Protocol of the Session on June 16, 2010

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass wir bei all diesen Maßnahmen aufpassen müssen, die wirtschaftliche Entwicklung am Leben zu erhalten, um wieder eine Situation zu erreichen, wie sie 2007 bestand.

Herr Kollege Wegner, ich darf Sie an die Redezeit erinnern.

Denn läuft die Wirtschaft erst einmal wieder an, haben wir auch das Problem des Sparens im Griff. Dann haben wir auch das Problem der Finanzen in diesem Land im Griff. Dass das so ist, hat man gesehen, als man im Saarland nur 380 Millionen Euro aufnehmen musste; heute ist es mehr als eine Milliarde Euro. - Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP.)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Reinhold Jost.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man weiß nicht, worüber man mehr staunen soll, über die Wirrheit der Argumentation und den Widerspruch an sich oder aber über den fehlenden Adressaten. Herr Kollege Wegner, ich gehe mal davon aus, dass Sie nicht zu uns, sondern zu Ihrem eigenen Ministerpräsidenten gesprochen haben. Denn alle Vorwürfe, die Sie uns gemacht haben, müssten Sie eigentlich Ihrem eigenen Landesvorsitzenden machen. Immerhin führen wir hier diese Diskussion erstmals nicht, weil wir das so sehen; wir führen sie vielmehr, weil Sie zum ersten Mal zur Räson gekommen sind. Ich sage ausdrücklich, Herr Ministerpräsident, dass Sie mit Ihren Aussagen Recht haben. Ich hoffe, dass Sie viele aus Ihren eigenen Reihen davon überzeugen können.

(Beifall von der SPD und bei der LINKEN.)

Ich muss aber auch sagen, dass ich jetzt den in den Umfragen aufgezeigten Absturz der FDP wirklich verstehe. Nach dem Auftritt des Herrn Hinschberger erscheinen mir allerdings die 5 Prozent noch immer zu viel, gemessen an dem, was er hier abgeliefert hat.

(Beifall bei der LINKEN.)

Das, was Sie hier gesagt haben, und die Art, wie Sie es vorgebracht und wie Sie argumentiert haben, zeigen, dass Sie die Wirklichkeit völlig ausgeblendet haben. Sie sind in einem Weltbild gefangen, das mit der Wirklichkeit überhaupt nichts mehr zu tun hat. Dafür, für dieses wirre Weltbild, für diese Verleug

nung der Wirklichkeit, bekommen Sie nun auch von den Menschen die Quittung.

(Heftige Zurufe des Abgeordneten Hinschberger (FDP).)

Sie sind in der Lage zu begründen, warum wir für Hoteliers Milliarden haben, aber denjenigen, die Hartz 4 bekommen, das Elterngeld wegnehmen. So etwas ist politische Schizophrenie in Reinkultur. Mit den Konsequenzen müssen Sie nun klarkommen, meine sehr geehrten Herren von der FDP.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Wir haben eine chronische Unterfinanzierung unseres Staatswesens, auf allen Ebenen, bei Bund, bei Ländern und bei Gemeinden. Wir haben dazu gestern in der Haushaltsstrukturkommission zusammengesessen. Dem Ausgabevolumen von dreieinhalb Milliarden Euro stehen gerade einmal 2,3 Milliarden Euro an Einnahmen gegenüber. Und vor diesem Hintergrund sprechen Sie von einem Ausgabeproblem! Ich frage mich wirklich, ob Sie in dieser Sache genügend aufgepasst haben, Herr Kollege Hinschberger. Wir, und damit meine ich ausdrücklich auch die Sozialdemokraten, haben es in diesem Lande zugelassen, dass der Staat ausgeblutet ist. Wir haben geglaubt, in einem Steuersenkungswettbewerb gegen andere bestehen zu können.

Die fatale Folge ist nun, dass an allen Ecken und Enden Geld fehlt. Fragen Sie die Bürgermeister, fragen Sie die Landräte! Fragen Sie die Finanzminister der Länder! Betrachten Sie sich, was auf der Bundesebene los ist! Der Staat ist doch nicht wegen eines Ausgabeproblems am Ende! Wir können sicherlich über viele Dinge sprechen; wir müssen aber feststellen, dass wir in erster Linie ein Einnahmeproblem haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen. - Zuruf des Abgeordneten Hinschberger (FDP).)

