Protocol of the Session on August 27, 2020

Bereits vor Jahren ist der Betrag, den die Familie pro Kind und Jahr für Kosten aufwenden muss, die mit dem Schulbesuch direkt zusammenhängen, auf rund 1.000 € angestiegen. Für viele Familien in Deutschland und in Schleswig-Holstein ist ein solcher Betrag kein Problem, für andere Familien ist er ein riesiges Problem - und die dürfen wie nie vergessen.

(Vereinzelter Beifall SPD und SSW)

Der von der Koalition vorgelegte Antrag bietet den Eltern sehr wenig an verbindlichen Hilfen. Wir brauchen jetzt mehr als nur Appelle an den Bund, wir brauchen ein echtes Bündnis für Lernmittelfreiheit, das von allen Ebenen getragen und auf ein festes rechtliches Fundament gestellt wird.

Die Landesregierung muss nach unserer Überzeugung Initiativen im Bundesrat ergreifen oder sich bereits bestehenden Initiativen anschließen, die auf eine eigenständige Kindergrundsicherung

(Tobias von der Heide)

(Beifall SPD und SSW)

und in einem ersten Schritt auf eine Ausweitung der Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets sowie auf eine durchfinanzierte Ganztagsoffensive einschließlich der Mittagsverpflegung ausgerichtet sind.

Wir brauchen klare Zielperspektiven, die vom Land in einem überschaubaren Zeitraum umzusetzen sind - auch wenn die Bewältigung der Folgen der Coronakrise uns bei allen Zeitplänen möglicherweise zurückwirft. Die Regierung hingegen hat daraus falsche Konsequenzen gezogen und uns zum einzigen Land im Norden gemacht, das die Kommunen bei der Umsetzung des Digitalpakts zur Kasse bittet. Die Priorität muss jetzt darin liegen, für alle Schülerinnen und Schüler die Voraussetzungen zu schaffen, dass sie am digitalen Lernen teilhaben können.

Darüber hinaus sollte es realistisch sein, im Laufe der nächsten Legislaturperiode, also spätestens bis 2027, den Besuch der Grundschule für die Eltern kostenfrei zu gestalten.

(Beifall SPD und SSW)

In welchen Schritten wir das dann auf die weiterführenden Schulen ausdehnen können, müssen wir dann neu diskutieren. Es sollte möglich sein, auf dem Weg über die Ganztagsschule den bezahlten Nachhilfeunterricht überflüssig zu machen. Es darf nicht länger so sein, dass Kinder und Jugendliche benachteiligt werden, weil ihre Eltern ihnen keine Bildung dazukaufen oder selbst helfen können.

Auf der Agenda steht ebenso, auch die Schülerinnen und Schüler, die die Sekundarstufe II besuchen, von der Bezuschussung der Schülerbeförderung profitieren zu lassen.

Deshalb müssen wir die tatsächliche Entwicklung der schulbezogenen Kosten beobachten. Die Koalition hat im Ausschuss einen Antrag auf eine neue Kostenerhebung abgelehnt, weil sie so zeitaufwendig sei, dass die Ergebnisse vielleicht nicht mehr vor der Landtagswahl vorliegen würden. - Das mag sein, aber die finanziellen Folgen der Coronakrise haben auch die Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern zu tragen, und deshalb führt an regelmäßigen neuen Erhebungen nichts vorbei.

(Vereinzelter Beifall SPD und SSW)

Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen lieben Dank.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Ines Strehlau.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Arbeitsheft für 9,95 €, ein Tuschkasten für 5,68 €, ein Set Textmarker für 3,38 €: Es sind nicht nur die großen Beträge für Klassenfahrten und Monatstickets, die Familien mit Schulkindern belasten. Auch die kleineren Beträge, die im Laufe eines Schuljahres für Lernmittel aufgewendet werden müssen, summieren sich. Im Durchschnitt werden knapp 1.000 € pro Kind und Schuljahr ausgegeben. Das ist das Ergebnis einer Erhebung, die das IPN vor rund vier Jahren im Auftrag der damaligen Landesregierung durchgeführt hat.

1.000 € sind, keine Frage, ein beträchtlicher Betrag, aber zur Einordnung muss man auch sagen, dass das IPN bei der Erhebung den Begriff der Lernmittel sehr weit gefasst hat. So wurden unter anderem auch die Kosten für Mittagessen, Nachmittagsbetreuung und Nachhilfe erfasst. Doch auch diese Ausgaben fallen durch den Schulbesuch an, und ich finde es richtig, sie einzubeziehen, wenn man einen Überblick über die Gesamtkosten bekommen möchte.

