Protocol of the Session on October 26, 2010

(Abg. Commerçon (SPD) )

stellen wollen. Jetzt aber machen Sie genau das Gegenteil, lieber Kollege Ulrich. Vielleicht sollten Sie noch einmal nachlesen, was im Koalitionsvertrag steht. Möglicherweise haben Sie schlicht so manches vergessen, was in diesem Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Das mag durchaus sein.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Eine Reihe weiterer Punkte muss uns noch zu denken geben. In den zurückliegenden Debatten haben wir immer wieder angeregt, konkrete Vergleiche mit anderen Bundesländern zu ziehen. Ich erinnere mich an eine Debatte in der letzten Plenarsitzung, in der Ministerin Kramp-Karrenbauer gesagt hat, in Rheinland-Pfalz sei alles viel schlechter als im Saarland. Nun, ich habe mir das noch einmal angeschaut. Ich habe mir einmal das Eckpunktepapier der saarländischen Landesregierung zur Einführung gebundener Ganztagsschulen betrachtet und seinen Inhalt verglichen mit dem, was schon seit vielen Jahren in Rheinland-Pfalz Standard ist. Eine zweizügige Ganztagsgrundschule mit 25 Schülern pro Klasse soll im Saarland 76 Lehrerwochenstunden bekommen; in Rheinland-Pfalz sind es 118 Lehrerwochenstunden. Eine weiterführende Schule, ERS oder Gesamtschule, dreizügig, mit 25 Schülern pro Klasse, erhält nach dem vorgelegten Konzept im Saarland künftig als Ganztagsschule insgesamt 207 Lehrerwochenstunden; in Rheinland-Pfalz sind es 232 Lehrerwochenstunden. Meine sehr verehrten Damen und Herren der Koalition, schauen Sie sich wirklich einmal an, was an der Landesgrenze des Saarlandes zu Rheinland-Pfalz mittlerweile los ist! Es gibt immer mehr Eltern, die ernsthaft überlegen, ihre Kinder künftig in Rheinland-Pfalz unterrichten zu lassen, weil die Bedingungen dort eben besser sind.

(Zweifelnde Zurufe von den Regierungsfraktio- nen.)

Ja, schauen Sie sich die Zahlen doch einmal an! Das ist schon seit ein paar Jahren so. Durch eine solche Entwicklung, wie sie sich nun abzeichnet, wird das natürlich noch sehr viel schlimmer, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es darf aber doch nicht der nächste Schritt des Exodus aus diesem Lande sein, dass nun auch schon die Kinder wegen des Bildungswesens unser Land verlassen. Es verlassen schon zu viele Menschen dieses Land, meine sehr verehrten Damen und Herren. Gebieten Sie dieser Entwicklung endlich Einhalt!

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Der Finanzminister hat heute wieder einmal gesagt, dass, was ja auch nicht falsch ist, die starken Schultern mehr tragen müssten als die schwachen Schultern. Man muss sich aber anschauen, wo Sie tatsächlich sparen. Sie sparen bei den Familien, Sie sparen bei den Kindern, Sie sparen bei den Menschen mit Behinderungen. Ja, was glauben Sie

denn? Glauben Sie, dass es die Kinder, die Familien und die Menschen mit Behinderung sind, die in diesem Land die stärksten Schultern haben? Sie wissen ganz genau, dass das nicht der Fall ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist zynisch und hemmungslos, was Sie mittlerweile gegenüber der Öffentlichkeit von sich geben. Hören Sie auf, das, was Sie mit diesen Vorlagen anrichten, auch noch schönzureden!

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Abschließend möchte ich noch auf einen Aspekt zu sprechen kommen, bei dem Sie in der Tat massive Ausgabensteigerungen geplant hatten und der zumindest im weitesten Sinne zu den Bildungsausgaben zu rechnen ist. Bei der Einführung eines fünften Grundschuljahres hätten Sie in der Tat auf der Ausgabenseite eine ganze Menge zusätzliches Geld zu verbuchen gehabt. Sicherlich wäre dafür auch vom Land der eine oder andere Euro ausgegeben worden. Im Wesentlichen wäre das allerdings nicht beim Land der Fall gewesen, sondern bei den Schulträgern, vor allem für die Aufstellung von irgendwelchen Containern, für den Umbau irgendwelcher Schulgebäude, für die Fahrtkosten von Lehrerinnen und Lehrern, die von einer Schule zur anderen hätten fahren müssen, oder für die Fahrtkosten von Schülern, die hätten wechseln müssen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Ganze wäre aber ohne jeglichen pädagogischen Nutzen durchgeführt worden.

