Protocol of the Session on March 16, 2010

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Weiterer Zuruf des Abgeordneten Commerçon (SPD).)

Das gefällt Ihnen nicht, Herr Commerçon, das ist mir klar. Aber so ist es nun einmal.

Oder nehmen wir das zweite, nicht gerade unbedeutende Thema: die Bildungspolitik. Auch hier sind Sie mit uns zusammen vor der Wahl auf- und eingetreten, um in diesem Parlament längeres gemeinsames Lernen umzusetzen. Was jetzt an Signalen von Ihnen kommt, hört sich ganz anders an. Auch hier werden Sie Ihren eigenen Forderungen aus kurzfristigen, taktischen Erwägungen heraus untreu. So sollte man Politik nicht machen!

Man muss auch darüber reden, wie wir in diesem Hause insgesamt - das ist kein unwichtiger Punkt mit den Verfassungsänderungen, die anstehen, umgehen. Es sind drei. Es sind die ganz wichtigen Verfassungsänderungen im Bildungsbereich, die wir brauchen, um unser gemeinsames Ziel aus Wahlkampfzeiten, nämlich längeres gemeinsames Lernen, in diesem Hause umzusetzen. Das sind zweitens die Rechte von Schwulen und Lesben, die wir in die Verfassung hineinschreiben wollen - Sie ja auch. Das ist auch Bestandteil des Koalitionsvertrages. Und das ist drittens natürlich die Einführung von Plebisziten. Dafür müssen wir ebenfalls die Verfassung ändern.

(Zuruf des Abgeordneten Commerçon (SPD).)

Diese drei Dinge müssen wir zusammen diskutieren. Wir müssen mit der Opposition zusammen hier

einen Fahrplan entwickeln. Aber darüber müssen wir reden, dafür müssen wir uns Zeit nehmen.

(Zuruf der Abgeordneten Rehlinger (SPD).)

Das geht eben nicht, wie Sie es heute versuchen ich habe es eben schon gesagt -, in Form von Nacht-und-Nebel-Aktionen. Wir sind nicht gegen Plebiszite, wir sind nicht gegen die Reform der Gesetzgebung an dieser Stelle. Aber wir werden aus diesen Gründen heute - ich sage bewusst: heute Ihrem Antrag nicht zustimmen.

(Abg. Commerçon (SPD) : Aha!)

Wir werden aber mit absoluter Sicherheit hier in dieser Wahlperiode

(Abg. Commerçon (SPD) : Sie stimmen also dagegen)

die Gesetzgebung mit Blick auf Volksentscheide und Volksbegehren in diesem Lande in einer Art und Weise reformieren, dass diese Entscheide auch möglich sind. Ich hoffe, dass Sie dann mitstimmen werden. Ich hoffe, dass Sie dann ernsthaft mit uns darüber diskutieren werden. - Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Birgit Huonker.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erfolg braucht in der Demokratie insbesondere Ausdauer, und vor allem, so wie es scheint, hier im Saarland. Jahrelang versuchte die saarländische Opposition vergeblich, die schier unüberwindbaren Hürden für Volksentscheide und Volksbegehren zu senken und den strikten Finanzvorbehalt abzuschaffen - vergeblich. Müßig, noch mal in die Details einzusteigen. Es ist in diesem Hause schon mehrfach alles gesagt, seit Jahren. Und jahrelang schon belegt das Saarland im sogenannten Demokratietest unter allen 16 Bundesländern tapfer den letzten Platz. Das ist zwar allen gut bekannt, geändert hat sich aber bis heute nichts.

Nun wurde im Koalitionsvertrag angekündigt - wir haben es gerade gehört -, „die gesetzlichen Regelungen zu Volksbegehren und Volksentscheiden so zu verändern, dass diese Elemente direkter Demokratie zu einem stärker praktikablen Mitwirkungsrecht für Bürgerinnen und Bürger werden. Hierzu werden wir den absoluten Finanzvorbehalt abschaffen, die Quoren senken und das Verfahren insgesamt erleichtern sowie das Instrument der Volksinitiative einführen“. - Meine sehr geehrten Damen und Herren: Ich lese nichts anderes in diesem vorgelegten Antrag!

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Erst vor ein paar Tagen wurde der Volksbegehrensbericht von "Mehr Demokratie" veröffentlicht. Darin fällt auf, dass in den Bundesländern Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Schleswig-Holstein die direktdemokratischen Verfahren am intensivsten genutzt werden. Bayern ist das Bundesland mit den meisten Anträgen auf Volksbegehren. Das sind exakt die Länder, welche die niedrigsten Hürden für Volksbegehren und Volksentscheide haben. Nirgends ist Bürgerbeteiligung so einfach wie in Bayern. Es beginnt beim niedrigen Einleitungsquorum von 10 Prozent und endet bei einem Zustimmungsquorum für eine Verfassungsänderung von 25 Prozent. Im Saarland sind Verfassungsänderungen per Volksentscheid bis heute grundsätzlich ausgeschlossen. Das muss sich schnellstens ändern, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Demokratie kann sich nicht in Wahlen erschöpfen.

