nung genügen soll, so ist es dennoch praktisch unmöglich, bei den Entschädigungszahlungen dass erfahrene Leid individuell gerecht zu differenzieren. Das sind die Schwierigkeiten, mit denen wir es zu tun haben.
Ich habe mit der GRÜNEN-Abgeordneten, die für uns Mitglied am runden Tisch ist, gesprochen. Sie hat mir mitgeteilt, es gebe am runden Tisch ein allgemeines Verständnis dafür, dass die katholische Kirche in Deutschland jetzt mit einer Lösung zunächst einmal vorgeprescht ist, mit einer eigenen Lösung, da sie sich einem besonderen öffentlichen Druck ausgesetzt sieht. Es sei aber, um zu einem Ergebnis zu kommen, wesentlich sinnvoller, gemeinsam an einer endgültigen Lösung zu arbeiten, und dieser Weg solle auch mit dem runden Tisch weiterhin beschritten werden; denn es bestehe eine gemeinsame moralisch-politische Verpflichtung aller Beteiligten hinsichtlich der Wiedergutmachung.
Daher wäre es alles andere als sinnvoll, würde nun ein Bundesland ausscheren, würde ein Bundesland glauben, eine eigenständige Lösung finden zu müssen, einen Sonderweg beschreiten zu müssen. Dies gilt umso mehr, als die Fondslösung, die angedacht ist und die wir grundsätzlich begrüßen, durch Bund, Länder und die jeweiligen Träger der Einrichtungen finanziert werden soll. Daher ist es, wie schon die Kollegin Rink angesprochen hat, auch sinnvoll, dass es eine Abstimmung gibt mit den Ergebnissen des runden Tisches „Heimerziehung“. Wir brauchen eine ehrliche und sensible Aufarbeitung dieser Fälle.
Ich denke, wir sollten uns hier darauf verständigen, dass es darum geht, präventive und intervenierende Handlungskonzepte zu erarbeiten, dass das Problem gesamtgesellschaftlich aufgearbeitet werden muss, dass dazu auf jeden Fall auch angemessene Hilfen für die Opfer gehören, und zwar materielle und immaterielle Hilfen, dass es sinnvoll ist, in Richtung einer Fondslösung nachzudenken, und dass es sinnvoll ist, diese Lösungen und diese Hilfsangebote ungeachtet juristischer Verjährungsfristen zu diskutieren.
Lassen Sie uns also diejenigen unterstützen, die am runden Tisch für uns diese Arbeit erledigen, die das gemeinsam tun mit allen anderen, die sich um einen sensiblen und anerkennenden Umgang miteinander bemühen. Ich denke, Ausgrenzung und eine öffentliche politische Auseinandersetzung sind auf keinen Fall geeignet, einen Beitrag zur Lösung zu leisten.
Ich möchte abschließend festhalten: Wir haben keinerlei Recht, die katholische Kirche in Deutschland in der Art und Weise vorzuführen, wie das mit dem hier eingebrachten Antrag geschehen sollte.
Insbesondere würde man mit diesem Antrag auch den von Bischof Dr. Stephan Ackermann unternommenen intensiven Bemühungen um Aufarbeitung nicht gerecht. Daher lehnen wir diesen Antrag ab. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Willger. - Das Wort hat nun die Ministerin für Arbeit, Familie, Prävention, Soziales und Sport, Frau Annegret Kramp-Karrenbauer.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinder zu missbrauchen, das ist das abscheulichste Verbrechen, das man Menschen antun kann. Kinder befinden sich in einer besonderen Abhängigkeits-, in einer besonderen Schutzsituation. Sie zu verletzen, körperlich und seelisch, sie in ihrer Entwicklung nachhaltig zu hemmen, sie zu beeinträchtigen und zu zeichnen, das ist etwas so Gravierendes, dass wir uns mit den Vorgängen, die in den letzten Jahren bekannt geworden sind an so vielen unterschiedlichen Stellen und bei so vielen unterschiedlichen Organisationen in unserem Land und in unserer Gesellschaft, nicht nur einfach befassen müssen, sondern dass gerade auch wir als politisch Handelnde alles dazu beitragen müssen, dass die Dinge aufgeklärt werden und den Opfern geholfen wird. Vor allem müssen wir dafür Sorge tragen, dass sich so etwas nicht wiederholen kann.
