Protocol of the Session on December 7, 2010

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

(Abg. Maas (SPD) : Ich habe noch eine Wortmeldung. - Er überreicht dem Saaldiener die schriftliche Wortmeldung.)

Ich darf auf die Geschäftsordnung hinweisen und bitte darum, zukünftig zu berücksichtigen, dass, wenn ein Abgeordneter zur Sache sprechen will, er sich schriftlich zu Wort melden muss. Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Abgeordneter Heiko Maas.

(Unruhe bei den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich will auch dem Ministerpräsidenten ermöglichen, noch das Wort zu ergreifen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben von den Kollegen der Koalitionsfraktionen permanent gehört - das hat sich wie ein roter Faden durchgezogen, wenn es so etwas in dieser Landesregierung überhaupt gibt -, dass das Land besser aus der Wirtschaftskrise herauskommt, als alle gedacht haben. Der Finanzminister hat diesen Erfolg für sich und diese Regierung beansprucht, weil all das, was gemacht wurde, richtig gewesen sei und man es gut umgesetzt habe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Not der Argumente, die bei Ihnen herrscht, wird an dieser Stelle deutlich, wenn Sie jetzt schon den Aufschwung in Deutschland für sich reklamieren müssen. Dieser findet überall in Deutschland statt, nicht nur im Saarland, und er hat nichts mit dieser Regierung zu tun. Wenn, dann müsste man sagen, er kommt trotz dieser Regierung zustande.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Die Entwicklung ist besser, als wir es vor etwa einem Jahr erwartet hatten. Das ist gut so. Wenn die Krise nicht so viele Arbeitslose hinterlässt wie ursprünglich angenommen, ist das auch gut so. Wenn die Arbeitslosigkeit weiter sinkt, ist das auch gut so. Wenn man in dieser Debatte einigermaßen ernst genommen werden will, muss man darauf zurückkommen und sagen, wo die Gründe dafür liegen. Ich will eins vorwegschicken -

(Zuruf des Abgeordneten Meiser (CDU).)

Am allerwenigsten bei der Landesregierung, Herr Kollege Meiser. Es liegt in erster Linie am vernünfti

gen Handeln der Unternehmer und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Fragen Sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Unternehmer, ob sie sich von dieser Regierung in den letzten 12 Monaten im Wesentlichen unterstützt gefühlt haben. Sie sind allesamt - ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber - der Auffassung: Anstatt sich permanent mit sich selbst zu beschäftigen, wäre es sinnvoll, sich um die echten Probleme dieses Landes zu kümmern! Dieser Aufgabe werden Sie in keiner Weise gerecht.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Dass die Krise nicht so tief geworden ist, hat auch etwas damit zu tun, dass die damalige Große Koalition in Berlin richtige Entscheidungen getroffen hat. Es sind Konjunkturprogramme aufgelegt worden, auch vom Land, was immer unsere Zustimmung gefunden hat. Aber ich darf daran erinnern, wenn wir in den Jahren vor der Krise nur das Wort Konjunkturprogramm in den Mund genommen haben, dann ist hier gerufen worden: Strohfeuer, Sozialismus! Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie waren nicht, wie das hier gesagt worden ist, an der Spitze der Bewegung, sondern Sie mussten in die richtige Richtung geprügelt werden, damit die Grundlagen dafür gelegt worden sind, dass diese Krise nicht so tief geworden ist wie angenommen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich will dennoch auf zwei Punkte hinweisen, die mir im Saarland nach wie vor Sorge bereiten und bei denen ich nicht der Auffassung bin, dass diese Regierung sich in die richtige Richtung bewegt. Zum Ersten. Auch bei niedriger werdenden Arbeitslosenzahlen wird der Anteil der Langzeitarbeitslosen an der Gesamtzahl der Arbeitslosen immer größer. Wir werden durch Arbeitsplätze, wo und wie auch immer sie entstehen, nicht alleine darauf hoffen können, dass diese Langzeitarbeitslosen alle auf dem ersten Markt unterkommen werden. Die Realität ist eine völlig andere. Je älter die Menschen sind, umso dramatischer wird es.

Deshalb ist es völlig falsch, wenn Sie in dem Bereich der Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen Geld einsparen. Wir haben in unserem Haushaltsvorschlag angeregt, bei den Einsparungen, die in Berlin durchgeführt werden und die bis zu uns ins Saarland durchschlagen, die im Übrigen viele Träger betreffen, Kompensation zu leisten. Denn wenn es uns nicht gelingt, das immer größer werdende Heer der Langzeitarbeitslosen wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen, werden wir sie nicht in unsere Gesellschaft integrieren können. Das wäre ein wichtiges Signal für viele Menschen gewesen, die keine Hoffnung mehr haben.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wir haben ein zweites Problem. Auch wenn die Anzahl der Arbeitslosen sinkt, wird die Anzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Arbeit haben, aber von ihrem Lohn nicht ihr Leben, geschweige denn ihr Familienleben, finanzieren können, immer größer. Deshalb erwarte ich von einer saarländischen Landesregierung in einem Land, in dem es einen hohen Prozentsatz an Niedriglohn und prekärer Beschäftigung gibt, dass sie sich dafür einsetzt, dass diese Entwicklung beendet wird. Wenn Sie uns nicht glauben, dann nehmen Sie sich doch ein Beispiel an Ihrem konservativen Kollegen, dem Premier in Luxemburg, Herr Juncker, der gerade vorgeschlagen hat, dass man einen Mindestlohn nicht nur in Luxemburg brauchte, sondern dass es insgesamt ein gelungenes Instrument ist, um die Auszehrung der Lohnentwicklung, um den ständigen Aufbau der Niedriglöhne in den Griff zu bekommen.