Aufbauend auf der Erhebung haben wir sowohl als Bildungsausschuss als auch als Koalition diverse Gesprächsrunden zu dem Themenkomplex durchgeführt: mit Schüler-, Eltern- und Lehrervertretungen, aber auch mit den kommunalen Landesverbänden. So unterschiedlich die Ausgaben der Eltern sind, so breit sind auch die Zuständigkeiten für die verschiedenen Kostenfaktoren verteilt. Originär sind die Schulträger für die Lernmittel zuständig. Die Frage der Fahrtkosten wird auf Kreisebene geregelt, während der Bund für die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zuständig ist.

Klar ist, dass weder wir als Land, noch die Kreise, noch der Bund die Kosten, die durch den Schulbesuch entstehen, vollständig übernehmen können. Bei rund 380.000 Schülerinnen und Schülern wäre das eine Ausgabe von fast einer halben Milliarde Euro.

Dass Eltern auch weiterhin einen Beitrag für die Teilnahme ihrer Kinder an Tagesausflügen, Verbrauchsmaterialien für den Unterricht, aber auch für Anschaffungen, die auch privat genutzt werden, wie zum Beispiel Sportklamotten, leisten müssen, finden auch wir angemessen. Dennoch muss der Schulbesuch für alle erschwinglich sein, und ein

(Kai Vogel)

kleines Einkommen darf nicht zu einer Benachteiligung oder zum Teilhabeproblem führen.

Dass das aktuell immer noch der Fall ist, hat uns das Lernen auf Distanz, das durch die Coronapandemie erforderlich wurde, leider überdeutlich gezeigt. Ob Schülerinnen und Schüler gut durch die Krise gekommen sind, hing nicht unerheblich von der Unterstützung durch das Elternhaus ab. Teilweise hatten die Schülerinnen und Schüler kein geeignetes Endgerät, oder das Datenvolumen reichte nicht mehr für die Englischhausaufgaben. Wir müssen also in Zukunft dafür sorgen, dass Schulen ihre Schülerinnen und Schüler mit allem ausstatten, was nötig ist, denn digitaler Unterricht auf Distanz kann nur funktionieren, wenn alle Schülerinnen und Schüler über geeignete digitale Endgeräte und eine stabile Internetverbindung verfügen.

Deshalb begrüßen wir ausdrücklich die Vereinbarung mit dem Bund über ein zusätzliches Sofortprogramm für digitales Lernen. Mit diesem Geld wollen wir unter anderem dafür sorgen, dass alle Schülerinnen und Schüler ein eigenes Leihgerät haben. Es gibt neuerdings auch eine Vereinbarung mit dem Bund, dass sie alle einen Internetanschluss haben sollen.

Die Leihgeräte konnten schon in den Sommerferien beschafft werden. Inzwischen läuft die Auslieferung an vielen Orten. Die Lösung fürs Internet ist auch auf dem Weg. Die Schulen werden also zukünftig digitale Endgeräte besitzen, die ausgeliehen und auch zu Hause benutzt werden können.

Zum parlamentarischen Prinzip gehört, dass die Opposition die Maßnahmen der Landesregierung und der regierungstragenden Fraktionen kritisch kommentiert. Insofern war zu erwarten, dass der Opposition unsere Maßnahmen nicht weit genug gehen. Ich gebe zu, wir Grüne hätten uns gewünscht, dass wir im Bereich der Schülerbeförderung größere Schritte machen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da ist die regionale Spreizung durch die unterschiedlichen Regelungen in den Kreisen sehr groß. Wir Grüne treten für ein landesweites 365-€-Ticket für Schülerinnen, Schüler und Azubis ein. An dem Thema müssen wir weiterarbeiten.

(Zuruf Beate Raudies [SPD] - Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu den anderen Punkten des SPD- und SSW-Antrages: Die Dynamisierung der auskömmlichen Ausstattung BUT läuft. Der Internetzugang wird zum Beispiel auch darüber geregelt.

Bei der Ganztagsoffensive laufen auch die Verhandlungen. Wenn der Bund einen verbindlichen Ganztag fordert, dafür aber nur 2 Milliarden € zur Verfügung stellt, kann das nicht funktionieren. Da scheint es aber Bewegung auf Bundesebene zu geben, unsere Bildungsministerin ist an dem Thema dran. Wir brauchen da eine gemeinsame Finanzierung, weil der Ganztag enorm wichtig ist, um die Nachhilfekosten zu reduzieren. Über die Kindergrundsicherung laufen auch Diskussionen. Das ist seit Langem eine grüne Forderung. Ich hoffe, dass wir da zu einer gemeinsamen Lösung kommen.

