Dennoch ist die Einstufung von Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten richtig. Im Allgemeinen basiert die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten auf einer Regelvermutung. Das heißt, in der Regel werden Anträge auf Asyl aus dem jeweiligen Land abgelehnt. So sieht es auch im Fall von Georgien und Moldau aus. Die Schutzquote, das heißt die Anerkennung von Asylbewerbern, lag 2022 unter 0,1 Prozent. Aber jede Regel hat ihre Ausnahme. Die Ausnahme heißt: Das Individualrecht auf Asyl ist fraglos wichtig, um dem einzelnen Menschen gerecht zu werden.
Ich betone noch einmal: Das Individualrecht auf Asyl bleibt fraglos unberührt. Das leitet sich aus dem europäischen Wert der humanitären Verantwortung ab und ist in unserem Grundgesetz zu Recht fest verankert. So komme ich zu dem Ergebnis, dass die Einstufung von Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten in Anbetracht der Schutzquote nur folgerichtig ist.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass sowohl Moldau als auch Georgien Beitrittsersuche an die Europäische Union gestellt haben, die sich jetzt in der Prüfung befinden. Länder, mit denen die EU Beitrittsverhandlungen aufnimmt, müssen rechtsstaatliche Standards erfüllen, die Fluchtgründe beseitigen. Es ist also davon auszugehen, dass es
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Metapher „Bohren dicker Bretter“, die Politik bei schwierigen und langwierigen Prozessen oft mit sich bringt, wird bekannt sein. Kein Geheimnis ist, dass wir uns hier nicht einig waren. Ja, dieses Brett war ganz besonders dick. Umso mehr freut mich, dass wir diesen Weg nun zusammen gehen und die Einstufung von Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten unterstützen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, hier und heute sprechen wir über Georgien und Moldau, weil die Bundesregierung den Gesetzentwurf beschlossen hat. Natürlich steht es Ihrer Partei frei, in der Bundesregierung dafür zu sorgen, dass weitere Gesetzentwürfe im Bundestag eingebracht und infolgedessen Gegenstand der Befassung von Bundesrat und Ländern werden. – Vielen Dank.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Lasse Petersdotter, das Wort.
Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Zur Frage, wie wirksam die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten um Georgien – im letzten Jahr 48 Geflüchtete – und Moldau – im letzten Jahr ein Geflüchteter – ist, um die Kommunen zu entlasten, werde ich heute nichts weiter sagen. Hierzu hat meine Kollegin Cathi Nies in der letzten Landtagstagung bereits alles ausführlich dargelegt.
Machen wir uns nichts vor: Der FDP geht es bei der Einbringung dieses Antrags und bei der Einbringung des Alternativantrags noch viel weniger darum,
inhaltlich erneut in die Debatte einzusteigen. Kern ist die öffentliche Auseinandersetzung der Koalition in den vergangenen zwei Wochen. Diese Auseinandersetzung haben wir Grüne nicht gewonnen. Das sage ich für meine Fraktion so klar, weil es bei uns keinen plötzlichen Sinneswandel gegeben
hat und sich auch die inhaltlichen Positionen – sowohl bei der CDU als auch bei den Grünen – nicht geändert haben. Das bedeutet auch, dass diese Abstimmung heute und die Erklärung dafür keine Blaupause für die künftigen Entscheidungen jedweder Art sind.
Um dies zu verstehen, lohnt es sich auch, einmal über den Tellerrand der Koalition hinauszublicken. Fast alle grün mitregierten Landesregierungen werden der Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten zustimmen, ebenso fast alle von der SPD mitgetragenen Landesregierungen, darüber hinaus die Bundesregierung und auch die Bundestagsfraktionen im Bundestag.
Zurück nach Schleswig-Holstein: Auch unser Ministerpräsident hat sich, das haben wir alle mitbekommen, mit Recht mit viel Gewicht in diese Diskussion eingebracht. Ich verhehle nicht, dass auch das eine Rolle gespielt hat. So wird Schleswig-Holstein im Bundesrat zustimmen. Für die Mehrheitsfindung spielt das keine Rolle. Die Stimmen wären auch ohne Schleswig-Holstein längst dagewesen.
Sehr geehrte SPD, sehr geehrte SSW-Fraktion, ich weiß natürlich nicht, wie Sie Ihre Reden gleich gestalten werden, aber ich gehe davon aus, dass es Kritik am grünen Abstimmungsverhalten geben wird. Darum möchte ich die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle an das Jahr 2015 zu erinnern, in dem Schleswig-Holstein trotz Küstenkoalition aus SPD, SSW und Grünen einer Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten im Bundesrat um die Westbalkanstaaten zugestimmt hat. Ich weiß auch, wie diese Entscheidung zustande kam, dass dem Versprechungen asylpolitischer Verbesserungen vorausgegangen waren. Trotzdem lohnt es sich vielleicht, daran zu erinnern. Für heute und für unser heutiges Abstimmungsverhalten kann ich nur sagen: Wir Grüne wurden nicht überzeugt, aber gewissermaßen überstimmt. – Vielen Dank.
ment – auch in den vergangenen Tagen –, dass wir die Kommunen entlasten, indem wir weitere sichere Herkunftsländer ausweisen. Dieses ist im Kern – das haben wir bereits im Juni hier miteinander diskutiert – unvereinbar mit dem individuellen Recht auf Asyl. Deshalb bleiben wir bei unserer Haltung: Wir lehnen die Ausweisung von weiteren sicheren Herkunftsländern ab.
