Protocol of the Session on February 27, 2025

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Dreiminutenbeitrag von der Kollegin Krämer hat mich motiviert, nach vorne zu gehen.

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte etwas mehr Ruhe!

Ihr Ansatz mag ein hehres Ziel verfolgen, aber das Problem ist – ich habe gerade im Familienreport nachgeschaut –, dass das durchschnittliche Einkommen von Alleinerziehenden 17.900 Euro im Jahr beträgt. Wo liegt denn da der Steuersatz? Da ist der Anreiz relativ niedrig.

(Annabell Krämer [FDP]: Aber die zusätzli- chen Stunden so zu staffeln?)

Ja, aber wir bewegen uns da bei einem extrem niedrigen Steuersatz; der Anreiz ist so gut wie nicht vorhanden. Insofern hilft uns dieser Ansatz an der Stelle nicht wirklich weiter.

Lassen Sie eine Frage von Frau Krämer zu?

Ja, bitte schön.

Moment bitte. – Ja, Frau Krämer, Sie dürfen jetzt das Wort ergreifen.

Wenn wir heute bei diesem einen Punkt vielleicht nicht ganz zusammenkommen, beraten wir das dann ausgiebig im Ausschuss, wahrscheinlich auch mit Experten.

(Martin Habersaat [SPD]: Sehr gern!)

Aber den zweiten Punkt des Antrages, dass dem Staat beim Entlastungsbetrag das zweite Kind doch genauso viel wert sein sollte wie das erste, den teilen wir doch, oder? Also, dass 240 Euro für das zweite und jedes weitere Kind, egal in welcher Steuerprogressionsklasse ich mich gerade befinde, zu wenig sind?

Also, ich glaube, wir werden jetzt alle Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, noch mal gemeinsam beraten und sie näher beleuchten, und dann werden wir auch dieses Thema betrachten, das ist ganz klar. – Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen und erteile das Wort der Finanzministerin, Frau Dr. Schneider.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es herrscht hier im Haus offensichtlich Einigkeit, dass es ein wichtiges Anliegen ist, alleinerziehende Eltern und ihre Kinder zu unterstützen. Das ist erst einmal ein positives Ergebnis. Es gibt nicht ganz so häufig Themen und Anliegen hier im Hohen Haus, hinter denen sich das komplette Parteienspektrum vereint.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Diese Einigkeit mag auch darin liegen, dass es Trennungen und Scheidungen und daraus resultierend Trennungskinder und alleinerziehende Elternteile in jedem sozialen Milieu unserer Gesellschaft gibt, unabhängig vom Einkommen, von der Herkunft oder Lebensform. In Deutschland lebt mittlerweile rund ein Fünftel aller minderjährigen Kinder mit nur einem Elternteil im Haushalt, in den allermeisten Fällen die Mutter.

Im Jahr 2021 hat die Bertelsmann Stiftung festgestellt: Das Risiko, in Armut zu leben, ist insbesondere für alleinerziehende Mütter höher als bei jeder anderen Familienform, und das, obwohl sie im Vergleich zu Müttern in Paarbeziehung insgesamt öfter und auch häufiger in Vollzeit oder vollzeitnah arbeiten. Das bedeutet Armut trotz Erwerbstätigkeit.

(Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Annabell Krämer [FDP]: Ja!)

Rund 40 Prozent der Alleinerziehenden – das hat auch der Abgeordnete Dirschauer schon gesagt – sind auf staatliche Unterstützung angewiesen, und die Hälfte aller Kinder, die im SGB-II-Bezug leben, stammen aus alleinerziehenden Haushalten. Die Gefahr wächst mit jedem Kind, wie auch die Abgeordnete Krämer zutreffend betont hat. Ein struktu

relles Problem also, zu dessen Abmilderung es eine Vielzahl an Instrumenten gibt.

Der Antrag der FDP konzentriert sich auf den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, der im Jahr 2004 eingeführt wurde, um die im Vergleich zu erziehenden Partnerschaften höheren Kosten auszugleichen. Der Entlastungsbetrag wurde mehrfach angehoben, zuletzt im Jahr 2022; auch das wurde hier gesagt.

Zumindest inflationsbedingt ist eine erneute Erhöhung aktuell nicht angebracht. Zudem erscheint mir die geforderte Verzwanzigfachung des Zuschlags für das zweite Kind und gedanklich auch für weitere Kinder weder sachlich gerechtfertigt noch haushalterisch vertretbar.

