Protocol of the Session on January 18, 2012

Der neoliberale Dialog in der Bundesrepublik hat dazu geführt, dass dann, wenn das Wort Schuldenbremse erwähnt wird, alle reflexartig nur noch ans Sparen denken, als sei dies der einzige Weg, um die Haushalte von Ländern ins Gleichgewicht zu bringen. Dies ist keine Diskussion, die wir hier alleine führen, meine Damen und Herren. Dies ist mittlerweile eine europaweite Diskussion. Deshalb habe ich mich heute zu Wort gemeldet. Wenn wir diesen Weg hier an der Saar weitergehen, dann werden wir unter veränderten Umständen genau einen Weg gehen, der mittlerweile in Gesamteuropa zu heftigen Diskussionen führt und der eine ganz andere Ursache hat als die, die hier vordergründig immer wieder diskutiert worden ist.

Ich möchte es auf den Punkt bringen: Unsere Schuldenbremse, die Schuldenbremse der LINKEN, heißt Vermögenssteuer. Wenn jemand noch irgendeinen Zweifel hat, dass diese Vermögenssteuer kommen wird, dann wird er in der nächsten Zeit eines Besseren belehrt werden, denn es gibt keinen anderen Ausweg, um die öffentlichen Haushalte in Europa wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Dazu muss man allerdings einige Denkvorgänge nachvollziehen, die ich hier noch einmal in Erinnerung rufen möchte. Man muss sich fragen, Herr Kollege Schmitt: Was sind eigentlich Schulden? Da empfehle ich Ihnen ein unverdächtiges Blatt, das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, und einen Autor, der sich weltweit dadurch qualifiziert hat, dass er die Immobilienkrise rechtzeitig vorausgesehen hat, nämlich den amerikanischen Ökonomen Michael Hudson. Er weist darauf hin, dass die Schulden in den letzten Jahren entstanden sind durch die Unordnung im Bankensektor, und er weist darauf hin, dass es nur einen einzigen Weg gibt, diese Schuldenkrise zu überwinden, nämlich die Steuer- und Abgabenpolitik der Staaten grundsätzlich zu ändern, wofür wir ständig werben.

Ich will die Frage stellen: Was sind eigentlich Schulden? Wenn Sie den Gedanken nachvollziehen, dass die Schulden der Staaten in erster Linie das Vermögen der Wohlhabenden sind, dann nähern Sie sich vielleicht auch irgendwann der Lösung.

Ich möchte Ihnen eine Zahl nennen. Allein das Finanzvermögen der Millionäre in Deutschland ist höher als die gesamte Staatsverschuldung! Wenn man dies weiß, dürfte der Weg zu dem Gedanken, wie man die Verschuldungskrise lösen kann, eigentlich nicht so weit sein. Es gibt keinen anderen Weg, als diejenigen zur Kasse zu bitten, die die Staatsanleihen halten und als Vermögen besitzen. Nach Überzeugung der LINKEN ist es der völlig falsche Weg, wie er derzeit in Gesamteuropa beschritten wird, die Bürgerinnen und Bürger, die ohnehin schon geringe Einkommen haben - Rentnerinnen und Rentner, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer -, zur Kasse zu bitten, die Vermögenden aber weiterhin zu schonen, insbesondere die Vermögensmillionäre.

(Beifall von der LINKEN.)

Man wird einwenden können, das sei hier von der Saar aus nicht in den Griff zu bekommen. Nur, meine Damen und Herren: Es haben sich in den letzten Jahren ja Veränderungen ergeben. Auf Bundesebene haben zumindest SPD und GRÜNE in großem Umfang die steuerpolitischen Vorschläge übernommen, die die Partei DIE LINKE seit langen Jahren vertritt. Das gilt nicht nur für die Vermögenssteuer, das gilt genauso für die Transaktionssteuer, die mittlerweile ja auch in der CDU populär geworden ist, für die Börsenumsatzsteuer, für einen höheren Einkommenssteuersatz oder für eine andere Gestaltung der Erbschaftssteuer. Ich will noch einmal all diese steuerpolitischen Tatbestände erwähnen, wie ich sie in den Programmen der politischen Parteien auf Bundesebene finde, nicht nur bei der Partei DIE LINKE, sondern auch bei der SPD und den GRÜNEN. Wenn das ernst gemeint ist, steht für das Saarland derselbe Weg offen, den wir 1985 gegangen sind, über den Bundesrat eine andere Steuer- und Abgabenpolitik durchzusetzen. Für diesen Weg möchte ich noch einmal nachdrücklich hier im saarländischen Landtag werben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der LINKEN.)

