Protocol of the Session on October 29, 2020

Lehrkräfte, meine Damen und Herren, sind akademisch gut ausgebildete Expertinnen und Experten, die eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit eigenverantwortlich durchführen. Das ist uns allen eingängig mit Blick auf die Schulschließung bewusst geworden.

Die Schulleitungen haben sich hier als hochprofessionelle Managerinnen und Manager in der Krise bewiesen.

Ich möchte den Eltern noch eine Botschaft mitgeben. Liebe Eltern, Ihre Rolle ist im Augenblick in

(Ministerin Karin Prien)

erster Linie, die Schülerinnen und Schüler emotional aufzufangen. Das ist das, was sie am allermeisten brauchen. Unsere Lehrkräfte übernehmen den Teil der schulischen Bildung, und das können sie gut. Darauf sind sie gut vorbereitet, auch in der Pandemie. Sie machen eine hervorragende Arbeit für unsere Schülerinnen und Schüler und für unsere Gesellschaft insgesamt. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Ministerin hat die vereinbarte Redezeit um 5,5 Minuten verlängert. Diese Zeit steht jetzt auch allen Fraktionen zu. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Martin Habersaat.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank, Frau Ministerin Prien, für Ihren Bericht. Wir hatten alle gehofft, dass unsere Schulen nach dem Coronafrühjahr wieder dauerhaft in den Normalbetrieb zurückkehren können. Aber die wenigsten von uns werden das tatsächlich erwartet haben. Es zeigte sich: Nach dem Virus ist vor dem Virus. Es war ein bisschen absehbar, dass mit der kalten Jahreszeit die zweite Coronawelle kommen würde. Nun ist sie da, und vieles spricht dafür, dass es schwieriger wird, als es im Frühjahr der Fall war, weil Covid-19 jetzt zusätzlich auf die turnusmäßige Erkältungs- und Grippesaison stößt.

Diese Pandemie wird mit vielen schwierigen Entscheidungen verbunden sein. Ich will einmal ausdrücklich sagen, Frau Ministerin, in der Frage der Maskenpflicht, wie Sie sie jetzt behandeln, haben Sie uns an Ihrer Seite.

(Beifall SPD, CDU und FDP)

Wir wissen, dass das zu schwierigen Diskussionen vor Ort führt. Es gibt in der Mittelstufe Schülerinnen mit Kreislaufproblemen, die Schwierigkeiten haben, eine Maske den ganzen Tag zu tragen. Es gibt in der Grundschule entsprechende Schwierigkeiten und, und, und. Das wussten wir, aber umso wichtiger ist es aus unserer Sicht, dass die grundsätzliche Entscheidung zur Maskenpflicht eben nicht an jeder einzelnen Schule ausgekämpft werden muss, sondern dass wir beziehungsweise Sie diese Entscheidung treffen.

Viele unserer Fraktionsmitglieder haben in der Woche vor den Herbstferien Gespräche an unterschied

lichen Schulen geführt. Unser erfreulicher Gesamteindruck ist: Viele Schulen haben in den letzten Monaten große Fortschritte gemacht. Mit der technischen Ausstattung sind wir dank Bundeshilfe ein großes Stück vorwärtsgekommen, sodass die meisten Schulen auf einen zweiten Lockdown oder auf einzelne Schließungen, die mutmaßlich erforderlich werden, besser vorbereitet wären als es beim ersten Mal der Fall war. Aber selbst bei der Umfrage des Ministeriums fühlt sich ein Drittel der Schulen nicht gut vorbereitet. Natürlich gewichtet man immer anders. Sie sagen, 70 % der Schulen seien gut vorbereitet. Die Opposition sagt, 30 % der Schulen sind offenkundig nicht gut vorbereitet. 30 % sind auch ganz schön viel, aber bei der GEW-Umfrage sieht es noch ganz anders aus. Dort sagt mehr als die Hälfte aller Lehrkräfte, dass sie den Eindruck haben, dass die Vorbereitungen nicht gut sind.