Aber steuerrechtlich wirft § 24 b des Einkommenssteuergesetzes tatsächlich Fragen auf. Klar ist: Der Entlastungsbetrag soll nicht einfach die Betreuungs- und Erziehungskosten kompensieren, denn dazu gibt es andere steuer- und sozialpolitische Maßnahmen. Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht aber bis heute offengelassen, ob dieser steuerliche Entlastungsbetrag die echte finanzielle Mehrbelastung von Alleinerziehenden ausgleichen soll oder einfach nur eine spezielle Form der sozialen Förderung ist.

Eigentlich ist das Aufgabe des Gesetzgebers, sein gesetzgeberisches Ziel deutlich zu machen. In der Begründung des Gesetzes beziehungsweise der Änderungsgesetze habe ich dazu allerdings nichts gefunden. Was nach dem Willen des Gesetzgebers durch den Entlastungsbetrag ausgeglichen werden soll, ist also mit Stand von heute offen.

Meine Damen und Herren, viele Alleinerziehende würden vermutlich sagen: Das ist alles theoretisch; es ist mir völlig egal, welche Maßnahmen schlussendlich für eine Entlastung sorgen. – So einfach können wir es uns als Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker nicht machen. Das Ziel einer Entlastungsmaßnahme sollte schon klar sein.

Aber, meine Damen und Herren, noch viel wichtiger ist aus meiner Sicht die soziale Treffsicherheit des Instruments. Der steuerliche Entlastungsbetrag wirkt progressionsabhängig. Er entlastet also vor allem diejenigen, die ein höheres Einkommen haben. Das ist hier schon genannt worden, das ist genau der wunde Punkt oder die Schwachstelle in diesem Antrag oder wo der Antrag aus meiner Sicht zu kurz greift. Der Antrag der FDP weist zwar völlig zu Recht auf ein erhöhtes Armutsrisiko von Alleinerziehenden hin, aber diejenigen, für die dieses Ri

siko am höchsten ist, profitieren von dem Antrag der FDP am wenigsten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Alternativantrag von CDU und Grünen greift die Kritik an der Einkommensabhängigkeit des Entlastungsbetrages auf – ein durchaus spannender Gedanke, wie ich finde. Ich erinnere daran, dass auch die Ampelregierung im Jahr 2021 in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hatte, den derzeitigen Entlastungsbetrag in einen Abzug von der Steuerschuld umzuwandeln. Auch die Sachverständigenkommission für den 10. Familienbericht des Bundesfamilienministeriums, der Mitte Januar erschienen ist, empfiehlt genau diesen Schritt. Als Finanzministerin ist mir dabei wichtig zu betonen, dass der oft benutzte Begriff Steuergutschrift keinesfalls eine Negativsteuer bedeuten darf. Das gilt es zu beachten.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte noch auf einen letzten Punkt hinweisen. Am vergangenen Sonntag wurde ein neuer Bundestag gewählt. Jede Partei, die in das Parlament eingezogen ist, plant steuer- und sozialpolitische Entlastungen.

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Jede Partei plant dies für die Alleinerziehenden.

Meine Vorredner und Vorrednerinnen haben schon verschiedene Beispiele genannt. Es scheint also absehbar, dass im Rahmen der Koalitionsverhandlungen neue Unterstützungen für Alleinerziehende geschaffen werden, und das ist erfreulich. Ich bin gerne bereit, die zu Beginn meiner Rede betonte Einheit in der Sache

(Unruhe)

zu nutzen, damit wir uns auf Bundesebene für echte Verbesserungen für Alleinerziehende einsetzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und Christian Dirschauer [SSW])

Noch einmal: Diese Maßnahmen müssen gut durchdacht werden. Vor allem müssen sie wirklich diejenigen entlasten, die diese Unterstützung am dringendsten benötigen. Es reicht nicht zu sagen: Arbeit muss sich lohnen. – Die Rahmenbedingungen, damit Arbeit für die Alleinerziehenden wirklich möglich ist, müssen stimmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und SPD)

(Ministerin Dr. Silke Schneider)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt.

Es wurde beantragt, den Antrag Drucksache 20/2939 sowie den Alternativantrag Drucksache 20/3000 an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, – –

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und dem Sozialausschuss!)

Und dem Sozialausschuss.

(Oliver Brandt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Genau! Mitberatend in den Sozialaus- schuss!)

Wer will zustimmen, dass der Antrag an den Finanzausschuss und mitberatend an den Sozialausschuss überwiesen wird? – Das ist einstimmig. Dann ist das so beschlossen.

(Beifall Annabell Krämer [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ehe ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich gerne weitere Besucher und Besucherinnen auf der Tribüne begrüßen; ich hoffe einmal, dass das mit dem übereinstimmt, was mir vorliegt.

Das sind Daniel Lembke-Peters von der Geschäftsstelle Echte Vielfalt Kiel,

(Beifall)