Man kann nicht sagen, dieser Weg sei verbaut. Wir haben ihn erfolgreich praktiziert. Er ist natürlich mit einigen Risiken verbunden, das ist völlig klar. Es ist denkbar, dass diejenigen, die sich jetzt zu diesen steuerpolitischen Auswegen bekennen, auf Bundesebene irgendwann wieder davon abrücken; das haben wir oft erlebt. Aber es gibt keinen politischen Weg ohne Risiken! Das möchte ich noch einmal in aller Klarheit sagen. Ich spreche hier nicht nur die Parteien an, die auf Bundesebene diese steuerpoliti

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

schen Positionen vertreten, sondern auch die anderen Parteien in diesem Hause, die sich ja langsam den steuerpolitischen Vorschlägen nähern - Stichworte Transaktionssteuer und Spitzensteuersatz -, die lange Jahre verfemt und verdammt worden sind. Ich bitte Sie zu erwägen, ob dies nicht der einzige Weg aus der Krise ist.

Es geht hier nicht darum, sich heute in diesem Hause vordergründige Schaukämpfe zu liefern. Es geht vielmehr hier um eine historische Weichenstellung für das Land. Es geht um den richtigen Weg! Ich wiederhole noch einmal: Schuldenbremse heißt für uns ein anderes Steuer- und Abgabensystem. Ich sage ausdrücklich: Meine Partei hat in diesem Zusammenhang im Deutschen Bundestag zweimal eine Entlastung der sogenannten mittleren Einkommen vorgeschlagen, die natürlich nur vertretbar ist, wenn die anderen steuerpolitischen Maßnahmen ergriffen werden, sonst wäre sie aus staatspolitischer Verantwortung nicht vertretbar.

Es heißt, wir sollten uns den Realitäten anpassen. Ich muss zugeben, dass dieser Satz mich etwas geärgert hat, als ich ihn gehört habe. Eine Realität - ich will das noch einmal sagen - ist, dass das Vermögen der Wohlhabenden sich in den letzten Jahren explosionsartig entwickelt hat. Ich will die Zahlen nennen: Die Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind in den letzten zehn Jahren real um 4 Prozent gesunken. Die Einnahmen aus Vermögen und Gewinnen sind aber in den letzten zehn Jahren real um 30 Prozent gestiegen! Wer diese Verteilung weiter fortschreiben möchte, geht nach unserer tiefsten Überzeugung den falschen Weg. Ich appelliere an dieses Haus, einen Weg zu finden, um auch hier an der Saar eine Politik zu machen, die das Gütezeichen sozialer Gerechtigkeit trägt!

(Anhaltender Beifall von der LINKEN.)

Das Wort hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Fraktionsvorsitzender Hubert Ulrich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Wir reden heute über das Ende eines politischen Experiments, über das Ende der ersten Jamaika-Koalition in dieser Republik. Dieses Ende ich habe das bereits in der letzten Woche in der Presse deutlich gemacht - ist ungewöhnlich und überraschend. Es ist ein Ende, das aus meiner Sicht ohne Not herbeigeführt wurde, denn die reine Sacharbeit, unabhängig von den Problemen innerhalb der FDP-Fraktion, die Zusammenarbeit innerhalb dieser Koalition hat eigentlich - das werden Sie mir bestätigen, Frau Ministerpräsidentin - bis zuletzt funktioniert. Wir haben alle Entscheidungen in diesem Hause gemeinsam verabschiedet. In den inhaltli

chen Abstimmungen haben nie Stimmen gefehlt, und auch in Zukunft war das eigentlich so direkt nicht zu erwarten. Zumindest ist mir kein direkter Fall bekannt, wo ein Koalitionspartner gesagt hätte: Dieses oder jenes aus dem Koalitionsvertrag setzen wir nicht um.

