Protocol of the Session on September 25, 2020

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Sie wollen nicht hören, dass es diese Form von Zuwanderung gibt, und dass wir diese Form von Zuwanderung gerade in Deutschland dringend brauchen.

(Lachen Volker Schnurrbusch [AfD])

Sie sind Menschen, die Ehen oder Partnerschaften mit Deutschen schließen. Das ist schön und gut so. Es sind Menschen, die studieren, forschen oder lehren und dafür an unsere Hochschulen kommen. Zuwanderung ist so viel mehr als das, was Sie immer wieder darstellen und als das Bild, das Sie zeichnen wollen.

Zuwanderung hat dieses Land aufgebaut und so etwas wie das deutsche Wirtschaftswunder überhaupt erst möglich gemacht. Sie glauben immer wieder, dass es sich um einen abgetrennten Bereich handele: Mehrheitsgesellschaft und Minderheitsgesellschaften. Das ist nicht so, sondern es gibt überall Schnittmengen und ein Zusammenleben, wovon wir als Gesamtgesellschaft profitieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Sie ziehen an jeder Stelle die falschen Schlüsse. Sie lamentieren immer wieder in Ihren Pressemitteilungen, dass das schöne Geld jetzt irgendwie falsch ausgegeben wäre, was hätte man davon nicht Anderes machen können! - Sie haben aber keine Ideen, was man tun könnte.

(Lasse Petersdotter)

Wir investieren doch trotzdem in unsere Hochschulen, in die Polizei, in unsere Schulen und Kitas. Wir investieren in unsere Kommunen. Das Land ist viel besser, als Sie es darstellen, und das ist Ihr größtes Problem. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW - Jörg Nobis [AfD]: Geld, was Sie nicht haben! - Martin Haber- saat [SPD]: Was hat man Ihnen nur angetan, Herr Nobis! Was ist passiert? Was ist Ihnen persönlich denn Schlimmes widerfahren? - Glocke Präsidentin)

So, wir fahren jetzt fort!

(Beate Raudies [SPD]: „Kleiner Mann - ganz groß“! - Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Wenn sie nicht so hetzen würden, hätten sie auch keine Stimmen!)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jan Marcus Rossa.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Herren der AfD! Ihre Große Anfrage ist - das ist hier ja auch schon erwähnt worden - Bestandteil einer bundesweiten fremdenfeindlichen, rechtsnationalen Kampagne, und die Beiträge von Ihnen, Herr Nobis, und von Ihren Parteifreunden in der gesamten Republik demaskieren Ihre niederen Motive in der Flüchtlingspolitik.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Sie haben die Unverschämtheit, sich hier auf geltendes Recht zu berufen und wollen, indem Sie unsere Verfassung zitieren, den Ruf erwecken, die deutsche Flüchtlingspolitik sei ein Rechtsbruch. Das ist perfide, das ist verlogen, und es ist fachlich schlicht falsch.

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass es Artikel 17 der Dublin-Verordnung gibt; denn auch das ist geltendes Recht. Dort heißt es in Absatz 1, und ich zitiere wörtlich:

„Abweichend von Artikel 3 Absatz 1“

- der Dublin-Verordnung

„kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen

oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er“

- also dieser Staat

„nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterium nicht für die Prüfung zuständig ist.“

Es wäre schön gewesen, Herr Nobis, wenn Sie auch diese Rechtsvorschrift zitiert hätten und nicht ignoriert hätten, weil sie Ihnen nicht in den Kram passt. Es ist aber schlichtweg verlogen, das auszublenden, wozu wir uns mit unseren Gesetzgebungsorganen in Europa bekannt haben.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Nehmen Sie auch zur Kenntnis, vielleicht hilft Ihnen das im künftigen Leben ja weiter, dass Artikel 16 a Absatz 2 Grundgesetz, den Sie hier zitiert haben, gerade nicht regelt, dass die Bundesrepublik Deutschland Menschen, die über einen sicheren Drittstaat einreisen oder aus einem EU-Mitgliedstaat zu uns kommen, abzuweisen hat. Nein, das steht gerade nicht in Artikel 16 a Absatz 2 Grundgesetz, auch wenn Sie sich diese Regelung gerne so gewünscht hätten.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

- Ich rede jetzt ganz allein und ohne Sie. Wenn Sie mich etwas fragen möchten, können Sie das gerne tun, dann kann ich Ihnen auch noch weitere Erläuterungen zukommen lassen, die Sie dringend nötig haben.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich werde mich deshalb hier und heute nicht mit den Zahlen beschäftigen, die die AfD-Fraktion bei der Landesregierung abgefragt hat und jetzt aufs Schändlichste missbraucht hat. Die Kosten der Zuwanderung sind vor dem Hintergrund der wahren Motive der AfD, die sie mit der Großen Anfrage verfolgt haben, schlicht zu vernachlässigen. Die Große Anfrage dient ja erkennbar allein dem Zweck, unsere Gesellschaft zu spalten. Auch das ist hier offengelegt worden.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es soll versucht werden, den Eindruck zu erwecken, dass die schutzsuchenden Flüchtlinge den Einheimischen etwas wegnehmen und unseren persönlichen Wohlstand bedrohen. Was für ein Unsinn,

(Lasse Petersdotter)

welche Habgier und welch unfassbarer Egoismus kommen hier zum Ausdruck?

