Protocol of the Session on May 19, 2010

(Minister Jacoby)

auch und gerade mit dem Lehrbetrieb erlebt. Fakt bleibt jedoch auch nach dem Wegfall der grundständigen Gebühren und erst recht aufgrund der diesbezüglichen Kompensation aus dem Landeshaushalt, dass der Steuerzahler es ist, der das Gros der Kosten des Studiums eines jeden Studierenden bezahlt. Das ist auch richtig so, meine sehr verehrten Damen und Herren, und wir haben es nie in Zweifel gezogen, weil wir alle - und damit auch alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler - ein großes Interesse an gut ausgebildeten Akademikern, an einem starken wissenschaftlichen Nachwuchs haben. Aber auch die Steuerzahler haben einen Anspruch darauf, dass sie nur das finanzieren, was für eine solche Ausbildung wirklich notwendig ist. Deshalb sagt der Koalitionsvertrag klar: Jeder hat das Recht auf ein gebührenfreies Erststudium, aber niemand hat einen Anspruch darauf, auf Kosten der Steuerzahler sein Studium schleifen zu lassen. Im Gegenteil: Es liegt im Interesse der breiten Masse, der absoluten Mehrheit, die ihr Studium zügig betreibt - das sind 98 Prozent aller Studierenden an unseren Hochschulen -, dass diejenigen aus dem System fliegen, die es als Hängematte missbrauchen und damit anderen wertvolle Studien- und Prüfungsplätze wegnehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf, den die Regierungsfraktionen heute einbringen, sorgt für eine praktikable Basis der Erhebung von Langzeitgebühren und Gebühren für das Zweitstudium im Rahmen der Autonomie der Hochschulen.

Vor zwei Wochen habe ich mich auf Anregung des Universitätspräsidenten explizit dazu geäußert. Deshalb war ich auch verwundert über das Zitat, das er aber heute Morgen mir gegenüber am Telefon schon zurückgenommen beziehungsweise relativiert hat.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE.)

Herr Schnitzler, er hat es mir am Telefon gesagt, er hat keine SMS geschrieben. - Wir werden die einzelnen Tatbestände der Härtefallregelung eben nicht in den Gesetzestext schreiben, was eine sehr starre Regelung wäre, sondern wir werden es in die Begründung schreiben. Dies ist ein gesetzgebungstechnisches Instrument, um dafür zu sorgen, dass klar wird, was der Gesetzgeber will, dass es aber gleichzeitig im Rahmen der Autonomie der Hochschulen möglich ist, diese Regelungen praktikabel anzuwenden. Weil wir Ausnahmen für richtig halten und diesen Hinweis geben wollen, bleibt es dabei, dass die Autonomie der Hochschule und die Möglichkeit einer Gebührenordnung im Rahmen einer Satzung nach § 16 des Hochschulgebührengesetzes davon unberührt bleiben.

Lassen Sie mich das eine oder andere zu den Details dieser Regelung sagen. Der Gesetzentwurf rea

giert auf die Bologna-Welt. Der Bologna-Prozess verändert die Realität an unseren Hochschulen, sie hat sich durch die Einführung von Bachelor und Master schon in vielerlei Hinsicht geändert. Vieles ist anders, nicht alles ist besser geworden. Das ist richtig. Um darauf flexibel reagieren zu können, eröffnen wir weiterhin den Weg, über § 16 des Hochschulgebührengesetzes im Rahmen von Satzungen und der Autonomie Ordnungen zu schaffen, die die Universität und die Hochschulen selbst bestimmen.

Das Phänomen des Langzeitstudierens ist aber immer noch möglich. Auch Vertreter der Hochschulen und der Universitätspräsident sagen, was bereits in der Anhörung zum ersten Änderungsgesetz zum Hochschulgebührengesetz gesagt wurde, dass es nämlich durch das Hüpfen von einem Bachelor zum anderen auch in Zukunft möglich sein wird, es sich im System bequem zu machen. Deshalb reagiert dieser Gesetzentwurf darauf. Er wird weiterhin die Möglichkeit schaffen, Langzeitgebühren und Gebühren für das Zweitstudium zu erheben.