Nun ist in diesem Hause eine neue Koalition am Horizont erkennbar. Die Verhandlungen laufen ja bereits intensiv, wie wir alle wahrnehmen durften. Vor diesem Hintergrund, glaube ich, ist es angemessen, an dieser Stelle die letzten zwei Jahre noch einmal zu betrachten. Oskar Lafontaine hat das zumindest teilweise bereits getan.

Aber unüblich ist nicht nur der Bruch der Koalition, ungewöhnlich ist auch, Frau Ministerpräsidentin, die Verfahrensweise, die Sie bei der Entlassung der Minister wählen. Darum geht es ja jetzt konkret. Ich kann einfach keine Notlage erkennen, wegen der die Minister jetzt sofort aus dem Amt scheiden müssten und nicht, wie normalerweise üblich, im Amt bleiben könnten, bis neue Minister die Amtsgeschäfte übernehmen. In den Kommentaren zur Verfassung ist für diesen Vorgang eigentlich nur ein Grund angegeben, nämlich ein völlig zerrüttetes Verhältnis zwischen der Ministerpräsidentin und den Ministerinnen und Ministern. Ich weiß nicht im Detail, wie Ihr Verhältnis zu den FDP-Ministern aussieht. Ihr Verhältnis zur GRÜNEN-Ministerin und zum GRÜNEN-Minister kenne ich, das war gut. Ich kann eine solche Zerrüttung nicht erkennen, Frau Ministerpräsidentin. Das sollten Sie uns hier an diesem Tage erklären.

Wir haben ein weiteres Problem mit dieser Vorgehensweise, ein ganz praktisches Problem. Wenn die Große Koalition nicht zustande kommen sollte - was ja durchaus im Bereich des Möglichen liegt - und es in ein paar Monaten zu Neuwahlen kommt, haben wir in den Häusern Stillstand für diesen Zeitraum, wir haben insbesondere Stillstand im so wichtigen Bildungsbereich. Auch das, Frau Ministerpräsidentin, ist sehr erklärungsbedürftig.

Solche politischen Ereignisse stecken ja auch immer voller Unwahrheiten. Aber auf der anderen Seite fördern sie auch eine ganze Reihe von Wahrheiten an den Tag. Eine dieser Wahrheiten ist die Erkenntnis, dass, wenn die Jamaika-Koalition vor zweieinhalb Jahren nicht zustande gekommen wäre, Rot-RotGrün ebenfalls nicht zustande gekommen wäre oder zumindest keinen langen Bestand gehabt hätte. Das hat Oskar Lafontaine aktuell bescheinigt durch seine Äußerungen in der letzten Woche, und Heiko Maas hat das bestätigt: Allein die Schuldenbremse, die wir als Koalition hier ja durchgehalten haben, hätte dazu geführt, dass diese Koalition nicht lange eine Mehrheit gehabt hätte, weil die Schuldenbremse für die Linkspartei nach wie vor ein No-Go-Thema ist.

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

Trotzdem wurden in diesem Hause über zwei Jahre hinweg intensive Märchen über das Zustandekommen dieser Koalition erzählt. Die SPD hat sogar ein Buch in Auftrag gegeben, ein Märchenbuch in Form eines politischen Groschenromans. Zwei Jahre lang wurde hier intensiv verunglimpft, wurden Verschwörungstheorien an den Tag gelegt. Es wurden Untersuchungsausschüsse inszeniert, die leider das Gegenteil von dem zutage gefördert haben, was am Anfang eigentlich behauptet wurde. Heute jedenfalls liegen zwei reale Erkenntnisse auf dem Tisch: RotRot-Grün war real nie möglich, und die SPD geht jetzt eine Koalition mit der angeblich so abgewirtschafteten und betrügerischen CDU ein. Das ist die Situation, vor der wir heute stehen. Sehr verehrter Herr Maas, dazu kann ich Ihnen nur sagen, dass da die alte Volksweisheit gilt: Die schärfsten Kritiker der Elche, die sind heute selber welche.

(Beifall bei B 90/GRÜNE.)