Deshalb unterstützt die saarländische Landesregierung den Ansatz, der auf der Bundesebene mit dem runden Tisch verfolgt wird, eingerichtet seit April 2010, um diesen Zielsetzungen gerecht zu werden. Katholische Kirche, evangelische Kirche, Opferschutzverbände, Beratungsstellen, Wohlfahrtsverbände, Wissenschaft, parlamentarische Vertretung, die Jugendministerkonferenz, die Justizministerkonferenz und die Kultusministerkonferenz, sie alle kommen an diesem runden Tisch zusammen, um aufzuklären, um präventiv zu wirken, um die strafrechtlichen und zivilrechtlichen Dinge in die richtige Richtung zu lenken.
Dieser runde Tisch hat drei Arbeitsgruppen. Bei der Arbeitsgruppe „Prävention - Intervention - Information“, die von Familienministerin Kristina Schröder geleitet wird, geht es insbesondere um Vorbeugung und auch um Intervention und Interventionsmöglichkeiten. Es gibt die Arbeitsgruppe „Forschung, Lehre und Ausbildung“, geleitet von Annette Schavan. In dieser Arbeitsgruppe geht es um die Frage, was man in der Ausbildung der Lehrer, der Erzieher, generell des Personals, das in diesen Bereichen arbeitet, tun kann, um solche Vorgänge künftig zu verhindern.
Es gibt schließlich die Arbeitsgruppe - ihre Arbeit ist sicherlich besonders schwierig -, die sich mit den strafrechtlichen und zivilrechtlichen Konsequenzen befasst. Geleitet wird sie von der Bundesjustizministerin. Es sind ja hier schon einige einschlägige Punkte angesprochen worden. Dort vorrangig zu regeln ist die Frage der Verjährung. Wir alle wissen, dass diejenigen, die als Kind missbraucht worden sind, häufig ihr halbes Leben brauchen, bevor sie über diese Vorgänge reden können, bevor sie sich offenbaren können. Deswegen sind die bisherigen Verjährungsfristen für diese Fälle vollkommen ungenügend. Es ist daher richtig, zunächst einmal einen angemessenen zeitlichen Korridor zu schaffen, damit auch denjenigen, die sich später als Erwachsene von diesem Trauma befreien, Möglichkeiten bleiben. Es ist klar, dass darüber geredet werden muss, was das in strafrechtlicher und in zivilrechtlicher Konsequenz bedeutet.
Ich möchte mich der Kollegin Willger und dem Kollegen Roth ausdrücklich anschließen. Alle unsere Debatten zu diesem sensiblen Feld müssen wir mit dem Fokus auf und einer besonderen Sensibilität für die Opfer führen. Und wir müssen deutlich machen, dass es hierbei in allererster Linie darum geht, den Opfern gerecht zu werden und alles in die Wege zu leiten, damit es künftig keine Opfer mehr gibt. Am Antrag der LINKEN stört mich sehr, dass er erkennbar die Opfer nicht im Blick hat. Bei diesem Antrag geht es um etwas ganz anderes, die Frau Kollegin Willger hat es eben benannt.
Herr Kollege Lafontaine, sind Sie denn nicht auch der Auffassung, dass es, wenn wir hier über Opfer reden, über missbrauchte Kinder, um eben diese Kinder gehen muss? Es muss doch wirklich zweitrangig sein, wo dieser Missbrauch stattgefunden hat, ob in der katholischen oder in der evangelischen Kirche, in der Odenwald-Schule oder auch in einem Kinderheim in der DDR. Über diese Feststellung sollte man sich nicht so aufregen.
(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Es geht um die Verbindung! - Abg. Spaniol (DIE LINKE): Aber Hauptsache, die DDR kommt vor!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kinder sind das Wichtige, nicht der Ort, an dem der Missbrauch stattgefunden hat!
Es ist richtig, dass wir uns mit diesem Thema befassen, und wir müssen uns mit diesem Thema immer aus der Sicht der Kinder befassen, aus der Sicht derjenigen, die damals Opfer wurden und es heute noch sind.
Ein großes Anliegen des runden Tisches ist es, dass die genannten drei Themenfelder - Prävention und
Intervention, Forschung und Ausbildung, rechtliche Konsequenzen - in einem Gleichklang bearbeitet werden. Bei den Teilnehmern des runden Tisches gibt es aber auch, wie schon angesprochen, ein massives und auch von der saarländischen Landesregierung geteiltes Interesse, dass es am Ende nicht Opfer erster und zweiter oder gar dritter Kategorie gibt, dass also nicht jede Gruppe gewissermaßen ihre eigenen Regelungen trifft. Ziel des runden Tisches, der übrigens im Herbst dieses Jahres seinen Abschlussbericht vorlegen wird, ist es und muss es, aus Sicht der Opfer gedacht, sein, zu einheitlichen Regelungen zu kommen, die unabhängig davon sind, wo der Missbrauch stattgefunden hat. In diesem Sinne hat die Landesregierung ein großes Interesse daran, dass einvernehmliche Lösungen gefunden werden und es nicht an der einen oder anderen Stelle zu Alleingängen kommt.
