Für uns, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, stehen dabei die Interessen der Menschen im Land im Mittelpunkt. Sie dürfen nicht unter den fiskalischen Auswirkungen einer Krise leiden, für die sie selbst nichts können.
Wir haben immer gesagt, dass wir alles Notwendige dafür tun werden, um die Krise gemeinsam zu bewältigen. Besondere Zeiten bedürfen besonderer Herangehensweisen. Deshalb werden wir dem Nachtragshaushalt zustimmen und die Zweidrittelmehrheit im Hause sicherstellen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Das Haushaltsjahr 2020 hat gezeigt, dass Haushaltspolitik oft dynamischer als ihr Ruf ist und dass es unsere Aufgabe ist, verantwortungsbewusst wirksame Hilfen zu ermöglichen und darüber hin
aus den finanziellen Rahmen für geeignete gesundheitspolitische Maßnahmen und deren Umsetzung zu schaffen. Das haben wir in den letzten Monaten gemacht, und es hat uns geprägt. Es hat aber auch gezeigt, dass Haushaltspolitik in der aktuellen Lage wenig planbar und immer herausfordernd ist. Sie muss in einer Geschwindigkeit im Vollzug stattfinden, die wir so in der Vergangenheit nicht erlebt haben.
Deshalb gilt mein besonderer Dank - das möchte ich an den Anfang stellen - an erster Stelle dem Finanzministerium, allen vorweg der Finanzministerin Monika Heinold, aber eben auch dem gesamten Haus, stellvertretend Frau Reese-Cloosters. Vielen Dank für die herausragende Arbeit, die dort geleistet wird!
Ich danke aber auch meinen Kolleginnen und Kollegen Ole Plambeck und Annabell Krämer und insbesondere Beate Raudies und Lars Harms. Wie wir im Finanzausschuss zusammen diskutieren und um bessere Möglichkeiten ringen, ist, glaube ich, in der aktuellen Situation herausragend. Die parlamentarische Kontrolle ist anders als in vielen anderen Bundesländern durch die Tatsache gewährleistet, dass jede Veränderung des hier beschlossenen Haushaltes und jede weitere Verausgabung von Mitteln in Schleswig-Holstein durch den Finanzausschuss bestätigt werden muss. Der Nachtragshaushalt und die beschlossenen Ausgaben werden dadurch vom Parlament noch einmal ganz anders kontrolliert und legitimiert.
Die Zusammenarbeit mit der Opposition ist eine der wichtigsten Säulen der letzten Monate. Das geschieht in der Kontroverse, aber auch im konstruktiven Miteinander. Wenn es darauf ankommt, finden wir eine Lösung. Der jüngste Höhepunkt dieser Kultur war das gemeinsame Nothilfepaket.
150 Millionen € für Testkapazitäten, Infektionsprävention und die Aufstockung des Härtefallfonds, 425 Millionen € für den Stabilitätspakt mit den Kommunen, 2,5 Milliarden € für Infrastrukturinvestitionen und vieles mehr: Schulbau, Digitalisierung und Kultur, Bildung, UKSH, sozialer Wohnungsbau. Viele Schwerpunkte wurden gesetzt.
Mir sei die persönliche Anmerkung gestattet: Ich finde, das Gesamtprogramm ist durch die Beteiligung der SPD nicht schlechter geworden. Es freut mich sehr, dass SPD und SSW ihre Perspektiven eingebracht haben.
Dieses Paket steht für Zusammenhalt und Solidarität. Zu den von mir genannten Maßnahmen kommen noch rund 1,3 Milliarden € Steuerkompensation und 1,4 Milliarden € Kompensation der strukturellen Defizite der kommenden Jahre. Wir bewegen hier Summen, die sonst in ganzen Haushalten einen großen Anteil ausgemacht hätten.
