2020, bei dem wir jetzt vor der Aufgabe stehen, dass wir es fortentwickeln müssen, weil wir feststellen, wie schnell so eine Vision von der Zeit eingeholt wird, wie schnell die Zeitspanne vergeht.
Die Realität in unserem Land hat sich weiterentwickelt. Wir wissen, dass von den drei großen deutsch-französischen Institutionen neben dem deutsch-französischen Jugendwerk zwei ihren Sitz hier im Saarland haben. Im Netzwerk der deutschfranzösische Hochschule werden 5.000 Studierende betreut und haben die Möglichkeit, sozusagen binational ihr Studium zu absolvieren. Das Sekretariat für den Austausch in der beruflichen Bildung ist sicherlich die Institution, die am wenigsten in der Öffentlichkeit bekannt ist, die aber mit am effektivsten wirkt. 5.000 Auszubildende jedes Jahr, die in 50 Berufsbildern grenzüberschreitend zwischen beiden Nationen Ausbildung erfahren können.
Die Universität des Saarlandes ist die einzige Universität in Deutschland, die französische Abschlüsse verleihen kann und verleiht. Dies hebt unsere Universität gegenüber anderen Universitäten heraus. Das gilt gerade auch angesichts ihrer besonderen Schwerpunkte, dem Institut d´Etudes Françaises, dem Frankreichzentrum, dem Centre Juridique Franco-Allemand.
Darüber hinaus haben wir hier Gesellschaften wie die Union des Français de Sarre. Wir haben die Deutsch-Französische Gesellschaft Saar. Wir haben den Deutsch-Französischen Kulturrat, auch dieser mit Sitz im Saarland. Es gibt die Stiftung für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit, die ja auch beteiligt ist am großen deutsch-französischen Theaterfestival, den Perspectives.
Wir haben, um nun sozusagen die harten Fakten zu nennen, die grenzüberschreitenden Verkehrsverbindungen, nicht nur den ICE beziehungsweise TGV nach Paris, sondern mit der Saarbahn als TramTrain auch die einzige grenzüberschreitende Straßenbahn. Wir haben - und das ist schon so selbstverständlich geworden, dass wir es in der Aufzählung häufig vergessen - ein quatrolaterales Zentrum für die Zusammenarbeit der Polizeien und der Zollbehörden. Wir haben 84 kommunale Städtepartnerschaften, das Schengen-Lyzeum, das DeutschFranzösische Gymnasium. Wir können, wenn man sich die bilingualen Kindertagesstätten im Saarland anschaut, feststellen, dass das, was in der Agenda 2020 zwischen Deutschland und Frankreich als Ziel
vereinbart ist, nämlich bundesweit 200 binationale, bilinguale Kindertagesstätten einzurichten, fast schon allein im Saarland erreicht wird. Wir haben aber auch die entsprechenden Anschlüsse an den Grundschulen eingerichtet.
Das alles zeigt: Die deutsch-französische Freundschaft, das deutsch-französische Netzwerk, das saarländisch-französische Netzwerk - das ist Realität. Das ist unser Beitrag in der Landespolitik. Das alles liefern wir tagtäglich als Baustein für die deutsch-französische Freundschaft. Das ist der tagtägliche Exportschlager, den wir auch in die Bundesrepublik Deutschland geben. Es ist gut, sich diese Tatsachen noch einmal bewusst zu machen, denn wir haben allen Grund, stolz auf das zu sein, was wir diesbezüglich hier in den zurückliegenden Jahren geschaffen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Aber auch hier gilt das, was für die deutsch-französischen Beziehungen auf nationaler Ebene zu sagen ist: Wir haben gewiss Grund, stolz zu sein, aber wir haben keinen Grund, uns zurückzulehnen und die Arbeit einzustellen. Der Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, unser Freund und Kollege Lambertz, hat den klugen Satz geprägt, Europa gleiche einer Patchwork-Decke. Sicherlich ist das nicht in dem negativen Sinne gemeint, dass Europa ein zusammengefügtes Flickwerk wäre. Der Charme von Patchwork entsteht ja gerade, weil jedes Teil, weil jedes Quadrat unverwechselbar ist, unvergleichlich ist, und weil alle Teile zusammen ein außerordentlich interessantes und doch in sich harmonisches Ganzes bilden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, jeder, der sich schon einmal