Wir wenden uns also dem runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ positiv zu, und entsprechend verhalten wir uns auch mit Blick auf diejenigen Kinder, die beispielsweise in Jugendhilfeeinrichtungen oder in Kinderheimen Opfer von Gewalt geworden sind. Auch zu diesem Problemkreis gibt es einen runden Tisch, auch dazu gibt es Ergebnisse. Auch diesbezüglich hat die Landesregierung gehandelt: Wir verfügen über das entsprechende Beratungsangebot, wir haben die Anlaufstellen. Zudem haben wir als eines der ersten Bundesländer erklärt, dass wir das, was bundesweit an Entschädigungen festgelegt wird, auch in unserem Land umsetzen wollen. Denn auch hier geht es darum, den Opfern gerecht zu werden. Das muss unser Hauptanliegen sein.
Einen Aspekt möchte ich abschließend noch in diese Diskussion einbringen. Hinsichtlich des Problemfeldes „Missbrauch und Gewalt gegen Kinder“ sind viele Institutionen aufgefallen. Diese Institutionen haben in ganz unterschiedlicher Art und Weise auf die Vorfälle und die Vorwürfe reagiert und zur Aufklärung der Vorfälle beigetragen. Sicherlich vorbildlich ist das Verhalten von Bischof Dr. Ackermann aus dem Bistum Trier, der, mit einem entsprechenden Auftrag ausgestattet, die Dinge in die Hand genommen hat. Er hat aus meiner Sicht in einem sehr schwierigen Umfeld einen guten und vernünftigen Weg beschritten. Das war sicherlich auch für ihn eine sehr schwierige Aufgabe. Ich glaube, dass es zu einer mit Ehrlichkeit und Offenheit zu diesem Thema geführten Debatte auch gehört, noch einmal zu verdeutlichen, dass alle diese Institutionen, die ich eben genannt habe und die wegen des selbstverständlich zu verfolgenden und aufzuklärenden Missbrauchs aufgefallen sind, in vielen Bereichen Vorbildliches vorzuweisen haben, dass sie Positives vorzuweisen haben. Auch dieser Aspekt sollte in einer solchen Diskussion nicht unerwähnt bleiben. Wir sollten hier nicht die Institution als solche verdammen, sondern das kritisieren, was bei ihr zu kritisieren ist, nämlich
die Tatsache, dass man sich in ihren Reihen an Kindern vergriffen hat. Das kann und will der Staat, das können und wollen wir als Politiker nicht hinnehmen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Oskar Lafontaine.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema, das wir hier besprechen, ist sicherlich kein Thema, das sich für polemische Auseinandersetzungen eignet. Die Frage, um die es geht, ist ganz einfach.
Es steht eine Entschädigungsregelung in der Diskussion, und die Frage ist, ob wir als saarländischer Landtag zu dieser Entschädigungsregelung eine Stellungnahme abgeben sollten. Das kann man bejahen oder verneinen. Allein um diese Frage ging es, nicht um andere Fragen, die hier wortreich angesprochen worden sind.
Ich möchte für meine Fraktion begründen, weshalb wir der Auffassung sind, dass unser Haus sehr wohl angesprochen ist, wenn es um Entschädigungsregelungen geht. Es geht ja um Fälle, die in Einrichtungen der katholischen Kirche aufgetreten sind. Die katholische Kirche ist eine gesellschaftliche Institution, die hier an der Saar eine besondere Rolle spielt. Und sie hat natürlich auch ein vertieftes Verhältnis zu den staatlichen Organen und Einrichtungen. Das kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass eine Reihe von Einrichtungen vom Steuerzahler über den Landeshaushalt finanziert wird.
Von diesem Zusammenhang ausgehend sagen wir, dass es sehr wohl eine Zuständigkeit des Landesparlamentes gibt hinsichtlich der Frage, was in diesen Einrichtungen passiert. Diese Auffassung muss man nicht teilen, aber wir sind nun einmal dieser Auffassung. Wir glauben sogar, dass eine Mitverantwortung der staatlichen Organe und damit auch des Parlamentes gegeben ist. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt.