Um einmal auf die Tilgung zu gucken, möchte ich einmal ein kleines Beispiel bringen. Ich bin nicht ein großer Fan davon, zu versuchen, es alles plastischer zu machen. Wir müssen einmal gucken: 50 Millionen € jährliche Tilgung ab 2024. Es wird dann aufsteigend mehr, das ist in einem wachsenden Haushalt auch sehr sinnvoll. Ein kleines Beispiel hierzu: Mesut Özil wurde 2013 von Real Madrid zum FC Arsenal für 50 Millionen € vergeben. Das ist etwa die Größe, mit der wir hier arbeiten. Daraus lässt sich entweder schließen, dass es sehr gut machbar ist oder dass Fußballspieler viel zu teuer gehandelt werden. Das können wir ein andermal diskutieren.
In der Summe diskutieren wir hier einen sehr tragfähigen Haushalt, der durch diese Kredite überhaupt erst ermöglicht wurde. Die Landesregierung legt uns heute einen Haushaltsentwurf über 13 Milliarden € vor. Das steht - wie der gesamte Haushalt - für Verlässlichkeit. Der Haushalt ruft nicht die Revolution aus, er ist offensichtlich kein Haushalt für den Wahlkampf, der sagt: Heute passiert das, und übermorgen passiert jenes. Es ist ein Haushalt der Solidität, der das Maß an Verlässlichkeit bieten möchte, das in diesen Tagen überhaupt versprochen werden kann.
Bisherige Schwerpunkte werden fortgesetzt: Digitalisierung, Klimaschutz und Bildung. Es ist sinnvoll, diese Schwerpunkte fortzusetzen, denn hier zu kürzen, zu sparen oder sich zurückzunehmen, wäre für die kommenden Generationen ein großes Problem.
Es macht mich natürlich besonders froh, wie viel Geld durch diesen Haushalt erneut in die Hochschulen dieses Landes fließt, und wie diese Mittel ungeachtet von Corona durch die unterschiedlichen Verträge und Pakte, die geschlossen wurden, aufgestockt wurden. Hier ein großer Dank an unsere Wissenschaftsministerin Karin Prien: Es ist wichtig, dass wir starke Hochschulen im Land haben. Wir
haben in den letzten Monaten gesehen, dass Wissenschaft nicht im Elfenbeinturm passiert, sondern alltäglich unser Leben beeinflusst und besser machen kann.
Die Koalition kommt in ihrem Kurs voran, auch wenn zurzeit keine großen Sprünge möglich sind, aber: Nützt ja nix! Wir sind im Land schon oft in der Situation gewesen, weniger Geld zur Verfügung zu haben, als wir es gerne gehabt hätten. Wir sind die Situation der engen finanziellen Spielräume durchaus gewohnt. Die Finanzministerin hat eben ein bisschen die schwäbische Haushaltsdisziplin angesprochen, von der ich persönlich kein Fan bin.
Ich glaube aber, dass wir mit wenig Geld viel mehr erreichen können, als man uns manchmal zutraut. Dieses Talent können wir in den kommenden Jahren einmal erneut unter Beweis stellen. Genau das werden wir tun: Wir werden den engen Spielraum nutzen. Er wird enger, trotz Kredite und freiwerdender Mittel, die wir durch IMPULS anders verwenden können, trotz der kommenden Handlungsbedarfe, die noch offen und nicht beantwortet sind. Wir werden trotzdem handlungsfähig sein.
Wer kann schon sagen, was überhaupt in den kommenden Jahren passiert? - Allein in den letzten 48 Stunden hat sich wieder alles verworfen. Wir haben vorher so viel geplant und überlegt. Mal sehen, was jetzt in den nächsten 48 Stunden passiert! Allein das neue Bundesprogramm, das ankündigt, 75 % des Umsatzes auszugleichen: Ich hoffe, dass der Bund die 10 Milliarden € noch aufstockt, um diesem Versprechen wirklich Taten folgen lassen zu können. Ich erwarte eine schnelle Reaktion des Bundesfinanzministers und eine schnelle Zusage, dass es gelingt.
Darüber hinaus verändert sich aber auch die Logik der Hilfen. Man möchte jetzt Umsätze ausgleichen und nicht wie bisher Kosten. Peter Altmaier fordert darüber hinaus auch, den Unternehmerlohn auszugleichen. Das bedenkend muss man schon sagen, dass sich auch die Bewertung der Hilfen für Kulturschaffende und Soloselbstständige verändert, die natürlich auch von diesen Mitteln in gleichem Maße profitieren können wie andere Unternehmen.