mit Patchwork befasst hat, weiß aber auch, dass es nicht nur darauf ankommt, wie der Stoff in der Mitte, in der zentralen Position, gestrickt und beschaffen ist. Es kommt vielmehr darauf an, wie die Nähte verarbeitet sind. Die Nähte müssen halten, damit aus Patchwork ein Gesamtkunstwerk wird. Die Nähte müssen halten, die Nähte müssen belastbar sein, die Nähte müssen verbinden. Übertragen auf den europäischen Gedanken heißt das: In Europa kommt es auf die Grenzregionen an. Sie sind die Nähte, die das europäische Patchwork zusammenhalten. Wir in den Grenzregionen halten die Belastungen tagtäglich aus, wir spüren tagtäglich, was gut ist in Europa und was noch verbessert werden muss. Wir spüren die positiven Schwingungen der Freundschaft, und wir spüren das, was uns noch voneinander trennt. Es ist daher die Aufgabe gerade der Grenzregionen in Europa, im Élysée-Jahr Motor zu sein, Motor zu sein mit Blick auf die weitere Zusammenarbeit, mit Blick auf das weitere Zusammenwachsen Europas.
Und wir spüren das in unserer Region tagtäglich. Es gibt mittlerweile eine Studie Lothringens mit dem Titel „Deutschland, der unumgängliche Nachbar für Lothringen“. Darin sagen auch die politischen Kräfte Lothringens deutlich: Es reicht nicht mehr, sich nur nach Luxemburg zu orientieren; wir müssen angesichts der wirtschaftlichen Verflechtungen den Blick insbesondere auch ins Saarland richten.
Auch als Folge des Zusammenlebens und des gemeinsamen Wirtschaftens und Arbeitens in dieser Region wurde die „Task Force Grenzgänger“ ins Leben gerufen. Sie hat nichts anderes zu tun, als das aufzuarbeiten, was an den Grenzen etwa bei den sozialen Sicherungssystemen und aus der unterschiedlichen Verfasstheit in dieser Frage tagtäglich für die Menschen, die scheinbar so grenzenlos an einem grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt agieren, spürbar wird. Es ist Aufgabe der Task Force, eben diese Friktionen aufzuspüren und dafür zu sorgen, dass sie dort, wo sie verantwortet werden, nämlich auch in der nationalen Gesetzgebung, gelöst werden. Es ist angesichts dieser Aufgabe nicht überraschend, dass diese Task Force nicht irgendwo sitzt, sondern gerade hier, in der Großregion.
Entsprechendes gilt für die Fachstelle für grenzüberschreitende Ausbildung, die der Wirtschaftsminister gerade gestern eingeweiht hat. Wir sind in der Situation, dass wir hier im Saarland in den kommenden Jahren deutlich spürbar Bewerber für Ausbildungsstellen suchen werden, während auf der anderen Seite der Grenze angesichts der Jugendarbeitslosigkeit umgekehrte Bedarfe bestehen werden. Deswegen ist es unsere Aufgabe, hier für einen Ausgleich zu sorgen, auch indem wir die grenzüberschreitende duale Ausbildung ermöglichen. Ich bin der festen Überzeugung, dass das System der dualen Ausbildung auch seinen Beitrag dazu leistet, dass sich die Situation hinsichtlich der Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland besser entwickelt als in vielen anderen europäischen Staaten. Es ist daher an uns, dieses System auch als Lösungsansatz nach Europa zu transportieren. Wir hier sind es, die dafür beweisen müssen, dass es funktioniert! Wir müssen aufzeigen, wie es funktioniert. Andernfalls wird es kein Exportschlager, sondern ein Ladenhüter werden. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, wäre eine verpasste Chance für die Jugendlichen - nicht nur für die Jugendlichen in unserer Region, sondern für die Jugendlichen in ganz Europa. Deshalb müssen wir dafür kämpfen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, angesichts all dessen wollen wir das Élysée-Jahr nutzen, gerade hier in Deutschland. Wir wollen es nicht nutzen, indem wir nur in verklärender Weise zurückschauen, einen schönen Festakt miteinander begehen und im Übrigen sagen: Ab morgen ist wieder Alltag, denn
so, wie alles läuft, läuft es ja gut. - Gerade wir hier wollen vielmehr das Élysée-Jahr aktiv gestalten, die Sache aktiv voranbringen. Dies geschieht in vielfältiger Art und Weise.