Heute ist der Tag, an dem alle Jamaika-Verschwörungstheorien von Ihnen selbst widerlegt werden. Die Regierungsarbeit der letzten zweieinhalb Jahre ist, wie ich meine, eine Arbeit, aus der wir als GRÜNE sehr positiv herausgehen können. Ich denke, wir haben hier in diesem Lande eine sehr erfolgreiche Arbeit abgelegt, und ich sage heute von dieser Stelle aus auch: Wir nehmen als GRÜNE die Oppositionsrolle an, denn auch sie gehört zur Demokratie. Wir werden nicht, wie es andere vor zwei Jahren in diesem Haus getan haben, jammernd über die Dörfer ziehen. Wir werden auch keine Verschwörungstheorien erfinden. Wir werden keine Pressekampagnen gegen Sie starten, und wir werden auch nicht den Märtyrer spielen.

(Beifall bei B 90/GRÜNE.)

Wir werden aber überprüfen, ob Sie von den Sozialdemokraten zusammen mit den Christdemokraten einen realen Beitrag zur Lösung der doch sehr großen Probleme dieses Landes, der viel beschworenen Notlage dieses Landes leisten werden. Wir haben jedenfalls als Regierungspartner einen solchen Beitrag geleistet; der Schwerpunkt Bildung ist dafür nur ein Beispiel. Und völlig überraschend hat ja die Sozialdemokratie in dieser Woche festgestellt, dass die Kassen im Saarland leer sind, was mir sofort Sorge bereitet mit Blick auf den zentralen Zukunftsbereich dieses Landes, den Bildungsbereich, den wir als GRÜNE ja bis zuletzt verteidigt haben. Wir werden jedenfalls ganz genau beobachten, ob Ihre Kreativität und Ihr politisches Engagement ausreichen, um insbesondere den Bildungsbereich, aber auch den uns wichtigen Umweltbereich weiter nach vorn zu bringen. Wir als GRÜNE haben in den letzten zwei Jahren erkennbar eine positive Regierungsarbeit abgeliefert, wir haben Weichen gestellt. Deshalb gehen wir erhobenen Hauptes in die Opposition. - Vielen Dank.

(Beifall bei B 90/GRÜNE.)

Das Wort hat für die FDP-Landtagsfraktion Herr Abgeordneter Karl-Josef Jochem.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich darf auf das eingehen, was der Kollege Ulrich zur Zerrüttung zwischen den Ministern gesagt hat. Er hat gesagt, dass es diese Zerrüttung zumindest nicht bei den grünen Ministern gegeben habe. Ich darf für meine Fraktion festhalten, dass dies auch für die FDP gilt. Es sind mir keine Dinge bekannt, bei denen es eine Zerrüttung gegeben hat. Ich möchte vielmehr in aller Klarheit sagen: Es gab eine gute Zusammenarbeit, und es gab Erfolge mit den Ministern für Wirtschaft und für Gesundheit. Die Belege sind ja vorhanden. Ich spreche einmal das Thema Halberger Hütte an. Es wurde insbesondere auch im Wirtschaftsministerium gelöst, das heißt vom Wirtschaftsminister, der immerhin von der FDP kommt, und von Staatssekretär Kiefaber, der die Sache gemanagt hat. Ich möchte auch das Thema SaarGummi ansprechen, bei dem andere schon nach dem Staat riefen. Es wurde im Wirtschaftsministerium in gutem Einvernehmen mit allen Kabinettsmitgliedern und Koalitionsfraktionen gelöst, sodass beide Bereiche heute wieder im Aufwind sind. Die wirtschaftliche und die konjunkturelle Lage insgesamt und all das, was sich hier im Land abzeichnet, ist ein Verdienst auch dieser Landesregierung, zu der nun einmal an entscheidender Stelle auch die FDP gehört. Im Gesundheitsbereich hat Minister Weisweiler den Krankenhausplan, der ja schon in den vorherigen Legislaturperioden diskutiert wurde, aber nie zu einem Ziel kam, zum Ziel geführt. Er hat Kampagnen angestoßen, die im Saarland eine große Resonanz gefunden haben, etwa die Kampagne „Das Saarland lebt gesund“ und andere Dinge.

