Protocol of the Session on October 26, 2010

Nun sagen Sie, die zweite wichtige Aufgabe sei, hier im Land Beschäftigung zu schaffen. Darin stimmen wir ja alle überein. Sie zitieren immer wieder die Arbeitslosenstatistiken. Ich habe versucht, es Ihnen zu erklären, und will es noch einmal versuchen: Die Messgeräte, Herr Kollege Müller, mit denen man heute die Arbeitslosigkeit misst, sind ganz andere als die, mit denen man sie vor zwanzig Jahren gemessen hat.

(Zuruf des Abgeordneten Meiser (CDU).)

Das ist so. Da ist jetzt die Ausbildung relevant. Deshalb können Sie das leider nicht mehr miteinander vergleichen. Wir haben bei über 60.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Land immer noch eine Unterbeschäftigung, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien. Das müssen Sie endlich zur Kenntnis nehmen!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Nun unterstelle ich einmal, Sie wären für diesen Beschäftigungsaufbau verantwortlich, von dem Sie sagen, er werde jetzt die Arbeitslosenstatistiken verändern. Was haben Sie denn getan? Wie oft soll ich es Ihnen noch sagen? Sie haben keine Industriepolitik betrieben. Hätten wir auf Sie gehört, wäre die Stahlindustrie hier an der Saar tot.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Sie haben eine Veräußerung gefordert. Wir hätten an der Saar überhaupt keine Stahlindustrie mehr.

(Erneuter Beifall bei den Oppositionsfraktionen. - Zuruf.)

Und Sie sind auch noch stolz darauf, dass Sie jetzt den Bergbau hier an der Saar zu Ende gebracht haben. Welch eine Torheit! Wir waren ein Energieland. Um dies weiter sein zu können, hätten wir zumindest noch einen Sockelbergbau gebraucht. Seien Sie doch nicht stolz auf die Torheiten, die Sie in diesem Lande begangen haben! Sie haben Tausende von Arbeitsplätzen abgebaut.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen. - Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Diese Politik setzt sich fort. Ich nehme einmal zwei Betriebe, die derzeit in der Diskussion sind: SaarGummi und Halberg Guss. Nun will ich dem Wirtschaftsminister nicht zu nahe treten; er meint es wirklich gut. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, wenn wir bei Betrieben, die ins Schleudern gekommen sind, in meiner Regierungszeit so gewurstelt hätten wie Sie, dann wären viele Arbeitsplätze hier an der Saar verlorengegangen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich will noch einmal versuchen, Ihnen einen Ansatz zu vermitteln. SaarGummi ist leider dadurch, dass es an eine Heuschrecke veräußert worden ist - dafür tragen Sie mittelbar Verantwortung -

(Zurufe von den Regierungsfraktionen: Wo?)

Das erkläre ich Ihnen bei Gelegenheit. Aus Zeitgründen kann ich das jetzt nicht sagen.

(Zuruf: Das wissen Sie doch.)

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

Sie tragen da mittelbar Mitverantwortung. Sie sitzen in den entsprechenden Gremien und können dazu etwas sagen.

(Abg. Schmitt (CDU) : Können Sie mir sagen, wer das zu verantworten hat? - Zuruf des Abgeordneten Meiser (CDU).)

