Meine Damen und Herren, wir haben gerade darüber hinaus auch eine Regierungserklärung gehört, in der sich der amtierende Regierungschef gar nicht mehr dabei eingekriegt hat, uns die Koalition aus CDU, FDP und GRÜNEN als ein Modell für die Zukunft, als ein neues Kapitel in der Parteiengeschichte, als etwas völlig Einzigartiges darzustellen. Herr Müller, ich sage: Das interessiert uns nicht. Es ist doch lediglich der verzweifelte und untaugliche Versuch, nach dem Minus-dreizehn-Prozent-Desaster, das Sie als Ministerpräsident bei der Landtagswahl eingefahren haben, Ihre völlige Bedeutungslosigkeit auf Bundesebene zu verhindern. Es ist nicht mehr und nicht weniger als ein lächerliches Schauspiel,
auch deshalb, weil die Menschen in diesem Land das überhaupt nicht interessiert. Die haben andere Probleme: Werden im Saarland in Zukunft mehr Arbeitsplätze geschaffen oder gestrichen? Bekomme ich für meine Kinder einen Krippenplatz oder nicht? Gibt es endlich Schulen, in denen alle Kinder unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern faire Chancen haben? Bleibt das Armutsrisiko im Saarland so hoch wie in der Vergangenheit? Und letztlich die alles überragende Frage: Wer soll das bezahlen? Gibt es eine Lösung für die permanente Haushaltsnotlage, die Altschulden, oder erstickt dieses Land an seinen Schulden, die Sie in den letzten zehn Jahren auch noch fast verdoppelt haben?
Daran werden wir diese Regierung messen. Allerdings: Beim letzten Teil Ihrer Regierungserklärung, Herr Müller, kann einem Böses schwanen. Ihre haushalts- und finanzpolitischen Aussagen sind im Vergleich zu dem, was Sie vor der Wahl auch in diesem Parlament gesagt haben, schlichtweg peinlich und ansonsten planlos. Die Armut Ihrer Argumente entspricht der Armut dieses Landes, und das ist schlimm.
Und dennoch, meine sehr verehrten Damen und Herren: In einem Punkt ist diese Koalition wahrhaft einzigartig, nämlich darin, dass sie einem abgehalfterten und abgewählten Ministerpräsidenten eine
Restlaufzeitverlängerung verschafft. Dabei dachte ich immer, die GRÜNEN seien gegen Restlaufzeitverlängerungen.
Ich biete Ihnen hier und heute eine Wette an, Herr Müller, nämlich dass Sie diese Legislaturperiode egal wie lange sie dauert - nicht als Ministerpräsident beenden. Sie werden Ihr Amt nutzen, um sich irgendwann vom Acker zu machen und irgendeine andere gut dotierte Position zu übernehmen, wo auch immer. Wahrscheinlich wären Sie schon jetzt gern Kommissar in Brüssel geworden, aber es ist bezeichnend, dass Frau Merkel Herrn Oettinger Ihnen vorgezogen hat, obwohl auch er nur dritte Wahl gewesen sein soll.
Meine Damen und Herren, das Land hätte in der Situation, in der wir uns befinden, wahrhaftig einen politischen Neuanfang verdient. Ich glaube nicht, dass es diesen Neuanfang mit Ihnen geben wird. Die Stimmen der und in der Presse - damit Sie nicht meinen, es würde sich lediglich um eine Bewertung der SPD handeln - sind verheerend: „Jamaika versinkt im Filz“. „Es ist nicht Jamaika, sondern Sizilien“. „Das ist kein Modell, höchstens ein regionales Experiment“. „Wenn die Macht bedroht ist, werden politische Inhalte beliebig“. „Prinzipienlos, aber fröhlich“.
Das eine hat Herr Özdemir von den Grünen gesagt. Das andere Herr Cohn-Bendit, ebenfalls von den Grünen.
Auch deshalb ist im Saarland zurzeit wenig von Aufbruch zu spüren. Die Aufbruchsstimmung beschränkt sich auf die Mitglieder dieser Koalition. Es ist nicht mehr als ein Aufbruch in neue Büros. Um mehr scheint es einigen nicht zu gehen. In der Bevölkerung wird allenfalls darüber diskutiert, wer in dieser Koalition die größeren Wahlbetrüger sind. Ich kann Sie beruhigen, in dieser Frage liegen Sie alle gut im Rennen.
Das hat sich auch durch diese Regierungserklärung nicht verändert. Es ist eine lustlose Aneinanderreihung von Textbausteinen. Sie hätten auch den Koalitionsvertrag zu Protokoll geben können. Aufbruch hört sich anders an. Vielleicht lag es aber auch daran, dass diese Regierungskoalition, noch bevor sie im Amt war, schon mit der Absicht, den Regierungs
apparat aufzublähen, einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Um möglichst viele Parteigänger zu versorgen, sollte es erst einmal zwei Ministerien mehr geben. Der ehemalige FDP-Abgeordnete Baldauf ließ in einem Interview die Weltöffentlichkeit schon mal wissen, sein Traum werde wahr - und zwar im Justizministerium.