Wegen interner Probleme in unserer Fraktion waren wir sicherlich der vorgeschobene Auslöser für die Aufkündigung der Jamaika-Koalition. Das geben wir zu. Aber wir haben nicht die Ursache gesetzt. Auch das möchte ich festhalten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP.)

Das Wort hat für die CDU-Fraktion Herr Fraktionsvorsitzender Klaus Meiser.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, eines ist wohltuend, und dem will ich mich anschließen: Es ist heute sicherlich kein Tag für eine Abrechnung oder für Vorwürfe, sondern ein Tag, an

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

dem die Konsequenz daraus gezogen wird, dass eine Koalition aufgekündigt ist, weil sie nicht mehr funktioniert hat. Deshalb will ich noch einmal wiederholen, was wir schon am Tag der Entscheidung gesagt haben: Dieser Weg ist getragen von zwei Aspekten, nämlich Verantwortung für unser Land und Handlungsfähigkeit für unser Land. Von daher kann ich in einem Punkt Hubert Ulrich zustimmen: Der Ausgangspunkt ist sicherlich nicht, dass die Sacharbeit nicht funktioniert hat, und schon gar nicht eine Bilanz dieser zwei Regierungsjahre, die negativ wäre. Im Gegenteil: Viele Projekte, die wir uns vorgenommen hatten, sind erfolgreich über die Bühne gegangen. Zum Teil hat die Opposition zugestimmt, weil sie die Dinge wohl gut gefunden hat. Ich erinnere an die Bildungspolitik, in der wir mit einem ZweiSäulen-Modell eine gute Basis für die Zukunft geschaffen haben. Ich erinnere an die Energiepolitik, in der wir ein gutes Miteinander von Bedürfnissen eines Industrielandes Saarland und ökologischen Belangen hinbekommen haben. Also diese Bilanz ist sicherlich eine gute.

Ich will heute ein Drittes in aller Klarheit ansprechen. Dass heute Ministerinnen und Minister entlassen werden, hat nichts mit menschlichen Zerwürfnissen zu tun. Der Grund ist ein ganz anderer, und ich denke, er ist für jeden nachvollziehbar: Wenn eine Koalition aufgekündigt ist, ist die Folge nun einmal, dass es im Parlament keine Mehrheit und keine Zusammenarbeit mehr gibt. Das wird niemand bestreiten. Damit ist auch eine Zusammenarbeit zwischen Parlament, Regierung und Ministerien beendet. Die Frage, ob die betroffenen Häuser jetzt führungslos sind, ist klar beantwortet: Die Verantwortung wird dort von Ministern übernommen, die im Amt bleiben. Im Übrigen darf ich daran erinnern, dass die Häuser selbst gut funktionieren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden weiterhin da sein. Sie werden zusammen mit einer Übergangsführung gewährleisten, dass die Sacharbeit weitergeht und unser Land regierungsfähig bleibt.

Ein letztes Wort von meiner Seite zum Thema Zukunft. Ich denke, auch dort ist klar geworden, dass es - genauso wie bei der Bildung der Jamaika-Koalition - keinen Raum für Legendenbildungen gibt. Wir befinden uns in einer Sondierung. Niemand von uns kann gegenwärtig sagen, ob sie zu Ergebnissen, zu einer Koalition führen wird. Vielmehr machen die Gesprächspartner deutlich, dass es auch bei einer solchen Sondierung um die Frage geht, ob es genügend Schnittmengen gibt, und dass es darüber hinaus um Verantwortung und Handlungsfähigkeit für dieses Land geht. Davon sind die Gespräche getragen. Was am Ende steht, können wir heute noch nicht sagen. Ich kann für die CDU nur so viel sagen: Wir werden mit dafür sorgen, dass dieser Weg für unser Land in Verantwortung fortgesetzt wird, dass wir uns, wie es angeboten ist, um eine handlungsfä

hige Regierung bemühen und dass wir uns selbstverständlich, wenn dies nicht zum Erfolg führt, dem Votum der Wähler stellen.