(Zuruf des Abgeordneten Schmitt (CDU).)

Lieber Kollege Schmitt, auch Sie selbst waren doch von diesem fünften Grundschuljahr nie überzeugt.

(Weiterer Zuruf des Abgeordneten Schmitt (CDU).)

Der Minister hat heute Morgen von intelligentem Sparen gesprochen. Ich kann Ihnen mitteilen, dass wir bereits einen gewaltigen Sparbeitrag für dieses Land erbracht haben.

(Lachen des Abgeordneten Schmitt (CDU).)

Die zig Millionen, die für das unsinnige fünfte Grundschuljahr ausgegeben worden wären, können Sie 1 : 1 übertragen auf unsere Haben-Seite. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist schon ein wesentlicher Sparbeitrag, den wir als Sozialdemokratie in diesem Land konkret für die Zukunft dieses Landes erbracht haben.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Abgesehen davon natürlich, dass uns so auch noch eine Menge anderer Probleme erspart bleibt. Dafür nehmen wir nachher gerne auch Ihre Dankesbezeugungen entgegen.

(Abg. Commerçon (SPD) )

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Dieses Land braucht nicht irgendwelche „äußerlichen“ Schulstrukturreformen. Dieses Land braucht kleinere Klassen. Dieses Land braucht eine bessere sozialpädagogische Betreuung und Förderung unserer Kinder. Dieses Land braucht die besten Lehrerinnen und Lehrer. Dieses Land braucht bessere Schulen. Das ist eine klare Alternative zu dem, was Sie hier vorlegen. Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Zur Begründung des Antrages der DIE LINKE-Landtagsfraktion erteile ich Frau Abgeordneter Barbara Spaniol das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Versprochen ist versprochen, und wird auch nicht gebrochen!“

(Oh-Rufe von der CDU.)

Das lernen unsere Kinder schon im Kindergarten. Die Kinder nehmen das sehr ernst und halten sich daran. Davon könnten Sie, meine Damen und Herren in der Koalition, sich eine dicke Scheibe abschneiden; Sie könnten von unseren Kindern noch etwas lernen.

(Beifall von der LINKEN.)

Was haben wir von Ihnen seit dem letzten Jahr nicht alles gehört unter dem Motto „Neue Wege für ein modernes Saarland - den Fortschritt nachhaltig gestalten". Einiges davon muss ich einfach noch einmal wiederholen. „Von allgemeinen Einsparquoten bleibt die Bildung ausgeschlossen.“ Wir wissen heute, wo wir da stehen. „Der Anteil der Ausgaben für Bildung wird schrittweise auf 30 Prozent aufgestockt." Lieber Kollege Commerçon, ich muss auch noch einmal wiederholen: „Wir werden das gebührenfreie letzte Kindergartenjahr zu einem obligatorischen Schulvorbereitungsjahr weiterentwickeln, um die Startchancen aller Kinder zu Beginn der Grundschulzeit deutlich zu verbessern."

(Abg. Commerçon (SPD) : Das habe ich doch nicht falsch gelesen?)

Weiter geht es voller Pathos: „Die Landesregierung will den Schatz der frühen Kindheit heben. Deshalb investieren wir in diesem Bereich erhebliche Mittel“ und so weiter, und so weiter.

(Abg. Schmitt (CDU) : Ja! - Abg. Rink (CDU): Das ist doch so.)

Meine Damen und Herren! Mittlerweile sind die Saarländerinnen und Saarländer mit dieser unserer

Landesregierung in der traurigen Wirklichkeit von heute angekommen, und die sieht ganz anders aus, und das nach nur zehn Monaten. Und auch hier zähle ich Ihnen einiges auf. Sie kappen den Sozialhaushalt um 11 Millionen, vielfach auf Kosten der Behindertenhilfe und damit auf dem Rücken der Schwächsten, die am meisten Unterstützung brauchen. Da gibt es nichts schönzureden. Die Werkstätten stehen nicht umsonst schon in den Startlöchern und drohen mit Klagen.

„Bildung ist der Schlüssel zur Integration". Das ist unbestritten. Darauf sind gerade Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen, Frau Rink, mit Migrationshintergrund angewiesen.

(Abg. Rink (CDU) : Das bestreite ich nicht.)

Während derzeit überall darüber diskutiert wird, wie wir damit umgehen, wie wir Integration verbessern können, wie das wirklich gelingen kann, gehen Sie, Frau Rink, hin und streichen mit Ihrer Landesregierung, ohne mit der Wimper zu zucken, Integrationsprojekte!