Ich will ein paar der häufiger genannten Probleme benennen:

Die letzten Schulen in Schleswig-Holstein werden entgegen ursprünglicher Planungen erst in der nächsten Legislaturperiode an das Glasfasernetz angeschlossen. Die Umsetzung der Lernplattform „itslearning“ gestaltet sich schwierig. Wir hören im Bildungsausschuss, dass bis zu 100 Schulen pro Woche angeschlossen werden können. Wir hören aber vor Ort von manchen Schulen, dass sie ihren Antrag zurückgezogen haben, dass sie doch auf IServ umgeschwenkt sind und dass 100 pro Woche mehr eine Brunswiker-Straße-Zahl ist als eine, die man in Schleswig-Holstein insgesamt spürt.

Die Schulen trainieren nicht ausreichend den Wechsel zwischen Präsenzunterricht und Homelearning, jedenfalls nicht alle Schulen. Wenn ich das richtig sehe, werde ich heute der einzige Redner sein, der Tages- und Wochenpläne mit Schülerinnen und Schülern auch in der Praxis eingesetzt hat.

(Dr. Frank Brodehl [fraktionslos]: Nee! Nie- mals!)

- Ach, Herr Brodehl spricht auch noch. - Ich werde der einzige Redner, der eine Fraktion vertritt, sein, der diese einmal eingesetzt hat. Ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung sagen, dass diese Pläne für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Unterstützungsbedarf ganz sicher nur dann funktionieren, wenn man das eintrainiert und eingeübt hat und wenn man nicht im Ernstfall erstmals darauf zurückgreifen muss.

Die Kriterien, nach denen die Mittel für digitale Endgeräte verteilt werden, sind nicht immer transparent. Das war Teil der Fragen. Darauf fehlte mir

(Ministerin Karin Prien)

die Antwort. Landen die Geräte tatsächlich bei den bedürftigen Schülerinnen und Schülern? Ich habe ein wenig den Verdacht, dass die Mittel für diese Geräte, für Endgeräte, nach Schülerzahlen über das ganze Land verteilt worden sind und dabei nicht berücksichtigt wird, dass vielleicht in Heikendorf ganz viele Schülerinnen und Schüler von Haus aus so ein Gerät haben, die am Kieler Ostufer möglicherweise aber nicht und man da eventuell anders hätte steuern müssen. Nach welchen Kriterien verteilen die Schulen? Was wurde ihnen an die Hand gegeben? Aus meiner Sicht sind noch einige Fragen offen. Vielleicht klärt sich einiges auch dadurch, dass wir morgen beschließen werden, zusätzliches Geld für digitale Endgeräte zur Verfügung zu stellen, und dass die Frage, wer bekommt was zuerst, nicht mehr so dringend ist. Falls sie dringend bliebe, müsste man aus meiner Sicht die Prioritäten klären.

Die Faceshields möchte ich der Vollständigkeit halber erwähnen, weil es schon ein wenig merkwürdig ist, dass sie lange angekündigt wurden und erst zu einem Zeitpunkt an die Schulen ausgeliefert wurden, als die Landesregierung sie in anderen Bereichen explizit nicht mehr getragen sehen wollte.

Luftfilteranlagen wären sicher für viele Schulen die beste Lösung, sie sind aber teuer und möglicherweise auch nicht in kurzer Zeit in großer Stückzahl zu haben. Aber auch da müssten wir klären: Wie viele bräuchten wir, und wo bräuchten wir die? Wollen, müssen wir den Schulträgern helfen? Natürlich gibt es Schulträger, die schon längst bestellt haben, aber es gibt andere Schulträger, die werden das nicht finanzieren können, so, wie auch Schulen sehr unterschiedlich damit umgehen. Es gibt Schulen, die haben von sich aus ihrem Schulträger ein Konzept mit einem Kostenvoranschlag vom Anbieter vorgelegt und gesagt: Hier, für diese Räume brauchen wir das, das kostet so und so viel, und der Schulausschuss kann beschließen. Und es gibt andere Schulen, die warten auf Hilfe - woher auch immer.

Die Regierungsmehrheit hat unsere Initiative zur Frage der Schulbusse brüsk abgelehnt, war aber nicht in der Lage, etwas Besseres zu präsentieren. Ich habe mich heute gefreut, bei der FDP Bewegung in dieser Frage wahrzunehmen. Vielleicht lohnt es sich, das Thema noch einmal aufzugreifen, zumal es nach den gestrigen Beschlüssen für das Transportgewerbe in Schleswig-Holstein in den kommenden Monaten nicht besser werden wird.

