Protocol of the Session on May 4, 2010

auch für die politische Debatte insgesamt. Aus dem Haushalt, der uns vorliegt, sollte sich doch zumindest eine Perspektive ergeben. Wir müssen doch um mit Ihnen überhaupt darüber streiten zu können, was richtig und was falsch ist - zumindest einmal sehen, was Sie als richtigen Weg ansehen.

(Abg. Schmitt (CDU) : Na, das steht doch im Haushalt! Das ist unser Vorschlag! Das können Sie nachlesen!)

Sie sagen hier immer, wir sollten Sparbeiträge vorschlagen. Dabei haben Sie keinen einzigen eigenen Sparbeitrag unterbreitet. Der Verzicht auf die Besetzung jeder dritten Stelle im öffentlichen Dienst wirkt erst in ferner Zukunft. Ich habe schon einige Haushaltsberatungen in diesem Hause erlebt. Aber das Ausmaß der Perspektivlosigkeit, die Sie hier an den Tag gelegt haben, auch angesichts der von Ihnen proklamierten Schuldenbremse, ist erschreckend. Sie gaben bei der Einbringung und während der Beratung im Ausschuss und geben auch heute in der Diskussion über diesen Haushalt auch nicht einen einzigen Hinweis darauf, wie Sie mit der Einsparung von 80 Millionen Euro, die künftig in jedem Jahr erfolgen soll, umgehen wollen. Das ist Perspektivlosigkeit und Hilflosigkeit pur. Perspektivlosigkeit, das ist das Problem, das Sie und diese Regierung haben.

(Beifall von der Opposition.)

Wir beraten das alles nun auch in der Haushaltsstrukturkommission. Man kann nun sicherlich zu Kommissionen und Arbeitskreisen unterschiedlicher Auffassung sein - die Hoffnung geben wir nie auf.

(Heiterkeit bei den Oppositionsfraktionen.)

Wir geben die Hoffnung nie auf und deshalb haben wir auch gesagt, dass wir uns daran beteiligen werden. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, obwohl wir natürlich auch mitkriegen, dass die angenehmen Dinge von den Fraktionen der Regierungskoalition schön unter sich ausgemacht werden, während die unangenehmen Dinge, bei denen es ums Sparen geht, auf möglichst breite Schultern verlagert werden.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : So ist es.)

Das ist natürlich ein politischer Trick, aber auch der schreckt uns nicht ab, daran mitzuwirken.

Ich habe den Finanzminister gebeten, mir mitzuteilen, wer noch in dieser Kommission sitzt. Ich möchte fragen: Herr Müller, werden Sie denn auch in der Haushalts- und Strukturkommission mitwirken?

(Minister Jacoby: Aber sicher.)

In dem Schreiben des Finanzministeriums stand das so leider noch nicht drin. Wenn die Fraktionen durch ihre Fraktionsvorsitzenden vertreten werden sollen und eine Stellvertretung nicht möglich ist, gehe ich

(Abg. Maas (SPD) )

natürlich davon aus - entgegen dem, was ich bisher schriftlich bekommen habe -, dass auch der Regierungschef sich in dieser Kommission nicht vertreten lässt, sondern an den Sitzungen teilnimmt und sich dieser Aufgabe stellt, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bisher scheint mir das nicht Ihr Plan gewesen zu sein. Wenn es jetzt geändert wird, umso besser.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Die Mitarbeit der SPD ist Ihnen sicher. Wir werden da sicherlich über viele Dinge auch streiten. Ich will Ihnen nur einen Punkt dessen, was wir in dieser Kommission für uns als Linie vorgeben werden, klar sagen, damit das von vornherein klar ist: Bei einer Haushalts- und Strukturkommission geht es um die Einnahmeseite. Da können wir uns streiten. Es geht auf der anderen Seite aber natürlich auch um die Ausgabenseite. Wir werden damit nicht den Haushalt konsolidieren können, aber wir werden sparen müssen, wir werden unbequeme Einschnitte durchführen müssen. Da gilt für uns: Die Treppe wird von oben gekehrt und nicht von unten! Sie kündigen jetzt an, dass nur noch jede dritte Stelle wiederbesetzt wird. Bei der Personalpolitik, die Sie bisher gemacht haben, habe ich nicht den Eindruck, dass Sie diesem Prinzip folgen werden, dass die Treppe von oben gekehrt wird. Eben ist darüber geredet worden, wie viele Häuptlinge es jetzt gibt und wie viele es früher gab. Ich bin der Ansicht: Man sollte sich nicht so sehr an der Anzahl der Häuptlinge orientieren. Wichtiger wäre es, dass die Häuptlinge, die da sind, ihr Geld auch wert wären!

