ist denn in der Zeit dazwischen gewesen? Zehn Jahre mussten wir uns hier anhören, dass die Konsolidierungspolitik, die früher gemacht worden ist, Teufelszeug gewesen sei.
Natürlich stimmt das. Wir mussten uns das bei jeder einzelnen Debatte hier anhören. Teufelszeug ist das, was früher gemacht worden ist. Heute sind Sie so weit, dass Sie es als Begründung für Ihr eigenes aktuelles Tun benutzen. Ich sage Ihnen, Herr Minister: Wer so argumentiert, erklärt seine eigene politische Vergangenheit der letzten zehn Jahre zu einem einzigen politischen Irrtum. Schlimmer kann eine Bankrotterklärung wirklich nicht mehr ausfallen!
Es ist von Ihnen in den Debatten, die hier geführt worden sind, immer auf die Schuldenbremse hingewiesen worden und auf die Notwendigkeiten, die sich hier ergeben. Aber auch bei der Diskussion um die Schuldenbremse wird, wie ich finde, ihre Konzeptionslosigkeit wie auch Ihre Beliebigkeit in finanzpolitischen Fragen überaus deutlich. Ich erinnere mich an die Diskussion, die wir vor der Landtagswahl zu diesem Thema geführt haben. Die SPDFraktion - im Übrigen damals auch noch andere haben zumindest hinterfragt, ob denn das wirklich die Lösung der Probleme ist. Es ist gar nicht die Lösung, es ist allenfalls ein Instrument, mit dem man versucht, Probleme in den Griff zu kriegen. Wir sind - ich konnte das in der Zeitung lesen - als Vaterlandsverräter tituliert worden - „Landesverrat“ -, weil wir dem nicht zustimmen wollten und angeblich auf die Konsolidierungsbeihilfen verzichten wollten. All das ist gesagt worden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Schon in der ersten Regierungserklärung, die diese Jamaika-Koalition abgegeben hat, durften wir uns vom Ministerpräsidenten belehren lassen - ich zitiere -: „Damit ist mit Blick auf die Schuldenbremse und die Konsolidierungshilfen eine neue Geschäftsgrundlage gegeben.“ Eine neue Geschäftsgrundlage, weil plötzlich erkannt worden sei, dass Steuerausfälle vorliegen. Ich erinnere daran: Sie haben die Schuldenbremse hier befürwortet, da hat die Finanzkrise längst schon stattgefunden, auch die Steuerausfälle waren damals schon bekannt. Ich zitiere weiter: „Für den Fall, dass der Bund in den Verhandlungen nicht bereit sein sollte, auf die berechtigten Anliegen der Empfängerländer einzugehen, behält sich die saarländische Landesregierung vor, die beim Bundesverfassungsgericht“ - vielleicht können Sie dann darüber selber entscheiden - „noch anhängige Klage zur Finanzausstattung des Landes wiederaufzunehmen." Ja, meine Damen und Herren, was ist das denn für eine Politik? Man hat den Eindruck, das ist Politik à la Pippi Langstrumpf: Ich
mach mir die Welt, so wie sie mir gefällt. Ich glaube nicht, dass von einer Regierung, die so eine finanzpolitische Linie beschreibt wie Sie, die abhängig ist von Wahlen, von Konsolidierung, die aber die Faktenlage, den Faktencheck, wie das gestern an anderer Stelle hieß, außer Acht lässt, wirklich ernsthafte Lösungsansätze zu erwarten sind. Wir bleiben dabei: Die Schuldenbremse ist keine Lösung, sie ist nur ein Instrument. Und das Verhältnis zwischen der Höhe der Konsolidierungsbeihilfen und der Konsolidierungsauflagen wird uns in Zukunft jegliche Entwicklungsspielräume nehmen. Deshalb war es richtig, dass zum Beispiel ein Land wie Schleswig-Holstein Klage eingereicht hat gegen diese Schuldenbremse.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schleswig-Holstein hat diese Klage damit begründet, dass es der Auffassung ist, dass über einen solchen Eingriff in die Finanzhoheit des Landes nicht der Bund entscheiden kann, sondern dass die Schuldenbremse in den Länderverfassungen verankert werden muss.