Natürlich weiß ich, wer das zu verantworten hat, aber Sie saßen doch auch in den Gremien, und Sie haben eine Mitsprache, wenn es darum geht, was bei Saarberg passiert. Sie hätten sich da anders einbringen müssen; dann hätten Sie etwas erreichen können. Sie hätten diese Veräußerung verhindern müssen. Aber ich wollte Ihnen etwas anderes sagen: Die Kernfrage bei SaarGummi lautet, wie dieses Unternehmen gerettet werden kann. Wenn Sie die Dinge weiter so treiben lassen wie bisher, dann sage ich Ihnen voraus, dass die Arbeitsplätze systematisch abgebaut werden. Man kann eben Betriebe nicht irgendwelchen Heuschrecken überlassen. Das Land ist verpflichtet, das Interesse der Beschäftigten zu wahren. In diesem Fall geht das über eine Landesbeteiligung und/oder mit einer Belegschaftsbeteiligung. Das ist unser Vorschlag, den ich hier noch einmal in Erinnerung rufen möchte.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Und wenn immer wieder dieser Abwehrreflex eintritt - sowohl bei der FDP, aber teilweise auch bei den GRÜNEN -, wenn es um Landesbeteiligungen geht, kann ich nur sagen: Wo wären wir denn heute, wenn wir bei Saarstahl nicht auf die Landesbeteiligung zurückgegriffen hätten? Dass dieses Konzept sich wirklich realisiert hat, sehen Sie doch an einem: Dadurch, dass Saarstahl keinen privaten Anteilseigner mehr hat, der eben Gelder abzieht, hat das Unternehmen eine Investitionsquote, die in der Stahlindustrie beispielhaft ist. Wenn beispielsweise in der Schmiede 400 Millionen Euro investiert worden sind oder Saarstahl jetzt ankündigt, 144 Millionen Euro zusätzlich zu investieren, dann hat das doch nichts mit Ihnen zu tun, auch wenn Sie immer ein breites, zufriedenes Lächeln zeigen. Das hat mit Ihnen nichts zu tun. Wenn man auf Sie gehört hätte, gäbe es diese Investitionen hier an der Saar überhaupt nicht mehr - um das in aller Klarheit zu sagen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Was die Beschäftigungsentwicklung angeht, hat es doch gar keinen Zweck, darüber hinwegtäuschen zu wollen, dass wir hier einen gewaltigen Niedriglohnsektor haben. Deshalb ist das reine Zitieren der Arbeitslosenstatistik überhaupt nicht aussagefähig im Blick auf das, was in Wirklichkeit in den Familien und im täglichen Leben des Landes geschieht. Es ist nun einmal so: Ein Niedriglohnsektor, der sich um 1.000 Euro pro Monat bewegt, bringt viele Familien in Schwierigkeiten. Die Bundesgesetze, die Grundlage dieser Entwicklung des Niedriglohnsektors sind,

sind auch von Ihnen mit zu verantworten. Und wenn es gleichzeitig um Leiharbeit, befristete Arbeitsverträge und so weiter geht, dann nützen die beschönigenden Zahlen auf dem Arbeitsmarkt überhaupt nichts mehr. Wir sind besorgt über diese Entwicklungen. Wir können nicht zusehen, wie immer mehr Menschen in den Niedriglohnsektor abgleiten, indem sie Leiharbeit annehmen oder befristete Arbeitsverträge eingehen müssen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich kann eben nur darauf hinweisen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir an dieser Stelle ansetzen müssen und dass es ganz gut gewesen wäre, wenn diese Koalition hätte vorweisen können, dass sie irgendeine Initiative gestartet hat. Dies ist doch der entscheidende Punkt. Welche Initiativen haben Sie denn gestartet, um diese Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zu korrigieren? Keine. Sie waren mit sich selbst beschäftigt und haben es versäumt, die Kernfragen des Landes anzupacken, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wenn ich Sie in den vergangenen Monaten oder Jahren gefragt habe, was Sie an industriellem Aufbau oder Arbeitsplatzaufbau vorzuweisen haben, kam immer das Häsfeld in Überherrn. Wenn ich die Betriebe, die dort schon länger produzieren, außen vor lasse, dann bleiben eine Spedition und noch ein paar Arbeitsplätze übrig. Okay. Aber meinen Sie, Sie könnten hier an der Saar mit einer solchen Bilanz irgendetwas bewegen?

(Zuruf.)

Wo sind denn strukturelle Entscheidungen, die Sie zu verantworten haben?

