Protocol of the Session on February 28, 2025

und die SSW-Fraktion sein. Gegenstimmen? – Bei den Gegenstimmen der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD ist der Antrag damit abgelehnt.

Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW, Drucksache 20/2952 (neu). Ich lasse hier in der Sache abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, SPD und SSW. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bei Enthaltung der FDP-Fraktion ist der Antrag damit angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 27 und 40 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Schulbegleitung und Schulassistenz neu auf

stellen

Antrag der Fraktionen von SPD und SSW Drucksache 20/2947

Multiprofessionalität an Schule stärken: Schulbegleitung und schulische Assistenz systemisch weiterentwickeln

Alternativantrag der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 20/3003

b) Schulbegleitung 2024

Bericht der Landesregierung Drucksache 20/2643 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die Landesregierung hat in Vertretung für Ministerin Karin Prien Ministerin Dr. Kerstin von der Decken.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Multiprofessionelle Teams sind an unseren Schulen längst gelebte Praxis. Sie sind vor dem Hintergrund der stetig steigenden Anforderungen an den Schulen unverzichtbar geworden. Eine immer heterogenere Schülerschaft, grundsätzlich verändertes Erziehungsverhalten von Eltern, Integration und Inklusion: Sie erfordern unterstützende Maßnahmen, die Lehrkräfte alleine nicht leisten können. Schulbegleitung und schulische Assistenz sind in den multiprofessionellen Teams wichtige Akteure. Sie stellen die Teilhabe an Bildung insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedarfen sicher.

Bei der Schulbegleitung handelt es sich nach bestehender Rechtslage um eine individuelle Einzelfallhilfe nach dem SGB VIII und dem SGB IX. Sie wird von den Kreisen und kreisfreien Städten als Träger der Jugend- und Eingliederungshilfe bewilligt. Die Finanzierung erfolgt wie die Bewilligung durch die Kreise und kreisfreien Städte als Träger der Jugendhilfe beziehungsweise der Eingliederungshilfe.

Im Bereich des SGB IX werden die Leistungen über das AG-SGB IX zu 86,4 Prozent durch das Land refinanziert. Darüber hinaus leistet das Land aufgrund der Moratoriumsvereinbarung zur Finanzierung von Hilfen für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen und/oder sonderpädagogischem Förderbedarf vom 19. Juni 2015 jährlich aufwachsende Ausgleichszahlungen an die Kreise und kreisfreien Städte. Im Jahr 2024 waren es rund 12,3 Millionen Euro.

Im Gegensatz zur Schulbegleitung ist die schulische Assistenz als systemische Unterstützung in Schule konzipiert und wird je nach Optionsmodell vom Land, vom Schulträger oder einem freien Träger erbracht. Die Finanzierung übernimmt das Land. Im Haushalt 2025 stehen dafür mehr als 18 Millionen Euro zur Verfügung.

Um Kinder und Jugendliche bestmöglich zu unterstützen, müssen im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft die Kräfte, Expertise und Erfahrungen aller Beteiligten gebündelt werden. Vorhandene Strukturen müssen überdacht werden, um damit zu einem guten Angebot und zu einem effizienten Personaleinsatz, aber auch zur Kostendämpfung beizutragen.

Das Ziel der Landesregierung ist es, die Hilfssysteme näher an das Kind zu bringen. Vor die

(Präsidentin Kristina Herbst)

sem Hintergrund konzentriert sich der Bericht zur Schulbegleitung auf die Möglichkeiten und Chancen der verbesserten rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit im Interesse des einzelnen Kindes und Jugendlichen, ohne die Schule ihren Auftrag nicht gut leisten kann. Die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit ist ein Beispiel für eine hochkomplizierte Struktur im föderalen Staat, die weiterentwickelt werden muss, um ihrem Anspruch gerecht zu werden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass nahezu alle Kreise und kreisfreien Städte – zum Teil in unterschiedlichen Ausprägungen – eine rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit erproben beziehungsweise umsetzen und entsprechende Konzepte erarbeiten beziehungsweise erarbeitet haben.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Häufig wird die Schulbegleitung nach den Rechtskreisen des SGB VIII und SGB IX in einem Poolmodell zusammengefasst. Die Hinzuziehung der schulischen Assistenz zum Pool stellt weiterhin die Ausnahme dar, wird zum Teil jedoch zumindest zukünftig angestrebt. Die Kreise und kreisfreien Städte, die bereits rechtskreisübergreifend zusammenarbeiten, betonen die Vorteile dieses Vorgehens. Dazu gehört zum Beispiel, dass Schülerinnen und Schüler mit besonderem Bedarf nicht stigmatisiert oder ausgegrenzt werden.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Außerdem fällt das Antragserfordernis für die Eltern weg.