Ich möchte bei den Unternehmen dringend appellieren, dass diese Kompensation von 75 % nicht nur eine Hilfe für das Unternehmen als Institution und für den Unternehmer als verantwortlicher Person zu
verstehen ist, sondern explizit auch für die Beschäftigten, die in diesen Betrieben arbeiten. Sicherlich ist es nicht so, dass Angestellte mit guten Arbeitsverträgen in Sorge geraten müssen. Aber gerade Angestellte, die zu den geringfügig Beschäftigten gehören und keine Arbeitsverträge mit festen Lohnzusagen haben, die mit ihrem Stundenlohn das erwirtschaften, was sie am Ende des Monats bekommen, müssen von diesen Maßnahmen berücksichtigt werden. Dort sind anständige Unternehmer in der Verantwortung und Politiker in der Pflicht, die Rahmenbedingungen richtig zu setzen.
Haushalte berücksichtigen oft das, was man für das kommende Jahr vermuten und relativ sicher voraussagen kann. Das ist jetzt in dieser Lage, wie beschrieben, sehr schwierig. Wir berücksichtigen beispielsweise im Haushaltsentwurf keine etwaige zweite Welle oder einen Impfstoff. Es wäre unseriös gewesen zu versuchen, das zu antizipieren. Die in den letzten Tagen beschlossenen Einschränkungen werden aber dazu führen, dass sich die Steuereinnahmen an der einen oder anderen Stelle noch weiter verschlechtern können. Auf der anderen Seite sehen wir an den in diesen Minuten von Peter Altmaier veröffentlichten Konjunkturerwartungen für das dritte Quartal, dass einiges vielleicht doch etwas besser läuft, als wir es vermutet haben.
Es ist nicht einfach vorherzusagen, was uns im kommenden Jahr erwartet und wie wir einen soliden, planbaren Haushalt aufstellen können. Wir werden eben aber auch in den kommenden Monaten nicht mehr Gewissheit haben können als in den vergangenen Monaten. Wir haben aber gezeigt, dass wir damit umgehen können.
Es besteht dadurch aber auch viel Raum für Debatten über den besten Weg. Diese Debatten möchte ich sehr gern führen. Beim selbsternannten Bund der Steuerzahler bin ich mir nicht immer sicher, in welchem Interesse der Steuerzahler er spricht, aber das einmal dahingestellt. Ich richte mich daher lieber an den Debattenbeitrag des Landesrechnungshofes, den ich sehr respektiere. Der Landesrechnungshof hat angeregt, wieder einen Personalabbau oder zumindest eine Nichtbesetzung von auslaufenden Stellen in den Blick zu nehmen.
Ich warne vor dieser Logik. Als Reaktion auf die Börsen- und Finanzkrise 2008 und 2009 haben wir diese Debatte sehr intensiv geführt. Was dabei am Ende herauskam, hat sich nicht gelohnt. Es war rückblickend nicht sinnvoll. Ich kann die Entscheidung von damals sehr gut nachvollziehen, aber wir merken gerade jetzt an vielen Stellen, dass Personal, welches man eingespart hat, fehlt.
Bei der Forderung nach Personalabbau wird immer gesagt, hier könne man sparen, aber natürlich nicht in den wirklich wichtigen Bereichen. Ich finde es nicht einfach, im staatlichen Geflecht zwischen wichtigen und unwichtigen Bereichen zu differenzieren. Manchmal weiß man von den unwichtigen Bereichen nicht genug. Zumindest geht es mir oft so.
Nehmen wir einmal das Argument, das auch Herr Alois Altmann in der Anhörung, die wir im Ausschuss dazu gemacht haben, angesprochen hat, man solle nicht Personalabbau in den wichtigen Bereichen wie Gesundheit, Sicherheit, Steuerverwaltung, Bildung, Wissenschaft und so weiter vollziehen. Was bleibt denn dann noch? - Wenn wir UKSH, die Polizei, die Schulen, die Hochschulen, die Krankenhäuser, die Feuerwehr und die Steuerverwaltung vor die Klammer ziehen, dann bleibt nicht mehr viel. Dann sind vielleicht einzelne Bereiche übrig, von denen wir nicht immer alle gleichzeitig betroffen sind, zum Beispiel Forstwirtschaft oder schießmichtot.