Ein neuer Lockdown oder einzelne Schulschließungen dürfen nicht dazu führen, dass sich die Chan

cenungerechtigkeiten in der Schule noch weiter verstärken. Wir schlagen deshalb ein Maßnahmenpaket vor, mit dem die Belastungen des Coronawinters und ja, auch des kommenden Coronafrühlings pädagogisch abgemildert werden können, und das den Vorzug hat, nicht einmal besonders teuer zu sein.

Es kann nicht sein, dass Schülerinnen und Schüler durch Benotungen dafür belohnt oder bestraft werden, ob sie zu Hause leistungsfähige Endgeräte, einen leistungsfähigen WLAN-Zugang oder auch nur vernünftige Arbeitsbedingungen wie einen Schreibtisch in einem eigenen Zimmer vorfinden. Ich bin sehr gespannt zu erfahren, wie denn die Absprachen an den einzelnen Schulen jetzt aussehen und wie groß die Spannbreite der Entscheidungen der Schulen im Land ist.

Aus unserer Sicht ist es wichtiger denn je, das starre System der Ziffernnoten durch Lernstandsberichte zu ergänzen, die auf coronabedingte Probleme eingehen können und die auch individuelle Rückmeldungen geben, an welchen Stellen und warum und wie verbessert werden kann. Mit einer einfachen Vier oder einer einfachen Zwei ist nicht gesagt, was am besten begonnen werden soll.

Wir brauchen auch in der Krise Vergleichsarbeiten, um zu diagnostizieren, wo Schulen oder Regionen stehen und wie es mit unterschiedlichen Belastungen im Land aussieht.

Wir dürfen aus unserer Sicht nicht davor zurückschrecken, die Fülle der Inhalte in den einzelnen Schulfächern zentral zu diskutieren. Natürlich kann jede Schule, kann jede Lehrkraft sich den Rahmenplan anschauen und überlegen, was wo gestrichen wird. Aber das ist eine Arbeit, die tausendfach im Land parallel gemacht würde. Dabei kann es eventuell hilfreiche Empfehlungen geben, um diese Arbeit Vielen zu ersparen.

Wir sollten die Möglichkeit schaffen, Eltern zu unterstützen und zu beraten, wenn sie mit ihren Kindern wieder vor die Situation gestellt werden, ihnen zu Hause beim Lernen helfen zu müssen. Das können ganz einfache Tutorials im Internet sein - einzelne Schulen haben das, das kann man sicherlich leicht zentral zur Verfügung stellen. Das ist ganz wichtig, denn viele Eltern neigen dazu, wenn es mit den Hausaufgaben und dem Lernen nicht so gut läuft, mit mehr Druck und mehr Kontrolle zu reagieren. Das führt allerdings in den seltensten Fällen dazu, dass es hinterher mit dem Arbeiten zu Hause besser läuft. Dafür gibt es ein paar einfache

(Martin Habersaat)

Kniffe, die man den Eltern sicher zur Verfügung stellen kann.

Meine Damen und Herren, unser Katalog erhebt nicht den Anspruch, vollständig zu sein. Wir fanden es wichtig, das Thema hier zu diskutieren. Wir finden es wichtig, Ihre Vorschläge dazu zu hören und würden uns freuen, im Ausschuss darüber weiter zu sprechen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Tobias von der Heide.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ministerpräsident hat es in der Regierungserklärung gesagt: „Wir sind in einer ernsten Lage!“

Allerdings ist mir am Anfang wichtig zu betonen: Trotzdem ist Schule ein sicherer Ort, auch in Zeiten von Corona. 362.000 Schülerinnen und Schüler an 792 Schulen gibt es in Schleswig-Holstein, also eine wahnsinnig große Anzahl. Es gibt kaum einen anderen Ort, an dem so viele Menschen regelmäßig zusammenkommen und so wenig Coronainfektionen festgestellt werden können. Ähnliches gilt für die Kindertagesstätten. Deshalb ist es auch im Sinne des Gesundheitsschutzes ein richtiger Ansatz es ist heute auch schon gesagt worden - und ein gemeinsames politisches Ziel, dass Schulen und Kindergärten geöffnet bleiben.