Selten war der Traum eines Einzelnen der Albtraum so vieler anderer, zumindest in der Justizverwaltung.
Also: Schuldenbremse egal, Haushaltsnotlage egal, Hauptsache versorgt - gespart haben wir schnell. Das scheint sich als ein erstes Prinzip dieser Regierung herauszukristallisieren. An dieser Stelle setzt die neue Regierung ganz auf Kontinuität zur Vorgängerregierung. Damit sind dann FDP und Grüne endgültig im Selbstbedienungsapparat angekommen. Gute Besserung!
Erst die Empörung der Öffentlichkeit über diese Selbstbedienungsmentalität hat dazu geführt, dass es doch nur ein Ministerium mehr gibt. Das Justizministerium macht Herr Müller jetzt nebenbei mit.
Wenn es eines zusätzlichen Ministeriums bedurft hätte, dann wäre es das Justizministerium. Dafür hätte der Chef der Staatskanzlei wie früher auch Staatssekretär bleiben können. Dann hätte die Anzahl der Minister nicht erhöht werden müssen. Ich erinnere nur daran, was Herr Ulrich vor nicht allzu langer Zeit im Zusammenhang mit den Betrugsvorwürfen gegen Herrn Borger gesagt hat: Die CDULandesregierung bedient sich der Justiz, um Kritiker mundtot zu machen.
Nun gut, Herr Borger ist als Staatssekretär entschädigt. Für die Grünen mag das reichen, für den Rechtsstaat nicht. Eine unabhängige Justiz mit dem Ministerpräsidenten als Justizminister, da hätten Sie ja gleich Hubert Ulrich zum Justizminister machen können.
Da Sie sich also auf der Ministerebene nicht voll verwirklichen konnten, haben Sie das bei den Staatssekretären nachgeholt. 11 Staatssekretäre gibt es jetzt, unter anderem Kapazitäten wie Jungmann, Karren und Borger. Es sind so viele Ämter, dass Sie bis zu Ihrer heutigen Regierungserklärung noch nicht einmal alle Stellen besetzen konnten. Auch
das ist ein einmaliger Vorgang, der Aufschluss gibt über Ihre personellen Ressourcen. In drei Ministerien gibt es mittlerweile zwei Staatssekretäre - wofür auch immer. Vielleicht hätten Sie einfach andere Minister suchen sollen, dann brauchen Sie nicht so viele Staatssekretäre, die auf sie aufpassen müssen.
Meine Damen und Herren, der vor allem in der eigenen Partei allseits beliebte FDP-Generalsekretär Chatzimarkakis hat sich nicht entblödet, davon zu reden, dass im Land schon ein regelrechtes Jamaika-Lebensgefühl zu beobachten sei. - Ja, man musste in den letzten Tagen nur aus dem Fenster schauen.
Das Einzige, was mich an dieser Koalition an Jamaika erinnert, ist die Geschwindigkeit, mit der die CDU ihre Politikpositionen und -prinzipien über Bord geworfen hat. Das geschah nämlich in einer Geschwindigkeit, gegen die Usain Bolt, der 100-Meter-Weltrekordler aus Jamaika, geradezu eine Schnecke ist.
Meine Damen und Herren, ich sage vorneweg: In jeder Koalition müssen von jedem Kompromisse gemacht werden. Auch wir hätten dies tun müssen beim Raucherschutz, beim Jagdrecht oder sonstigen Hobbys einzelner Grüner.
Im Grunde denken Sie doch genauso. - Wenn allerdings eine Partei bereit ist, das Gegenteil von dem zu tun, was sie zehn Jahre in der Regierung exekutiert und den Wählerinnen und Wählern im Wahlkampf versprochen hat, nur um im Amt und im Dienstwagen bleiben zu können, dann ist das so viel Beliebigkeit, dass die Politik insgesamt daran Schaden nimmt. Politik ohne ein Mindestmaß an inhaltlicher und persönlicher Glaubwürdigkeit der Akteure wird zum Geschäft, zur Ware, die man kaufen oder verkaufen kann. Wir sind aber nicht im Media-Markt. Hier geht es nicht um Schnäppchen, sondern um Überzeugungen. Wer das verkennt, schadet nicht der SPD oder sonst jemandem, sondern der Demokratie. Das ist das Problem.
Für die grenzenlose Beliebigkeit des Herrn Müller und der CDU will ich Ihnen drei Beispiele nennen: Erstens die Atomenergie, ein eher gesamtgesellschaftliches Streitthema der letzten Jahrzehnte, bei dem man meinen müsste, die dazu vertretenen Auffassungen seien eher grundsätzlicher Natur und deshalb nicht so einfach austauschbar. Müller vor