In diesem Geiste sollten wir heute die Zusammenarbeit dieser Koalition gemeinsam und aufrechten Hauptes beenden und in die Zukunft schauen. - Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall von der CDU.)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Fraktionsvorsitzender Heiko Maas das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht heute um die Entlassung von Ministern. Diese Aussprache ist auf Initiative der GRÜNEN zustande gekommen. Deshalb will ich zunächst etwas zu denjenigen sagen, die heute aus ihren Ämtern entlassen werden.

Sehr geehrte Frau Dr. Peter, sehr geehrter Herr Kessler, Sie beide wissen, dass das Zustandekommen der Jamaika-Koalition 2009 in der SPD vielfach mit Verwunderung zur Kenntnis genommen worden ist. Ich will das alles nicht noch einmal vertiefen. Die SPD hat sich aber nach einer gewissen Zeit damit abgefunden, dass es so ist. Deshalb, so glaube ich, kann man aus dem Blickwinkel von heute durchaus einigermaßen objektiv etwas zu Ihrer Arbeit sagen. Ich will das im Namen der SPD-Fraktion tun. Auch wenn wir in vielen Punkten unterschiedlicher Auffassung gewesen sind, spricht Ihnen niemand von uns ein großes Engagement in Ihrer Arbeit ab. Niemand von uns spricht Ihnen klare politische Zielvorstellungen ab, auch wenn es solche gewesen sind, die nicht immer die unseren waren.

Frau Dr. Peter hat in ihrem Amt als Ministerin für Umwelt, Energie und Verkehr sicherlich, wenn es um den Bereich der erneuerbare Energien geht, Standards gesetzt, die bleiben und die auch von der SPD in keiner Weise infrage gestellt werden. Den Weg der Energiewende halten wir im Grundsatz für richtig, in Details haben wir möglicherweise Gesprächsbedarf.

Das gilt auch für Herrn Kessler. Er hat die Gemeinschaftsschule in diesem Land durchgesetzt. Die SPD hatte nie etwas gegen die Gemeinschaftsschule als solche, sondern wir waren der Auffassung, dass die spezielle Ausformung der Gemeinschaftsschule so, wie sie verabschiedet worden ist, stark überarbeitungsbedürftig ist. Aber, Herr Kessler, wir erkennen auch an, dass Sie gemäß Ihren politischen Zielvorstellungen damit die Schulstruktur in diesem Land verändert haben. Auch das wird bleiben. Denn die Schulstruktur und die Gemeinschafts

(Abg. Meiser (CDU) )

schule werden von der SPD grundsätzlich nicht mehr infrage gestellt.

Deshalb kann ich Ihnen im Namen der SPD-Fraktion sagen, dass wir auf Ihre Arbeit mit Respekt zurückblicken und dass sicherlich einiges von dem, was Sie auf den Weg gebracht haben, in diesem Land auch bleiben wird. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute. Das gilt ebenso für die ausscheidenden Minister der FDP, für Herrn Dr. Hartmann und Herrn Weisweiler. Auch Ihnen wünschen wir für die Zukunft alles Gute.

Meine Damen und Herren, es ist darüber geredet worden, wieso und weshalb diese Koalition auseinandergebrochen ist. Ich will das nicht vertiefen. Ich will nur etwas sagen, was mir bei all den Fragen, die es jetzt zu entscheiden gilt, eine Lehre ist. Ich glaube, dass diese Koalition nie wirklich den Namen Regierung verdient hat, vor allen Dingen, weil die inhaltlichen Zielvorstellungen der Partner viel zu weit auseinander gelegen haben. Deshalb glaube ich, dass die Dinge, die in der FDP passiert sind, allenfalls der Anlass für den Bruch der Koalition gewesen sind, dass der eigentliche Grund aber viel tiefer liegt, nämlich in der inhaltlichen Unvereinbarkeit in ganz wesentlichen Fragen, die für die Zukunft unseres Landes aber von existenzieller Bedeutung sind. Wer glaubt, politische Bündnisse auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner eingehen zu können, ohne dass man ein Projekt für dieses Land hat, ohne dass man einen Plan für das hat, was man umsetzen und realisieren möchte, der wird möglicherweise kurzfristig damit Erfolg haben, aber niemals langfristig das erreichen, wofür man eigentlich in der Regierung sitzt. Das sollte allen eine Lehre sein.

(Beifall von der SPD.)