Der Gesetzentwurf reagiert aber auch auf die sozialen Realitäten in unserem Land. Wir lassen zwar die Entscheidung über Härtefälle in der Autonomie der Hochschulen und beteiligen sogar die Studierenden paritätisch an den Entscheidungen, wir machen aber als Gesetzgeber unsere Auffassung deutlich, indem wir in der Begründung Regelbeispiele nennen, die wir für entscheidend halten, was als Härtefall angesehen werden kann.

(Vizepräsidentin Ries übernimmt den Vorsitz.)

Dieser Gesetzentwurf reagiert auch auf die Bedarfe der Hochschulen. Laut Universität des Saarlandes würden allein dort pro Semester 200.000 Euro anfallen. Dies ist Geld, das die Universität des Saarlandes über das hinaus, was der Globalhaushalt beinhaltet und was wir an Kompensation aus dem Landeshaushalt leisten, gut zur Verbesserung der Lehre gebrauchen kann. Deshalb schreiben wir die Verwendung der Mittel zur Verbesserung der Lehre auch fest. Ich bitte um Ihre Unterstützung im Sinne unserer Hochschulen. - Herzlichen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Theis. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat nun Ulrich Commerçon von der SPD-Landtagsfraktion.

Nach dem Kollegen Theis werde ich das Niveau erst einmal heben.

(Lachen bei den Oppositionsfraktionen.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Theis, eines an Ihrer Rede

(Abg. Theis (CDU) )

war in der Tat bemerkenswert. Sie haben Passagen aus dem Koalitionsvertrag zitiert, die mir noch nicht bekannt waren. Es scheint also so etwas wie ein geheimes Zusatzprotokoll zum Koalitionsvertrag zu geben.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich bitte Sie im Interesse der Öffentlichkeit, dieses geheime Zusatzprotokoll auch einmal zu veröffentlichen, damit wir in Zukunft wissen, was noch so alles vereinbart ist. Wir sind jedenfalls gespannt, was uns in den nächsten Wochen und Monaten alles erwartet.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

An einer Stelle haben Sie gesagt, laut Koalitionsvertrag habe keiner das Recht zu bummeln und so weiter. Die wörtliche Formulierung können Sie im Protokoll sicherlich noch einmal nachlesen. Das hat in der Version, die ich kenne und wie sie veröffentlicht wurde, nicht gestanden. Insofern müssen wir aufpassen, was in Zukunft noch passiert. Diese geheimen Zusatzerklärungen waren zumindest dem Parteitag der GRÜNEN mit Sicherheit nicht bekannt. Vielleicht wäre dann das eine oder andere anders ausgegangen.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, die soziale Bilanz an unseren Hochschulen ist auch schon vor der Einführung von Studiengebühren erschreckend gewesen. Es ist so, dass die Bildungschancen unserer Kinder und jungen Erwachsenen so stark abhängig sind von den Bildungsvoraussetzungen, die sie vom Elternhaus mitbekommen, wie in keinem anderen Industrieland der Welt. Die 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes hat beispielsweise festgestellt, dass 83 Prozent aller Akademikerkinder ein Hochschulstudium aufnehmen können, während die Schülerinnen und Schüler, die Kinder, die nicht aus einem Akademikerhaushalt kommen, lediglich zu 17 Prozent dazu in die Lage versetzt werden.

Besonders dramatisch sind die Zahlen nicht nur in Deutschland insgesamt, sondern auch innerhalb von Deutschland, nämlich bei uns im Saarland. Es gibt kein anderes Bundesland, in dem die Bildungschancen so vom Bildungsstand der Eltern abhängen wie im Saarland. Die Chance für ein Kind aus einem Akademikerhaushalt, ein Studium aufzunehmen, ist 4,5-mal so hoch wie die Chance eines Arbeiterkindes. Das ist ein gesellschaftspolitischer Skandal. Das dürfen wir so nicht weiter hinnehmen.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Über 60 Prozent eines Altersjahrgangs bleibt damit der Zugang zur Hochschule verwehrt. Alle Studiengebühren - auch das ist eindeutig festgestellt - verstärken die sozialen Hürden zu den Hochschulen. Aktuelle Studien belegen sogar, dass Studiengebüh