Ich warne sehr davor anzunehmen, dass die Personalabbaudebatten hier irgendeine Lösung mit sich bringen würden. Wir werden anders mit diesem Problem umgehen müssen.
Ja, die Tilgung wird in den kommenden Jahren hart sein. Das ist aber vornehmlich eine Vorgabe der Schuldenbremse, zu der ich gleich gern noch kommen möchte.
Sparen statt Kreditaufnahme in einer Niedrigzinsphase während einer ökonomischen Krise - das wäre mehrfach absurd, und wir wären schlecht beraten, wenn wir das täten. Ein kleines Beispiel - das ist nur ein Modellbeispiel, weil reale Beispiele zurzeit kaum funktionieren, man hat es bei dem MesutÖzil-Beispiel gerade gemerkt -: Wenn wir die Verschuldung zurzeit ins Verhältnis zu unseren Einnahmen setzen, dann sind wir etwa doppelt so stark verschuldet wie wir Geld einnehmen, teilweise sogar noch ein bisschen mehr, und es wird auch noch mehr. Aber nehmen wir das Doppelte. Bei einem normalen wirtschaftlichen Verlauf entspräche das 2075 nur noch 50 % im Verhältnis zu unseren Einnahmen und 2100 nur noch 25 % im Verhältnis zu unseren Einnahmen. Dabei ist kein Euro getilgt.
Das hat damit zu tun, dass am Ende die Wirtschaftskraft und damit auch die Staatseinnahmen für dieses Land gewachsen sind. Das haben wir in der Vergangenheit gesehen, und das werden wir auch in der Zukunft sehen. So zuversichtlich bin ich auf jeden Fall. Ein Staat kommt nicht wirklich durch Tilgung aus seinen Schulden heraus, sondern wächst aus seinen Schulden heraus. Auch dieser Realität müssen wir uns stellen.
Damit das allerdings gelingt, brauchen wir eine funktionierende Wirtschaft, und dabei möchte ich sehr klar sagen: Es gibt in der Coronapandemie keinen Widerspruch zwischen Gesundheit und Wirtschaft. Das beste Konjunkturpaket ist eine Bewältigung der Pandemie.
Trotzdem gibt es natürlich Härten und auch Konflikte im Alltag. Es wird in der jetzigen Situation viele Anpassungen geben müssen, aber es wird auch viele strukturelle Anpassungen geben müssen. Das gilt meiner Auffassung nach eben auch für die Schuldenbremse. Warum sollte diese Regelung aus dieser Krise unverändert herauskommen, wenn sich doch so viel verändern wird? Sie darf bei der Erholung nach der Pandemie nicht im Weg stehen. Genau diese Sorge habe ich, wenn wir uns die Regeln der Tilgung ansehen, die wir - womöglich nach den ersten Jahren wieder positiver Haushaltsergebnisse - zu erwarten haben, wenn wir uns ansehen, dass Mittel der konjunkturellen Tilgung sofort wegfallen, wenn dann die ersten Mittel auch wieder direkt in die Tilgung gehen müssen.
Ich habe Sorge vor einem Stillstand nach der Pandemie. Das wird uns wirtschaftlich auf jeden Fall nicht voranbringen. Das gilt auch für den Bund. Er hat einen der niedrigsten Schuldenquoten aller industrieller Länder. In einer Zeit gleichzeitig negativer Zinsen für Bundesanleihen ist doch sehr absurd, sich gerade nur zu große Sorgen um Schuldenberge zu machen; denn wir haben auch noch andere Herausforderungen, vor denen wir stehen.
Es wird Sie nicht wundern, welche ich anspreche: Wir können auf die Klimakrise nicht erst dann mit Krediten reagieren, wenn das Wasser in unseren Städten und Dörfern steht. Das ist zu spät. Das ist eine Schwäche der Schuldenbremse. Wir werden so nicht vor die Krise kommen und werden auch so die Krise nicht bewältigen können. Wir werden allerdings alle aus den unterschiedlichen Krisen, die wir so im Laufe unseres Lebens - die Coronakrise