Deshalb wird da Wirkung entfaltet, völlig unabhängig davon, was in der Landesverfassung steht. Schuldenbremse und die Art und Weise, wie man sich für die Zukunft bindet, kann nur das Parlament im Land selber entscheiden. Deshalb: Wenn wir uns beschränken, wozu Notwendigkeiten bestehen, muss das hier geschehen. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass im Bundestag das Grundgesetz geändert wird.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion ist der festen Überzeugung, auch das haben wir hier schon mehrfach vorgetragen, dass die finanzpolitischen Probleme, die wir, aber auch andere, haben - wir haben sie in etwas größerem Umfang oder in verschärfter Form -, nur dadurch zu lösen sein werden und auch das nur teilweise, nicht in vollem Umfang -, dass wir grundsätzlich darüber reden, die Einnahmebasis der öffentlichen Haushalte insgesamt zu verbessern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will gar nicht darüber streiten, mit welchem Instrument man das tut. Ich will nur auf eines hinweisen, was auch nicht von mir stammt, sondern von Richard von Weizsäcker, der nach der Wiedervereinigung vorgeschlagen hat, mit einem solidarischen Lastenausgleich zumindest zeitlich befristet die Kosten der Einheit zu finanzieren. Sicherlich wäre das besser gewesen als über die Plünderung der Sozialkassen, so wie es damals von Helmut Kohl gemacht worden ist. Ich bin der Auffassung, dass die öffentlichen Haushalte insgesamt in einer solch fundamentalen Krise stecken, dass wir auch das Recht haben, darüber nachzudenken, dass auch heute wieder ein solidarischer Lastenausgleich notwendig ist, bei dem diejenigen, die es sich leisten können, auch einen Beitrag dazu geben, dass wir in unseren Ländern Schulen und Kindergärten finanzieren können und auch Sozialleistungen nicht Jahr für Jahr immer weiter zurückschrauben müssen. Das wäre ein Ansatz, den eine Regierung in einem Haushaltsnotlageland vertreten müsste. Ohne das wird es nicht funktionieren.
Egal wer ein Land regiert, in der Haushaltssituation, in der wir uns und in der andere sich befinden, käme keine Regierung aus - auch nicht eine SPD-geführte Regierung -, ohne selbst sparen zu müssen. Und auch eine SPD-geführte Regierung müsste wahrscheinlich Entscheidungen treffen, die unangenehm wären und die sicherlich nicht auf die ungeteilte Zustimmung der Betroffenen stoßen würden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das will ich gar nicht in Abrede stellen, das wäre auch unredlich.
Sie haben es wirklich nötig, meine Damen und Herren! - Wenn man über mehrere Jahre konsequent einen Konsolidierungspfad politisch durchsetzen will, dann braucht man, wie ich finde, zwei Dinge dafür. Man kann es nicht allen recht machen, aber grundsätzlich braucht man ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Zustimmung, ansonsten wird es nicht funktionieren. Das zeigt die Regierungspraxis in der Vergangenheit auf Bund- und Länderebene. Deshalb müssen zwei Voraussetzungen zwingend erfüllt werden, egal von wem regiert wird. Die erste Voraussetzung ist, dass ein lohnendes Ziel definiert
werden muss, wozu überhaupt gespart wird. Das ist, glaube ich, nicht das große Problem. Es ist klar, dass wir die Zukunft der kommenden Generationen nicht verfrühstücken wollen, dass wir ein Interesse daran haben, die Existenzsicherung dieses Landes zu gewährleisten, und dass auch in Zukunft hier entschieden werden soll, was geschieht, und nicht in Mainz, Wiesbaden oder wo auch immer.
Das ist ein Ziel, das konsensfähig sein dürfte. Die zweite Voraussetzung ist, dass, wenn gespart wird, es zu einer gerechten Lastenverteilung kommen muss. Ich versuche auch da unpolitisch zu bleiben und zitiere den kategorischen Imperativ von Immanuel Kant: „Handele so, dass die Maxime deines Tuns als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.“ Das heißt, etwas vereinfacht übersetzt: Maßstäbe, die für Sie selbst gelten, müssen auch für andere gelten. Es heißt umgekehrt, was für andere gilt, muss auch für Sie gelten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierung und von den Regierungsfraktionen, wer bei anderen spart, muss bei sich selber anfangen, und wer das nicht tut, dem fehlt die moralische Legitimität, andere zum Sparen anzuhalten. Das ist das Problem in unserem Land!
Die derzeitigen Proteste von Jugendorganisationen, Kinderorganisationen, Behindertenverbänden, Arbeitsloseninitiativen, Gewerkschaften oder im öffentlichen Dienst haben nicht ihren Ursprung darin, dass die Leute der Auffassung sind, wir hätten das Geld, um es zum Fenster rauszuwerfen! Die wissen alle sehr genau, dass gespart werden muss, um die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand überhaupt gewährleisten zu können. Was die aufregt, ist, dass sie seit zwölf Monaten zur Kenntnis nehmen, wofür es immer wieder neue Beispiele bis in die jüngste Vergangenheit gibt: Mehr Minister, mehr Staatssekretäre und Versorgungsorgien für die Parteigänger der Regierungskoalitionäre!
Meine Damen und Herren, Ihre Politik verfolgt das Prinzip: Wein saufen und Wasser predigen! Damit werden Sie keine gesellschaftliche Akzeptanz erreichen. Die werden Sie zu Recht nicht erreichen.