(Zuruf der Abgeordneten Rink (CDU).)

Das ist Ihre Antwort auf die aktuelle Integrationsdebatte. Da fragen wir uns wirklich: Was treibt Sie um?

(Beifall bei der LINKEN.)

Kolleginnen und Kollegen, es ist festzuhalten: Nach knapp einem Jahr Ihrer Regierungszeit drehen Sie die Uhr immer weiter zurück. Das dritte Kindergartenjahr wird definitiv nicht mehr beitragsfrei seien.

(Zurufe der Abgeordneten Schmitt (CDU) und Rink (CDU).)

Das dritte Kindergartenjahr war nie als verpflichtendes Kindergartenjahr in der Planung, sagte Herr Kessler. Klar, sonst müsste das Land ja die Beiträge übernehmen. Es ist schon klar, wohin die Reise geht. Da kann ich nur eines sagen: Ihr Koalitionsvertrag - der Kollege hat es eben auch gesagt - ist wirklich nicht mehr das Papier wert, auf dem er steht.

Ich kann weiter aufzählen: Die Schülerbeförderungskosten werden wieder steigen. Sie führen gnadenlos wieder Gebühren für Ganztagsschulen ein, obwohl Sie die Befreiung davon doch gerade noch gelobt haben. Oder wollen Sie da auch wieder die Stirn runzeln, Frau Rink? Das unsoziale System Ihrer kostenpflichtigen Schulbuchausleihe hat versagt!

(Lachen der Abgeordneten Rink (CDU).)

Ich sage Ihnen auch, warum. Das finde ich nicht zum Lachen, Frau Kollegin. Es stehen immer noch viele Kinder ohne Schulbücher da, bis geklärt ist, ob die Eltern die nötigen Beiträge gezahlt haben. Das spricht doch für sich, meine Damen und Herren! Das ist eine erbärmliche Bilanz, sie ist beschämend. Das ist eine Bilanz von gebrochenen Wahlversprechen,

(Abg. Commerçon (SPD) )

das ist ein politisches Armutszeugnis, das seinesgleichen sucht, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Ihre Streichliste ist doch nichts anderes als der Einstieg in das Sparen bei der Bildung. Damit wird auch Ihre vielbeschworene Schuldenbremse definitiv zur Bildungsbremse. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Ausgerechnet Sie von der CDU fallen weit hinter das zurück, was Sie einmal als Vorreiterrolle hier eingenommen haben, was Sie sich wirklich ans Revers heften konnten. Sie haben - das können Sie doch nicht negieren - die Beitragsfreiheit für das letzte Kindergartenjahr wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Diesen politischen Erfolg haben Sie auf dem Altar des Sparens geopfert. Das ist wirklich an Unglaubwürdigkeit nicht mehr zu überbieten, Kolleginnen und Kollegen. Sie lassen damit zu, dass Bildung bei uns weit über Gebühr bezahlt werden muss; das geschieht auf dem Rücken der Eltern und der Kinder, obwohl Sie gebetsmühlenartig hoch und heilig versprochen haben, Sie würden die Bildung nicht antasten, Sie würden in diesem Bereich nicht sparen. Aber genau dazu sind Sie nun auf dem besten Weg! Das werden wir so nicht mitmachen.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Das Schlimme - was ja auch zu lesen war - ist: Sie können Ihre Einsparpotenziale bei Ihrer Liste der Grausamkeiten noch nicht einmal beziffern! Das kommt noch erschwerend hinzu. Sie können uns keine Rechnung aufmachen, was denn tatsächlich irgendwo eingespart wird. Kolleginnen und Kollegen, da sage ich Ihnen ganz klar: Wenn Sie es ernst meinen würden mit besseren Bildungschancen, mit Qualitätsverbesserung in der Bildung, dann würden Sie wie andere Bundesländer trotz schwieriger Haushaltslage die richtigen Prioritäten setzen, zum Beispiel im Bereich der frühkindlichen Bildung mit einer echten Gebührenfreiheit in der Kita. Das Land Berlin will ab 2011 möglichst alle Kindergartenjahre beitragsfrei stellen. In Rheinland-Pfalz ist der Kindergartenbesuch seit Kurzem sogar für alle zwei- bis sechsjährigen Kinder beitragsfrei. Das haben wir alles schon gehört, das müssen wir aber immer wieder herausstellen. Die anderen machen es eben besser, meine Damen und Herren!