(Lachen bei der Opposition.)

Das ist doch letztlich die entscheidende Frage. Ich will einen Punkt nennen, der mir aufgefallen ist. Ich bin ja nun kein Außenstehender im Politikbetrieb.

(Abg. Schmitt (CDU) : Tatsächlich?)

Ich stelle mir schon seit Monaten die Frage: Was macht denn eigentlich Herr Weisweiler? Herr Weisweiler, es ist mir ein Rätsel, was Sie in dem Ministerium dieses Zuschnitts überhaupt zu tun haben. Vielleicht streiten Sie sich von 8.00 Uhr bis 9.00 Uhr morgens mit dem Staatssekretär um die Post, aber danach wird es schon eng.

(Lachen bei der Opposition.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wiederbesetzungssperre für jede dritte Stelle sollte nicht nur für die unteren Chargen gelten, sondern es sollte auch für die politische Führung gelten. Auf diejenigen, die nicht gebraucht werden, kann man verzichten, nicht nur da unten, sondern auch da oben, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Es ist - auch da gibt es im Grundsatz keinen Dissens - von der Bedeutung des Wirtschaftswachstums, das über die Steuereinnahmen entscheidet, gesprochen worden. Wie sieht es denn hier aus? Ich will hier einer Sorge vor einer Entwicklung Ausdruck verleihen - auch das muss hier zur Sprache gebracht werden -, die wir bei der Einbringung des Haushalts sozusagen real vorgelebt bekamen. In der Einbringungsdebatte hat der Wirtschaftsminister sich zu Wort gemeldet und gesagt - ich zitiere -: „Cirrus Airlines, Cirrus Technik, Sakthi, Gondwana, Halberg Guss oder Saargummi sind Dinge, um die wir uns in den letzten vier Monaten gekümmert haben, und das sehr, sehr, sehr erfolgreich.“ Noch am gleichen Tag haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Halberg Guss die Arbeit niedergelegt, weil der Investor angekündigt hat, wenn er den Zuschlag kriegt, wird er das Werk in Saarbrücken schließen. Wenn das "sehr, sehr, sehr erfolgreiche" Arbeit des Wirtschaftsministers ist, frage ich mich, wie es denn erst aussieht, wenn bei Ihnen mal was schief läuft, sehr geehrter Herr Hartmann! Das erzeugt nicht viel Vertrauen für die Zukunft.

(Lachen und Beifall bei den Oppositionsfraktio- nen.)

Die Realität der letzten vier Monate, von denen Sie gesprochen haben - ich zitiere jetzt aus der Zeitung -: Drahtcord schließt eine Produktionshalle, 110 Jobs weg. Saarländischer Elektrobau SEB: 70 der bisher 140 Mitarbeiter kriegen ihre Kündigung. Thyssen-Krupp Gerlach: Zum 01. Mai 278 Arbeitsplätze gestrichen. Sakthi: 230 Mitarbeiter weniger. Schraubenfabrik Acument: Von den 46 Arbeitsplätzen sollen mindestens 16 wegfallen. SaarGummi: 180 Menschen verlieren ihre Arbeit. Villeroy & Boch macht Verluste und streicht Jobs - mittlerweile machen sie wieder Gewinn; das ist schön und gut. Im Saarland gingen aber in den letzten Monaten statt der ursprünglich angekündigten 220 Arbeitsplätze über 400 Stellen verloren! Brose, Schaeffler Technologies - das sind die aktuellen Zahlen -: 125 Mitarbeiter verlieren ihren Job, 68 Arbeitsplätze sollen ins Ausland verlagert werden. Das ist die Realität der Wirtschaft in diesem Land! Es gibt keinen Grund, dabei irgendetwas zu verharmlosen.