Gleichzeitig geht es darum, die Hilfen entsprechend den Bedarfen der Kinder neu zu organisieren. Das Engagement der Kreise und kreisfreien Städte und ihrer Partner bei der Entwicklung und Durchführung der Poolmodelle ist beeindruckend. Die Modelle sind geprägt von einer engen Zusammenarbeit der Jugend- und Eingliederungshilfe mit den Schulen, der jeweiligen Schulaufsicht und den weiteren Beteiligten. Dafür möchte die Landesregierung an dieser Stelle allen Beteiligten sehr herzlich danken.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber, meine Damen und Herren, klar ist auch: Es muss hinterfragt werden, ob bestehende Lösungsansätze weiterhin tragfähig sind. Alle müssen sich bewegen. Es hat eine große Bedeutung, dass bestehende Ressourcen innerhalb der Unterstützungs

systeme besser und effizienter genutzt werden. Erfreulich ist, dass das Bildungsministerium mit dem Sozialministerium, den kommunalen Landesverbänden und einzelnen interessierten Kreisen und Städten gemeinsam an einer Neuausrichtung der Unterstützungssysteme an Schule arbeitet.

(Martin Habersaat [SPD]: Aber wie lange?)

Erste Gespräche hat das Bildungsministerium bereits im November 2023 aufgenommen. Dabei werden alle Professionen an Schule in den Blick genommen, zum Beispiel auch die Schulsozialarbeit und der schulpsychologische Dienst. Es wird auf den Rechtsrahmen in Bund und Land geschaut, auf die Kooperationsstrukturen in der Schule und darüber hinaus. Die Lösung muss also größer sein, als die SPD und der SSW es hier darstellen.

(Martin Habersaat [SPD]: Nein, so groß auch nicht!)

Es ist wahrscheinlich eine der wichtigsten Reformvorhaben für Schule und für eine gelingende Bildungsbiografie. Mit der Telekom und der Bosch Stiftung ist es dem Bildungsministerium gelungen, sehr engagierte Partner mit ins Boot zu holen. Gemeinsam wird das Bildungsministerium die verschiedenen Akteure zusammenbringen, den Prozess begleiten und neue Wege der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit für das gesamte Land erarbeiten.

Das Ziel der Landesregierung ist es, gemeinsam mit allen Akteuren vor Ort zügig zu tragfähigen Zukunftsmodellen zu kommen. Die KLV, die Kreise und kreisfreien Städte, die Schulträger, die Schulen und die Schulaufsichten sind hierbei überaus wichtige Akteure. Aber auch die weiteren Beteiligten hat das Bildungsministerium im Blick. Dies sind unter anderem die Durchführungsträger, die Eltern und das weitere an Schule tätige Personal im pädagogischen Bereich.

Gerade für den Erfolg von Poolmodellen, die systemisch wirken, ist die Akzeptanz der Eltern besonders wichtig. Sie müssen davon überzeugt werden, dass ihr Kind die Unterstützung bekommt, die es braucht, um erfolgreich in Schule sein zu können.

Die steigenden Anforderungen an unseren Schulen unter schwierigen demografischen und finanziellen Rahmenbedingungen, sei es durch den wachsenden und vielfältigen Unterstützungsbedarf der Schülerinnen und Schüler oder durch die Umsetzung des Ganztagsanspruchs, machen eines deutlich: Das gesamte multiprofessionelle Team muss in den Blick genommen werden. Nur wenn Bildung und sozia

(Ministerin Dr. Kerstin von der Decken)

le Unterstützung noch enger verzahnt und in die Schule gebracht werden können, können Kindern und Jugendlichen die bestmöglichen Chancen auf eine erfolgreiche Zukunft geboten werden. Diesen Weg, meine Damen und Herren, wird die Landesregierung gemeinsam weitergehen. – Vielen Dank.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Ministerin hat die vereinbarte Redezeit um vier Minuten ausgeweitet; das steht jetzt allen Fraktionen zu. Ich rufe zunächst von der SPD-Fraktion den Abgeordneten Martin Habersaat auf.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank zunächst an die Landesregierung für den schriftlichen Bericht.