Der CDU-Wirtschaftsrat fordert die bessere Beteiligung der Reichen und Vermögenden. Bundestagspräsident Lammert fordert die bessere Beteiligung der Reichen und Vermögenden. Es gibt Millionärsinitiativen zu dieser Frage. Heute Morgen war in der Zeitung zu lesen, dass Herr Hopp, ein Milliardär, die bessere Beteiligung der Reichen und Vermögenden fordert. Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Abwandlung eines internationalen Songs sage ich: Liberale, hört die Signale! Da nun auch diejenigen, die es sich leisten können, darum bitten und betteln, mehr bezahlen zu dürfen, weil sie sich einer Beteiligung nicht verweigern wollen, müssten auch Sie das kapieren. Immerhin ist das doch eigentlich Ihre Klientel.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen. - Zuruf des Abgeordneten Hinschberger (FDP).)

(Abg. Wegner (CDU) )

Die Folgen sind unübersehbar. Schauen Sie sich die Defizite an! Reden Sie mit den Leuten vor Ort! Sie werden dann etwas über die bestehenden Ängste erfahren. Bei den Bürgerinnen und Bürgern ist ein hohes Frustrationspotenzial über unser Staatswesen vorhanden. Allerorten ist von „Orientierungslosigkeit“ die Rede. Viele Menschen wenden sich vom Staat ab. Das alles ist letzten Endes abzuleiten aus dem großen Vertrauensverlust, den die Menschen in erster Linie am Gefühl, es gehe in diesem Land nicht gerecht zu, festmachen. Die Kollegin HoffmannBethscheider ist auf diesen Aspekt schon eingegangen.

Niemand hat etwas gegen Sparsamkeit. Niemand hat etwas gegen einen effizienten Mitteleinsatz der jeweiligen staatlichen Ebene. Deshalb sitzen wir zusammen und reden darüber. Aber das, was man jetzt auf der Bundesebene auf Biegen und Brechen und ohne Rücksicht auf Verluste glaubt durchführen zu können, führt dazu, dass die Leute sagen: Das ist nicht gerecht, das ist nicht fair.

Deshalb, Herr Ministerpräsident, würde ich mir wünschen, dass Sie in dieser Frage „klare Kante fahren“. Sie sollten sich im Bundesrat nicht nur der Stimme enthalten. Stimmen Sie gegen dieses Sparpaket! Es ist nicht gerecht. Es ist nicht fair. Sie haben Recht, wenn Sie argumentieren, dass starke Schultern stärker herangezogen werden müssen. Wir unterstützen Sie dabei. Die Nagelprobe wird kommen. - Vielen Dank.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Prof. Dr. Heinz Bierbaum.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass dieses Sparpaket sozial unausgewogen ist, das ist eine Tatsache und kann nicht weggeredet werden. Das ist noch einmal sehr eindrücklich durch die neue Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin unterstrichen worden. In dieser Untersuchung wird eindeutig und klar gesagt, dass die konkreten Maßnahmen vor allem die unteren und mittleren Einkommen treffen. Ich glaube, das kann man nicht bestreiten. Deswegen finden wir es gut, dass darauf auch von unserer Landesregierung aufmerksam gemacht worden ist. Deswegen werden wir sie auch in dem Bestreben unterstützen, dieses Sparpaket abzulehnen.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Ich will aber auf einen Aspekt eingehen, der vielleicht noch zu wenig zur Sprache kam, nämlich dass vieles an diesem Sparpaket Luftnummern sind und