(Beifall CDU)

Erstens hilft uns das beim Gesundheitsschutz. Zum einen stecken sich hier Lehrkräfte, Kinder und Jugendliche seltener an. Zum anderen können wir an kaum einem anderen Ort Infektionsketten so gut nachvollziehen, wie das an Schulen der Fall ist. Wir wissen mit Namen und Adressen, wer die Klassen besucht, und durch das Kohortenprinzip können wir auch gut nachvollziehen, wer mit wem Kontakt hat. Das erleichtert die Arbeit der Gesundheitsämter auch sehr, wenn es darum geht, Infektionsketten nachzuvollziehen.

Zweitens geht es aber auch darum, dass Schule als Bildungsort und Ort von sozialen Begegnungen erhalten bleibt. Wir erinnern uns an den Moment, als Anfang des Jahres Schulen schließen mussten. Es wurde uns vor Augen geführt, wie vielfältig die

Aufgaben und Funktionen von Schulen für Kinder und Jugendliche sind. Ich nenne nur das Stichwort „Chancengerechtigkeit“ in Sachen von Bildung. Das muss uns auch in dieser Frage bewegen.

Den Gesundheitsschutz nehmen die Schulen, die Schulaufsicht und das Bildungsministerium sehr ernst. Der Corona-Reaktionsplan, der Schnupfenplan, Anordnungen zum Lüften, die Maskenpflicht und viele weitere Regelungen und Empfehlungen zum Gesundheitsschutz sind auf den Weg gebracht worden. Und ja, das ist heute auch schon gesagt worden, wir müssen diese Regelungen immer und immer wieder neu bewerten und unsere Maßnahmen anpassen. Das gilt natürlich auch für solche Bereiche wie die Schülerbeförderung. Aber ich glaube, wir haben ein Maßnahmenpaket, das auch besprochen mit Experten - auf die Situation immer und immer wieder reagiert.

Mein Eindruck ist, dass die Schulen viel besser mit der neuen Realität zurechtkommen, als manch eine politische Debatte auch hier im Haus es vermuten lässt. Das gilt noch mehr für die Schülerinnen und Schüler. Das verdient unsere ausdrückliche Unterstützung und unser Lob.

Kollege Habersaat, ich habe Ihre Rede in vielen Punkten für sehr gut befunden, gerade auch Ihr Bekenntnis zur Maskenpflicht. Gemeinsamkeit in diesen Fragen hilft, schwierige Maßnahmen durchzusetzen. Dafür herzlichen Dank!

(Vereinzelter Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ja, die SPD hat natürlich recht, dass wir uns auch auf den Fall vorbereiten müssen, sollte es wieder zu Schulschließungen kommen. Aber das haben wir getan. Wir haben Pläne für hybrides und Distanzlernen auf den Weg gebracht. Im Reaktionsplan haben wir auch festgehalten, wann welche Unterrichtsformen greifen sollen, und das auch mit technischen und personellen Beschaffungen und Investitionen hinterlegt. Ein Teil ist gerade genannt worden; die Ministerin hat ausführlich dazu berichtet.

Das Bildungsministerium wertet gerade eine Umfrage zur Umsetzung des Corona-Rahmenkonzepts an den Schulen aus. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass wir im Großen und Ganzen gut vorbereitet sind. Aber wenn wir den Schulen wirklich helfen wollen, müssen wir uns als Erstes die Ergebnisse anschauen und die Umfrage auswerten. Danach haben wir eine faktengesättigte Grundlage, um über Maßnahmen und Hilfen zu sprechen. Auch ich glaube - die Ministerin hat es gesagt -, dass eine sehr detaillierte und einengende Form der Vorgaben

(Martin Habersaat)

für Schule an diesem Punkt nicht helfen kann, sondern es klug ist, den Schulen viel Freiraum zu geben, kluge Lösungen für diese Unterrichtsformen zu finden.

Gerade die Digitalisierung von Bildung ist jetzt im Fokus. Hier liegt eine große Chance in dieser Krise, von der wir auch nach Corona - das ist uns allen klar - gewaltig profitieren können. Dabei finde ich aber auch wichtig, einmal ein paar ehrliche Worte loszuwerden: Ich glaube, es ist nicht realistisch, wenn wir Tausende von Endgeräten anschaffen, dass die innerhalb ganz kurzer Zeit und weniger Tage in den Schulen eingerichtet und funktionsfähig sind. Das kann nicht funktionieren, zumal auch die Beschaffung von mehreren Tausend Endgeräten eine große Herausforderung ist.