(Vom Tisch des Ministerpräsidenten fällt ein Han- dy zu Boden.)

Deswegen muss Ihnen nicht vor Schreck das Handy herunterfallen, Herr Ministerpräsident.

(Heiterkeit.)

Vielen Menschen ist es mittlerweile zu wenig, alle paar Jahre zur Wahl zu gehen - wenn sie es denn überhaupt tun. Diese Menschen versuchen, auf direktem Weg Politik zu machen. So hat sich die Zahl der kommunalen Bürgerbegehren und -entscheide bundesweit seit Mitte der Neunzigerjahre verdreifacht! Das zeigt ganz deutlich: Der Wunsch nach Mitbestimmung wächst! Demokratie ist eine gute Sache, wenn sich Menschen daran beteiligen können. Es stärkt die politische Zufriedenheit, wenn Bürgerinnen und Bürger auf bestimmte Vorhaben und Sachthemen direkt Einfluss nehmen können und damit vielleicht sogar Erfolg haben. Es stimmt nicht, wenn viele sagen, man könne ja sowieso nichts ändern, die da oben machten ja eh, was sie wollen. Volksinitiative und Volksbegehren spielen eine wichtige Rolle in unserer parlamentarischen Demokratie. Ich bin der festen Überzeugung, dass sie das repräsentative System und den Vorrang des Parlaments bei der politischen Willensbildung und der Gesetzgebung nicht infrage stellen, sondern es vielmehr ergänzen, soweit es notwendig ist. Und als notwendig kann sich diese unmittelbare Beteiligung der Bürger gerade in einer Zeit erweisen, in der so viel von Politikverdrossenheit die Rede ist.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Wir als Fraktion DIE LINKE sind der festen Überzeugung: Ein Mehr an Bürgerdemokratie wäre ein Weniger an Politikverdrossenheit! Den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit einräumen, auch zwischen

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

den Wahlen ihre Stimme abzugeben, das wäre ein richtiges Signal. Und zwar nicht demnächst oder bald, wie Herr Ulrich gerade gesagt hat, sondern gleich, meine sehr geehrten Damen und Herren. Gewartet haben wir schon lange genug.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Stattdessen kündigen die Fraktionen von FDP, GRÜNEN und CDU einen eigenen Gesetzentwurf an. Die Frage ist nur: Wann? Herr Ulrich hat angekündigt, es werde noch in dieser Wahlperiode geschehen; er hat gesagt, der Antrag, der hier vorgelegt wurde, sei nicht hilfreich. Er sagt, dieser Antrag wäre in einer Nacht-und-Nebel-Aktion entstanden. Da muss ich sagen: Worüber haben Sie denn hier die letzten fünf Jahre diskutiert? Das ist doch schon mehrfach gekommen. Das ist doch keine Nacht-undNebel-Aktion, sondern das ist seit Langem durchdiskutiert worden!

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Anstatt endlich zügig Reformen in dieser bereits seit Jahren ausführlich diskutierten Frage anzugehen, wird im Saarland als Erstes ein Nichtraucherschutzgesetz verabschiedet, von dem das FDP-Mitglied Baldauf in der Öffentlichkeit berichtet hat, es werde von 56 Prozent der Saarländer abgelehnt. Zwar habe die FDP beim Nichtraucherschutzgesetz Zugeständnisse machen müssen, aber zum Trost versprach er Anfang Januar Völklinger Wirten, die Liberalen hätten sich festschreiben lassen, dass die Zulassungskriterien für ein Volksbegehren deutlich gesenkt werden. Übersetzt heißt das für mich: Um mit an die Macht zu kommen, mussten wir zwar mächtig Federn lassen, auch unser Wahlversprechen brechen, aber dafür helfen wir euch, dass ihr mit geringeren Hürden als zurzeit dieses Gesetz wieder kippen könnt. - Die Frage, die sich dabei stellt, ist nur: Ja, wann denn nun endlich?

(Zuruf: An Weihnachten.)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Jahren wurde der CDU von den anderen im Landtag vertretenen Parteien eine „Arroganz der Macht“ vorgeworfen - ich will das noch einmal in Erinnerung rufen -, die das Wohl der Bürger unberücksichtigt lasse. Und vor fünf Jahren verlangte der jetzige Innenminister vom jetzigen Wirtschaftsminister eine Entschuldigung, weil dieser den Christdemokraten eine „Diktatur über das Volk“ vorgeworfen hatte. Das Thema, worüber gestritten wurde, war in beiden Fällen dasselbe wie heute. Wir können auf diesem Niveau weiterstreiten, wir können noch jahrelang so weitermachen. Wir können aber auch endlich zügig zu einem Ergebnis kommen, das die Mehrheit in diesem Hause mitträgt. In einem sind wir uns doch alle einig: Reformen für mehr Demokratie sind längst überfällig. Wir unterstützen daher ein zügiges und vor allen Dingen schnelles Vorgehen, damit die