Eine Landesregierung, die sich auf Bundesebene im Bundesrat dafür einsetzt, Mindestlöhne einzuführen, hilft vielen Menschen in diesem Land und trägt dazu bei, dass die Konjunktur nicht nur vom Export getragen wird, sondern irgendwann einmal auch von der Binnenkonjunktur. Auch das wäre ein wichtiges Signal, das aber dauerhaft ausbleibt.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Meine Damen und Herren, wenn wir über die Wirtschaft im Saarland reden und die positive Entwicklung, über die wir uns alle freuen, müssen wir natürlich - wir verabschieden heute einen Haushalt für das nächste Jahr - in die Zukunft blicken. Was ist denn Ihre Strategie oder Ihr Projekt für den Strukturwandel in den kommenden Jahren? Wir haben eine gute Entwicklung im Automobilbereich, auch im Forschungsbereich. Bei Ford in Saarlouis soll in Zukunft auch ein Elektrofahrzeug gebaut werden. Alles hervorragend.

Aber sind die Potenziale, die es dort gibt, bereits ausgereizt? Was sind denn Ihre Antworten darauf? Wie wollen wir die Hochschul- und Entwicklungslandschaft fortschreiben, um die positiven Dinge, die es da gibt, nachhaltig zu unterstützen? Was ist mit dem Thema Energie? Ja, auch wir sind der Auffassung, der Umbau der Energiegesellschaft hin zu mehr regenerativen Energien ist richtig. 20 Prozent 2020 sind richtig. Dennoch, die Art und Weise, wie am Masterplan Energie herumgedoktert wird, schafft bei uns nicht unbedingt den Eindruck, dass das eine sehr kraftvolle Bewegung werden wird.

Was ist mit dem Thema Gesundheit und Medizintechnik? Alle Experten sagen, das ist einer der größten Wachstumsmärkte, die wir in den kommenden Jahren haben. Was geschieht in diesem Land dazu? Ich habe davon überhaupt nichts gehört in der heutigen Debatte. Ich will Ihnen vor allen Dingen eines

noch einmal sagen: Dafür verwenden wir uns in diesem Haus seit Jahren. Es ist mehrfach gesagt worden, die Hochschulen bekommen mehr Geld. Richtig. Sehr schön, die Hochschulen bekommen mehr Geld, bei uns wird in die Hochschulen investiert. Was sollen Sie auch sonst machen?

(Lachen bei den Regierungsfraktionen.)

Aber die Frage ist, was in den Hochschulen geschieht. Da sage ich Ihnen, es gibt eine Entwicklung in den letzten Jahren, die nicht optimal ist. Die saarländische Wirtschaft schreit nach mehr Ingenieuren. Wir haben in den letzten Jahren eine Vielzahl von Vorschlägen gemacht, wie man die Ingenieurausbildung im Saarland verstärken könnte.

(Abg. Schmitt (CDU) : Das haben wir doch gemacht.)

Mancher Zwischenruf müsste selbst Ihnen zu blöd sein, Herr Schmitt.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Sie haben überhaupt nichts gemacht. Fragen Sie einmal Ihre Kollegen, die in der Haushalts- und Strukturkommission sitzen. Dann werden Sie das auch erfahren. Wir brauchten einen Schwerpunkt für mehr Ingenieurausbildung, die den Bedarf der saarländischen Wirtschaft bedient. Auch das wäre ein wichtiges Signal gewesen, von dem ich überhaupt nichts gehört habe, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Es ist auch darüber geredet worden - der Kollege Meiser hat auf einen Vortrag von Herrn Deubel bei der Arbeitskammer hingewiesen -, wie wir uns einnahmetechnisch und ausgabentechnisch als Land aufstellen. Es ist vollkommen richtig, dass Herr Deubel, sicherlich aus eigener Erfahrung in RheinlandPfalz, darauf hingewiesen hat, dass es nicht geht, ohne die Ausgabenseite im Blick zu haben. Das ist eine Einsicht, die von uns in keiner Weise bestritten wird. Herr Deubel weist aber auch darauf hin, dass die Zukunft der öffentlichen Haushalte extrem gefährdet ist, wenn wir auf der Einnahmenseite nichts machen. Beides gehört zusammen.

Wenn wir uns darauf einmal verständigen könnten, wäre das ein großer Fortschritt in diesem Haus. Ich streite nicht ab, dass auf der Ausgabenseite Ausgaben überprüft werden müssen. Allerdings würde ich Sie darum bitten, nicht abzustreiten, dass wir, so wie sich die öffentlichen Haushalte entwickeln, in Zukunft mindestens eine Verstetigung der Einnahmenbasis brauchen. Mir ist es mittlerweile egal, ob man das über den Spitzensteuersatz macht, über die Vermögenssteuer oder was auch immer. Ich bin zu allem gesprächsbereit.