Wie alle waren der Auffassung, dass mit materiellen Entschädigungen das Leid dieser Menschen überhaupt nicht abgegolten werden kann. Es ist aber nun einmal so, dass eine materielle Entschädigung im Raume steht. Nun stellt sich die Frage, ob man diese Entschädigung als angemessen oder aber als nicht angemessen ansieht. Wir haben uns daher auch nicht in der Form eingemischt, dass wir etwa gesagt hätten, besonders die Bischofskonferenz sei
zu kritisieren. Wir haben vielmehr gesagt, dass es Beispiele gibt, an denen man sich, wie wir meinen, orientieren sollte. Ich will diese Auffassung begründen.
Die Kirchen haben eine wichtige Bedeutung in unserer Gesellschaft, nach meiner Auffassung. Die wichtige Bedeutung resultiert daraus, dass sie bei der Wertevermittlung in der Gesellschaft eine besondere Rolle spielen. Diesbezüglich gibt es eine Tradition an der Saar, die auch optisch sichtbar wird, wenn Sie einmal über meinen Kopf hinwegschauen. Diese Tradition ist ja nicht so ohne Weiteres aus der Welt. Diese Wertevermittlung hat durch die in den letzten Jahren beobachtete Entwicklung erheblichen Schaden genommen. Es stellt sich die Frage - und das geht uns alle an -, ob dieser Schaden teilweise repariert werden kann, und in eben diesen Zusammenhang gehört auch diese Debatte.
Ich persönlich bin der Auffassung, dass diese wertevermittelnde Funktion weiter beschädigt werden könnte, wenn man die materielle Entschädigung zu gering ansetzt. Auch diese Auffassung muss man nicht teilen, das ist aber meine Überzeugung. Deshalb würde ich dazu raten, einen Ansatz zu wählen, der einigermaßen vertretbar und einigermaßen vermittelbar ist. Mit anderen Worten: Wir sind der Auffassung, dass es eine Zuständigkeit des Parlamentes gibt. Wir tragen hier in sachlicher Form vor, dass uns der jetzt gewählte Ansatz nicht ausreichend erscheint. Wir plädieren lediglich dafür, sich an anderen Modellen zu orientieren. Selbstverständlich wissen auch wir, dass auch diese anderen Modelle von den Opfern niemals akzeptiert werden können, denn: Wer kann denn so etwas schon ausreichend entschädigen?
Ein Letztes: Wir mussten uns hier selbstverständlich zur Wehr setzen, da als Argument gegen unseren Antrag ins Feld geführt wird, schließlich seien auch in der DDR verübte Missbrauchsfälle bekannt geworden. Wen wollen Sie denn damit ansprechen? Wollen Sie Herrn Linsler für die DDR verantwortlich machen? Wollen Sie Frau Spaniol für die DDR verantwortlich machen? Wollen Sie mich für die DDR verantwortlich machen? Sehen Sie, dieses Niveau -
(Abg. Rink (CDU) : Ich habe niemanden angesprochen! - Weitere Zurufe von der CDU: Aber Ihre Partei! - Weitere Zurufe und Sprechen.)
Dieses Niveau verbitten wir uns. Ich möchte lediglich einen leisen Hinweis geben: Von unserer Fraktion war niemand in der SED.
Ich kenne nun, junger Mann, die saarländische Geschichte sehr gut. Wir können sehr gerne darüber diskutieren, wer wann - ich denke an die jüngere
Geschichte - in welchen Parteien war und wer nach dieser Logik wofür in Mitverantwortung genommen werden muss. Wenn Sie das wünschen, können Sie das gerne haben! Ich glaube allerdings nicht, dass eine solche Diskussion dem nun besprochenen Sachverhalt angemessen wäre.
Wir sind der Auffassung, dass es notwendig ist, eine bessere Entschädigung anzubieten. Wir sehen es auch als unsere Aufgabe in einem fairen Dialog mit der Kirche an, das anzumahnen. Wir glauben, dass die Kirche sich selbst einen Gefallen tun würde, wenn sie in dieser Frage etwas großzügiger agieren würde.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe es begrüßt, dass sich der Fraktionsvorsitzende der LINKEN zu Wort gemeldet hat, weil ich davon ausgegangen bin, er würde zunächst einmal etwas aus der Welt schaffen. Ich bin davon ausgegangen, er würde seinen anlässlich des Beitrags der Kollegin Rink getätigten Zwischenruf aus der Welt schaffen. Er hat dazwischengerufen, sie habe nichts im Hirn. Es wäre, Herr Lafontaine, an Ihnen gewesen, diesen Zwischenruf zu bedauern und zurückzunehmen. Das darf nicht die Art der Auseinandersetzung in diesem Hause sein.