ren deutlich mehr junge Menschen vom Studium abschrecken, als das bisher angenommen worden ist. Davon sind vor allen Dingen Frauen und Personen aus bildungsfernen Elternhäusern sowie aus einkommensschwachen Verhältnissen betroffen. Aus diesem Grund haben Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in diesem Hause immer und zu jeder Zeit alle Studiengebühren abgelehnt. Dabei bleibt es auch heute.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben vor der Wahl gesagt, dass wir nach der Wahl die Studiengebühren abschaffen werden. Ich stelle fest, dass sich daran bis zum heutigen Tage bei uns nichts geändert hat. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass Studiengebühren in diesem Land komplett abgeschafft werden müssen. Wir bleiben bei unserer Position, wie wir sie zuvor verkündet haben.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Es gab auch andere Parteien, die sich vor der Wahl geäußert haben. Im Wahlprogramm einer weiteren Partei, die diesem Hause angehört, heißt es: „Studiengebühren sind der falsche Weg zur Lösung finanzieller Probleme der Hochschulen des Saarlandes. Sie verschärfen die Selektion im Bildungsbereich nach sozialen Kriterien und haben eine abschreckende Funktion schon vor der Aufnahme eines Studiums, insbesondere für sozial schwache Familien.“ Weiter heißt es: „Wir stehen zu dem Grundsatz, dass Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein darf. Die CDU-Landesregierung hat durch die Einführung von Studiengebühren die Bildungsungerechtigkeit im Saarland weiter erhöht und dadurch dem Standort geschadet. Wir werden diese Studiengebühren wieder abschaffen.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Sätze sind sehr richtig, sie stammen allerdings aus dem Regierungsprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in diesem Land. Genau diese Partei führt Studiengebühren heute wieder ein. Das ist ein klarer Betrug an den Wählerinnen und Wählern, an den Studierenden in diesem Land. Das muss deutlich gesagt werden.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Bereits vor wenigen Monaten bei der Einbringung des ersten Änderungsgesetzes zum Studiengebührengesetz wurde in der Begründung darauf hingewiesen, dass man daran denke, wieder Langzeitgebühren und Gebühren für das Zweitstudium einzuführen. Ich habe mich in der damaligen Debatte, am 17. Dezember, dazu geäußert. Frau Präsidentin, ich zitiere mich ausnahmsweise einmal selbst: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, die GRÜNEN haben vor der Wahl versprochen, alle Studienge

(Abg. Commerçon (SPD) )

bühren in diesem Land abzuschaffen. Nachdem sie zunächst einmal vorübergehend abgeschafft werden, wollen Sie alsbald wieder Langzeit- und Zweitstudiengebühren einführen. So sieht die Trickserei dieser GRÜNEN-Fraktion aus, auch das muss heute gesagt werden.“ So weit mein Zitat. Es geht noch weiter. Das Protokoll vermerkt an dieser Stelle sowohl Beifall bei den Oppositionsfraktionen als auch den Zuruf des Abgeordneten Ulrich: „ Das ist Irreführung der Öffentlichkeit.“ Meine Damen und Herren, wir haben damals schon gesagt, das ist eine Irreführung der Öffentlichkeit. Sie haben die Öffentlichkeit in die Irre geführt, und zwar vor den Landtagswahlen, lieber Herr Kollege Ulrich. Das ist ein Skandal in diesem Lande.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Aber es geht noch weiter. Es ist nicht nur ein Regierungsprogramm, an das Sie sich nicht mehr halten. Sie haben auch noch einen Vertragsbruch begangen, Herr Kollege Ulrich. Sie haben vor der Wahl in einem Vertrag mit dem AStA, den Sie geschlossen haben, unterschrieben: „Sollten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an der Regierung beteiligt sein oder diese dulden und sollten nicht per Gesetz sämtliche Studiengebühren im Saarland innerhalb von 100 Tagen nach Regierungsübernahme unter Beteilung oder mit Duldung der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgeschafft sein, verpflichte ich“ - Hubert Ulrich - „mich dazu, für die Dauer meiner Amtszeit in der Landesregierung beziehungsweise in der Landtagsfraktion pro Semester 500 Euro an das Studentenwerk im Saarland zu überweisen.“ - Lieber Kollege Ulrich, ich gehe davon aus, Sie haben den Überweisungsträger bereits ausgefüllt. Sie haben jedenfalls heute noch Gelegenheit, dies zu tun. Sie sind fällig, diese 500 Euro pro Semester zu zahlen, wenn Sie an dieser Stelle den Vertrag einhalten wollen. Das muss klar festgestellt werden.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen. - Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Das ist ein klarer Vertrauens- und Wortbruch gegenüber den Studierenden in diesem Lande. Wir wissen es schon länger, aber ich stelle es noch einmal fest: Auf die Aussagen eines Hubert Ulrich und der GRÜNEN in diesem Land ist kein Verlass. Bei einer Koalition unter Führung der SPD hätte es die vollständige Abschaffung aller Studiengebühren gegeben, ohne Hintertür, wie es im Übrigen bei den rot-rotgrünen Sondierungsgesprächen auch vereinbart war. Sie haben hier einen klaren Fall von Wahlbetrug begangen, meine sehr verehrten Damen und Herren von den GRÜNEN. Das geht so nicht weiter.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wie schlecht Ihr Gewissen dabei doch zu sein scheint, zeigt die gesamte Art und Weise, wie Sie das Gesetz eingebracht haben. Es heißt hier: „Zwei