Wir tun dies natürlich auch über die Funktion der Bevollmächtigten. Ich bin sehr stolz darauf - und ich bin dankbar, dass es dafür auch die Unterstützung aus diesem Hause gab -, dass gerade wir im Saarland beschlossen haben, dieses Élysée-Jubiläum eben nicht nur in der herkömmlichen Art und Weise begehen zu wollen, sondern gerade im Élysée-Jahr einen eigenen kulturellen Beitrag leisten zu wollen, der sich insbesondere an Jugendliche richtet. Dieser kulturelle Beitrag ist geschaffen worden mit der Performance „Elysée63“ der Gruppe „Die Redner“, einer Gruppe anerkannter Künstler. Sie ist geschaffen worden hier im Saarland, an unserer Hochschule für Musik. Die Performance hatte am 22. September des vergangenen Jahres unter Anwesenheit von mehr als 700 Schülerinnen und Schülern aus Frankreich und Deutschland eine umjubelte Uraufführung. Mittlerweile ist die Performance zu einer Erfolgsgeschichte geworden, denn in den kommenden Wochen und Monaten werden „Die Redner“ mit ihr in unserer Region und weit über sie hinaus auftreten. Es liegen zahlreiche Anfragen vor, teilweise stehen die Termine auch schon fest. Es wird Aufführungen geben in Nancy, in Versailles, in Kiel, in Berlin, dort im Weltsaal des Auswärtigen Amtes, in Bochum, in Brüssel, in St. Vith, in Straßburg, bei den Perspectives in Saarbrücken, aber auch in Metz, in Luxemburg und in Trier und wahrscheinlich auch in Paris. Ich freue mich sehr, dass die Performance anlässlich des eigentlichen Élysée-Jubiläums am Abend des 22. Januar auch von ARTE in einer Fernsehfassung gezeigt wird. Damit haben wir als Saarland einen deutlich erkennbaren kulturellen Beitrag zum Élysée-Jahr und zur Ausgestaltung der deutschfranzösischen Freundschaft eingebracht, und auch darauf können wir gemeinsam stolz sein, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir von der saarländischen Landesregierung haben aber auch gesagt: Wir wollen das Élysée-Jahr nicht nur mit Terminen im Januar begehen, sondern aus dem Élysée-Jahr ein richtiges Frankreich-Jahr machen. Wir haben alle Bürgerinnen und Bürger des Landes, alle Gruppierungen und Institutionen aufgefordert, sich an diesem Frankreich-Jahr zu beteiligen, Vorschläge für Veranstaltungen einzubringen. Wir haben mittlerweile eine Liste von über 80 Veranstaltungen der unterschiedlichsten Art über das ganze Jahr hinweg, die sich mit dem Thema Frankreich und Deutschland, mit dem Thema Élysée-Jahr beschäftigen. Ich will Ihnen nur einige wenige nennen, um deutlich zu machen, wie breit die Palette und wie
Wir reden ja immer vom Europa der Jugend und vergessen dabei oft, dass Europa auch von den Älteren gestaltet werden muss. Wir haben eine ausgezeichnete und anerkannte Institution in unserem Land, nämlich EUROP’age. EUROP’age hat für das Frankreichjahr nicht nur bilinguale Gesprächskreise, sondern zum Beispiel auch bilinguale Gedächtnistrainingskreise für ältere Menschen angeboten. Das ist, wie ich finde, eine hochinteressante und spannende Idee.