Seit Regierungsantritt haben wir 1.700 Arbeitsplätze in diesem Land verloren, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was schmerzt, ist, in dieser Situation jemanden als Wirtschaftsminister zu haben, der sich in erster Linie um seinen eigenen Arbeitsplatz bemühen muss. Ich hätte nicht gedacht, dass es jemals so weit kommt, aber wir wünschen uns Herrn Georgi zurück, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Lachen und Beifall bei den Oppositionsfraktio- nen. - Zuruf.)

(Abg. Maas (SPD) )

Ja, dass es so weit kommt, hätte ich selbst nie für möglich gehalten. Das sollte vielleicht dazu führen, dass Sie etwas in sich gehen, Herr Minister.

Es muss gefragt werden: Wie soll es hier weitergehen - unabhängig von aktuellen, unmittelbaren Hilfen für einzelne Unternehmen? Die Zukunft von Halberg Guss ist bis heute nicht geklärt. Wir wissen, dass es wahrscheinlich nicht ohne eine Übergangslösung geht, bei der sich zumindest übergangsweise die öffentliche Hand beteiligt. Sonst wird dieses Werk dichtgemacht werden. Sie sagen, die Wirtschaftspolitik und das wirtschaftliche Wachstum sind so wichtig für die nachhaltige Gesundung der Finanzen in unserem Land. Wir hatten im letzten Jahr Herr Müller, nur damit die Zahl noch mal genannt wird - beim Bruttoinlandsprodukt ein Minus von 7,9 Prozent. In der Industrie ist die Bruttowertschöpfung um 25 Prozent zurückgegangen. Wir fragen: Wo ist Ihr wirtschafts- und vor allem Ihr industriepolitisches Konzept? Ich habe in den Reden nichts davon gehört. Es ist lediglich auf die eine oder andere Ansiedlung verwiesen worden. Die Tatsache, dass es in der Vergangenheit in der Automobil- und Zulieferindustrie, der Stahlindustrie und dem Maschinenbau gut gelaufen ist, ist doch noch kein industriepolitisches Konzept! Wie geht es weiter - Herr Meiser, Sie haben das angerissen - in der Energielandschaft? Wir nehmen positiv zur Kenntnis, dass im Bereich der regenerativen Energien zumindest einiges angedacht ist. Das findet auch öffentlich unsere Zustimmung. Wir sagen nicht nur Nein. Aber wie geht es weiter in der Kraftwerkslandschaft? Sie sagen, dass Sie bereit sind, einen Kraftwerksblock von 500 MW zu machen. Nach all dem, was in der Vergangenheit hier gelaufen ist, wird das nicht so einfach sein.

(Zuruf des Abgeordneten Schmitt (CDU).)

Das können Sie die Kollegen von der CDU in Saarlouis auch fragen.

(Abg. Schmitt (CDU) : Sie aber auch!)

Wie geht es mit der Kraftwerkslandschaft weiter? Wie geht es mit der Stahlwirtschaft weiter? Kein anderer Wirtschaftszweig hat in den letzten Jahren in diesem Land so viel investiert wie die Stahlindustrie. Wir wissen, dass die Stahlindustrie in den nächsten Jahren vor einem extrem verschärften Wettbewerb stehen wird. Was sind die Angebote, um die Stahlindustrie im Saarland flankierend zu fördern? Wie geht es weiter mit den Automobilzulieferern und dem Maschinenbau? Wie schaffen wir es, Forschung und Entwicklung noch enger zu verzahnen mit denen, die hier etwas produzieren? Letztlich: Wie geht es mit dem Handwerk und der Bauindustrie weiter, wenn die Konjunkturprogramme ausgelaufen sind und alle anfangen, ihre Haushalte einzudampfen, damit sie die Auflagen der Schuldenbremse erfüllen

können? Auf all diese Fragen gibt es keine Antwort. Herr Müller, es reicht nicht, wenn Sie in der Zeitung Ansiedlungsprobleme in den Kommunen kritisieren, selbst aber noch nicht einmal den Hauch eines wirtschafts- und industriepolitischen Konzepts für dieses Land haben!

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Meine Damen und Herren, es ist eben über Arbeitslosigkeit geredet worden. Es ist gut, wenn die Arbeitslosigkeit so niedrig wie möglich ist, egal, wer an der Regierung ist. Es geht um die Menschen.