Wenn gespart wird - das streitet niemand ab -, dann fangen Sie bei sich selber an, fangen Sie beim aufgeblähten Regierungsapparat an und setzen Sie mal ein Zeichen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass viele die Diskussion, die jetzt geführt wird, anders führen
Wenn gespart wird und wenn es zu einer gerechten Lastenverteilung kommen soll, muss auch über die Kriterien beim Sparen geredet werden. Dieses Thema wurde bereits in der Haushalts- und Strukturkommission diskutiert. Ein Kriterium sind die Standards im Vergleich zu anderen Bundesländern. Dieses Kriterium ist systematisch richtig, weil ein Land wie das Saarland, das Geld von anderen oder Konsolidierungsbeihilfe bekommt, sich natürlich nicht überall mehr leisten kann als andere, die das zum Teil mitfinanzieren. Deshalb stimme ich dem zu, was der Kollege Jacoby gestern gesagt hat; das ist ein gängiges und akzeptables Kriterium, das angelegt werden kann, um über notwendige Sparmaßnahmen zu entscheiden.
Ich will nur drei Bereiche ansprechen, die in Ihrem Sparprogramm stehen und bei denen - es ist zumindest gestern so gesagt worden - die Standards höher seien als anderswo. Das erste Beispiel sind die Behindertenwerkstätten. Es ist in dem Bereich relativ schwierig, solche Benchmarks anzusetzen. Ich will aus einer Stellungnahme der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen zitieren: Wenn das Zahlenmaterial dieser Benchmarkings vollständig wäre, das heißt, wenn alle Kostenträger in Deutschland ihre Angaben gemacht hätten und wenn die Zahlen inhaltlich besser vergleichbar wären, dann würden wir auch bei den bundesweiten Kosten nicht immer, wie behauptet, im vorderen Feld vertreten sein. Denn die Organisation von Werkstätten, Wohneinrichtungen und anderen tagesstrukturierenden Modellen ist so unterschiedlich, dass ein Vergleich der einzelnen Einheiten untereinander fast nicht möglich ist. Nur wenn die einzelnen Aspekte zusammengefasst werden, kann man feststellen, dass die Kosten im Saarland bei Weitem nicht im Spitzenfeld der Bundesrepublik Deutschland liegen, wie immer gerne behauptet wird. - Meine Damen und Herren, so wie die Behindertenwerkstätten im Saarland aufgebaut sind, sind diese qualitätsmäßig bundesweit Spitze. Das ist auch ein Zeichen für eine moderne Gesellschaft, in der wir leben und leben wollen. Völlig unabhängig davon, wer gerade regiert, ist es etwas, worauf dieses Land und diese Gesellschaft stolz sein können.
Ich wäre sehr vorsichtig, dort beim Sparen in dem Umfang anzusetzen oder lediglich den Anstieg abzudämpfen, wie das gestern gesagt worden ist. Ich würde empfehlen, mit den Verbänden und mit den Einrichtungen noch einmal darüber zu reden, was dort wirklich möglich ist; denn wir sollten nicht die bundesweit hervorragende Stellung und die bundesweit anerkannte Qualität der Einrichtungen, die wir
Ein zweiter Punkt sind die Sparvorschläge, die es bei den Integrationsmaßnahmen für ausländische Mitbürger gibt. Ich habe fast den Eindruck, dass die Debatte, die in den letzten Wochen zu diesem Thema stattgefunden hat, an der Landesregierung völlig vorbeigegangen ist.
Es wird festgestellt - noch nicht mal bezogen auf das Saarland -, dass es bei der Integration in Deutschland insgesamt große Versäumnisse gibt. Es ist beim Thema Integration insgesamt zu wenig gemacht worden. Was die saarländische Situation betrifft, muss ich auf eine Studie verweisen, die im letzten Jahr vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung gemacht worden ist, in der die Integrationserfolge der einzelnen Bundesländer miteinander verglichen worden sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dieser Studie wird festgestellt, dass Hessen und Hamburg die Integration am besten gelingt und das Saarland Schlusslicht ist. Ich zitiere: „Alles in allem steht es um die Integration ausländischer Mitbürger nirgendwo so schlecht wie im Saarland.“ - Sie können in diesem Bereich nicht mit Standards im Vergleich zu anderen Bundesländern argumentieren! Das sage ich im Hinblick auf die aktuelle Debatte, die auch innerhalb dieser Koalition anscheinend unterschiedlich geführt wird. Wir brauchen Zuwanderung in diesem Land. Wir brauchen volkswirtschaftlich Zuwanderung. Wer für Zuwanderung ist, der muss auch für Integration sein und kann nicht Integrationsmaßnahmen wegsparen!