Wir haben die Akademie Otzenhausen. Ich möchte an dieser Stelle eines einschieben. Ich werde die große Ehre haben, am 07. Februar in Rom an einer Veranstaltung in der Päpstlichen Universität teilzunehmen. Das ist eine Veranstaltung, die es so bisher noch nie gab. Zum ersten Mal in der Geschichte werden der deutsche und der französische Botschafter beim Vatikan eine gemeinsame Veranstaltung zum Thema Deutschland und Frankreich durchführen. Das Schöne daran ist nicht die Tatsache, dass ich dort auftreten werde, sondern die Tatsache, dass die Idee dazu von der Europäischen Akademie in Otzenhausen, von Arno Krause, kam. Auch dafür von dieser Stelle aus ein herzliches Dankeschön. Besser kann man die saarländische Verbundenheit mit Europa nicht leben, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist ein großes Zeichen.
Es gibt in der Akademie Otzenhausen eine ganze Vortragsreihe über das Jahr, die sich nennt „Voyage au coeur de l`Europe“. Es gibt ganz praktisch, wie es uns Saarländern nun auch einmal liegt, einen Spezialitätentag in der Mensa der Universität. Die saarländischen und französischen Grundschüler feiern den Deutsch-Französischen Tag gemeinsam. Es gibt in Gersheim eine ganz interessante Wanderung entlang der unsichtbar gewordenen Grenze. Wie könnte man eigentlich besser darstellen, wie eng wir zusammengewachsen sind? Die deutsche und französische Bauwirtschaft führt gemeinsam eine Veranstaltung durch zu dem Thema "Bauinitiativen als Chance einer neuen europäischen Energie- und Umweltpolitik“, auch das ein sehr interessanter Ansatz. Es gibt eine deutsch-französische umweltpädagogische Woche von Schülerinnen und Schülern, ein deutsch-französisches Fest, wo anders als im Deutsch-Französischen Garten, es gibt unter anderem ein deutsch-französisches Übersetzungsforum und wir haben ja unsere Europäische Kinder- und Jugendbuchmesse. Ich bin sehr stolz, dass wir in diesem Jahr eigens - und das soll in Zukunft auch so fortgeführt werden - einen deutsch-französischen Jugendliteraturpreis vergeben, weil wir wissen, dass
es gerade wichtig ist, Kinder sehr früh schon für die Sprache des Nachbarn zu begeistern. Das ist die große Herausforderung, die vor uns liegt. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass wir diese Veranstaltung im Frankreichjahr der Landesregierung begehen können.
Ich darf mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken beim Europaministerium, das die Federführung für das Frankreichjahr hat, aber auch bei allen Kolleginnen und Kollegen der anderen Häuser, die ihre Ideen mit eingebracht haben. Ich möchte mich vor allem bedanken bei allen Saarländerinnen und Saarländern, die ihre Ideen, ihre Veranstaltungen, ihre Initiativen dazu beigesteuert haben und die deutlich machen: Élysée ist bei uns nicht nur an einem Tag im Jahr, sondern Élysée ist Realität das ganze Jahr über, und das ist gut so, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir wollen, und das ist das Wichtigste schlechthin, nicht nur ein Frankreichjahr begehen, sondern wir wollen, dass aus diesem Frankreichjahr dauerhaft eine Frankreichstrategie, eine Europastrategie für das Saarland und vom Saarland aus wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir in den nächsten Jahren in einen verstärkten Wettbewerb mit anderen Regionen in Europa und in Deutschland gehen, werden wir uns auf das konzentrieren müssen, was uns unverwechselbar und damit auch unverzichtbar macht - das, was unseren Markenkern ausmacht. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, was könnte das besser sein als deutschfranzösische Kompetenz, als europäische Kompetenz?
Deswegen ist es wichtig, dass es bei all den Initiativen, die ich genannt habe, all dem, was wir in der Vergangenheit erarbeitet haben, keinen Stillstand gibt, sondern dass wir es noch stärker als in der Vergangenheit verdichten zu einer Leitlinie unserer saarländischen Politik. Das bedeutet zuallererst und auch das hat etwas mit dem Thema Dachmarke zu tun, das weit mehr ist als bunte Plakate -, dass wir dem Anspruch, den wir an uns selbst haben und dem Anspruch, den wir nach außen vertreten, dass wir nämlich das französischste aller Bundesländer sind, gerecht werden! Zur Realität des Jahres 2013 gehört auch, dass wir dort noch viel Entwicklungspotenzial nach oben haben.