(Beifall SPD – Christopher Vogt [FDP]: Steht im Grundgesetz! – Dr. Bernd Buchholz [FDP]: Das ist Artikel 16 a Absatz 3 des Grundgesetzes!)
Das wird Sie hier in diesem Hohen Haus nicht verwundern, denn bereits im Juni 2023 haben wir die Debatte zur Ausweisung von Georgien und Moldau als weitere sichere Herkunftsländer diskutiert und unsere Argumente dazu ausgetauscht.
Was sich allerdings geändert hat – da reicht mir ehrlich gesagt Ihre Rede nicht, Herr Kollege Petersdotter –, ist die Haltung dieser Landesregierung. Ich möchte zur Erinnerung dazu Ministerin Touré vom 15. Juni 2023 zitieren:
„Als Grüne im Land haben wir immer die Position vertreten, das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten abzulehnen. Die CDU vertritt hierzu eine andere Position. Das wussten wir voneinander, als wir dieses Regierungsbündnis eingegangen sind, und wir sind es sehr gerne trotzdem eingegangen.“
Ob Sie immer noch dieses Regierungsbündnis sehr, sehr gern eingegangen sind, können Sie uns gleich darlegen, aber weiter heißt es:
„Wir werden uns als Landesregierung also zu der Einstufung beider Staaten enthalten. Das ist politisch geeint.“
Die Haltung der CDU-Kolleginnen und ‑Kollegen kannten wir vorher, und das ist klar gewesen. Aber, liebe Grüne, was ist mit Ihnen los? Ich möchte heute von Ihnen eine ehrliche Antwort, Kollege Petersdotter – eine ehrliche Antwort! –: Warum haben Sie Ihre Meinung geändert?
Denn an den Argumenten – die haben Sie gerade hier noch einmal vorgetragen – hat sich seit Juni gar nichts verändert!
Denn um die Tatsache, dass die weitere Ausweisung von sicheren Herkunftsstaaten die Probleme der Kommunen vor Ort nicht lösen wird, wissen wir bereits heute.
„Jetzt geht es um die zentrale Frage: Was hilft … bei der Entlastung … von Schutzsu chenden tatsächlich? Das ist nämlich die Ursprungsfrage, von der wir kommen.“
Wieder: Was hat sich in den letzten zwei Monaten denn so dramatisch geändert, dass Sie nun die 180Grad-Wende vornehmen, liebe Grüne? Und kommen Sie mir nicht mit der Ampelregierung! Auch ich habe in Berlin Olaf Scholz und Nancy Faeser gegenüber sehr klargemacht, dass wir als SPD hier in Schleswig-Holstein dieses Vorhaben ablehnen, und zu dieser Haltung hätten auch Sie weiterhin stehen können.
Wir sind auch in den vergangenen Jahren oft einen anderen Weg gegangen. Wir haben uns immer für Humanität entschieden und sind vom Rest der Republik dafür teilweise belächelt worden. Aber das hat uns nicht davon abgehalten. Das hat auch immer etwas mit unserer eigenen Geschichte hier in Schleswig-Holstein zu tun gehabt. Wir haben es immer mit unserer eigenen Geschichte hier in Schleswig-Holstein begründet.
Wo stehen wir heute? – Glauben Sie denn wirklich, Sie schlucken jetzt die Kröte, und dann ist es gut, liebe Grüne? Wir hören doch jetzt schon von Herrn Merz von der CDU – der Alternativantrag von den Kolleginnen und Kollegen der FDP zeigt es noch einmal deutlich –, der, wo Moldau und Georgien noch nicht einmal beschlossen sind, nun Tunesien, Marokko, Algerien und Indien ausgerufen hat. Das heißt, es wird am Ende das Problem nicht lösen.
Es ist tatsächlich schön, wenn Sie glauben, dass das individuelle Recht auf Asyl nicht davon betroffen ist, aber wir wissen doch ganz genau um die Lage
von Minderheiten, auch von LSBTIQ und von politisch Verfolgten. Das sind Menschen, die ein Anrecht auf Asyl haben. Wir wissen doch um die Situation von Menschen in Tunesien oder in anderen Ländern, wo wir den Schein wahren, dass sie sicher seien. Hier geht tatsächlich ein Stück Humanität in Schleswig-Holstein verloren, worauf wir sehr stolz gewesen sind.
Einen Satz möchte ich noch zu den Abkommen sagen: Das eine sind die sicheren Herkunftsländer, das andere sind die Abkommen. Was passiert denn mit den Abkommen, die wir schließen? Sie haben doch gerade eben das Abkommen mit der Türkei genannt. Erdoğan spielt wilde Sau in seinem Land. Es sind mehr politisch Verfolgte, mehr Gewerkschafter_innen und mehr Journalistinnen und Journalisten in der Türkei im Gefängnis – ohne Anklage! – als in China! Warum kann er das machen? – Weil er uns jedes Mal damit droht: Ich mache die Türen auf, das habt ihr dann davon!