tes Gesetz zur Änderung des Saarländischen Hochschulgebührengesetzes“. Dazu muss man wissen, dass das zweite Änderungsgesetz bereits wenige Wochen nach dem ersten Änderungsgesetz eingebracht wird. Das ist bereits die Vorgeschichte.

(Zuruf.)

Ich rede auch nicht von einem Skandal, Herr Kollege Theis. Ich rede nur davon, wie schlecht das Gewissen offenbar sein muss. Wir bekommen dann am 12. Mai des letzten Jahres eine Drucksache, 14/179, Gesetzentwurf der CDU-Landtagsfraktion, der FDPLandtagsfraktion und der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion, in dem Langzeit- und Zweitstudiengebühren wieder eingeführt werden sollen.

Üblicherweise ist es so, dass an dem Mittwoch vor einer Plenarsitzung eine Präsidiumssitzung stattfindet. Da müssen diese Dinge bis 12.00 Uhr eingebracht werden. Es ist damals von dem Fraktionsvorsitzenden der CDU-Fraktion gesagt worden, wir schaffen das bis zwölf aus technischen Gründen nicht ganz, geben Sie uns bitte bis 14.00 Uhr Zeit. Wir - der Kollege Linsler und ich haben an dieser Präsidiumssitzung teilgenommen - waren so kulant zu sagen, okay, dann eben bis 14.00 Uhr. Gleichzeitig war vereinbart, dass, bevor wir uns in dieser Sitzung damit befassen, dieser Gesetzentwurf an die möglicherweise anzuhörenden Verbände ausgegeben werden kann, damit die sich im Hinblick auf das weitere gesetzgeberische Verfahren vorbereiten können. Wir waren also sehr kulant.

Was kam dann? - Es ist so rausgeschickt worden, mit Unterschrift des Vorsitzenden. Nachdem das Schreiben rausgeschickt worden war, erreicht uns am 14. Mai die Drucksache 14/179 - neu -, ebenfalls Zweites Gesetz zur Änderung des Saarländischen Hochschulgebührengesetzes. Am Gesetzestext hat sich überhaupt nichts geändert. Man muss erst lange lesen - obwohl es ein dünner Gesetzentwurf ist und schließlich in die Begründung gehen. Dort ist zu etwa 15 Spiegelstrichen, die Härtefälle betreffen wie etwa Schwangerschaften von Studierenden, Pflege und Erziehung eines behinderten Kindes - das ist alles vernünftig und, wenn man es schon macht, in Ordnung -, ein weiterer Spiegelstrich hinzugefügt worden: Ein Härtefall liegt auch dann vor, wenn dies das öffentliche Interesse gebietet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die Argumentation von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus dem Wahlkampf richtig ist, dass Studiengebühren unsozial sind und abgeschafft werden müssen, dann ist es so, dass Härtefälle immer vorliegen, weil immer das öffentliche Interesse es gebietet. Dann hätten Sie sich allerdings diesen Gesetzentwurf sparen können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD.)

(Abg. Commerçon (SPD) )