Saarländer endlich auch zwischen den Wahlen mitbestimmen können. - Danke schön.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung zu überweisen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 14/115 - neu - in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung ist, den bitte ich eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf in Erster Lesung mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die SPD-Fraktion und die Fraktion DIE LINKE bei Ablehnung von CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung:

Erste Lesung des von der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes (KSVG) (Drucksache 14/119)

Zur Begründung des Gesetzentwurfes erteile ich Frau Abgeordneter Heike Kugler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Um es vorweg zu sagen: Es geht ausnahmsweise nicht um das liebe Geld, es geht, ähnlich wie beim vorigen Entwurf, um das Thema Demokratie. Die vorliegende Gesetzesänderung des KSVG geht auf das Problem ein, dass fraktionslose Mandatsträgerinnen und Mandatsträger zurzeit keine Möglichkeit haben, Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern oder eigene Anträge vorzubringen und in die Tagesordnung aufnehmen zu lassen. Es fehlt ihnen das Recht, Themen und Probleme selber aufzugreifen und einzubringen. In Gremien, in denen es um das Wohl unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger geht, kann man von einem Mandatsträger doch nicht verlangen, dass er Probleme für sich behält und diese, zum Beispiel im Stadtrat oder im Gemeinderat, nicht zum Thema machen darf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein unhaltbarer Zustand, das ist so nicht hinnehmbar! Genau genommen ist dieser Zustand eine Art Entmündigung. Bürgerinnen und Bürger haben Kandidaten gewählt, die dadurch die Aufgabe erhalten, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu vertreten. Um seine Aufgabe wahrnehmen zu können, braucht

(Abg. Huonker (DIE LINKE) )

aber der legitimierte Mandatsträger das Recht, Anträge einzubringen. Aber davor steht die Hürde des Fraktionsstatus. Als Fraktionsloser wird ihm dieses Recht also vorenthalten. Er ist in diesem Zusammenhang kein vollwertiger Mandatsträger. Anders gesagt, der Mandatsträger, sofern er fraktionslos ist, wurde nur dazu gewählt, zuzuhören und seinen Senf zu den Anträgen der anderen abzugeben. Das kann wohl nicht Sache sein!

(Beifall bei der LINKEN.)

Probleme, die er vor Ort erkannt hat, darf er nicht zum Thema machen. Damit haben wir Mandatsträger erster und zweiter Klasse, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zwei Klassen in unseren Kommunalparlamenten, das kann nicht demokratisch sein!

Eine Beschneidung dieses Antragsrechtes kommt einem Maulkorb gleich und ist in äußerstem Maße undemokratisch. Dieser Maulkorb betrifft zurzeit im Saarland 60 Mandatsträger auf Kreis- und Gemeindeebene beziehungsweise im Stadtrat. Betroffen sind alle Parteien mit Ausnahme der CDU und der SPD. Hinzu kommt, wenn wir uns das Ganze genau anschauen, dass zum Beispiel eine Partei wie die Freien Wähler im Stadtrat in Saarbrücken dank der hohen Zahl der Sitze - Saarbrücken hat 63 Sitze zu vergeben - mit 3,4 Prozent Fraktionsstärke hat. Ein FDP-Abgeordneter in Weiskirchen hingegen hat bei 6,7 Prozent keinen Fraktionsstatus, weil er nämlich allein im Parlament sitzt. Das kann ja wohl nicht sein!

(Zuruf von der CDU.)

Aber nicht nach dem KSVG. - Im Umkehrschluss heißt dies aber auch, dass die Regelung zur Fraktionsstärke keine Gewähr gegen extremistische Parteien in unseren Parlamenten bietet. Wir wollen unsere Demokratie auch vor extremistischen Parteien schützen. Doch eine Bedrohung durch extremistische Parteien kann durch das eingeschränkte Antragsrecht, wie wir es derzeit haben, nicht abgewehrt werden. Anträge, die keine Mehrheit finden, werden - so ist das üblich - durch demokratische Mehrheit abgelehnt. Da eine Änderung des Gesetzes nicht zwingend die Behandlung eines Themas voraussetzt, ist nicht einzusehen, dass dem fraktionslosen Mandatsträger nicht auch das Recht gewährt wird, Themen zu benennen und selber einzubringen. Es liegt der Verdacht nahe, dass man Fraktionslose mundtot machen möchte.

Das Problem faschistischer Parteien, wie es zum Beispiel in Saarbrücken vorhanden ist, darf nicht dazu führen, dass wir anderen Mandatsträgern demokratische Rechte vorenthalten. Die Größe einer Fraktion kann schließlich nicht wahllos an die Größe einer faschistischen Partei angepasst werden - für den Fall, dass die Wahlen einmal anders ausgehen. Schon einmal scheiterte vor Jahren auf Bundesebe