Schulbegleitung ist eine Form persönlicher Assistenz und unterstützt Kinder mit einer Behinderung im schulischen Alltag. Der Anspruch auf Schulbegleitung ergibt sich aus den Sozialgesetzbüchern SGB VIII und IX. Schulbegleitung kann ein Kind bei körperlichen Einschränkungen dabei unterstützen, den Schulalltag zu bewältigen, kann dabei helfen, unter anderem bei der Körperpflege, Mobilität, bei der Überwindung von Barrieren und allen gewöhnlichen Verrichtungen des täglichen Lebens. Schulbegleitung kann ein Kind mit sozialen und emotionalen Förderbedarfen im Unterricht unterstützen, indem sie unter anderem Strukturierungshilfen gibt, Konzentrationsfähigkeit fördert, Impulse setzt, Aufmerksamkeit lenkt und bei individuellen Aufgaben unterstützt. Oder Schulbegleitung kann einem Kind mit Autismus Struktur und Sicherheit geben – bei Stundenplanänderungen, unbekannten Vertretungslehrkräften oder während der unstrukturierten Zeit der Pausen. Sie kann Hilfestellung leisten, damit das Kind Veränderungen annehmen, verarbeiten und damit adäquat umgehen kann.

Das sind drei herausfordernde und durchaus unterschiedliche Aufgaben, und man könnte meinen, dass man dafür unterschiedliche Qualifikationen braucht, aber interessanterweise braucht man überhaupt gar keine Qualifikationen für irgendeine dieser drei Tätigkeiten. Darauf komme ich nachher noch zurück.

Im Jahr 2014 haben die Kreise und kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein rund 27 Millionen Euro für Schulbegleitung ausgegeben – 27 Millionen Euro 2014! 2022 waren es schon fast 120 Mil

lionen Euro. In der Amtszeit von Bildungsministerin Prien, also seit 2017, hat sich die Anzahl der Kinder und Jugendlichen mit einer Schulbegleitung verdreifacht. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich werfe der Landesregierung nicht die Zunahme von Bewilligungen vor. Aber es ist doch offenkundig, dass es so nicht weitergehen kann.

Wir haben in manchen Schulen inzwischen die Situation, dass da weitere Schulbegleitungen nicht zugelassen werden, weil einfach nicht mehr Menschen in den Raum passen. Da haben wir Klassenräume, die sind mal für 20 bis 25 Schülerinnen und Schüler gebaut worden. Da sitzen – weil Lehrerstellen abgebaut werden – knapp 30 Schülerinnen und Schüler und dann kommen noch Schulbegleitungen rein. Irgendwann ist einfach Schluss, irgendwann passen einfach nicht mehr Menschen da rein.

(Beifall SPD, FDP und SSW)

Wir haben – das finde ich besonders bedenklich – in ersten Kreisen Elterninitiativen, die sich gegen zusätzliche Schulbegleitungen wehren und deren Lösungsvorschlag letztlich darauf hinausläuft, dass Kinder, die eine Schulbegleitung bräuchten, dann eben leider nicht an dieser Schule sein können und dann doch bitte woanders beschult werden sollen. Das, meine Damen und Herren, ist eine dramatische Entwicklung, der wir entgegenwirken müssen.

(Beifall SPD und SSW)

2021 empfahl ein von der Jamaikakoalition in Auftrag gegebenes Gutachten, das System von Schulbegleitung und Schulassistenz zu reformieren, Schulen systemisch zu stärken und nicht Eltern den Kampf um die individuelle Unterstützung ihrer Kinder zu überlassen. Die Gutachter hatten unter anderem festgestellt, dass gut informierte Eltern aus der Mittelschicht sehr viel mehr dazu in der Lage und bereit waren, für ihr Kind die zusätzliche Unterstützung zu erkämpfen, während die Beantragung solcher Leistungen für sozial schwächere Familien häufiger eine Hürde zu bilden scheint.