Was die Moderne angeht, haben wir hier an der Saar einen modernen Informationssektor aufgebaut. Wo haben Sie Gleichwertiges vorzuweisen? Und ich möchte Ihnen Folgendes sagen, ein Vorschlag von uns, neben der Tatsache, dass wir Landes- und Beschäftigtenbeteiligungen favorisieren, um Arbeitsplätze zu sichern: Wir sind dafür, hier an der Saar einen medizintechnischen Sektor aufzubauen, weil wir der Auffassung sind, dass wir damit Arbeitsplätze der Zukunft generieren können. Bis ein solches Programm jedoch wirksam wird, dauert es zehn Jahre. Dies galt ja auch für die Informatik. Das geht nicht von heute auf morgen. Deswegen, verehrter Herr Ministerpräsident, wenn Sie irgendwelche Erfolge feiern, sage ich noch einmal: Strukturpolitik hat eine Wirkungsverzögerung von zehn Jahren. Das ist zumindest von der Wissenschaft so ermittelt worden.

(Sprechen bei den Regierungsfraktionen und Zu- rufe.)

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

Nehmen wir die Schmiede; sie ist ein klassisches Beispiel. Damit haben Sie gar nichts zu tun. Das Problem sind die Jahre, die jetzt vor uns liegen. Da werden die Früchte Ihrer Arbeit geerntet, und da kann ich es wirklich gut verstehen, dass Sie versuchen, sich vom Felde zu machen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Es ist nun einmal so, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass dieses Land aufgrund seiner geschichtlichen und industriellen Entwicklung vor besonderen Herausforderungen steht, die andere Bundesländer in dieser Form nicht haben. Deshalb hätte man sich gewünscht, dass die letzten zehn Jahre strukturell erfolgreicher gewesen wären. Dies wäre im Interesse des Landes gewesen. Und ich sage ganz klar: Man hätte sich gewünscht, dass Sie irgendetwas vortragen könnten, das ein Erfolg der CDU-Landesregierung oder der Koalitionsregierung wäre, um die Infrastruktur dieses Landes nach vorne zu bringen. Aber Sie können nichts vorbringen.

(Zuruf des Abgeordneten Schmitt (CDU).)

Natürlich ist es wunderbar, dass Sie auf der einen Seite gewisse Verbesserungen im Schulsektor vorgenommen haben. Das erwartet man ja auch von Ihnen. Aber es geht um die strukturellen Weichenstellungen, und dazu muss ich Ihnen noch einmal sagen: Eine strukturelle Weichenstellung hier an der Saar war in früherer Zeit der Saarkanal. Später kam die Sanierung der Stahlindustrie. Dann kamen die Saarbahn und der Aufbau der Informatik. Nichts Gleichwertiges haben Sie vorzuweisen. Sie haben lediglich mehr oder weniger schlecht verwaltet.

(Zuruf von Ministerpräsident Müller.)

Deswegen, Herr Ministerpräsident, wäre es aus unserer Sicht nicht unbedingt ein großer Verlust für das Land, wenn sich die Gerüchte bestätigen würden, dass Sie auf Arbeitsplatzsuche sind.

(Anhaltender starker Beifall bei den Oppositions- fraktionen.)

Das Wort hat Herr Ministerpräsident Peter Müller.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Schon wieder? Zumindest ist er noch da. - Abg. Lafontaine (DIE LIN- KE): Sie missbrauchen die Geschäftsordnung.)

Lieber Herr Kollege Lafontaine, ich nutze die Redezeit der saarländischen Landesregierung.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Spre- chen bei den Oppositionsfraktionen.)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Fraktionsvorsitzende der LINKEN, der

Kollege Lafontaine, hat eben vorgetragen, die strukturpolitische Entwicklung in den letzten zehn Jahren sei schlecht gewesen, sie hätte besser sein müssen. Kurz davor hat er vorgetragen, Strukturpolitik habe eine Wirkungsverzögerung von zehn Jahren.

(Lachen bei den Regierungsfraktionen. - Zurufe von der LINKEN.)

Also hat sich in den letzten zehn Jahren das ausgewirkt, was Ergebnis Ihrer Politik war, lieber Herr Kollege Lafontaine.

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Lächerlich. Wo sind die Erfolge Ihrer Politik?)