eigentlich gar nicht dazu führen, dass tatsächlich eingespart wird. Einen Punkt finde ich besonders skandalös, das ist, dass man die Sparbemühungen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesagentur für Arbeit aufbürdet! Es gibt dort eine Bestimmung, das ist ein wesentlicher Teil, wonach bestimmte Leistungen nach Ermessen vergeben werden sollen. Dies bedeutet, dass sie erstens unklar sind und zweitens diese Bemühungen dorthin gelegt werden, wo sie am wenigsten hingehören, weil man dort eine klare Orientierung braucht. Deswegen finde ich das ein Stück weit verlogen, was hier passiert.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Lassen Sie mich auch zu dem wirtschaftspolitischen Aspekt kommen, der hier schon mehrfach angesprochen worden ist. Dieses Sparpaket reiht sich in einen europäischen Kontext ein, der in die völlig falsche Richtung geht! Verschiedenen Ländern, und das findet insbesondere auch unter Druck der deutschen Bundesregierung statt, wird ein Sparpaket verordnet - angefangen bei Griechenland über Spanien und Portugal. Man muss zu Griechenland eindeutig sagen: Es ist doch nicht so, dass die griechische Bevölkerung in ihrer Mehrheit über ihre Verhältnisse gelebt hätte. Vielmehr haben wir dort eine außerordentlich starke soziale Polarisierung. Es ist nicht die Mehrheit der griechischen Bevölkerung, die sozusagen in Saus und Braus gelebt hätte - das waren andere! Das eigentliche Problem von Griechenland ist ein ganz anderes, nämlich, dass die griechische Regierung nicht mehr die Kredite bezahlen konnte, um die Schulden zu bedienen. Wenn ich Zinsen von bis zu 16 Prozent zahlen muss, ist das nicht möglich. Deswegen ist es wichtig, dass derartige Maßnahmen gekoppelt werden mit einer Kontrolle des Finanzsektors, sonst läuft dies ins Leere.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Es ist übrigens auch klar, dass die Wirkungen nicht nur sozial völlig verheerend sind, sondern auch wirtschaftspolitisch völlig kontraproduktiv. Denn was wird die Folge sein? Es ist jetzt schon bekannt, dass das Bruttosozialprodukt in Griechenland im nächsten Jahr um 4 Prozent sinken wird. Wir erinnern uns: Es gab vor Jahren schon mal in Portugal so eine Geschichte mit dem Sparen. Auch dort ist das Bruttosozialprodukt um 2 Prozent zurückgegangen mit der Folge, dass umgesteuert werden musste. Was wir hier haben, ist, dass man sich in die nächste Krise hineinspart! Wenn diese Maßnahmen umgesetzt werden, bedeutet dies eine gewaltige Hypothek für die Wirtschaftsentwicklung in Europa. Das heißt, wir werden dann nicht aus der Krise herauskommen, sondern wir sparen uns sozusagen in die nächste tiefe wirtschaftspolitische Krise hinein.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

(Abg. Jost (SPD) )

Deshalb geht es auch um die Frage der Konsequenzen! Da, glaube ich, ist die Bundesrepublik in erster Linie angesprochen. In der Tat ist es so, dass die deutsche Wirtschaftspolitik mit ihrer sehr starken Exportorientierung ein Problem für die europäische Entwicklung darstellt. Es geht nicht darum, die Exporte verbieten zu wollen oder Ähnliches. Der Punkt ist der, dass die große Abhängigkeit, die ein Problem für die deutsche Wirtschaft selbst und ein noch größeres Problem für unsere europäischen Nachbarn darstellt, gemildert werden muss, und zwar dadurch, dass die Binnennachfrage stimuliert wird. Deswegen gibt es ganz konkrete Forderungen von uns, zum Beispiel: Kein Sparen dort, wo die Einkommen ganz gering sind. Umgekehrt Erhöhung etwa durch Einführung eines Mindestlohns. Dann geht es weiter darum, dass wir auch die öffentlichen Ausgaben vervielfachen müssen weit über das hinaus, was wir gegenwärtig haben. Übrigens ein ganz kleiner Hinweis: Japan macht das trotz einer sehr großen Verschuldung. Das muss gemacht werden. Wir müssen die Binnennachfrage ankurbeln, wir müssen dort Wachstumsimpulse ansetzen. Das Sparen ist in diesem Zusammenhang kontraproduktiv!

Herr Hinschberger, wir versprechen nicht allen alles. Was wir wollen, ist, dass diejenigen, die wenig haben, mehr bekommen und dass diejenigen, die mehr haben, auch zur Finanzierung herangezogen werden. Deswegen wollen wir eine andere Steuerpolitik, Stichworte Vermögenssteuer, Börsenumsatzsteuer, Spitzensteuersatz. Das sind alles Punkte, die wir heute konkret noch einmal aufgreifen werden. In diese Richtung muss es gehen. - Vielen Dank.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dagmar Heib.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen alle sparen. Das ist uns bewusst. Das ist noch mal deutlich gemacht worden vom Kollegen Thomas Schmitt, der in seiner Rede sagte, dass von den Sparbemühungen niemand ausgenommen werden kann: die Familie nicht, der ganze Sozialbereich nicht. Aber ich glaube, das wissen wir alle - gerade die Konsolidierung der Haushalte sind wir insbesondere unseren Kindern und Enkelkindern schuldig. Wir müssen in der Frage „Sparmaßnahmen im Sozialbereich“ dafür sorgen, dass diese Sparmaßnahmen durch eine soziale Balance aufgefangen werden. Soziale Balance in diesem Zusammenhang heißt, dass diejenigen, die besser Einsparungen erbringen können, die das besser leisten können, stärker herangezogen werden als diejenigen, die es aufgrund ihrer