Frau Abgeordnete, Sie müssen zum Schluss kommen.

Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Fraktion der FDP hat die Abgeordnete Anita Klahn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Lernmittelfreiheit ist wichtig für die Bildungsgerechtigkeit. Es ist keine Frage, dass beim Bildungserfolg die Schülerinnen und Schüler nicht vom Portemonnaie der Eltern abhängig sein dürfen. Langfristig entstehen der Gesellschaft immense Kosten, wenn die Zahl der Schulabbrecher hoch ist, auf höherwertige Schulabschlüsse verzichtet wird und als Folge gegebenenfalls ein Leben lang unterstützende staatliche Maßnahmen nötig werden.

Richtig, Kollege Vogel: Nicht nur für Familien mit geringem Einkommen ist der schulische Einkaufszettel zum Schuljahresbeginn eine echte Herausforderung. Der ursprüngliche Gedanke, dass Eltern nur Verbrauchsmaterialien von geringem Wert zu beschaffen hatten, wurde inzwischen auf Gegenstände mit einem zusätzlichen persönlichen Nutzen im außerschulischen Bereich ausgeweitet. Wir denken an die Diskussion um Zirkel und Atlas. Schulbuchverlage haben teure Arbeitshefte entwickelt, deren Nutzen teilweise hinterfragt werden darf. Hier haben Lehrkräfte eine besondere Verantwortung.

(Beifall FDP)

(Ines Strehlau)

Die Erhöhung der Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket auf 150 € war wichtig, auch wenn ich mir persönlich vorstellen könnte, dass dieser Betrag weiter erhöht werden kann. Das wäre für den Bundeshaushalt eine überschaubare Ausgabe, für die betroffenen Familien aber ein ganz immenser Beitrag.

(Beifall Kay Richert [FDP])

Das gilt auch für den Wegfall der Eigenanteile für das gemeinschaftliche Mittagessen.

Die Digitalisierung - ganz besonders jetzt in Zeiten von Corona - hat bei der Lernmittelfreiheit neue Fragen aufgeworfen. Die Anschaffung von Tablets und anderen Endgeräten ist teuer. Umso erfreulicher ist es, dass wir mit den Mitteln aus dem Sofortausstattungsprogramm und den zusätzlichen Landesmitteln an dieser Stelle die ersten Schritte einleiten konnten, damit Lehrkräfte und Schüler entsprechend ausgestattet werden können. Wir haben doch jetzt erfahren: „Bring your own device“ bedeutete häufig, dass die Schülerinnen und Schüler nur ein Smartphone mitbringen. Das ist aber kein angemessenes Lernmittel.

(Beifall Kay Richert [FDP])

Niedrige Kosten sind auch eine Frage der Entscheidungsverantwortung. Hier sind mehrfach die Klassenfahrten angesprochen worden. Auch ohne Corona stellt sich wirklich die Frage: Wie umfangreich müssen sie sein? Ich möchte eines klarstellen: Die Schulkonferenzen entscheiden grundsätzlich, ob Klassenfahrten stattfinden, die Klassenkonferenzen entscheiden dann, in welcher Art und Weise und mit welchen Kosten sie stattfinden. An dieser Stelle können Eltern, Schüler und Lehrkräfte Grenzen setzen. Sie sollen diese Möglichkeit bitte auch nutzen.

(Beifall FDP)

Auch beim immer wichtiger werdenden Thema Nachhilfe geht es nicht allein um die Frage der Lernmittelfreiheit. Wir müssen uns auch die Frage stellen, ob es nicht einen strukturellen Grund hat, warum die Erteilung von Nachhilfe immer stärker gefragt wird. Meiner Meinung nach ist die Erteilung von Nachhilfe weniger eine Frage der Lernmittelfreiheit, sondern eine Frage der Unterrichtsgestaltung oder auch der passenden Schulform. Denn wenn wir guten Unterricht anbieten und die Schülerinnen und Schüler auf derjenigen Schule sind, die ihrem Leistungsvermögen und ihren Fähigkeiten entspricht, sollte die Erteilung von Nachhilfe eher die Ausnahme und nicht die Regel sein.

(Beifall FDP)

An dieser Stelle hat der Wegfall der verbindlichen Schulartempfehlung sicherlich einen Beitrag geleistet, dass sich manchmal falsch verstandener Ehrgeiz der Eltern in einem Übermaß an Nachhilfe niederschlägt. Ehrlicherweise spielen aber immer noch zu häufiger Unterrichtsausfall und fachfremd erteilter Unterricht eine Rolle.