(Zuruf: Was für ein Menschenbild!)

Haben Sie eigentlich realisiert, wie gut es uns ins Deutschland geht? Ist Ihnen bewusst, dass es Ausdruck von Nächstenliebe, Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit ist, wenn wir Menschen, die in ihrer Not Schutz bei uns suchen, helfen? Ist Ihnen Nächstenliebe wirklich so fremd geworden, dass Sie vergessen konnten, dass Nächstenliebe auch Barmherzigkeit bedeutet? Es ist eine der wichtigsten Errungenschaften, zivilisierter Gesellschaften, dass Nächstenliebe gelebt wird. Wir bekennen uns in diesem Land dazu, dass wir uneigennützig Mitmenschen, die in Not sind, helfen. Dabei ist es zunächst einmal nachrangig, ob eine Notlage verschuldet oder unverschuldet ist.

Das Gebot der Nächstenliebe, das nicht nur das Christentum kennt, sondern in allen Weltreligionen merkwürdigerweise verankert ist, fordert nicht mehr und nicht weniger, als den Menschen zu helfen, die in Not geraten sind. Warum gilt das eigentlich nicht für Sie, Herr Nobis, und für Ihre Partei?

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wenn Sie sich von diesen Grundprinzipien menschlichen Zusammenlebens verabschieden wollen, dann ist das im Ergebnis Sozialdarwinismus, und für den ist in einem freiheitlich-demokratischen und sozialen Rechtsstaat kein Platz. Das werden Sie mit Ihrer neidgetriebenen, fremdenfeindlichen und menschenverachtenden Haltung auch nicht ändern können.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Nachdem wir gestern einen Debattenbeitrag Ihres Kollegen zum 3. Oktober hören durften, muss ich Sie in diesem Zusammenhang auch fragen, ob Sie wirklich so geschichtsvergessen sind, dass Sie sich nicht mehr daran erinnern können, warum wir das Asylrecht anders als andere europäische Nationen in unserer Verfassung zu einem Grundrecht erhoben haben. Das Unrecht, das vom deutschen Volk ausgegangen ist, war Anlass für die Mütter und Väter unserer Verfassung - das kann man nicht genug betonen -, den Verfolgten auf dieser Erde das Recht auf Asyl in unserem Land zu gewähren, und zwar als Grundrecht und nicht als irgendein beliebiges Staatsziel. Es ist ein Grundrecht.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deshalb danke ich an dieser Stelle ausdrücklich unserer Landesregierung, die bereits in ihren Vorbemerkungen eindrucksvoll aufgedeckt hat, wie tendenziös Sie hier formuliert haben, wie Tatsachen verdreht und aus dem Zusammenhang gerissen werden, wie Sie Worte verwenden, die die Diskriminierung in sich tragen. Ich muss sagen, das Lesen der Ausführungen der Landesregierung war die einzige Genugtuung, die ich bei der Vorbereitung auf diese Rede hatte.

Es war auch eine Genugtuung, die Ausführungen der Landesregierung weiterzulesen, die immer wieder nüchtern und sachlich, aber auch schonungslos, die wahren Motive Ihrer Fraktion offengelegt haben, indem einfach die Fakten richtiggestellt und der propagandistischen und fremdenfeindlichen Ausdrucksweise sachlich entgegengetreten wird. Dafür danke ich und habe höchsten Respekt, dass man hier im Hinblick auf Ihre Provokationen so sachlich geblieben ist.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Antworten der Landesregierung sind aber auch Beleg dafür, dass, anders als Sie Bilder malen wollen, unser Land nicht an der Zuwanderung zugrunde gehen wird - im Gegenteil. Die Aufnahme von Flüchtlingen kostet natürlich Geld, aber wir haben dieses Geld, und es fehlt auch nicht an anderer Stelle, Herr Nobis.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Das ist hier auch deutlich geworden. Ja, die Verfahren können beschleunigt und verbessert werden, und wir haben auch in der EU Reformbedarf. Aber diesen Aufgaben stellen wir uns, und zwar mit dem Ziel der Lösungen und nicht mit dem Ziel der Ausgrenzung.

(Jörg Nobis [AfD]: Wir schaffen das!)

- Herr Nobis, Sie können mich heute nicht provozieren, dazu fehlt Ihnen einfach die Klasse, ganz ehrlich.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)