Unser Ziel muss es sein, dass das Saarland das natürliche Kompetenzzentrum wird, wenn es um das Thema Europa und deutsch-französische Beziehungen geht. Es muss in Zukunft so sein, dass, wenn Experten für deutsch-französische Zusammenarbeit gesucht werden, sei es auf der staatlich-institutionellen Ebene oder auf der Ebene der wirtschaftlichen
Beziehungen oder bei der Frage, wie man einen gemeinsamen Arbeitsmarkt gestaltet, nicht in Berlin, Freiburg, Thüringen oder wo auch immer gesucht wird, sondern dass klar ist: Wer mit den Experten reden will, der muss ins Saarland kommen! Das bedeutet in der Folge, dass wir uns auch bei den anstehenden Diskussionen über die Frage, wie wir unsere Hochschulen positionieren, wo wir das Profil schärfen, gerade dieses Thema Europa, gerade das Thema deutsch-französische Kompetenz nach vorn bringen müssen.
Es ist unsere Aufgabe, Beispiele für das Zusammenleben in einer Region zu geben. Ich bin sehr dankbar, dass der gemeinsame Antrag der Fraktionen ja gerade an dem Punkt ansetzt, wie wir uns hier zusammenfinden. Bei der Frage, wie wir Verkehr und Infrastruktur gestalten, sei es die sichtbare Infrastruktur von Straße und Schiene oder sei es die, die sozusagen unter der Erde liegt, nämlich die Internetverbindungen, die wir auch brauchen, müssen wir Beispiele dafür liefern, dass man nicht an nationalen Grenzen Halt macht, und zeigen, wie man das hier gestaltet. Wir dürfen etwa in der Frage, wie wir zukünftig die Verkehrsbeziehungen gestalten, nicht nur die Richtung vom Saarland nach Deutschland hinein betrachten, sondern wir müssen ganz selbstverständlich überlegen, wie wir Saarbrücken mit Luxemburg, mit Nancy, mit Metz verbinden, wie wir die Verbindungen untereinander schaffen. Auch für die wichtige Frage der Freizügigkeit und der Flexibilität von Arbeitskräften, meine sehr geehrten Damen und Herren, können wir Beispiele geben.
Wir müssen uns auch beim Thema Energiewende mit der Frage befassen, wie wir das gemeinsam in dieser Region schaffen können. Es ist nun einmal so: Wenn Windräder in Grenznähe aufgestellt werden, egal ob auf rheinland-pfälzischer, luxemburgischer oder französischer Seite, hat das unmittelbare Auswirkungen auf uns hier im Saarland. Deswegen kann Raumplanung eigentlich nicht nur für das jeweilige nationale Gebiet gelten, sondern muss auch über die Grenzen hinweg gedacht werden.
Wir müssen deutlich machen, dass wir, wenn wir hier zusammenarbeiten, unsere Systeme so harmonisieren müssen, dass wir wirklich Freizügigkeit haben, dass wir nicht in eine Situation kommen, dass Menschen diese Grenzen dann schmerzhaft spüren, wenn es einen Bruch in ihrer Erwerbsbiografie gibt. Daran müssen wir arbeiten. Wir dürfen keinen Verdrängungswettbewerb bei den Arbeitsbedingungen und Arbeitsverhältnissen haben. Das, was wir als attraktive und gute Arbeit für unsere Wirtschaftsregion wollen, darf nicht nur für uns im Saarland gelten, sondern muss im ganzen Großraum Gültigkeit haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dafür müssen wir die Blaupause geben, dafür müssen wir im Verbund mit den anderen Grenzregionen kämp
fen, damit wir die Freiheit bekommen, dieses auch umzusetzen. Es muss uns möglich werden, in einer Grenzregion über Experimentierklauseln mit einer gewissen Freiheit im Rücken Dinge auch auszuprobieren, ins Leben zu rufen, in die Realität umzusetzen, um dann, wenn es hier funktioniert, zu sagen: Das eignet sich auch dafür, dass es nationales Recht wird, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir müssen die europäischen Realitäten bestimmen. Das ist die Aufgabe, die wir vor uns haben.