(Abg. Maas (SPD) )

Wenn das Prinzip, das von Ihnen immer wieder in Zeitungsartikeln und Interviews dargelegt wird, „Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache Schultern“, Ihr Prinzip ist, können wir uns auf etwas einigen. Ich sage Ihnen noch einmal: Wir leben in einem Land, in dem Milliardäre einen Verein gegründet haben, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Vermögenssteuer wieder einzuführen. Das zeigt, wie weit wir sind. Das ist wirklich nichts, worauf wir in diesem Land stolz sein können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Es wird auch immer gefragt, was wir da machen sollen, es sei eine Frage des Bundes, und wo denn die -

(Zuruf des Abgeordneten Meiser (CDU).)

Es ist so. Andere haben diese Probleme aber auch. Ich schlage Ihnen vor, machen Sie doch Herrn Ulrich zum Verhandlungsführer im Bundesrat.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Gute Idee! Ich habe schon einmal erfolgreich verhandelt.)

Der kennt sich ja aus, wenn es darum geht, solche Dinge zu bewerkstelligen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist etwas zu wenig, wenn Sie sich lediglich darauf zurückziehen und sagen, das geht nicht, weil es dafür keine Mehrheit gibt. Ich bin mir sicher, Sie haben noch überhaupt keine Gespräche geführt.

Es ist ein Thema angesprochen worden, um das wir nicht herumkommen, das Thema Altschulden. Ich sage Ihnen, das ist nicht einfach. Es ist vor allen Dingen weniger bei den Ländern ein Problem, weil die alle von Altschulden und Zinslasten gedrückt sind. Es ist vielmehr ein Problem beim Bund, der kein Interesse daran hat, in irgendeiner Weise einzusteigen.

Dennoch bin ich der Auffassung, dass man sich einmal überlegen muss, ob es Modelle gibt, die uns weiterhelfen. Wir zahlen eine halbe Milliarde Euro an Zinsen, jedes Jahr. Da finde ich ganz interessant, was Herr Juncker jetzt wieder auf europäischer Ebene vorgeschlagen hat. Er hat vorgeschlagen, dass die Altschulden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in einen Pool zusammengeführt werden sollen und man sich zumindest mit den Zinsersparnissen einen Vorteil erwirbt. Wenn das ein Modell wäre, das auf europäischer Ebene gehen soll es wird ja nicht gehen, weil es politisch nicht durchsetzbar ist -, dann stelle ich mir schon die Frage, rein technisch, ob das nicht eine Möglichkeit ist, uns zumindest bei Zinskosten Entlastung zu verschaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht aber nicht ohne Sparen, auch das wird von uns nicht bestritten. Wenn Sie hier sagen, Sie machen das

verantwortungsvoll und Sie seien diejenigen, die den Leuten die Wahrheit sagen und auch unbequeme Entscheidungen durchdrücken, dann muss es schon erlaubt sein darauf hinzuweisen, dass zumindest diejenigen, die der CDU in dieser Regierung angehören und seit zehn Jahren hier sitzen, den Schuldenberg des Landes verdoppelt haben. Ich würde etwas mehr Demut erwarten, wenn ich wie Sie über das Thema Generationengerechtigkeit rede.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Was auf jeden Fall gilt beim Sparen - darum käme niemand herum, egal wie eine Regierung aussieht und was Voraussetzung für dauerhaftes Sparen ist, ist die Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Die Schuldenbremse geht bis 2019/ 2020. Das heißt, wir müssen jedes Jahr die Voraussetzungen der Schuldenbremse, die wir nicht für vernünftig halten, die aber auch von Ihnen mitgetragen wird, erfüllen. Das gilt Jahr für Jahr. Es ist ja nicht so, dass nur die Opposition Ihnen das vorwirft. Gehen Sie doch mal durchs Land und machen die Ohren auf! Die Bürgerinnen und Bürger sagen alle, dass sie es nicht verstehen, dass sie es nicht nachvollziehen und akzeptieren können, wenn seit zwölf Monaten dieser Regierungsapparat ausgebaut wird und wenn es permanent irgendwelche Versorgungsorgien für Parteigänger Ihrer Koalition gibt. Und jetzt sollen die kleinen Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst dafür bluten.

Damit schaden Sie sich selbst - das ist mir egal -, aber Sie schaden auch dem Land, weil Sie es nicht schaffen werden, ein dauerhaftes Mindestmaß an Zustimmung oder an Mindestakzeptanz in der Gesellschaft für die Sparmaßnahmen, die nicht nur ein Haushaltsjahr betreffen, sondern viele Haushaltsjahre, herbeizuführen. Deshalb werden Sie mit der Strategie der letzten zwölf Monate scheitern. Selbst Wein saufen und Wasser predigen, das ist ein Problem, das Sie nicht wegdiskutieren können. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie das auch wissen.