persönlichen Situation nicht in dem Maße leisten können. Wir müssen die Einsparungen im Sozialbereich intelligent gestalten, denn gerade in Krisenzeiten ist nicht nur jeder Einzelne auf seine Familie angewiesen, sondern die Gesellschaft, wir alle sind darauf angewiesen, dass Familien in Krisenzeiten funktionieren. Von daher, meine Damen und Herren, steht die CDU weiterhin für eine Familienpolitik, die Akzente setzt, die dafür steht, dass den Eltern und Familien Infrastruktur, Zeit und Geld zur Verfügung gestellt wird.

Dazu gehört auch - das hat in der Diskussion bisher überhaupt keine Beachtung gefunden -, dass zum Beispiel das Sondervermögen im Krippenausbau oder auch die Garantie eines Kitaplatzes ab 2013 nicht zur Disposition gestellt worden ist. Das bleibt! Das ist nicht angetastet worden in den Sparbeschlüssen. Hier bleibt die Unterstützung der Familie seitens der Bundesregierung. Das Elterngeld bleibt in seiner grundsätzlichen Ausgestaltung erhalten. Es hat zum einen die Komponente der Lohnersatzleistung, und zum anderen - das dürfen Sie nicht verkennen - ist im Elterngeld, das 2007 in Kraft getreten ist, eine zweite Komponente hinzugefügt worden: ein Sockelbetrag für diejenigen Familien, die nicht aus einer Erwerbstätigkeit kommen, eine Unterstützung von 300 Euro im Monat. Das war damals der Ersatz für das Erziehungsgeld, das weggefallen ist. Von daher ist es auch richtig, dass wir gerade in dem Zusammenhang die Forderung seitens der CDU, erhoben durch den Ministerpräsidenten der CDU Saar, formuliert haben, dass es nicht sein kann, dass diese 300 Euro, die die Anerkennung der Erziehungsarbeit für alle Mütter und Väter sind,

(Abg. Hoffmann-Bethscheider (SPD) : Das müssen Sie der FDP sagen)

gerade bei den Schwachen, den Hartz-4-Empfängern, eingespart werden sollen. Diese 300 Euro stehen ja nicht nur Hartz-4-Empfängern zur Verfügung, sondern sind für alle Familien gedacht, die vielleicht nur einen Verdiener haben, der nicht unbedingt ein hohes Einkommen hat. Dort kommen die 300 Euro wenn auch nur auf Zeit, das darf man auch nicht außer Acht lassen - den Familien zugute. Von daher ist es richtig, dass wir diese Forderung erhoben haben. Hier gibt es auch Korrekturbedarf im Bereich der Sparbeschlüsse, weil hier die soziale Balance besser austariert werden muss.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich möchte noch einmal feststellen: Die Familien können sich in Deutschland weiterhin darauf verlassen, dass sie entsprechend gefördert werden, dass sie Zeit haben für ihre Kinder, insbesondere für Neugeborene, dass sie diese Zeit mit ihnen verbringen können. Sie können sich weiter auf den Ausbau der Infrastruktur verlassen, um eine bessere Vereinbar

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

keit von Familie und Beruf zu erreichen. Das ist ebenfalls eine Leistung der Bundesregierung. Sie stellen die Sparbeschlüsse immer als Angriff auf den Sozialstaat dar. Das sind sie nicht, meine Damen und Herren. Dem Sozialstaat verdanken wir stabile gesellschaftliche Lebensverhältnisse. Dafür lohnt es sich, weiter einzustehen. Das macht die Bundesregierung, und, ich denke, das macht auch die Landesregierung, das machen alle, die hier im Raum sind. Von daher sollte die Unterstützung in dem Fall gewährt werden.

Lassen Sie mich noch einen Gedanken einbringen. Frau Kollegin Hoffmann-Bethscheider, vielleicht habe ich Sie falsch verstanden, aber Sie haben quasi dargestellt, die Konjunkturprogramme, die wir auf den Weg gebracht haben, oder der Rettungsschirm für Banken wären unsoziale Leistungen. Das stimmt nicht! Was haben denn die Konjunkturprogramme, die wir auf den Weg gebracht haben, gebracht?

(Zuruf der Abgeordneten Hoffmann-Bethscheider (SPD).)