Das wird nur gelingen, wenn wir insbesondere mit Blick auf die Sprache des Nachbarn und damit verbunden auf das Thema Zweisprachigkeit wirkliche Schritte nach vorne machen. Wenn wir sagen, wir sind das französischste aller Bundesländer, dann müssen wir auch die Sprache des Nachbarn sprechen können. Die Zweisprachigkeit ist die große Vision, es ist das, was wir wollen, dann werden wir es auch können. Ich weiß, dass für viele dieser Punkt erst einmal abschreckend ist. Es wird gesagt, seit Ewigkeiten sprechen wir davon, zweisprachig zu werden. Wir haben es bestenfalls ansatzweise geschafft, aber bei Weitem nicht so, wie wir es möchten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, stellen Sie sich aber vor, wir würden uns vornehmen, dass die Kinder, die in diesem Jahr geboren werden, sozusagen die Élysée-Generation des Jahres 2013, die Kinder sein sollen, die durch die entsprechende Vermittlung der Sprache - und zwar durch die frühe Vermittlung der Nachbarsprache in der Kindertagesstätte und in der Grundschule - schon die Grundschule mit einem guten französischen Sprachniveau verlassen und dann selbstverständlich Englisch als erste Fremdsprache hinzunehmen. Wir sprechen bei dieser Generation von 6.500 bis 7.000 Kindern, die in den nächsten Jahren unsere Kindertagesstätten und Grundschulen besuchen werden. Wenn wir es schaffen, für diese rund 7.000 Kinder dieses Ziel umzusetzen, dann haben wir den Grundstein gelegt für eine wirkliche Zweisprachigkeit in der Region. Wenn wir diesen ersten Schritt gegangen sind, dann schaffen wir es auch, diese Region innerhalb einer Generation wirklich zweisprachig zu machen. Das, meine Damen und Herren, ist das Beste, was wir zur Zukunftssicherung für unsere Kinder und für dieses Land beitragen können. Es ist ein Ziel, an dem es sich lohnt, gemeinsam zu arbeiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, französische und deutsche Schülerinnen und Schüler waren aufgerufen, in diesem Jahr das Motto für den Deutsch-Französischen Tag festzulegen. Die Wahl ist auf folgendes Motto gefallen: „Allemands et Français: partenaires un jour, partenaires toujours! Deutsche und Franzosen: einmal Partner, immer
Partner.“ Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass dies das Motto der saarländischen Politik wird, nicht nur im Élysée-Jahr, nicht nur im Jahr 2013, sondern auch und gerade für die Zukunft. - Herzlichen Dank.
Ich danke der Frau Ministerpräsidentin. Wir haben vereinbart, Punkt 1 der Tagesordnung in die Aussprache mit einzubeziehen.
Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion, der SPD-Landtagsfraktion, der DIE LINKE-Landtagsfraktion, der PIRATEN-Landtagsfraktion und der BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: 50 Jahre Élysée-Vertrag Bilanz, Anspruch und Perspektiven für das Saarland als Vorreiter der deutsch-französischen Zusammenarbeit (Drucksache 15/303)
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 22. Januar 2013 jährt sich zum 50. Mal die Unterzeichnung des sogenannten Élysée-Vertrags, der komplett heißt „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit“, durch den französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle und den deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer. In diesem Freundschaftsvertrag wurde eine umfassende politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit beider Länder vereinbart.
Der Élysée-Vertrag sieht eine Koordinierung der Zusammenarbeit auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs, der Außenminister und Botschaften, der Minister für Verteidigung - seit 1989 gibt es sogar eine Deutsch-Französische Brigade - sowie in den Bereichen Erziehung, Bildung, Kultur, Jugend und Sport vor. Darüber hinaus sieht er die Zusammenarbeit im Gemeinsamen Markt vor im Bereich der Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft, der Energiepolitik sowie des Verkehrs und des Transports. Der Vertrag sieht ferner die Abstimmung der Regierungen bei außenpolitischen Themen von gemeinsamem Interesse vor. Wörtlich heißt es: „(...) um so weit wie möglich zu einer gleichgerichteten Haltung zu gelangen."