(Zuruf von Wirtschaftsminister Dr. Hartmann.)

Wir wissen aber auch - auch das ist unbestritten -, dass wir eine Unterbeschäftigung von 60.000 Menschen haben! Ich will einen Punkt ansprechen, bei dem Wirtschaftspolitik und Haushaltskonsolidierung zusammenkommen. Wir geben über die öffentlichen Haushalte - sowohl über die Bundesagentur für Arbeit als auch über die Kommunen - viel Geld aus, um Leute in Hartz 4 zu stützen, in unterschiedlichen Leistungsformen. Es gibt mittlerweile auch im Saarland Tausende sogenannter Aufstocker, die einen Arbeitsplatz haben und weniger verdienen, als sie bekämen, wenn sie arbeitslos gemeldet wären. Hätten wir in Deutschland Mindestlöhne, müsste die öffentliche Hand über die Agentur oder über die Kommunen nicht den Leuten noch Geld dazugeben, damit sie vernünftig leben können. Das würde auch die öffentlichen Kassen entlasten. Vielleicht überzeugt Sie dieses Argument.

(Beifall von der SPD und bei der LINKEN.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sagen ja nicht, dass wir alles besser wissen, aber wir lassen nicht zu, dass Sie sich hinstellen und so tun, als ob alles in Ordnung wäre! Wir lassen auch nicht zu, wenn über Haushalt und Finanzplanung geredet wird - über die Schuldenbremse -, dass diese Landesregierung keinerlei Perspektive hat, wie das alles gemacht werden soll. Diese Fragen, ob in einer Strukturkommission oder wo auch immer, werden nicht erst seit ein paar Wochen gestellt. Wir werden uns beteiligen, aber wir sehen nicht ein, dass wir die Rolle der Bequemen übernehmen. Wir sind auch bereit, Sparbeschlüsse mitzutragen, wenn auf allen Ebenen gespart wird und nicht die einen Wein saufen, während für die anderen Wasser gepredigt wird.

Meine Damen und Herren, das ist die Verantwortung, der wir uns stellen, konstruktiv, auch in der Opposition. Das ist die Verantwortung, der Sie in der Regierung nach unserer Auffassung bisher nicht gerecht geworden sind, auch nicht mit diesem Haushaltsentwurf.

(Beifall von der SPD und bei der LINKEN.)

(Abg. Maas (SPD) )

Herr Minister, ich will gar nicht abstreiten, dass auch Sie den Willen zum Sparen haben. Sie haben gestern zumindest einen Konsolidierungsvorschlag gemacht, indem Sie das Heringsessen abgesagt haben. Das ist bedauerlich, weil wir uns natürlich gerne auch interfraktionell unterhalten. Wir haben aber keine Kosten und Mühen gescheut, um zumindest Ihnen eine kleine Wegzehrung mit auf den Weg zu geben. Ein Hering, Herr Minister, zur Stärkung für die schwierigen Aufgaben, die Ihnen bevorstehen. Vor allen Dingen aber auch zur Mahnung, wo man landet, wenn es zu viel Stillstand gibt. - In diesem Sinne schönen Dank.

(Der Redner überreicht Minister Jacoby eine Do- se mit Heringen. - Lachen und anhaltender Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Thomas Schmitt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! So kann man der SPD-Fraktion auch mit kleinen Späßchen viel Freude machen. Ich möchte es an dieser Stelle gar nicht mehr großartig kommentieren. Ich erinnere mich aber, dass wir gestern bei der SPD-Fraktion nachgefragt haben, ob sie aufgrund der Zeitabläufe damit einverstanden ist, so zu verfahren. Geschenkt!

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Bei uns waren Sie nicht!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, der Oppositionsführer - oder einer der beiden oder wer auch immer, zumindest war es der Fraktionsvorsitzende der SPD - hat eben zu Herrn Ulrich gesagt, in der Regierungsverantwortung könne man doch nicht etwas anderes sagen als vorher in einer anderen Funktion, und hat Wahrhaftigkeit und Verantwortlichkeit beschworen. Die SPD wird natürlich immer dasselbe sagen, egal in welcher Position sie sich befindet.